Calvin, Jean - Der Prophet Jesaja - Kapitel 5.
V. 1. Wohlan, ich will singen usw. Mit diesem Kapitel beginnt ein neuer Abschnitt. Der Prophet will den Zustand des Volkes Israel beschreiben, damit sie alle ihre Fehler erkennen und sich durch Scham und Missfallen an sich selbst zu ernster Buße führen lassen möchten. Denn hier kann das Volk wie in einem Spiegel seinen jämmerlichen Zustand betrachten. Es gefiel sich aber nur zu sehr in seinen Lastern und ließ sich niemals eine Mahnung mit ruhigem Gemüte gefallen. Darum will ihm der Prophet sein hässliches Angesicht wie in einem deutlichen Bilde zeigen. Die einleitenden Worte sollen seiner Rede noch mehr Gewicht geben: pflegte man doch besondere und hervorragende Dinge durch ein Lied zu beschreiben, damit sie in aller Mund kämen und ein bleibendes Denkmal empfingen. Zu diesem Zweck hat auch Mose sein Lied verfasst (5. Mos. 32), und in der heiligen Schrift gibt es noch mehrere solche Lieder, die den Einzelnen und dem ganzen Volk in den Ohren klingen sollten. In dieser Form verbreitet sich eine Lehre weiter, als wenn sie in schlichterer Weise vorgetragen würde. Darum will Jesaja mit diesem Liede dem Volke sein hässliches Wesen besonders anschaulich machen. Und wie ein solches Lied mit ausgesuchter Kunst gedichtet wird, so hat es der Prophet ohne Zweifel auch in erhabener Weise und mit feierlicher Stimme vorgetragen.
Meinem Lieben. Ohne Zweifel ist Gott gemeint: der Prophet dichtet dies Lied, in welchem er die Undankbarkeit des Volkes straft, zum Wohlgefallen Gottes. Denn es wirkt besonders nachdrücklich, wenn er Gott selbst redend einführt. Dass er den Herrn seinen Lieben oder seinen Freund nennt, werden wir verstehen, wenn wir an das Wort des Täufers denken (Joh. 3, 29), dass dem Freunde des Bräutigams die Gemeinde anvertraut ward. Ein solcher Freund ist auch der Prophet, da ihm die Sorge für das alttestamentliche Volk anbefohlen war, damit es unter seinem Haupte behalten werde. Dass ein solcher Freund eifersüchtig ist, darf uns nicht Wunder nehmen: er entrüstet sich darüber, wenn das Volk seine Herzensneigung einem Fremden zuwendet. Jesaja tritt im Namen des Bräutigams auf: in ängstlicher Sorge für die ihm anvertraute Braut klagt er, dass sie die Treue gebrochen hat, und jammert über ihre Untreue und Undankbarkeit. So sehen wir, dass nicht bloß Paulus für die Braut des Herrn mit göttlichem Eifer geeifert hat (2. Kor. 11, 2), sondern auch alle Propheten und Lehrer, so viele ihrer dem Herrn treulich gedient haben. So muss dieser Titel eines eifrigen Freunde alle Knechte Gottes heftig erschüttern und erwecken. Denn was ist einem Manne wertvoller, als seine Gattin? Ein rechtschaffener Mann wird sie höher achten als alle Schätze, und er wird einem anderen eher sein Vermögen als seine Gattin anvertrauten. Und wenn er ja die Eingeliebte zum Schutze übergibt, den muss er für durchaus treu halten. Der Herr aber hat den Hirten und Dienern seine Gemeinde, gleichwie sein teures Ehegemahl, anvertraut. Wie nichtswürdig wäre es, wenn wir sie in Trägheit und Nachlässigkeit verraten wollten! Wer nicht allen Eifer aufwendet, sie zu bewahren, kann sich durch keinen Vorwand entschuldigen.
Mein Lieber hat einen Weinberg. Dieses Gleichnis ist den Propheten ganz geläufig, wie denn in der Tat kaum ein passenderes gefunden werden kann. Es zeigt in doppelter Hinsicht, wie hoch der Herr seine Gemeinde wertet. Denn kein Besitz ist kostbarer als ein Weinberg, keiner fordert aber auch mehr Arbeit und fortwährende Mühe. So bezeugt uns der Herr hier, dass wir sein kostbares Erbe sind; zugleich aber erinnert er uns an die Mühe und Sorgfalt, die er an uns wendet. Im Eingang des Liedes zählt der Prophet die Wohltaten auf, mit welchen der Herr das jüdische Volk überhäuft hatte. Zum andern schildert er die große Undankbarkeit des Volks, zu dritten die unvermeidliche Strafe. An vierter Stelle zählt er die Sünden des Volkes auf: denn wenn man sie nicht dazu zwingt, erkennen die Menschen niemals ihre Fehler.
An einem fetten Ort. Dieser Anfang des Liedes rühmt, dass Gott sein Volk an einem glücklichen Orte wohnen ließ, gleich als pflanzte jemand einen Weinberg auf einem lieblichen und fruchtbaren Hügel. Denn was wir als „Ort“ übersetzen, heißt buchstäblich ein Horn, ist also ein Hügel, der sich über die Ebene erhebt. Dabei an die Lage Jerusalems zu denken, wie manche tun, ist gezwungen. Es handelt sich einfach um einen Zug des Gleichnisses. Gerade diese Pflanzung soll die Gnade beschreiben, deren Gott sein Volk würdigte, indem er es hütete und versorgte. Denn Weinstöcke werden besser auf Hügeln gepflanzt, als auf flachem Boden. Und insbesondere die Lage dieses Weinberges war fett und fruchtbar. Auch dabei ist nicht bloß an die Fruchtbarkeit des jüdischen Landes zu denken, vielmehr beschreibt der Prophet mit diesem Zug des Gleichnisses den glücklichen Zustand des Volkes.
V. 2. Und er hat ihn verzäunet usw. Auch in der weiteren Bearbeitung des Weinbergs wird Gottes Treue und Achtsamkeit gerühmt: der Herr unterließ nichts, was ein guter und fürsorglicher Hausvater irgend tun konnte. Auf eine Ausdeutung aller Einzelheiten, wie manche sie geben, verzichte ich. Danach soll die Verzäunung auf den Schutz des heiligen Geistes deuten, welcher die Gemeinde gegen die Angriffe des Teufels sichert; die Kelter soll die Lehre bedeuten, der Steinwall jegliche Abwehr der Irrlehre. Mir scheint der Prophet dagegen einfach beschreiben zu wollen, dass Gott alles eifrig und freigebig tut, was einem guten Landwirt zukam. Dabei sollten die Juden bedenken, wie viele und vielerlei Wohltaten der Herr an sie gewendet hatte. Und wenn wir heute uns diesen Vergleich der Kirche mit einem Weinberg vorstellen, müssen wir seine Bilder auf alle die Wohltaten beziehen, mit welchen uns der Herr seine Liebe und Fürsorge für unser Heil bezeugt. Mit Recht wird die Undankbarkeit und Untreue getadelt, welche eine so fleißige Bearbeitung nicht mit entsprechenden Früchten lohnt. Wir sollen uns wohl vorsehen, dass der Herr nicht auch uns solchen Vorwurf machen muss. Je größer die Wohltaten sind, mit denen Gott uns schmückte, desto hässlicher müsste ein undankbarer Missbrauch sein. Der Herr hat uns solchen Schmuck nicht geschenkt, damit wir mit einem leeren Schein prunken können, sondern damit wir Trauben, d. h. kostbare Frucht bringen. Wenn wir ihn in dieser Erwartung täuschen, muss die vom Propheten angedrohte Strafe folgen. Die Aufzählung der Wohltaten soll uns also tief bewegen und zur Dankbarkeit treiben. Dass Israel als ein Weinberg und noch dazu als ein so gut bearbeiteter beschrieben wird, hebt es hoch empor. Je mehr sich Gottes Wohltaten über das Durchschnittsmaß erheben und Unterpfänder eines besonderen Wohlwollens werden, desto höher müssen wir sie schätzen. Dass Gott seine Sonne über Gute und Böse scheinen lässt und ihnen den nötigen Lebensunterhalt gibt, ist ein Ausfluss seiner allgemeinen Freundlichkeit. Um wie viel höher müssen wir dagegen den Gnadenbund schätzen, den er mit uns geschlossen hat, kraft dessen er uns mit dem Licht des Evangeliums erleuchtet! Dieses Bundes würdigt er nur die Seinen. Darum sollen wir uns immer den Eifer und die Fürsorge vor Augen stellen, welche Gott unermüdlich an die Erziehung unserer Seele wendet.
Und wartete, dass er Trauben brächte. Jetzt klagt der Prophet, dass das mit so großen Vorzügen beschenkte Volk schmählich und hässlich entartet sei, und erhebt den Vorwurf, dass es Gottes Guttätigkeit nicht entsprechend beantwortet. Statt süßer Trauben hat es Herlinge, d. h. verkrüppelte und saure Früchte gebracht. Gewiss hegt der Gott, dessen Augen über alles gehen, nicht nach Art eines sterblichen Menschen eine Hoffnung, die sich danach als trügerisch erweist. Er erklärt vielmehr im Liede Moses offen, dass ihm die künftige Verkehrtheit des Volkes von Anbeginn nicht verborgen war (5. Mos. 32, 15): „Da mein Geliebter fett ward, ward er übermütig.“ Gott hebt ebenso wenig eine täuschende Hoffnung, als ihn etwas gereuet. Aber Jesaja lässt sich hier nicht in überfeine Betrachtungen darüber ein, was Gott bei sich selbst erwartet haben mag, sondern spricht einfach aus, wie das Volk sich betragen müsse, um die empfangenen herrlichen Gaben nicht zunichte zu machen. So befiehlt Gott, dass das Evangelium zum Gehorsam des Glaubens verkündet werden solle, nicht als ob er erwartete, dass alle es gehorsam annehmen werden, sondern um durch das bloße Anhören die Ungläubigen unentschuldbar zu machen. Übrigens vermag uns nichts mehr zu ernstlicher Heiligung anzuspornen, als der Umstand, dass der heilige Geist die Pflichten, die wir dem Herrn leisten, mit den allerschmackhaftesten Früchten vergleicht.
V. 3. Nun richtet, ihr Bürger zu Jerusalem. Dieselben Leute, mit denen der Prophet streitet, stellt er als Richter in eigener Sache auf, wie man bei einer ganz klaren und unwidersprechlichen Sachlage zu tun pflegt, in welcher der Gegner keine Ausflucht mehr findet. Es ist also ein Zeichen höchster Zuversicht, dass er die Angeklagten selbst das Urteil sprechen heißt, ob die Sache sich nicht also verhalte. Denn die Fortsetzung zeigt ganz deutlich, dass eben diejenigen angeklagt werden, welchen er jetzt das Urteil zuschiebt. Zuerst fragt der Herr (V. 4), ob man vom allerbesten Landwirt oder Hausvater noch mehr verlangen kann, als er an seinen Weinberg gewendet hat. Daraus zieht er den Schluss, dass es keine Entschuldigung dafür gibt, dass man ihn schmählich um die Frucht seiner Mühe betrogen hat. Immerhin könnte das zweite Satzglied auch wie ein Selbstvorwurf verstanden werden, dass er eine gute und erwünschte Frucht von einem so verbrecherischen Volk erwartet habe. So pflegen wir, wenn der Erfolg unserer Erwartung nicht entspricht, uns selbst anzuklagen und uns vorzuwerfen, dass wir unsere Mühe an undankbare Leute verschwendet haben, deren Schlechtigkeit uns Zurückhaltung hätte auflegen müssen; wir gestehen, mit Recht getäuscht zu sein, weil wir zu leichtgläubig und entgegenkommend waren. Man kann aber auch bei dem einfachen Gedanken stehen bleiben: da ich in der Bearbeitung meines Weinberges durchaus meine Schuldigkeit getan und noch mehr geleistet habe, als man wünschen konnte, wie kommt es, dass er mir so übel lohnt? dass er statt der erhofften Frucht nur Herlinge bringt? Wollte jemand einwenden, dass der Herr selbst das Heilmittel in der Hand habe, wenn er nur das Herz seines Volkes hätte beugen wollen, so ist dies, was die Menschen selbst angeht, eine leichtfertige Ausflucht: ihr Gewissen sagt ihnen sehr deutlich, dass sie die Schuld nicht abschieben, noch entschlüpfen können. Wenn auch die Kraft des Geistes Gottes nicht wirksam in die Menschenherzen dringt, um sie folgsam zu machen, so wird man doch vergeblich darüber schelten, dass eben diese Kraft gefehlt habe: wer die äußere Berufung erfahren hat, kann sich unter gar keinem Vorwande mit Unwissenheit entschuldigen.
V. 5. Wohlan, ich will euch zeigen usw. Nachdem die Juden sich mit eignem Munde das Urteil sprechen mussten, fügt der Herr die Erklärung hinzu, dass er die Verachtung seiner Gnade rächen und sie nicht ungestraft entfliehen lassen werde. Ein Tadel in bloßen Worten hätte keinen genügenden Eindruck gemacht: der Herr muss zugleich Strafe androhen. Das ungeheure Verbrechen, dass sein Volk den Herrn schändlich betrogen hat, kann nicht ungerächt bleiben. Die Strafe besteht wesentlich darin, dass es der Gaben, die es missbrauchte, verlustig geht: Gott will nicht nur seine Fürsorge einstellen, sondern das Volk seinen Feinden als Beute ausliefern. Dabei wird geschildert, wie elend es daran sein muss, wenn er es nicht mehr mit seiner Freundlichkeit hegt. Man muss daraus entnehmen, dass es allein auf Rechnung der unvergleichlichen Guttätigkeit Gottes zu setzen war, wenn das Volk bisher unversehrt und unangetastet dastand. Wir werden auch erinnert, durch wie vielerlei Mittel es erhalten wurde, und wie anderseits dem Herrn vielerlei Weisen zur Verfügung stehen, es innerlich und äußerlich zu verderben. Wird sein Schutz weggenommen, so muss es Tieren und Menschen, die ihm begegnen, zur Beute fallen. Ist der Zaun niedergerissen, so wird das Vieh den Weinberg zertreten und abweiden; Räuber werden ihn verwüsten und ausrauben, sodass er verödet. Und weil Gott ihn nicht mehr gräbt und beschneidet, wird er aus Mangel an Pflege auch unfruchtbar. Gestrüpp und Dornen wachsen auf, welche die Reben erdrücken. Gott macht auch seine Wurzeln dürre, indem er den Regen zurückhält. Alles Zeichen genug, uns einzuprägen, dass der Herr zahlreiche Waffen hat, unsere Undankbarkeit zu strafen, wenn er seine Guttätigkeit von uns verachtet sieht. Jesaja führt sein Gleichnis noch weiter aus und schmückt seine Rede mit Bildern, um desto mehr Aufmerksamkeit zu erregen. Wir können aber den einfachen Schluss ziehen: da uns der Herr fortwährend mit unzähligen Wohltaten überschüttet, müssen wir eifrigst bestrebt sein, sie nicht zu verachten, damit der Herr uns nicht durch Entziehung derselben strafe. Insbesondere bedarf die Ordnung der Kirche mancherlei Stützen, - und wer hier die heilsamen göttlichen Ordnungen verfallen lässt, wird vielfacher Strafe verfallen. So dürfen wir uns nicht wundern, wenn heutzutage viele traurige Anzeichen drohend auf eine völlige Verwüstung hindeuten. Wir sollen aber jegliches Übel auf die Rechnung unserer Undankbarkeit setzen, - mag die Lehre in Verfall geraten oder mögen die Bösen überhand nehmen und sich Füchse und Wölfe in die Gemeinde einschleichen: wir haben nicht die schuldige Frucht gebracht und sind träge und müßig gewesen. Darum wollen wir es als Wirkung des göttlichen Zorns anerkennen, wenn uns die großen Wohltaten, die wir durch freie Gnade genießen durften, genommen werden.
V. 7. Des Herrn Zebaoth Weinberg usw. Bis hierher redete der Prophet bildlich: nunmehr zeigt er die Bedeutung seines Liedes an. Zuvor hatte er den Juden ein Gericht angekündigt: jetzt führt er aus, dass sie nicht bloß angeklagt, sondern schon überführt sind. Konnten sie doch die von Gott empfangenen Wohltaten nicht ableugnen. Sprach doch der Psalmsänger (Ps. 80, 9): „Du hast einen Weinstock aus Ägypten geholet, und hast vertrieben die Heiden und denselben gepflanzet.“ So war die Undankbarkeit klar und offenbar. Jesaja kann nun darauf verzichten, jedes Stück des Gleichnisses bis ins einzelne zu verfolgen. Es reicht hin, dass er die Abzielung des Ganzen aufgezeigt hat. Das Volk in seiner Gesamtheit ist der Weinstock, seine einzelnen Glieder sind die Reben. So wird die Volksgesamtheit und zugleich jedes einzelne Glied angeklagt: niemand soll sich von der allgemeinen Verdammnis ausnehmen, als wäre an ihm nichts auszusetzen. Weshalb das Volk „des Herrn Zebaoth Weinberg“ heißt, ist ohne weiteres verständlich: denn der Herr hat es erwählt, hat es seines Gnadenbundes und der ewigen Seligkeit gewürdigt und mit unzähligen Wohltaten überschüttet. Der Anfang war die Pflanzung, der Fortgang die Bearbeitung. Gott nahm sich jenes Volk zum Eigentum und stattete es auf alle Weise aus. Durch diese fortwährende Erziehung und die mit ihr verbundenen Wohltaten erreichte die Annahme zur Kindschaft erst ihr Ziel.
Die gleiche Lehre soll heute auch bei uns gelten. Christus bezeugt, dass er der Weinstock ist, in welchen uns der Vater eingesenkt hat, um uns zu pflegen. Gott lässt sich herab, als ein Weingärtner an uns zu handeln; er leistet uns mit ganzer Hingabe, was er – wie sein Vorwurf lautet – schon dem Volk des alten Bundes schenkte. Es ist nicht zu verwundern, dass er heftig zürnt, wenn er seine Mühe vergeblich und unnütz aufwenden muss. So ergibt sich die Drohung (Joh. 15, 2): „Einen jeglichen Reben an mir, der nicht Frucht bringt, wird er wegnehmen und ins Feuer werfen.“
Er wartete auf Recht usw. Jetzt spricht der Prophet ohne Bild aus, wie gottlos die Kinder Israel entartet sind: Billigkeit und Gerechtigkeit wurden mit Füßen getreten, und jegliche Ungerechtigkeit und Gewalttat ging im Schwange. Die hebräischen Worte bewegen sich in einem eindrücklichen Gegenklang, den man etwa in folgender Übersetzung wiedergeben könnte: „Er wartete auf Rechtsspruch, siehe, so war's Rechtsbruch; auf Gerechtigkeit, siehe, so ist's Schlechtigkeit.“ „Schinderei“ heißt die ungerechte Unterdrückung. „Klage“ ist das Wehgeschrei der Unterdrückten, welches man nicht zu hören pflegt, wo einem jeden das Seine wird. Zwei Stücke nennt der Prophet, die Gott vornehmlich als wahre Früchte seiner Furcht von seinem Volk fordert. Gewiss geht ihnen die Frömmigkeit noch voran: aber es ist ganz passend, dass diese nach den Pflichten der zweiten Gesetzestafel bemessen wird. Wo man grausam gegen Menschen wütet, ist zweifellos auf Verachtung Gottes zu schließen: wo Unmenschlichkeit regiert, ist die Frömmigkeit erloschen. Das wollen wir als auch für uns gesagt betrachten: denn wie jenes Volk vom Herrn gepflanzt war, so auch wir. Und wir wollen uns an das erinnern, was Paulus sagt, dass wir ein wilder Ölbaum sind, jene aber der wahre und echte Ölbaum (Röm. 11, 17). Obgleich wir fremde Zweige waren, wurden wir in den wahren Ölbaum eingepflanzt, und der Herr hat uns mit ständiger Fürsorge gepflegt und geschmückt. Welche Früchte aber bringen wir? Sicherlich nicht bloß unnütze, sondern auch herbe. Darum sind wir desto größeren Undanks schuldig: denn wir sind mit viel reicheren Gaben geschmückt und überhäuft worden. Und Gottes Vorwürfe treffen auch uns: denn Gewalt und Unrecht haben überhand genommen. Diese beiden Stücke zählt der Prophet ausdrücklich auf, da eine bloß allgemeine Rede keinen Eindruck machen würde: er zeigt wie mit dem Finger darauf, wie weit jenes Volk davon entfernt war, die Früchte zu bringen, die man von einem guten Weinberg erwarten musste.
V. 8. Weh denen, die ein Haus an das andre ziehen. Jetzt wird die Habsucht und unersättliche Gier getadelt, auch welcher Betrug, Unrecht und Gewalttat zu entspringen pflegt. An und für sich ist es nichts Verdammliches, Haus an Haus und Acker an Acker zu reihen. Aber der Prophet sieht die Herzensgesinnung an, die unersättliche Habgier. Er beschreibt den Sinn von Leuten, die niemals zufrieden werden und mit dem größten Reichtum noch nicht genug haben. Ein habsüchtiger Mensch ist so gierig, dass er alles allein besitzen möchte und, was andere haben, als einen ihm genommenen Raub betrachtet. Trefflich sagt einmal Chrysostomus, dass ein Habsüchtiger womöglich den Armen auch die Sonne entreißen möchte. Auch die Elemente, an welchen alle gemeinsam teilhaben, missgönnen sie den Brüdern und möchten sie für sich verschlucken, - nicht als könnten sie das alles wirklich genießen, aber die Gier nimmt ihnen den Verstand. Dabei bedenken sie auch nicht, dass sie der Hilfe der andern bedürfen und dass ein auf sich gestellter Mensch nichts vermag. Nur darauf sind sie aus, möglichst viel einzuheimsen: so verschlingen sie in ihrer Gier alles. Der Prophet wirft also den habsüchtigen und ehrgeizigen Menschen ihren Wahnsinn vor, in welchem sie die andern von der Erde verdrängen möchten, um sie allein zu besitzen: sie setzten ihrer Gier keine Grenze. Welche Torheit ist es doch, diejenigen austreiben zu wollen, die der Herr mit uns auf die Erde gesetzt hat! Freilich wäre es für die Gierigen selbst das Allerverderblichste, wenn ihr Wünsch erfüllt würde. Denn sie können nicht allein pflügen, säen und das zum Lebensunterhalt Nötige leisten, sie können sich nicht selbst alles verschaffen. Gott hat die Menschen derartig auf einander angewiesen, dass einer des andern Mühe und Fleiß bedarf: nur ein Tor stößt die andern von sich, als wären sie ihm schädlich oder unnütz. Können doch sogar die Ehrgeizigen ihres Glanzes nicht anders froh werden, als unter der Menge. Wie blind sind sie also, wenn sie andere vertreiben und wegschieben wollen, um allein zu herrschen!
V. 9. Es ist in meinen Ohren usw. Der Prophet will sagen, dass der Herr schon als Richter da sitzt, um über alle jene Dinge zu erkennen. Wenn die Habsüchtigen rauben und ihre Schätze aufhäufen, lassen sie sich durch ihre Gier verblenden, sodass sie nicht sehen, wie sie einst Rechenschaft geben müssen. Sicherlich sind die Menschen niemals so stumpf, dass sie dem Herrn nicht irgendein Gericht zuschrieben: aber sie schmeicheln sich in ihrer Meinung, dass Gott auf sie nicht merken werde. So erkennen sie im Allgemeinen Gottes Gericht an; sobald man aber auf den besonderen Fall kommt, geben sie ihren Einbildungen nach und wähnen, dass es sie nicht treffen werde. Demgegenüber erinnert der Prophet, dass ihr Gebaren den Augen des Herrn nicht entgeht; und damit man nicht glaube, dass Gott müßig aus der Ferne zuschaue, fügt er alsbald hinzu und bekräftigt es mit einem Eide, dass seine Rache nahe bevorsteht. Denn die Wendung „Was gilt's“ ist eine in der Bibel geläufige Schwurform. Dass die Rede dabei abgebrochen wird, dient zur Verstärkung des Schreckens. Was ist es aber, was der Herr androht? Die vielen Häuser sollen wüste werden. Das ist die gerechte Strafe für Habsucht und Ehrgeiz der Menschen, die nicht bedenken wollen, wie klein sie sind, und sich nicht in mäßigen Schranken halten. Beispiele dafür stehen uns täglich vor Augen, aber wir bemerken sie nicht. Denn der Herr zeigt wie in einem Spiegel, wie lächerlich die Eitelkeit der Menschen ist, die unzählige Geldsummen verschwenden, um Paläste zu bauen, die nachher eine Behausung für Eulen, Fledermäuse und andere Tiere bilden werden. Das alles steht vor unsern Augen, aber wir geben uns keine Mühe, es zu erwägen. Wie viele und plötzliche Veränderungen gehen vor; wie viele verlassene Häuser, zerstörte und verwüstete Städte, wie viele andere deutliche Zeichen des göttlichen Gerichts stehen uns vor Augen! Und doch lassen sich die Menschen von ihrer krankhaften Gier nicht abbringen. Der Herr hat durch den Propheten Amos die Drohung ergehen lassen (5, 11; 6, 11): „Ihr sollt in den Häusern nicht wohnen, die ihr von Werkstücken erbauet habt.“ „Der Herr wird die großen Häuser schlagen, dass sie Risse gewinnen, und die kleinen Häuser, dass sie Lücken gewinnen.“ Solches geschieht täglich, und doch wird die Lüsternheit der Menschen nicht geringer.
V. 10. Zehn Acker Weinbergs usw. Ebenso soll es mit Äckern und Weinbergen gehen. Die habsüchtigen Leute, deren Gier unersättlich ist, sollen den ersehnten Ertrag nicht genießen. Wie gewisse Tiere durch ihren Hauch Gewächse versengen und die Saat vertrocknen machen, so bringen jene Leute durch ihr räuberisches Wesen die Frucht der Erde um. Die Äcker sollen so unfruchtbar sein, dass sie kaum den zehnten Teil des ausgestreuten Samens geben; der Ertrag der Weinberge soll ein ganz geringer sein. Sonst pflegt ein fruchtbares Land den Samen zehnfach, ja dreißig- und mehrfach wiederzubringen, und jedenfalls weit mehr zu geben, als es empfangen hat. Wo es anders geht, waltet sicherlich Gottes Fluch, der die räuberische Gier der Menschen straft. Dabei klagen die Menschen über die Kargheit der Erde, als ob sie der Grund wäre, - doch vergebens. Der Ertrag könnte uns gar nicht fehlen, wenn nicht der Herr der Erde diese um der Habsicht der Menschen willen verfluchen würde. Denn wenn sie so eifrig zusammenscharren und aufhäufen, was tun sie anderes, als dass sie Gottes Guttätigkeit in ihrer Gier verschlingen? Sieht man dieses Laster auch nicht bei allen Menschen, weil die Gelegenheit dazu fehlt, so ist die Neigung dazu doch vorhanden. Niemals ist die Welt in solcher Gier derartig entbrannt, wie heute: so dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie auch diese Strafe Gottes erfährt.
V. 11. Weh denen, die des Morgens früh auf sind usw. Der Prophet geht nicht darauf aus, die damals herrschenden Laster vollständig aufzuzählen: er greift nur einige hervorragende Beispiele heraus. Nach der Habsucht wendet er sich nun gegen die Schlemmerei. Er wählt Laster aus, die nicht nur bei dem einen oder andern, sondern überall im Schwange gingen. Es sind dies solche, die durch Ansteckung den ganzen Volkskörper durchseuchen. Dass jemand „früh auf ist“, deutet darauf, dass er etwas mit höchstem Eifer treibt, wie es bei Salomo heißt (Pred. 10, 16): „Weh dir, Land, des Fürsten in der Frühe speisen“, die also vor allem dafür sorgen, ihren Bauch zu füllen und sich zu ergötzen, womit sie die natürliche Ordnung auf den Kopf stellen. Denn wie David sagt (Ps. 104, 23), geht der Mensch aus an seine Arbeit und an sein Werk bis an den Abend. Wenn er dagegen die Arbeit fahren lässt und nur aufsteht, sich zu vergnügen und zu schwelgen, so ist dies entsetzlich. Der Prophet fährt fort, dass sie auch sitzen bis in die Nacht. Er beschreibt damit, wie sie vom frühen Morgen bis zur Finsternis ihre Gelage ausdehnen und des Trinkens niemals müde werden. Überfluss und Üppigkeit pflegen sich ja zu verbinden. Wo den Menschen Reichtum an allen Dingen zufließt, werden sie ausschweifend und verfallen maßlosem Missbrauch.
V. 12. Und haben Harfen usw. Des Weiteren werden die Instrumente aufgezählt, bei welchen die Schwelger sich vergnügen und ihre Begierde noch steigern. Sicherlich will Jesaja die Musik nicht verwerfen: ist sie doch eine schöne Kunst. Aber er schildert, wie das Volk in allen Arten von Vergnügen zerfließt und sich in immer neuer Lust gehen lässt. Dass es so gemeint ist, zeigt die Fortsetzung: sie sehen nicht auf das Werk des Herrn. Damit soll gesagt sein, dass sie in Üppigkeiten gefangen sind und an Vergnügung hängen, als wären sie dazu geboren und erzogen: so bedenken sie nicht, zu welchem Zweck ihnen der Herr den Lebensunterhalt darreicht. Denn die Menschen sind nicht geboren, um zu essen und zu trinken und sich in lauter Behagen zu wälzen, sondern damit sie dem Herrn Gehorsam leisten, ihn in heiliger Furcht verehren, seine Guttätigkeit erkennen und sich bestreben, ihm dankbar zu sein. Wenn sie dagegen in Üppigkeit zerfließen, tanzen und trällern und keinen andern Zweck kennen, als das Leben so lustig wie möglich hinzubringen, sind sie schlechter, als die unvernünftigen Tiere. Denn sie schauen nicht darauf, zu welchem Zweck Gott sie geschaffen hat, wie er diesen Erdkreis mit seiner Vorsehung lenkt und worauf wir alle Regungen unsers Lebens richten sollen.
V. 13. Darum wird mein Volk müssen weggeführt werden. Der Gedanke ist schwerlich, wie manche Ausleger wollen, dass das Volk durch die Pflichtvergessenheit seiner Lehrer, durch Unwissenheit und Irrtum in viele Laster verfiel, welchen endlich seinen Untergang herbeiführen mussten. Dass das Volk unversehens von Strafe getroffen wird, erhebt vielmehr eine Anklage gegen seine grobe und absichtliche Unwissenheit: es ist selbst schuld, indem es durch seine Verblendung das Verderben herbeizieht. Der Prophet will sagen, dass das Volk durch Verachtung der Lehre zugrunde geht, während es unversehrt hätte bleiben können, wenn es verständigem Rat gehorcht hätte. Darum heißt es ausdrücklich: „mein Volk“; es war durch einen unvergleichlichen Vorzug von den übrigen Völkern abgesondert worden, damit es im Vertrauen auf Gottes Leitung und Führung sich an eine bestimmte Lebensregel halte, wie es 5. Mos. 4, 7 heißt: „Wo ist ein so herrliches Volk, zu dem Götter also nahe sich tun, als der Herr unser Gott?“ Die Weisheit und Klugheit dieses Volkes vor allen andern sollte also darin bestehen, dass es auf seinen Gott hörte. Wenn es unter dem ihm gewordenen Licht blind bleibt, so ist dies ein doppelt unwürdiger, tadelnswerter Zustand. So ist dies die schwerste Anklage, dass das Volk, welches Gott unter seine Leitung genommen hatte, sich nichts versieht und nichts weiß. Das Gesetz konnte reichlich genügen, sein ganzes Leben zu regieren: es war ein Licht, welches durch die sonst in der Welt herrschende Finsternis voranleuchtete. So war es wie ein Wunder, dass das Volk auf den ihm gezeigten Weg nicht merken wollte, sondern sich lieber mit geschlossenen Augen ins Verderben stürzte. Darum wirft ihm der Prophet vor, dass es das gegenwärtige Unglück sich selbst zuzuschreiben habe: dem Herrn, der es treulich unterweisen wollte, verschmähte es sein Ohr zu leihen. Dass das Volk „weggeführt“ werden soll, darf man nicht irgendwie bildlich deuten. Denn der Prophet deutet auf die Strafen, die Gott teils schon verhängt hatte, teils noch verhängen wollte. Als er diese Predigt hielt, waren schon eine Anzahl der Stämme Israels in die Gefangenschaft geführt, und die völlige Niederlage beider Königreiche stand bevor. Die Strafe wird weiter ausgemalt: nicht bloß der Pöbel, sondern auch die Herrlichen sollen Hunger und Durst leiden, worin die Strafe Gottes sich umso deutlicher offenbart. Denn es ist ein schreckliches Schauspiel, reiche und angesehene Leute, welche die Würde des ganzen Volkes repräsentieren, hungrig umherschweifen zu sehen. Dennoch überschreitet Gottes Rache nicht das rechte Maß. Denn es ist immer zu bedenken, welchen Grund die Unwissenheit des Volkes hat, um deren willen das Unheil unversehens kommt: die Juden waren widerspenstig, widerstrebten dem Licht der göttlichen Lehre, ja verschlossen dem Herrn, der sich herabließ, sie zu lehren, ihr Ohr. Daraus entnehmen wir eine nützliche Lehre. Alles Übels Quell liegt darin, dass wir uns durch Gottes Wort nicht belehren lassen. Dies vor allem wollte der Prophet uns einprägen. Eine Unwissenheit, die man sich mutwillig erworben hat, wenn man den Herrn als Lehrer verwirft, gewährt keine Entschuldigung.
V. 14. Daher hat die Hölle den Schlund aufgesperret. Dieser Satz will die sichern Leute, die sich durch alle Drohungen noch nicht hinreichend bewegen ließen, noch mehr erschrecken. Die Verhärtung und Stumpfheit des Volkes war so groß, dass es nicht ernstlich darauf achtete, wenn ihm schreckliche Gefangenschaft und Hunger als Zeichen des göttlichen Zorns vor Augen gestellt wurden. Darum verkündet der Prophet etwas noch Entsetzlicheres: die Unterwelt hat ihren Schlund aufgesperrt, alle zu verschlingen. Was in dieser Weise als schon geschehen beschrieben wird, soll doch erst auf eine nahe Zukunft bezogen werden. Aber mit Vorbedacht drückt sich der Prophet so aus, als stünden die Dinge schon erfahrbar und greifbar vor Augen. Er will das Volk wie zu einem gegenwärtigen Geschehnis führen, damit es mit Augen sehe, was es seiner Rede nicht glaubte. Die Unterwelt oder das Grab vergleicht er mit einem unersättlichen wilden Tier, dessen weit geöffneter Schlund die dem Tode verfallenen Menschen verschlingen wird. Solche Versinnbildlichung ist weit wirkungsvoller, als wenn einfach gesagt wäre, dass sie alle zum Untergang verurteilt sind. Hinunterfahren sollen ihre Herrlichen und Pöbel. So darf sich niemand mit der Hoffnung schmeicheln, dass er entrinnen werde. Der Prophet ruft allen zu: der Tod wird euch verschlingen und alles, was ihr habt, Üppigkeit, Reichtum, Vergnügen, oder worauf ihr sonst euer Vertrauen setzet. Denn das Volk schrieb sein Unglück einem bösen Zufall zu, zeigte sich jedenfalls gegenüber den Schlägen des Herrn stumpf und unempfindlich. Darum prägt Jesaja ein, dass nichts durch Zufall geschehe. Zudem pflegen die Menschen mit Gott zu streiten, und in ihrer Frechheit und Anmaßung scheuen sie sich nicht, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Um diesen Zorn zu beugen, zeigt der Prophet, dass es eine gerechte Strafe ist, welche das Volk trifft, und dass es sein allseitiges Elend lediglich seiner eigenen Torheit zuzuschreiben habe.
V. 15. Dass jedermann sich bücken müsse usw. Damit wird Ziel und Ausgang aller Züchtigungen beschrieben: alle Menschen sollen gebeugt werden, der Herr aber allein hoch sein. Einen ähnlichen Ausspruch lasen wir schon früher (2, 11), wobei wir bereits auf die Absicht der göttlichen Züchtigungen hinwiesen. Unglück pflegt uns so verhasst zu sein, dass wir darin gar nichts Gutes zu sehen vermögen. Ist von Strafen die Rede, so verabscheuen wir sie und erschrecken vor ihnen, weil wir nicht auf Gottes Gerechtigkeit sehen. Der Prophet legt uns aber die andere Erwägung nahe, dass Gottes Gerechtigkeit sich gleichsam verbirgt, so lange die Menschen in ihren Sünden frech dahingehen dürfen, und dass sie erst sichtbar aufleuchtet, wenn sie unsere Sünden straft. Dies bringt dann eine herrliche Frucht, die besser ist, als aller Menschen Wohlergehen. Denn der Herrlichkeit Gottes, welche in seiner Gerechtigkeit aufleuchtet, kann durchaus nichts verglichen werden. Darum ist kein Grund, die Strafen, mit denen Gott uns züchtigt, so sehr zu scheuen: wir sollen vielmehr mit demütiger Beugung annehmen, was die Propheten uns darüber verkündigen. Übrigens trifft der Prophet auf diese Weise auch die frechen Heuchler, die nur neuen Anlass zum Übermut darin finden, wenn sie ungestraft bleiben. Er ruft ihnen zu: Glaubt ihr wirklich, dass, nachdem Gott euch solange getragen hat, es fortwährend so weitergehen könne, dass er unter euren Füßen liege? Sicherlich wird er aufstehen und in eurem Sturz sich erhöhen.
V. 16. Aber der Herr Zebaoth erhöhet werde usw. Der Herr der Heerscharen, den die Gottlosen übermütig mit Füßen treten, wird sich erheben, indem er sich als Richter der Welt darstellt. So spottet der Prophet über das törichte Selbstvertrauen, in welchem die Gottlosen sich brüsteten. Denn wenn Gericht und Gerechtigkeit hervorgehen muss, werden sie notwendig fallen: dass sie sich erheben konnten, geschah ja nur durch Verkehrung der natürlichen Ordnung. Hier wollen wir uns einprägen, dass die Gottlosen ebenso wenig in glücklichem Stande bleiben können, als Gott seine Ehre austilgen lassen kann. „Gerechtigkeit“ und „Recht“ bedeuten dasselbe, und doch ist die Wiederholung nicht überflüssig. Der Nachdruck der Rede erhöht sich im zweiten Satzgliede auch durch die Aussage, dass Gott, der Heilige, geheiliget werden soll. So mögen die Gottlosen nicht in falscher Einbildung sich ein bleibendes Glück vergeblich versprechen, was ihnen nur zuteil werden könnte, wenn Gottes Heiligkeit ausgetilgt würde. Da aber Gott von Natur heilig ist, muss er notwendig geheiligt werden. Daraus folgt, dass den Verworfenen das Verderben droht, damit ihr aufrührerischer und widerspenstiger Geist gebändigt werde: denn Gott kann sich selbst nicht verleugnen.
V. 17. Da werden dann die Lämmer sich weiden. Dieser Vers wird sehr verschieden ausgelegt. Wir wollen aber vor allem darauf achten, dass der Prophet den Frommen, die über die angekündigten schrecklichen Gottesgerichte erzittern mussten, nunmehr einen Trost bringen will. Denn je frömmer und ernster ein Mensch ist, umso gewisser empfindet er Gottes gegenwärtige Hand und wird das Gefühl von seinem Gericht erschüttert. Die Folge rechter Furcht und Verehrung Gottes ist die, dass alles, was uns in seinem Namen vorgestellt wird, tief in unsre Seele dringt. Haben also die Frommen so schwere Drohungen vernommen, so vermöchten sie sich gar nicht mehr aufrecht zu erhalten, wenn nicht ein süßer Trost hinzugefügt würde, der sie Gottes Barmherzigkeit schmecken lässt. Diese Weise ist den Propheten geläufig, dass sie immer an die Frommen denken und ihre Seele erquicken. So sagt Jesaja hier: Obwohl Gott sein ganzes Volk vertilgen zu wollen scheint, wird er doch für seine Schafe sich als ein treuer Hirte zeigen und sie in seiner gewohnten Weise weiden.1) Zugleich will der Prophet die Anmaßung der Vornehmen dämpfen, die in ungerechter Tyrannei die Frommen und Armen unterdrückten und sich in falschem Selbstruhm als die Gemeinde Gottes ausgaben. Wenn sie sich als Gottes Herde betrachten, so ist dies eine gotteslästerliche und freche Lüge: denn sie sind Böcke, nicht Lämmer. Gott wird sie also vertilgen und seine Herde weiden; ja, den Lämmern kann es nicht anders wohl werden, als nachdem sie von den Böcken befreit sind.
Fremdlinge werden sich nähren in den Wüstungen der Fetten. Als Fremdlinge werden die Kinder Gottes bezeichnet, weil sie eine Zeitlang verdrängt waren und danach wie aus der Fremde zurückgerufen werden. Dann werden sie ihren Besitz wieder empfangen, der für sie zu einer Wüstung geworden war, weil fette, hochmütige und grausame Menschen ihn geraubt hatten.
V. 18. Weh denen, die am Unrecht ziehen usw. Nach dem kurzen Trost, der für die Frommen die Herbigkeit der angedrohten Strafe mindern sollte, kehrt der Prophet zu Drohungen zurück und schleudert wiederum blitzende Worte, welche den Hörern Furcht einjagen sollen. Unter den Stricken der Lüge versteht er nichts anderes, als die täuschenden Lockungen, mit welchen die Menschen sich an ihre Schandtaten binden. Denn entweder verlachen sie das Gericht Gottes oder sie ersinnen leere Entschuldigungen und wenden vor, dass sie notwendig hätten sündigen müssen. Alle solche Ausflüchte bezeichnet der Prophet als Stricke. Denn wenn die Menschen durch die Lüsternheit ihres Fleisches zur Sünde gereizt werden, so machen sie anfangs bei sich selbst einen Halt und fühlen, dass ihnen ein Zügel angelegt wird: derselbe würde sie ganz gewiss zurückhalten, wenn sie nicht gerade in die entgegen gesetzte Richtung stürmten und die Stimme des Gewissens unterdrückten. Jedem Menschen, der zum Bösen gereizt wird, legt das Gewissen durch einen verborgenen Trieb die Frage vor: Was tust du? Und niemals fließt die Sünde so ungehemmt dahin, dass sie nicht eben dadurch einen gewissen Aufenthalt erführe. So hat Gott für das menschliche Geschlecht gesorgt, damit es nicht in ungebändigte sündige Freiheit verfiele. Wie geschieht es also, dass die Menschen in ihren Sünden so verstockt sind? Sicherlich lassen sie sich durch Lockungen täuschen, stumpfen ihr Gemüt ab, verachten Gottes Gericht und schaffen auf diese Weise freie Bahn für ihre Sünde. Sie schmeicheln sich, indem sie sich einreden, dass Sünde nicht Sünde sei, oder indem sie dieselbe durch irgendeinen Entschuldigung und einen leeren Vorwand verringern. Solche bösen Gedankenschlüsse sind die Stricke, mit denen man die Sünde herbeizieht. So wird deutlich, dass der Herr guten Grund zu seinen Drohungen hat: denn die Menschen sündigen nicht bloß mit freiem Willen, sondern in verstockter Widerspenstigkeit; sie binden sich förmlich an die Sünde, sodass sie unentschuldbar werden.
V. 19. Lass eilend und bald kommen sein Werk. Die so sprechen, werden uns als eine Gruppe derer vor Augen gestellt, welche die Sünde wie mit Stricken herbeiziehen. Wie schlecht ist es doch, dass sie nicht bloß jeden Gedanken an Gottes Gericht von sich weisen, sondern dass sie sogar verachten und für Fabeln erklären, was darüber gesagt wird. Es soll der äußerste Grad verächtlicher Gleichgültigkeit beschrieben werden, in welcher die Menschen aussprechen, dass sie das ihnen vorgestellte Gericht Gottes mit fröhlichem Gemüte erwarten wollen. Sie spotten darüber, wie über ein hohles Schreckgespenst. Darauf deuten ihre mit Verachtung und sündhaftem Selbstvertrauen erfüllten Worte, dass es nur eilend und bald kommen möge. Gottes „Wer“, von dem sie sprechen, ist vornehmlich sein Gericht. Denn Gott scheint das Wirken aufgegeben zu haben, wenn er die Verbrechen der Gottlosen nicht straft. Wenn er sich aber zum Gericht erhebt und die Strafe einfordert, erscheint sein Wirken und wird tatsächlich offenbar: jetzt können wir es mit Händen greifen, dass die Welt durch Gottes Befehl und Hand regiert wird. Gottes Gericht ist dasjenige unter seinen Werken, welches uns deutlich macht, dass er nicht müßig geht, sondern seine Pflicht tut. Über dieses Werk reden aber die Gottlosen in Spott und Verachtung. Auch heutzutage erfahren wir diese sündhafte Widerspenstigkeit reichlich, und wir haben denselben Kampf zu führen, in welchem einst die Propheten sich mühen mussten. Die Gottlosen wähnen, dass Gott müßig sei und sich um die Sachen der Menschen nicht kümmere, wie ein Epikur das höchste Glück Gottes darin sah, dass er überhaupt nichts zu tun habe. So glaubt man wohl, dass ein Gott ist, aber sein Gericht erkennt man durchaus nicht an. Inzwischen muntert man sich auf, guten und fröhlichen Mutes zu sein, und will sich mit Gerichtsgedanken nicht quälen. Mögen diese Propheten und Prediger schreien und rufen, Schrecken und Drohungen vorlegen, - die Menschen wollen in Sicherheit erwarten, was sie verkündigen, und genießen inzwischen ihr Vergnügen. In diesem Sinne bringt der Prophet die Reden der Gottlosen bei, welche Spott und Verachtung des göttlichen Wortes atmen. Sie sagen nicht bloß, dass Gottes Werk kommen, sondern dass es eilig kommen möge: denn aus der Verzögerung schließen sie, dass alles eitel sein werde, was Gott nicht sofort nach der Ankündigung durchführt. So erinnert Petrus an Leute (2. Petr. 3, 4), die behaupten, dass seit der Schöpfung der Naturlauf unabänderlich dahin geflossen sei, dass man darum schon Jahrhunderte lang auf den Tag des Gerichts vergeblich warte. Inzwischen reizen sie den Herrn absichtlich, dass, wenn er ja eine Macht besitze, er dieselbe sofort offenbaren möge. Neben Gottes Werk reden sie von seinem Anschlag oder Plan, als wollten sie sagen: Wie lange überlegt Gott und kündigt an, was er tun will? Möge er lieber zeigen, dass er auch durchführen kann, was er beschlossen hat. Ihre Schuld wird noch dadurch gesteigert, dass sie eine ihnen recht wohl bekannte Lehre übermütig zu verspotten wagten. Darin sind sie noch schlimmer, als die unheiligen Heiden: eben die Lehre, durch welche Gott sie zu seinem Eigentumsvolk angenommen hatte, verachten sie!
Dass wir's innewerden. Solche Sprache ist ein Kennzeichen des Unglaubens: die Gottlosen wollen Gott nicht anerkennen, wenn er sich nicht durch einen gegenwärtigen, handgreiflichen Beweis spürbar macht; sie lassen sich nicht herbei, seinem Wort zu glauben. Werden uns durch dieses Merkmal durch den heiligen Geist die verabscheuenswerten Gottlosen kenntlich gemacht, so ziemt es uns, dass wir durch das gegenteilige Merkmal Glauben und Treue bezeugen, indem wir uns bei Gottes Wort beruhigen, wenn auch der Erfolg sich nicht sofort sehen lässt. Es ist die Eigenart des Glaubens, an Gottes Mund zu hängen. Gewiss wird uns eine Bekräftigung durch Gottes Werke hinzu gegeben: aber den Anfang können wir damit unter keinen Umständen machen. Dies nämlich ist der Unterschied zwischen den Auserwählten und Verworfenen, dass die Auserwählten einfach auf Gottes Wort ausruhen, dabei auch seine Werke nicht vernachlässigen. Dagegen sind die Gottlosen gleichgültig gegen Gottes Wort und verachten es, auch wenn er hundertmal redet, fordern aber fortwährend in unpassender Weise Werke. Wird ihnen dann Gottes Gericht vor Augen gestellt, so sprechen sie: Wo ist es? Sie können nicht ertragen, dass man davon redet, wenn es nicht alsbald tatsächlich offenbar wird. Wo solche Maßlosigkeit herrscht, ist klar, dass kein Glaube vorhanden ist, sondern vielmehr eine verstockte Widerspenstigkeit, welche den Menschen mehr und mehr von Gott abführt und ihm entfremdet.
V. 20. Weh denen, die Böses gut und Gutes böse heißen. Manche Ausleger denken hierbei nur an die Richter; aber eine genauere Erwägung des ganzen Zusammenhanges zeigt bald, dass die Aussage allgemein verstanden sein will. Hatte der Prophet sich soeben wider die Leute gewendet, welche keine Ermahnungen sich gefallen lassen, so fährt er auch jetzt in der gleichen tadelnden Rede fort. Es steht ja fest, dass dergleichen Leute immer einen Vorwand finden und sich einen Dunst vormachen; so kommt ihr Widerspruch auch nicht zum Schweigen, wenn man ihre Schandtaten aufdeckt. Insbesondere straft der Prophet die Frechheit, die jeden Unterschied zwischen Gut und Böse geflissentlich aufheben will. Man nennt das Böse gut und umgekehrt, d. h. man deckt böse Dinge mit einem trügerischen Dunst, entschuldigt und deutet sie um, als ob man mit Gedankengespinsten die Natur eines jeglichen Dinges zu verändern vermöchte. Umgekehrt reißt man gute Dinge durch Verdrehung herunter. Beides pflegt miteinander verbunden zu sein. Denn wer Gottesfurcht besitzt, wird durch sein Gewissen und eine heilige Scheu gehindert, seine Sünden zu entschuldigen, oder was recht und gut ist, zu verdammen. Wer aber der Gottesfurcht bar ist, trägt in doppelter Unverschämtheit kein Bedenken, Laster zu loben und Tugenden zu verdammen. Es ist dies ein Zeichen hoffnungsloser Nichtswürdigkeit. Im Übrigen mag man den Satz des Propheten auf mancherlei Fälle anwenden. Sein Flucht trifft zuerst Privatleute, die das Böse gutheißen und umgekehrt. Wie viel mehr wird er dann aber auch denen gelten, die mit irgendeiner Würde oder einem öffentlichen Amt bekleidet sind, deren Pflicht es wäre, zu schützen, was gut und ehrbar ist. Doch ganz im Allgemeinen greift der Prophet alle an, die sich im Bösen schmeicheln und aus Hass gegen die Tugend gute Taten verdammen, ja die, um ihre Schändlichkeiten zu verdecken, andern gegenüber Ausflüchte brauchen und dadurch auch sich selbst abstumpfen. Von ihnen sagt der Prophet, dass sie aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen, ebenso dass sie aus sauer süß und aus süß sauer machen. Wie wunderbar groß ist dieser Wahnsinn, der alle Ordnungen der Natur verwirrt und durcheinander mischt!
V. 21. Weh denen, die bei sich selbst weise sind. Noch immer gilt die tadelnde Rede den Leuten, die sich durch keine Belehrung zurechtweisen lassen und allen guten Ratschlägen und frommen Ermahnungen den Zutritt versperren. Der Prophet ruft wehe über die entschlossenen Verächter, welche der Lehre und den Ermahnungen Gottes entweder die Leidenschaften ihres Fleisches oder das Vertrauen auf ihre Weisheit entgegenstellen. Nicht aber die allein schilt er, die sich in falscher Einbildung ihrer Weisheit aufblähen, sodass es ihnen zu gering deucht von anderen zu lernen, - er spricht allen insgesamt das Urteil, welche, in ihrem eigenen Sein gefangen, der Rede Gottes das Gehör und seinen heiligen Mahnungen den Gehorsam verweigern. Dieser Fehler war zu allen Zeiten weit verbreitet und findet sich auch heute bei sehr vielen. Sie würden sich zwar scheuen, die Lehre der Frömmigkeit offen zu verwerfen, sind aber von wahrer Folgsamkeit und Gelehrigkeit so weit entfernt, dass sie alles abweisen, was ihnen nicht gefällt. Sie geben zu, dass sie eines gewissen Zügels bedürfen: aber auf der andern Seite sind sie derartig von Anmaßung verblendet, dass sie den Winken Gottes, der ihnen den Weg zeigen will, ständig widerstreben. Und nicht bloß dies: sie toben auch in giftiger Entrüstung, wenn man ihre Entwürfe tadelt. Wie wenige sind es doch, die ihre eigenen Gedanken fahren lassen und bereitstehen, allein aus Gottes Munde Weisheit zu empfangen! Und doch gibt es keine schlimmere Krankheit, als dies trügerische Scheinbild von Weisheit: denn der Anfang der Frömmigkeit ist die Gelehrigkeit, da man die eigene Empfindung auszieht und jeglichem Rufe des Herrn folgt. Aber nicht bloß unter dem Gesichtspunkt wird diese falsche Selbstüberzeugtheit verurteilt, dass sie die Menschen unfolgsam gegen Gott macht und so zur Ursache ihres Verderbens wird, sondern auch darum, weil sie an und für sich dem Herrn unerträglich ist: wir müssen in uns selbst töricht werden, wenn wir Gottes Jünger sein wollen. Sicherlich führt rasender Übermut die Herrschaft, wo nicht jene Bescheidenheit und Beugung vorhanden ist, in welcher der Mensch freiwillig sich in seine Schranken fügt.
V. 22. Weh denen, so Helden sind, Wein zu saufen. Jetzt tadelt Jesaja ein anderes Laster, nämlich die Üppigkeit und Unmäßigkeit in Essen und Trinken, von der er schon zuvor sprach (V. 11). Wahrscheinlich wurde dies Kapitel aus verschiedenen Predigten zusammengestellt und es wurden nur die Hauptsachen kurz angerührt. Denn da der Prophet noch nichts von Besserung merkte, sah er sich gezwungen, dieselben Dinge zu wiederholen und öfter einzuprägen. Er kehrt also zu den gleichen Stücken zurück, die er früher schon getadelt hatte, und seine Rede beschäftigt sich wiederum mit Schlemmerei, luxuriösem Leben, Habsucht und anderen Untugenden. Wir sehen daraus, dass, wo Ermahnungen nichts nützen, man die widerspenstigen und ungelehrigen Leute schärfer anfassen muss. Man soll sich auch nicht fürchten, mit unzeitigem Drängen lästig zu fallen, sondern den Tadel öfter wiederholen, bis die Menschen sich beugen, oder ihre Bosheit als unheilbar offenbar wird. Dass der Prophet von Helden im Trunk spricht, ist ein bitterer Spott über die Leute, die ihre Kraft im Dienste des Bacchus verzehren. Es ist dies ein hässlicher und tierischer Ehrgeiz, dass ein mit guter Gesundheit begabter Mensch seine Kraft in reichlichem Trinken beweisen will. Es gibt nichts Hässlicheres und Elenderes, als seine Kräfte im Verschlingen von Speisen und im Schlürfen von Wein zu erproben und dabei mit sich selbst zu kämpfen, dass man soviel in den Bauch hineinbringe, als er irgend fassen kann. Solche Menschen kennen den Zweck des Lebens gar nicht und wissen nicht, wozu Gott sie aufwachsen ließ. Denn wir essen und trinken, um den Leib zu erhalten, nicht um ihn zu erdrücken. Wir leben, um dem Herrn Verehrung und Gehorsam darzubringen und mit unserer Arbeit dem Nächsten zu dienen. Wenn es die Menschen aber darauf ablegen, ihre Kräfte mehr zu erdrücken, als zu erhalten, indem sie erproben, wie viel Speise und Wein sie ertragen können, sind sie ohne Zweifel schlimmer als unvernünftige Tiere.
V. 23. Die den Gottlosen gerecht sprechen. Jetzt tadelt der Prophet die damals bei den Gerichten herrschende Verderbnis. Er zeigt auch den Grund, weshalb für ein billiges Urteilen kein Raum bleibt; Geschenke haben überhand genommen. Denn Habsucht macht die Augen der Weisen blind und verkehrt alles, was gut und billig ist, auch bei denen, die sonst darauf gerichtet wären, nach Gerechtigkeit zu trachten. Allerdings könnte man sagen, dass nicht bloß durch Geschenke, sondern auch auf andere Weise das Recht gebeugt werden kann: sehr oft blenden Neigung, Hass, Freundschaft und andere verkehrte Stimmungen den Sinn. Das ist gewiss richtig: aber der Prophet erinnert nur an das, was gewöhnlich geschieht, wobei er die Laster, die er nicht ausdrücklich nennt, gewiss nicht schonen will. Nach diesem Beispiel sollen sich die Lehrer klug und umsichtig beweisen, indem sie auf diejenigen Laster achten und sie zu bessern suchen, welche im Volk am meisten im Schwange gehen. Sie sollen die bösen Gewohnheiten, die eingerissen sind, stark angreifen. Diese Verderbnis nun, an welche der Prophet hier erinnert, ist bei allen Gerichten weit verbreitet. Darum sollen sich Richter, die ein rechtes Urteil sprechen wollen, ernstlich vor ihr hüten. Man soll es nicht gelten lassen, dass viele sagen, Geschenke würden ihnen für diesen Zweck gar nicht angeboten: sie könnten sie ruhig annehmen und dennoch ein untadeliges Urteil sprechen. Wo für Geschenke überhaupt Raum ist, wird das Streben nach dem Rechten und Guten notwendig verderbt. Denn unvermeidlich wird das Gemüt sich demjenigen zuneigen, von welchem man Geschenke empfangen hat. Man soll auf den Herrn hören, der uns einprägt, dass auch der Sinn des Gerechtesten verderbt und das Gemüt des Weisesten verkehrt wird: und wir sollen nicht klüger sein wollen, als Gott selbst.
V. 24. Darum, wie des Feuers Flamme usw. Damit die Weherufen nicht vergeblich scheinen, zeigt der Prophet wiederum, welch schwere und schreckliche Rache dem Volk droht. Er kündigt den Widerspenstigen das äußerste Verderben an, weil sie sich nicht auf den rechten Weg führen lassen, sondern hartnäckig der Belehrung widerstreben. Dabei bedient er sich sehr passender Bilder, die viel tiefer ins Herz dringen, als eine einfache und bildlose Aussage. Bildlich ist nicht bloß die Rede vom Feuer, - auch das Volk selbst wird unter dem Bilde von Stroh und Wurzel dargestellt. Was also über und unter der Erde wächst, dient zur Bezeichnung der im Volke vorhandenen offenbaren und verborgenen Kräfte. Sie alle sollen vernichtet werden. Wie es um den Baum geschehen ist, wenn seine Wurzel verfault, die allein ihm Kraft gibt und ihn trägt, so kündigt der Prophet auch dem Volk an, dass sein Ende gekommen ist, weil alle seine Kräfte ausgeschöpft und verzehrt sind. Dabei zählt er nicht mehr, wie vorher, die verschiedenen Verbrechen auf, welche Gottes Zorn gereizt hatten, sondern deutet auf die zusammenfassende Ursache: sie verachten das Gesetz des Herrn. Ihre Sünde wiegt doppelt schwer, weil ihnen Gottes Wille im Gesetz kundgetan war: so sind sie nicht in Unwissenheit und Irrtum, sondern in bewusster Bosheit in ihr zügelloses Wesen gefallen und haben das Joch des Herrn abgeschüttelt. Damit verwarfen sie einen überaus freundlichen Vater und verschrieben sich dem Teufel zum Eigentum. So erhebt der Prophet die Anklage auf gänzlichen Abfall: sie sind nicht nur in irgendeinem Punkte abgewichen, sondern treulose Aufrührer geworden und haben dem Herrn gänzlich abgesagt. Sie verachten nicht bloß, sondern lästern die Rede Gottes. Der Prophet hat also zu klagen, dass sie in sündhaftem Widerwillen Gottes Wort verwerfen. Ist also die Verachtung des göttlichen Gesetzes Quelle, Hauptstück und Gipfel aller Bosheit, so müssen wir uns vor allem hüten, dass uns der Satan nicht die Ehrfurcht vor Gottes Gesetz aus dem Herzen reiße. Und wenn wir in Sünde gefallen sind, sollen wir wenigstens der Arznei Raum geben, wenn wir nicht durch ihre böswillige Verachtung uns ewiges Verderben zuziehen wollen.
V. 25. Darum ist der Zorn des Herrn ergrimmet. Dieser Vers erinnert an die früheren Strafen, welche die Israeliten bereits erfahren hatten, und fügt hinzu, dass noch immer kein Ende davon gekommen sei: ja, wenn sie nicht auf den rechten Weg zurückkehren, droht noch viel schwerere Rache. Sprachlich möglich wäre es auch, den Satz in der Zukunftsform zu übersetzen. Aber in den Zusammenhang passt die Form der Vergangenheit besser. Es sind zwei verschiedene Stücke, von welchem der Prophet im Blick auf die widerspenstige Selbstverhärtung des Volkes spricht, erstlich dass Gott seine Schandtaten schon gestraft habe, zum andern dass noch immer andere Geißeln in seiner Hand sind, mit denen er das Volk züchtigen wird, weil keine Besserung sich zeigt. An dritter Stelle deutet die Rede auch darauf hin, worin die Strafe bestehen soll: auf einen Wink Gottes werden die Assyrer kommen, sobald er sie herbei pfeift. Dies ist der Zusammenhang der prophetischen Rede. Wir wollen uns danach merken, dass die große Masse der Menschen der Züchtigung nicht mehr gedenkt und Gottes Gerichte nicht weiter betrachtet, sobald sie irgendeinem Unfall nur irgend entgangen ist: während die Erfahrung sonst auch die Törichten lehrt, pflegt man sich gegen Gottes Strafen zu verhärten. Diese Gleichgültigkeit schilt Jesaja, indem er etwa sagen will: Habt ihr so schnell des Elends vergessen, unter dem ihr soeben noch seufztet? Dass die Leichname noch auf den Gassen liegen, kommt doch nur daher, dass Gott seine Hand wider euch erhoben hatte. Wenn in dieser Weise Gott sein Gericht übte, warum treibt euch dieses noch so frische Unglück nicht zur Gottesfurcht? Stattdessen häuft ihr noch immer Sünde auf Sünde. Mit Nachdruck hebt der Satz noch einmal an: „Darum“. So muss man sehen, dass das Unglück nicht durch Zufall kam, sondern ein offenbares Zeichen göttlicher Rache ist. Deshalb heißt es auch ausdrücklich, dass der Zorn des Herrn über sein Volk ergrimmet: denn wenn die Juden nicht aus ihrem Stande gefallen wären, müssten sie glücklicher daran sein, als jedes Volk. Wenn also der Herr sein auserwähltes Volk so streng und hart behandelt, muss er ohne Zweifel durch die schlimmsten Verbrechen gereizt sein. Zugleich wenden sich die Worte des Propheten gegen den falschen Selbstruhm, in welchem die Juden sich zu erheben pflegten: als ob sie von Strafen verschont bleiben müssten, weil sie Gottes Eigentumsvolk sind! Dass die Berge beben, ist eine bildliche Rede, welche die Härte der Strafen vergleichsweise andeutet, gegen welche man sich verstockt hatte: Gottes Eigentumsvolk bleibt unerschüttert. Es ist stumpfer, als die seelenlose Kreatur und hat keine Empfindung für Gottes Zorn und die schreckliche Rache, welche das Reich Israel bereits getroffen hatte.
Seine Hand ist noch ausgerecket. Wie wir schon sagten, verkündet der Prophet noch härtere Strafen für die Zukunft. Denn obgleich die gottlosen Leute zugeben, dass der Herr sie gestraft hat, glauben sie doch mit einem oder zwei Schlägen frei zu kommen. So versinken sie in grobe Sicherheit, als könnte nichts Schlimmeres mehr nachkommen, und als wäre Gottes Kraft bereits erschöpft. Darum ruft der Prophet aus, dass Gottes Zorn noch immer nicht besänftigt ist: obgleich Israel schon mannigfache Niederlagen empfangen hat, ist der Herr noch immer mit vielen Pfeilen bewaffnet, die weitere unzählige Wunden schlagen können. Der Satz blickt übrigens auf den früheren zurück, dass Gottes Hand ausgereckt ist: sie ist es noch immer, und sie wird noch schwerere Strafen verhängen. Solche Worte wollen wir uns tief einprägen, damit wir aus der Stumpfheit aufgeschreckt werden, in welcher die meisten Menschen auch angesichts empfangener Züchtigungen verharren.
V. 26. Denn er wird ein Panier aufwerfen. Dieser und die folgenden Verse beschreiben die Strafe, die Gott über sein Volk bringen wird: Judas wartet die gleiche Niederlage von Seiten der Assyrer, von der kurz zuvor ihre Brüder im Reiche Israel betroffen waren, - oder vielleicht etwas noch Schlimmeres. Früher hatte auch Juda schon mancherlei Bedrängnis durch die Assyrer erfahren; wenn es auch noch nicht gänzlich zerstört war, so war für dasselbe die Vernichtung des Reiches Israel wie ein Spiegel, in welchem es Gottes Zorn und seine gerechte Züchtigung betrachten konnte. Ohne Zweifel aber hat man diese Weissagung für recht unglaubwürdig gehalten, obgleich sie sich doch auf deutliche Beweise berufen konnte: denn im Augenblick waren die Zustände ruhig, - und bei der geringsten Erleichterung pflegte man nur zu schnell wieder einzuschlafen. Darum verkündet der Prophet, dass Gott Heiden vom Ende der Erde herbeirufen werde, auf welche niemand gerechnet hatte. Sein Signal erklingt schon, als wären die Feinde unmittelbar gegenwärtig. Denn diese Hindeutung auf ferne Völker wird keineswegs gemacht, um die Frucht zu vermindern: vielmehr redet der Prophet absichtlich so, um einzuprägen, dass man Gottes Zorn nicht nach dem messen soll, was vor Augen liegt. Pflegen wir doch die Gefahren nach dem Anschein zu bemessen, den die Sache gewährt. Sind die Feinde nicht allzu nahe und werden sie noch von andern gehindert, uns im Augenblick zu bedrängen, so fühlen wir uns sicher. So schlief das Volk auf beiden Ohren, als wäre keine Gefahr zu fürchten. Jesaja aber erklärt, dass für den Herrn kein Hindernis besteht, ein Panier aufzuwerfen, dessen Anblick die Assyrer sofort herbei rufen wird, Juda den Garaus zu machen. Der Ausdruck ist bildlich: pflegen doch auf ein gegebenes Zeichen, welches den Befehl des Führers übermittelt, die Krieger den Kampf zu eröffnen. Dass Gott die Assyrer locken, buchstäblich „herbei pfeifen“ wird, deutet darauf hin, dass er nicht eines lauten Signals bedarf, um die Feinde herbei zu rufen. Ihm macht es keine Schwierigkeit, die Strafe zu vollziehen, wenn die Zeit gekommen ist. Denn er vermag mit einem bloßen Wink alles auszurichten. Buchstäblich wäre zu übersetzen, dass „dasselbige“, nämlich das Assyrervolk locken wird: die Rede geht aus der Mehrzahl in die Einzahl über zum Zeichen, dass die zahlreichen Völker, die Gott versammeln wollte, nicht eine ungeordnete Masse darstellen, sondern einem Leibe gleichen, der von einem bestimmten Haupt regiert wird.
Eilend und schnell kommen sie daher. Hier wird vollends bestätigt, was ich schon sagte, dass man den Zorn Gottes nicht nach dem gegenwärtigen Schein bemessen dürfe. Mag alles Frieden zu versprechen scheinen, so wird plötzlich Krieg von einer Seite sich erheben, da wir es nicht erwarten. Glauben wir auch auf allen Seiten mit Freunden umgeben zu sein, so wird doch Gott von den äußersten Enden der Erde Feinde erwecken, welche alle Hindernisse durchbrechen und wie auf glattem und ebenem Wege leicht zu uns gelangen werden. Darauf wollen wir fleißig achten, damit wir uns nicht durch eitle Sicherheit und hohles Vertrauen blind machen lassen. Auch dies wollen wir uns einprägen, dass Kriege nicht durch Zufall und menschliche Willkür sich erheben, sondern nach Gottes Befehl, der gleichsam mit seiner Posaune die Krieger aufruft. Mag also Krieg, Hungersnot oder Seuche uns treffen, so wollen wir einsehen, dass dies alles aus Gottes Hand kommt. Denn alle Dinge müssen ihm gehorchen und Folge leisten. Freilich war es nicht die Absicht der Chaldäer, dem Herrn zu gehorchen: alles andere lag ihnen näher, und sie ließen sich durch ihre Begehrlichkeit und Herrschbegier hinreißen. Doch gebraucht Gott ihren Dienst, seine Gerichte zu vollziehen. Darin leuchtet Gottes Macht besonders hell, dass sie nicht an den Willen von Menschen sich binden und von ihrer Willkür sich abhängig machen muss: sie macht sich vielmehr widerstrebende und nichts ahnende Menschen dienstbar. Dadurch werden aber die Gottlosen nicht entschuldigt. Denn sie dienen dem Herrn nicht in freiwilligem Gehorsam, sondern werden ohne ihre eigene Absicht in Gottes Bahn gehalten. Ihr eigenes Ziel ist lediglich, zu rauben, zu wüten und zu verderben: Gott aber straft durch ihre Grausamkeit die Verbrechen und Schandtaten seines Volkes.
V. 27. Und ist keiner unter ihnen müde. Diese Worte besagen, dass bei den Feinden alles so bereit und geordnet sein wird, dass nichts ihren Kriegszug hindern oder aufhalten kann. Es ist wie bei einem Fürsten, der, wenn er seine Heeresmacht aufbietet, alsbald auch anordnet, dass die Straßen in Stand gesetzt, Lebensmittel bereitgestellt und alle andern erforderlichen Dinge gerüstet werden. So werden auch die Feinde schnell und wohl gerüstet sein, sodass nichts ihren unaufhaltsamen Fortschritt hemmen kann. Auch dies deutet auf ihre tüchtige Kraft, dass keiner unter ihnen schlummert noch schläft. In diesen Worten erscheint die strenge Reihenfolge umgekehrt. Eigentlich müsste es heißen, dass niemand schläft noch schlummert. Denn schlummern ist weniger als schlafen. Aber die Rede muss in folgender Weise aufgelöst werden: niemand wird schlummern, geschweige denn schlafen. Ein Beispiel dafür haben wir im 121. Psalm (V. 4): „Siehe der Hüter Israels schläft noch schlummert nicht.“
V. 28. Ihre Pfeile sind scharf usw. Der Prophet weist darauf hin, dass die Feinde mit den nötigen Waffen ausgerüstet sein werden. Er hat dabei die bei den Assyrern und andern morgenländischen Völkern geläufige Bewaffnung namentlich mit Bogen und Pfeilen im Auge. Da nun die Assyrer einen langen Weg und beschwerlichen Marsch zurückzulegen hatten, konnten die Juden glauben, dass viele Hindernisse ihren feindlichen Ansturm brechen würden. Darum sagt der Prophet: Ihrer Rosse Hufe sind wie Felsen. Das will besagen, dass kein Anstoß sie aufhalten wird und sie endlich ohne Ermüdung nach Judäa kommen werden. Denselben Sinn hat es, dass die Wagenräder der Feinde mit einem Sturmwind verglichen werden. Die Alten pflegten mit Wagen in den Streit zu ziehen: darum wird nicht bloß der Rosse, sondern auch der Räder gedacht. Alles, was davon gesagt wird, deutet auf Schnelligkeit und Eile: kein langer Weg soll den Herrn hindern, unverweilt die Feinde zum Verderben der Juden herbei zu führen.
V. 29. Ihr Brüllen ist wie der Löwen. Jetzt wird das grausame und raue Auftreten der Feinde geschildert: sie sind wie Löwen, deren Anblick schrecklich und deren Natur wild ist. Sie werden also nicht als Menschen beschrieben, die sich durch ein Gefühl von Erbarmen und Menschenfreundlichkeit rühren lassen, sondern als wilde Bestien. Und der nächste Satz spricht von ihrer überlegenen Kraft, sodass niemand wagen wird, ihnen die Beute zu entreißen. Das deutet darauf hin, dass die Juden keinen Beistand finden werden, der den Angriff von ihnen abwehrt: denn die Furcht vor ihrer rauen Art wird einen jeden fernhalten. Weil die Assyrer dem Herrn ihren Dienst zur Bestrafung der Juden liehen, mussten sie mit erschrecklicher Macht gerüstet werden, damit jenes törichte Volk endlich einsähe, dass es nicht mit Menschen, sondern mit Gott zu tun habe, in dessen Hände zu fallen schrecklich ist.
V. 30. Und werden über sie brausen wie das Meer. Dies fügt der Prophet hinzu, um den Juden zu zeigen, dass der Einbruch der Chaldäer nicht durch Zufall erfolgt, sondern dass sie von Gott dazu bestimmt sind und durch seine Hand gelenkt werden. Ihr Ansturm gleicht dem Brausen des Meeres: er erscheint wie eine Flut, in welcher ganz Juda Schiffbruch leiden muss. Alles Hoffnung erscheint abgeschnitten, da der Prophet verkündet, dass keine Milderung der Strafe und kein Entrinnen sein wird. Wenn die Juden, wie es in verzweifelter Lage zu geschehen pflegt, ihre Gedanken auf und nieder wälzen, um irgendwo einen Ausweg zu entdecken, wenn sie zum Himmel empor blicken, oder das Land ansehen, werden sie nirgends einen Trost finden. Auf allen Seiten werden sie von Elend und Unglück erdrückt sein. Anders kann es gar nicht geschehen: wenn der Herr uns verfolgt, muss unser Blick allenthalben seiner aufgehobenen Hand begegnen, und wohin wir uns auch wenden, müssen seine bewaffneten Kreaturen wider uns stehen, sein Gericht zu vollziehen. Denn der Hand von Menschen können wir zuweilen entfliehen; wie sollten wir aber der Hand des Herrn entgehen können?