Calvin, Jean - Der Prophet Jesaja - Kapitel 56.
V. 1. So spricht der Herr: Haltet das Recht usw. Diese Stelle ist bemerkenswert, weil der Prophet hier auf die Forderungen Gottes an uns hinweist, zugleich aber uns auf die Zeichen seiner Güte aufmerksam macht und auch, um die Versöhnung als gewiss hinzustellen, seine uns geneigte Gesinnung verheißt. Gott fordert von uns eine Bekehrung, die Herz und Sinn umwandelt, sodass wir die Welt gering achten und nach dem Himmel trachten. Daneben sucht er Früchte der Buße. Mit den Worten „Recht und Gerechtigkeit“ meint er alle Pflichten der Liebe. Diese bestehen darin, dass wir nicht nur uns des Unrechts enthalten, sondern auch mit unseren Mitteln dem Nächsten helfen. Dies ist der Inhalt der zweiten Tafel. In ihrer Beobachtung liefern wir den Beweis der Frömmigkeit, - wenn sie überhaupt in uns vorhanden ist. Deshalb rufen die Propheten uns immer zu dieser Pflicht zurück. Daraus kann am besten unser Wesen und unsere wahre Lauterkeit erkannt werden, während die Heuchler in ihrem Zeremonienwesen oft trügen. Der Herr gibt nun den Grund an und zugleich die bewirkende Ursache dafür, dass alle Menschen dieses neue Leben beginnen müssen: Tut Gerechtigkeit; denn mein Heil ist nahe. Weil die Gerechtigkeit Gottes sich uns naht, so müssen auch wir unsererseits hinzutreten. Der Herr nennt sich gerecht und bezeichnet die Gerechtigkeit als seine Gerechtigkeit, - nicht als ob er dieselbe bei sich verschlossen halten wollte, sondern weil er sie über die Menschen ausgießt. Ähnlich nennt er das Heil, durch das er die Menschen vom Verderben errettet, sein Heil. Wenn nun auch diese Rede an die Juden gerichtet ist, damit sie in Aufrichtigkeit des Herzens und im Trachten nach Reinheit sich Gott, ihrem Erlöser, dankbar erzeigten, so gilt sie doch uns nicht weniger. Denn die ganze Welt ist in sich verloren, wenn sie nicht einzig und allein von Gott gerettet wird. Recht beachtenswert ist also die Mahnung, dass wir umso mehr nach der Frömmigkeit streben sollen, je näher wir Gott stehen. Darum mahnt auch Paulus (Röm. 13, 12): „Lasset uns ablegen die Werke der Finsternis und anlegen die Waffen des Lichts, sintemal unser Heil jetzt näher ist, denn da wir gläubig wurden.“
V. 2. Wohl dem Menschen, der solches tut. Glücklich werden gepriesen, die solche Lehre annehmen, sich Gott ergeben und rechtschaffen leben; zugleich aber wird angedeutet, dass es noch viele Taube und Ungelehrige geben werde. Damit nun aber ihre Verderbtheit und Trägheit die Auserwählten nicht zum Zögern veranlasse, empfiehlt der Prophet die gegebenen Mahnungen durch den Hinweis auf ihre Frucht und Wirkung. Um also die Gläubigen zu einem unverzüglichen Beginnen eines gerechten Lebens zu ermuntern, preist er diejenigen glücklich, denen diese Weisheit gegeben ist. Die Worte „Recht und Gerechtigkeit“ im vorigen Verse enthalten, wie wir sagten, die Pflichten der zweiten Tafel; hier aber folgt der Hinweis auf den Sabbat, also auf die erste Tafel. Alles in allem will Jesaja sagen, dass Leute, die sich dem Herrn unterwerfen und von Herzen sein Gesetz halten, glücklich sein werden. Denn auf solche wird das Heil und die Gerechtigkeit Gottes kommen. Während nun die Menschen sich gedankenlos in ihren Bestrebungen hin und her treiben lassen und mannigfache Wege einschlagen, um zu Gott zu kommen – so erklärt der Herr, dass es nur einen Weg gibt, nämlich den, dass man sein Leben nach der Vorschrift des Gesetzes zu führen suche; sonst müht man sich in allen anderen Dingen vergeblich ab. Diese beachtenswerte Stelle sagt uns, dass Gott nur an der Beobachtung des Gesetzes Gefallen findet. Auf die Frage, ob die Menschen sich durch ihre Werke die Gerechtigkeit und das Heil verschaffen können, wird man die Antwort leicht finden können. Der Herr gewährt uns ja sein Heil nicht so, als ob wir ihm durch unsere Verdienste zuvorkämen – er kommt vielmehr uns zuvor -, sondern er bietet sich uns umsonst an und fordert nur, dass wir unsererseits zu ihm kommen. Wenn er also aus freien Stücken uns sucht und seine Gerechtigkeit umsonst darbietet, dann müssen wir allen Fleiß anwenden, dass wir einer solchen Wohltat nicht beraubt werden. – Der Sabbat war nach 2. Mose 31, 13 ff. und Hes. 20, 12 ein besonderes Zeichen der Gottesverehrung; er schließt alle Übung der Frömmigkeit in sich, natürlich der Sabbat nebst allem, was mit ihm zusammenhängt. Gott macht sich nichts aus der äußeren Beobachtung, und unsere Arbeitsenthaltung erfreut ihn nicht; vielmehr verlangt er von uns ernste Selbstverleugnung und völlige Hingabe an ihn. Dazu tritt nachher als zweites Stück die Übung der Liebe. Die rechte Gottesverehrung besteht also, wenn man alles zusammenfasst, in aufrichtiger Frömmigkeit und in der Lauterkeit der Lebensführung. Der Prophet sagt und zeigt uns die vom Gesetz des Herrn gewollte, wahre Gerechtigkeit, auf dass wir daran uns genügen lassen. Einen anderen Weg zur Vollkommenheit sucht man vergeblich. Hier muss jede erdichtete Gottesverehrung und jeder Aberglaube zusammenbrechen, überhaupt alles, was die Menschen sich ohne Gottes Wort ausgedacht haben.
V. 3. Und der Fremde usw. Die Gnade Gottes wird derartig sein, dass auch Leute, die früher ferne von ihm standen, und denen gleichsam der Zugang verschlossen war, eine neue Stellung erhalten und zur ursprünglichen Vollkommenheit erneuert werden sollen. Ihrer Klage tritt der Herr entgegen: sie sollen nicht sagen, dass sie verworfen, unwürdig und Fremde seien oder durch irgendeinen Umstand gehindert würden; der Herr nimmt alle Hindernisse weg. Man kann dies sowohl auf die Juden beziehen, die eine zeitweilige Verwerfung den draußen stehenden Heiden ähnlich gemacht hatte, als auch auf die heidnischen Völker selbst. Ich beziehe es auf beide, in Übereinstimmung mit der Weissagung des Hosea (2,25): „Ich will mein Volk nennen, was nicht mein Volk war.“ Wenn diese Leute aber als solche bezeichnet werden, die zum Herrn sich getan haben, so ist das ein Hinweis darauf, dass dieser Trost sich nur auf diejenigen bezieht, die dem Rufe Gottes gefolgt sind. Viele sind nämlich Verschnittene, die Gott seiner Gnade nicht würdigt, viele Fremdgeborene, die nicht zum Volke Gottes gehören. Diese Verheißung wird also auf solche beschränkt, die berufen sind und dem Rufe folgten. Mit den beiden Bezeichnungen „Fremdgeborene“ und „Verschnittene“ sind alle diejenigen gemeint, die Gott der Zugehörigkeit zu seinem Volk für unwürdig hält. Denn zum Eigentum hatte Gott sich das Volk ausgesondert, das er nachher aus dem Erbe vertrieb; die Heiden waren von seinem Reiche gänzlich ausgeschlossen, wie genugsam aus der ganzen Schrift bekannt ist. So schreibt Paulus (Eph. 2, 12 f.): „Ihr wart fremd und außer der Bürgerschaft Israels und fremd den Testamenten der Verheißung, daher ihr keine Hoffnung hattet und wart ohne Gott in der Welt. Nun aber seid ihr, die ihr in Christo Jesu seid und weiland ferne gewesen, nahe geworden durch das Blut Christi.“ Es konnten also die Heiden anfangs zweifeln, ob die Wohltat der Aufnahme in die Kindschaft, die eigentlich den Juden galt, auch auf sie sich beziehen sollte. Wir wissen auch, wie sehr die Apostel widerstrebten, obwohl doch der Herr befahl, das Evangelium der ganzen Welt zu verkündigen. Denn sie dachten, die Botschaft Gottes werde entweiht, wenn sie Heiden und Juden ohne Unterschied gepredigt würde. Dieselbe Ängstlichkeit konnte auch das auserwählte Volk beunruhigen, seitdem als Zeichen der Verwerfung die Vertreibung aus dem gelobten Lande eingetreten war. Der Prophet fordert sie auf, diese Bedenken fahren zu lassen.
Verschnittene. Dies Wort deutet auf alle, die irgendein Zeichen der Schande an sich haben, das sie vom Volke Gottes trennt. Denn die Verschnittenen und die Kinderlosen erschienen als von Gott verworfen und ausgeschlossen von der Verheißung Gottes an Abraham, sein Same werde sein wie die Sterne am Himmel oder wie der Sand des Meeres. Der Prophet fordert nun schließlich alle auf, von sich abzusehen, die Aufmerksamkeit völlig auf den Ruf Gottes zu richten und also dem Glauben Abrahams nachzufolgen, der weder seinen erschöpften Körper noch den erstorbenen Leib der Sarah ansah, auch nicht im Unglauben über die Macht Gottes nachgrübelte, sondern vielmehr gegen alle Hoffnung hoffte (Röm. 4, 19 ff.). Die dem Schimpf und der Verachtung Preisgegebenen fordert der Prophet auf, das Misstrauen fahren zu lassen; denn vor Gott gilt kein Ansehen der Person, wie Petrus sagt, sondern in allerlei Volk, wer ihn fürchtet und recht tut, der ist ihm angenehm (Apg. 10, 34).
V. 4. Denn so spricht der Herr usw. Es folgt die Zusicherung: die aufrichtigen Gottesverehrer, die den Sabbat beobachten und festhalten an der Gerechtigkeit des Gesetzes, werden, auch wenn sie Verschnittene sind oder sonst ein Hindernis vorliegt, nichtsdestoweniger einen Platz in der Gemeinde erhalten. Damit sollen wohl die äußeren Zeichen, deren die Juden sich rühmten, für bedeutungslos erklärt werden. Denn die neue Gemeinde besitzt nicht eine äußere, sondern eine geistliche Würde, und die Gläubigen sind, auch wenn sie vor der Welt nicht viel bedeuten, ja sogar verachtet und gehasst werden, doch bei Gott angesehen. Wenn der Herr nun mit der Beobachtung des Sabbats den Gehorsam und das Festhalten am Bunde zusammenstellt, so kann man daraus entnehmen, dass er nicht eine oberflächliche Beobachtung der äußeren Form, sondern vollkommene Heiligkeit im Sinne hat. Damit werden allerdings den Kindern Gottes wiederum Zügel angelegt, sie sollen eben auch nicht im geringsten von der Vorschrift des Gesetzes abweichen; sie dürfen nicht auswählen, was ihnen passt, sondern was Gott für gut und ihm wohlgefällig erklärt. Sowohl Heuchelei als unüberlegter Eifer werden hier verurteilt, indem Gott sowohl seinen Willen den Menschensatzungen entgegenstellt, als auch seinen Bund ernstlich ergriffen wissen will.
V. 5. Ich will ihnen in meinem Hause einen Ort geben. Hier sehen wir, wie der Zugang zum Reiche Gottes allen, auch den Unwürdigen, offen steht. Die Worte enthalten eine Anspielung auf Jerusalem und den Tempel, in welchem der Herr das Gedächtnis seines Namens errichtet hatte. Dort wurde einzig und allein den Juden ein Platz gewährt; man hätte den Tempel für entweiht erachtet, wenn jemand von den Heiden ihn betreten hätte. Deswegen erhob sich ja auch ein solch großer Aufruhr gegen Paulus, weil er angeblich Unbeschnittene dorthin geführt hatte (Apg. 21, 28). Jetzt aber gewährt der Herr denen, die er früher fern hielt, ohne Unterschied den Zutritt. Fürwahr, er hat diesen Unterschied aufgehoben, indem er uns, die Fremdgeborenen, in seinen Tempel, d. h. in seine Gemeinde, hineinführte. Diese aber umfasst nicht das kleine Gebiet von Judäa, wie einst, sondern ist über den ganzen Erdkreis ausgebreitet.
Einen Namen, besser denn Söhne und Töchter. Man kann fragen, ob der Herr die damals zur Gemeinde gehörenden Juden mit den nachher an ihre Stelle tretenden Gläubigen, oder ob er den zukünftigen Zustand des Volkes mit dem Zustand jener Zeit vergleicht. Gewiss haben die Heiden heute einen besseren Namen als die Juden, die wegen ihres Unglaubens verworfen sind; wir sind ja – mit Paulus (Röm. 11, 24) zu reden – an ihre Stelle getreten, wie wilde Ölzweige, die in einen guten Ölbaum eingepfropft sind. Der Sinn wäre also der, dass die Verschnittenen und Fremdgeborenen einen besseren Namen haben würden als die Söhne und Hausgenossen, die gleichsam das Eigentum Gottes waren. Ich ziehe aber folgende Erklärung vor: die Gläubigen werden unter Christus eine größere Würde haben als unter dem Gesetz. Die Patriarchen haben einen herrlichen Namen gehabt, da sie Gott Vater nannten und durch einen Bund mit ihm vereinigt waren; aber viel reichlicher ist Gottes Gnade über uns ausgeschüttet durch die Ankunft Christi, darum haben wir in ihm einen viel herrlicheren Namen erlangt. Diesen Namen nennt der Herr einen ewigen, weil er im Himmel angeschrieben ist, wo er für alle Zeit herrlich glänzen wird. Die Gottlosen wollen ihren Namen in dieser Welt verherrlicht sehen und sorgen für ihren Ruhm, auf dass das Andenken an ihren Namen immer bleibe, während es doch so vergänglich und flüchtig ist. Aber ganz anders ist dieser Name, denn er macht uns zu Erben des himmlischen Reiches, sodass wir nun vor den Engeln als Kinder Gottes gelten.
V. 6. Und die Fremden usw. Was wir soeben hörten, dass Gott allen ohne Unterschied die Türen seines Tempels öffnen wolle, wird hier wiederholt. Es gibt fortan keinen Unterschied zwischen Juden und Heiden. Dass sie sich zum Herrn getan haben, sagt der Prophet von denjenigen, die sich der Herr durch sein Wort verbindet, welches das verknüpfende Band unserer Kindschaft ist. Dies ist die Verlobung in Barmherzigkeit und Glauben, von welcher Hosea (2, 19 f.) spricht. Des Weiteren räumt der Herr diesen Leuten nicht nur die Vorhalle zum Anbeten ein, wie es früher dem Volke zukam, sondern gibt ihnen eine viel ehrenvollere Stellung, indem er sie, die vorher Unheiligen, als seine Knechte, d. h. als Priester oder Leviten, ansieht. Beachten müssen wir aber die sofort im Folgenden genannte Absicht der Berufung: Sie sollen unter der Bedingung Diener Gottes sein, dass sie seinen Namen lieben. Hier werden also die Heuchler ausgeschlossen, denn mit der Berufung ist der Dienst Gottes, und zwar der freudig freiwillige, verbunden. Ohne diesen freiwilligen Gehorsam kann es keinen Gottesdienst geben. Und was hinsichtlich der Almosen gilt, dass Gott einen fröhlichen Geber lieb hat, das muss auf alle Lebensverhältnisse angewendet werden: wir sollen Gott gern und willig ehren.
Ein jeglicher, der den Sabbat hält. Wiederum wird der Sabbat erwähnt, unter dessen Namen der ganze Gottesdienst verstanden werden soll. Bei seiner Beobachtung wurde vom Volk das Wichtigste vernachlässigt. Man begnügte sich mit den äußerlichen Gebräuchen und vergaß das Wesentliche, nämlich die Besserung des Lebens. Eine solche Ruhe verlangte der Herr von ihnen, dass sie Herz und Hand rein hielten von aller Bosheit und Freveltat.
Und meinen Bund festhält. Dies Wort drückt die eifrige Beständigkeit derjenigen aus, die sich dem Herrn unterwerfen und festhalten an seinem Wort. Wenn wir also durch einen Bund mit Gott verknüpft sind, müssen wir ihm und der göttlichen Lehre treu anhangen, damit wir in keiner Weise von ihm getrennt werden können.
V. 7. Dieselbigen will ich zu meinem heiligen Berge bringen. Dieser neue Ausdruck deutet auf das Gleiche, wie die vorangehenden Sätze, nämlich auf die Berufung der vorher ausgeschlossenen Fremdgeborenen zur Gemeinde Gottes. Der Unterschied zwischen Beschneidung und Vorhaut wird fernerhin aufgehoben sein. Dies kann nicht auf die Proselyten bezogen werden, welche durch die Beschneidung in das Volk Gottes aufgenommen wurden. Dies wäre ja nichts Neues und Ungewohntes gewesen. Vielmehr wird hier hingewiesen auf die Notwendigkeit der Ausbreitung der göttlichen Gnade über den ganzen Erdkreis; das ist nur möglich, wenn die Heiden den Juden hinzugestellt werden, damit sie einen Leib bilden. Dies erfolgt aber durch die Aufhebung des Unterschieds zwischen Beschneidung und Vorhaut. Nichts hindert also die Heiden, Gott zu dienen, wenn sie zu dem Tempel, d. h. zur Gemeinde der Frommen, berufen sind. Es wird sogar, wie wir vorher sahen, das Priestertum vom Stamme Levi nicht nur auf das ganze Volk, sondern auch auf die Draußenstehenden übertragen. Der große Widerwille der Juden gegen diese Lehre ist genügend bekannt. Denn wenn sie auch diese Worte des Propheten lesen, so halten sie es doch für etwas ganz Ungeheuerliches, dass die Heiden zu der großen Gottesgüte berufen werden, die eigentlich nur für sie bestimmt war. Die Meinung des Propheten aber ist klar; sie kann nur von der größten Unverschämtheit in Zweifel gezogen werden. Wie erstrebenswert diese Gnade Gottes ist, deutet der Prophet durch einen Hinweis auf ihre Frucht an: und will sie erfreuen in meinem Bethause. Einen gnädigen Gott haben, das ist wahre und bleibende Freude. Wir wissen freilich, dass die Gottlosen ausgelassene Freude haben, aber diese verwandelt sich in Zähneklappern, weil sie von Gott verflucht sind. Dagegen erfüllt Gott die Herzen der Frommen mit der köstlichsten Freude, nicht nur durch Offenbarung seiner gnädigen Gesinnung, sondern auch dadurch, dass überall, wo er durch den glücklichen Ausgang der Dinge seine wohlwollende Zuneigung zu erkennen gibt, jene köstliche Freude eintritt, die ihren Grund hat in dem Frieden des Gewissens. Diese Freude schreibt Paulus dem Reiche Gottes zu (Röm. 14, 17), an dem wir ja teilhaben, wenn wir mit Gott durch Christus versöhnt sind. Des Weiteren verheißt der Herr, dass Opfer und Brandopfer ihm angenehm sein sollen. Denn dies ist ja das Ziel, zu dem wir alle berufen sind, dass wir uns und alles, was wir haben, dem Herrn darbringen. Unter dem Opfer ist aber die geistliche Gottesverehrung zu verstehen, wie sie im Evangelium geboten wird. Der Sprachgebrauch des Propheten bequemt sich der Sitte seiner Zeit an, in welcher die Gottesverehrung noch in mannigfache Zeremonien eingehüllt war; nun aber bringen wir statt der Opfer Lobgesänge, Taten der Dankbarkeit, gute Werke, ja uns selbst dem Herrn dar. Dass dies alles dem Herrn angenehm ist, wollen wir nicht auf den Wert und die Trefflichkeit der Leistung selbst gründen, sondern auf Gottes unverdientes Wohlgefallen. Er hätte guten Grund, unsere Darbringungen zu verwerfen, wenn er sie nach ihrem eigenen Wert einschätzte. Aber das Bewusstsein, dass unsere Werke, die nichts sind, dem Herrn als lautere Opfer wohl gefallen, muss uns wie ein Stachel zur eifrigen Pflege des Dienstes Gottes antreiben. Er fügt hinzu: auf meinem Altar, - denn die Opfer konnten dem Herrn nur wohlgefällig sein auf dem Altare, von dem sie ihre Heiligung erhielten. So ist auch alles, was wir darbringen, unrein, wenn es nicht von Christus, unserem Altar, die Heiligung empfängt.
Mein Haus wird heißen ein Bethaus allen Völkern. Früher war der Tempel allein für die Juden bestimmt, von denen Gott insonderheit angebetet sein wollte. Denn wenn Paulus (Röm. 9, 4) auf den Vorzug der Juden vor den Heiden hinweist, dann sagt er: ihnen gehörte der Gottesdienst. Der Tempel war also für sie selbst mit einem einzigartigen Vorrecht ausgestattet, während den übrigen Völkern dasselbe Recht nicht gewährt war. Nun aber wird der Unterschied aufgehoben, und allen Menschen, welchem Volk auch immer sie angehören und wo auch immer sie wohnen mögen, steht der Zugang zum Tempel, d. h. zum Hause Gottes, offen. Er ist ja derartig erweitert, dass er sich über alle Erdteile erstreckt; alle Völker sind zum Dienste Gottes berufen. Hier haben wir den klaren Unterschied zwischen Gesetz und Evangelium: Ein einziges Volk hatte unter dem Gesetz den wahren Gottesdienst, diesem war deswegen vor allem der Tempel überwiesen. Nun aber ist allen ohne Unterschied der Zugang zum Tempel Gottes geöffnet, damit sie in ihm, d. h. überall, Gott wahrhaftig anbeten. Der Prophet beschreibt hier das geistliche Reich Christi, in dem man überall reine Hände erheben und Gott anbeten soll. Aber nicht mehr in jenem Tempel, wie Christus sagt (Joh. 4, 21) soll Gott angebetet werden, sondern die wahrhaftigen Anbeter beten ihn im Geist und in der Wahrheit an. Somit sehen wir diese klare Weissagung erfüllt; denn für alle Völker ist das Haus Gottes ein Bethaus geworden, von allen, d. h. von jeder Zunge, soll er Abba, Vater, genannt werden, und die Juden sollen fortan nicht mehr allein sich rühmen, Gott zu haben. Die Propheten mussten, damit sie von allen verstanden wurden, ihre Sprache den Zeitverhältnissen und Gebräuchen anpassen. Die Zeit der vollen Offenbarung war ja noch nicht da, sondern der Gottesdienst war noch mit verschiedenen Formen umhüllt. Übrigens war der dem Namen Gottes geweihte Tempel zweifellos wirklich sein Haus. Denn durch Mose hatte der Herr bezeugt (2. Mose 20, 24): „An welchem Ort ich meines Namens Gedächtnis stiften werde, da will ich zu dir kommen.“ Und Salomo sagt bei der Einweihung des Tempels (1. Kön. 8, 33): „Wenn sie kommen werden zu beten in diesem Hause, so wollest du sie erhören im Himmel, in dem Hause deiner Wohnung.“ Darum schilt Jesus die Juden (Mt. 21, 13), dass sie das Haus seines Vaters zu einer Räuberhöhle gemacht hätten, und verbindet jene Stelle mit Jer. 7, 11. Ein Bethaus nennt aber Christus den Tempel in Rücksicht auf jene Zeit, in der das Evangelium noch nicht ausgebreitet war. Denn, wenn er auch selbst schon aufgetreten war, so hatte er doch noch nicht die frohe Botschaft ausgehen lassen, und die Gebräuche des Gesetzes waren noch nicht abgeschafft. Als aber der Vorhang im Tempel zerrissen war und die Vergebung der Sünden verkündigt wurde, hat diese Bevorzugung des Tempels nebst den übrigen Zeremonien aufgehört. Denn nun begannen alle Völker, Gott überall anzurufen. Es ist hierbei zu bemerken, dass wir zu dem Zweck in die Gemeinde berufen werden, um Gott anzurufen. Eitel ist das Rühmen solcher, die zwar zur Gemeinde gehören, aber doch das Gebet und die wahrhaftige Anrufung Gottes verachten. Wo auch immer wir uns aufhalten mögen, diese Glaubensübung darf von uns nicht vernachlässigt werden. Aus den Worten Jesajas lernen wir, dass dies das wichtigste und höchste Opfer ist, das Gott von uns fordert, wie auch nach Ps. 50, 15 die Heiligkeit des Tempels auf der eifrigen Pflege des Gebets beruht.
V. 8. Der Herr Herr usw. Jesaja bestätigt wiederum die früheren Zeugnisse über die Wiederherstellung des Volkes. Zwar hat er in herrlichen Worten die göttliche Gnade, die das Volk befreien wollte, gepriesen, aber der Zustand der Gemeinde war derartig, dass diese Verheißungen lächerlich erschienen. Derartige Wiederholungen sind also nicht überflüssig, sondern notwendig zur Aufrichtung der ängstlichen Gemüter, damit sie von dem, was sonst unglaublich ist, eine sichere Überzeugung gewinnen können.
Der die Verstoßenen aus Israel sammelt. Diese Bezeichnung Gottes entspricht den Umständen. Zu seinem Werk gehört es, die versprengte Gemeinde zu sammeln, wie man es auch in Ps. 147, 2 lesen kann. Er verheißt nicht nur, sie zu sammeln, sondern auch andere Völker ihr hinzuzufügen, damit die Gemeinde sich kräftig ausbreite und zunehme. So oft wir also, beunruhigt durch die mannigfachen Bedrängnisse der Gemeinde, an ihrer Sammlung zweifeln, müssen wir diesen Schild dagegen halten: Es ist des Herrn Werk, die Zerstreuten Israels zu sammeln; sie mögen noch so getrennt und versprengt sein, er wird sie mit Leichtigkeit wieder zusammenbringen.
Ich will noch mehr zu dem Haufen, die versammelt sind, sammeln. Dieser Satz nimmt nach meiner Meinung Bezug auf den Inhalt des vorigen Verses, dass fortan der Tempel allen Völkern offen stehen soll. Der Herr will zu den bereits gesammelten Juden noch viele andere hinzufügen, wie es ja auch geschehen ist. Aber nicht nur die in Babylonien Zerstreuten hat er gesammelt, er hat ebenso gehandelt, als es später zersprengte Scharen häufig, ja fast täglich gab. Niemals hat er mit diesem Sammeln aufgehört, sodass er zu denen, die er bereits gesammelt hatte, immer wieder eine große Schar hinzufügte.
V. 9. Alle Tiere auf dem Felde, kommt! Diese Weissagung steht scheinbar in Widerspruch mit den früheren, denn die bisherigen Reden des Propheten waren voll von dem süßesten Troste; jetzt aber scheint er heftig zu drohen und eine furchtbare Verwüstung anzukündigen. Dies mag uns zwar widerspruchsvoll erscheinen, braucht uns aber, nachdem er die Frommen getröstet hat, nicht zu überraschen. Er ermuntert sie im Voraus hinsichtlich des kommenden Unheils, damit sie nicht, wenn alles dem Untergang nahe zu sein scheint, den Mut sinken lassen. Zugleich soll die Not sie drängen, umso ernster und brünstiger ihre Zuflucht zur göttlichen Gnade zu nehmen. Es kommt noch ein anderer Grund hinzu: da die Heuchler die göttlichen Verheißungen missbrauchen und sie fälschlicher Weise für sich in Anspruch nehmen, machen sie sich eitle Hoffnungen und rühmen sich maßlos solcher Dinge, an denen sie gar keinen Anteil haben. Diesen will Jesaja den Grund für das falsche Rühmen nehmen. Seine Absicht war also eine doppelte: Erstens sollen die Frommen nicht mutlos werden bei den mannigfachen Heimsuchungen, die sie nahe an den Untergang bringen könnten; ja sie sollen, wenn sie in der noch ruhigen Gegenwart mit dem Auge des Glaubens die zukünftige Not von ferne erkennen, sich mit diesem Troste zufrieden geben. Zweitens will er die Heuchler durch Furcht und Schrecken erschüttern, dass sie nicht in eitlem Vertrauen übermütig werden und unter dem Deckmantel dieser Verheißungen sich nicht allzu sehr gehen lassen. Deshalb ruft Gott nicht Menschen, sondern wilde Tiere herbei, die das Volk zerreißen sollen. Die Frommen aber sollen bei dem Kommen dieser wilden Tiere sich nicht in Verwirrung bringen oder zum Unglauben verleiten lassen. Gleichwohl will der Prophet auch sie durch Erregung von Furcht zur Buße führen und zur Ergreifung der göttlichen Barmherzigkeit ermahnen, damit die Verheißungen nicht hinfällig werden. Mit der Bezeichnung „Tiere des Feldes“ meint er alle möglichen Arten; nicht bloß die Chaldäer und die Assyrer versteht er darunter, sondern auch den Antiochus, die Römer und die übrigen Feine des Volkes, von denen es mannigfache Schläge erlitten hat; vor allem aber hat er jene Niederlage im Auge, die das Volk von den Chaldäern bei der Wegführung in die elende Knechtschaft erlitt.
V. 10. Alle ihre Wächter sind blind. Jetzt vernehmen wir den Grund für die Vernichtung des Volkes: es wird von schlechten Fürsten und Hirten regiert. Nicht als ob der Prophet auf diese allein die Schuld schieben und das Volk für unschuldig erklären wollte, - aber hier lag der Ursprung des Übels. Wir werden ja nicht frei von Schuld, wenn wir blinden Führern folgen, vielmehr empfangen wir die Strafen, die unsere Übeltaten verdient haben. Denn die guten Führer nimmt Gott denjenigen, die er strafen will ob ihrer Undankbarkeit. Als „Wächter“ werden nicht nur die Propheten bezeichnet, denen das Lehramt übertragen war, sondern auch die Richter, Fürsten und Könige, die alles ordnungsmäßig hätten regeln müssen. Der Prophet versteht darunter die beiden Ämter der Fürsten und der Diener des Worts, die der Herr, wie die beiden Augen am Körper, zur Leitung der Gemeinde verordnet hat. Wenn sie nun schlecht und unzuverlässig sind, dann ist dies das größte Unglück für den Staat. Zuerst macht der Prophet ihnen ihre Unwissenheit zum Vorwurf. Es ist ja eine wertvolle Eigenschaft eines guten Hirten, dass er seine Pflicht kennt, dass er ein Urteil besitzt über das, was seiner Herde nützt oder schadet, und dass er eifrig wacht und gleichsam auf der Warte steht, um auf jede Weise der Herde Wohl zu fördern. Daher darf ihnen nichts ferner liegen als Unwissenheit und Blindheit. Nur derjenige, der die rechte Einsicht hat zur Leitung eines Volkes, wird ein geschickter Hirte sein können. Wenn der Prophet sie an zweiter Stelle stumme Hunde nennt, so wirft er ihnen Feigheit und Trägheit vor. Da ein guter Hirte Fleiß und Arbeit anwenden muss, streitet er ihnen durch diesen Vorwurf der Feigheit und Trägheit alles ab, was zum Wesen des Hirten gehört. Wenn wir also von guten Hirten verlassen werden und wenn an deren Stelle feige und ungeschlachte Tiere treten, dann sollen wir daran den Zorn Gottes erkennen und an das nahe Verderben denken. Denn der Prophet droht dem Volke den Untergang an, sobald die Hirten stumm werden. Daraus ergibt sich, dass sie von Gott zu einem Dienste, wie ihn die Hunde leisten, bestellt sind, d. h. sie sollen wachen, die Räuber und Diebe verscheuchen und sie nicht in den Schafstall gelangen lassen. Wenn nun die Hunde solche treue Wachsamkeit und solche Anhänglichkeit an ihren Herren beweisen, dass sie immer für deren Wohl wachen und durch andauerndes Bellen die verscheuchen, von denen Gefahr droht, dann müssen die Hirten, die so feige und schläfrig sind, sich schämen, dass das unvernünftige Geschöpf sie übertrifft.
V. 11. Es sind aber gierige Hunde. Als dritte Sünde der schlechten Hirten wird ihre unersättliche Habgier genannt. Obgleich sie träge sind zur rechten Erfüllung ihres Dienstes, sind sie doch eifrig, ihre Speise zu erschnappen. Andere Erklärer dehnen die Worte des Propheten weiter aus und denken an die tyrannische Herrschaft der bösen Wächter, eine Sünde, die Hes. 34, 4 straft. Denn die falschen Propheten sind gewöhnlich stolz und benehmen sich hart und roh gegen das Volk Gottes. Wer aber genauer prüft, wird erkennen, dass der Prophet von ihrer unersättlichen Begierde redet, wie er dies alsbald noch weiter ausführt: ein jeglicher sieht auf seinen Weg, d. h. sie denken an ihre Angelegenheiten, ein jeder sucht nur das Seine. Jeder will dem andern vorgezogen werden, als ober er nur für sich selbst geboren wäre. Jeder ist der Habsucht ergeben, rafft alles an sich, vernachlässigt seine Pflicht und sorgt nur für seinen Vorteil. Daraus entnehmen wir, dass niemand Gott dienen kann, der niedrigen Begierden frönt; wer sein Denken und Sinnen auf die Vermehrung seines Besitzes richtet, bringt nicht den rechten Geist mit zur Erbauung der Gemeinde des Herrn. Es kann keine schlimmere Blindheit geben als die Habsucht. Umso mehr müssen die Hirten sich davor hüten, wenn sie sich als treue Knechte Gottes beweisen wollen. Wenn wir den Propheten über die bösen Wächter seiner Zeit klagen hören, dann sollen wir uns nicht in Verwirrung bringen lassen, wenn solches auch heute noch zutrifft; auch sollen wir es nicht für etwas Ungewöhnliches halten, dass so wenige dem Herrn ernstlich dienen.
V. 12. „Kommt her, lasst uns Wein holen.“ Nachdem der Prophet von der Habsucht und Gleichgültigkeit der Hirten geredet hat, schildert er ihre hoffnungslose Nichtswürdigkeit und Widerspenstigkeit. Er führt sie sprechend ein und macht uns mit ihren frechen Reden bekannt. Daraus erkennen wir, dass sie weder durch Ermahnungen noch durch Drohungen sich auf den rechten Weg zurückführen ließen und alles voll Gleichgültigkeit zurückwiesen. An einer anderen Stelle hat der Prophet die Worte der Verächter angeführt, die sich, während Gottes Knechte zur ernsten Buße mahnen, an Trinkgelagen und Gastmählern gütlich tun (22, 13 vgl. 28, 7 ff.): „Lasset uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Was sollen wir uns um jene Propheten kümmern? Wir werden uns nie wohl befinden, wenn wir auf ihre Worte hören usw. Eine ähnliche Klage wiederholt Jesaja hier, dass die Hirten sich so hartnäckig und unempfindlich gegen die göttlichen Gerichte zeigen. Er tadelt sie nicht etwa bloß deswegen, dass sie Wein und Most trinken; das ist ja an und für sich nichts Böses, - vielmehr tadelt er ihre trunkene und trotzige Gesinnung, in der die Menschen voll Übermut und Anmaßung das Wort Gottes verachten. An anderen Stellen wird der Missbrauch des Weines und die Trunkenheit verdammt, aber hier schilt der Prophet die wahnwitzige Frechheit, mit der die Hirten voll Übermut gegen Gott alle Drohungen, Mahnungen, allen Tadel, ja schließlich alle Religion mit Füßen traten. Zweifellos ist es ein schlimmes, schändliches Verbrechen, dass sie sich in Wein und ungehörigen Gelagen überluden, wohl in der Absicht, dass keine Scham und Furcht, keine Scheu vor Gott und Menschen sie in ihrer Sicherheit aufstören solle. So betäuben sich die Gottlosen durch alle möglichen Reizmittel, um desto frecher und zügelloser dem Abgrund zuzustürzen. Hier haben wir ein furchtbares und erschütterndes Beispiel dafür, welch eine gewaltige Gottes- und Religionsverachtung eintreten kann – nicht bei den Heiden, nicht bei der Hefe des Volkes, sondern bei den Fürsten und den ersten Männern, die den anderen durch ihr Beispiel hätten vorangehen sollen. Denn Könige und Priester tragen Gottes Zeichen und Bild. Wie unerträglich aber dieser Übermut ist, mit dem die Menschen wütend dem Worte entgegentreten, ist hinlänglich bekannt. Wir sind beklagenswerte und verlorene Leute, wenn wir diese Arznei, welche die letzte ist, zurückweisen und uns nicht vom Herrn zur Umkehr bringen lassen wollen. Deswegen verkündigt er an der anderen Stelle (22, 14), dass solche Nichtswürdigkeit niemals gesühnt werden könne. Somit wird hier die äußerste Gottlosigkeit gekennzeichnet, und es ist der Mühe wert, jene Worte sorgfältig zu erwägen: und soll morgen sein wie heute und noch viel mehr. Sie wollen besagen: Wenn es uns heute gut geht, dann soll es uns morgen noch besser gehen, lasst uns nicht vor der Zeit traurig sein. Sie vermehren ja ihre Schuld dadurch, dass sie die Güte und Langmut Gottes verspotten und sich Straflosigkeit versprechen, als ob Gott schliefe oder im Himmel seinem Vergnügen nachginge, so oft er mit seiner Strafe noch nicht zufährt. Auch heute suchen ja die Menschen mit solchen teuflischen Sprichwörtern ihr Gewissen einzuschläfern und zu betören, um desto ungebundener an allen möglichen Lüsten teilzunehmen und sich in ihren Sünden und Schandtaten gehen zu lassen. Sehen wir darum zu, dass wir nicht unter dies furchtbare Gericht Gottes fallen; möge jeder recht mit sich zu Rate gehen und den Zorn Gottes schon von ferne erkennen, damit er nicht plötzlich und unvermutet von ihm getroffen werde.