Arnold, Gottfried - Geistliche Erfahrungs-Lehre - Das 3. Capitel.
Von der heiligen und gewissen Erwählung in Christo.
Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt.
Matth. 20,16.
1.
Daß der ewige Schöpfer in seinem Sohn die Menschen zu ihrer Wiederbringung zum ewigen Leben verordnet habe, bloß im Absehen auf den wahren ungeheuchelten Glauben, solches versichert der Geist des Glaubens selber ganz deutlich. Ja er bestätigt es unter andern mit den Exempeln der Alten Christen, wenn Paulus Gott dankte, daß Gott die Thessalonicher erwählt hatte vom Anfang zur Seligkeit in der Heiligung des Geistes, und zwar im Glauben der Wahrheit, darin er sie berufen hatte. 2 Thess. 2, 13.
2.
Dieser Glaube der Wahrheit aber ist dasjenige göttliche Werk des heiligen Geistes in den Auserwählten, das sie neu gebäret und zum ewigen Leben bereitet. Dadurch fassen sie Gottes Wahrheit, und mithin alle verheissenen Güter, so eigentlich und in der Ordnung Gottes, daß sie besonders an ihnen muß erfüllt werden. Von welchem nun das allwissende Auge Gottes vorher gesehen hat, daß er sich also in diese Gnade und göttliche Ordnung ergeben würde, den hat er nicht anders als zum Leben verordnen können. Denn wer also glaubet, der wird selig.
3.
Noch ein merkliches Exempel sind diejenigen Heiligen zu Antiochia, welche nach Pauli Rede das Wort preiseten und gläubig wurden, so viel ihrer zum ewigen Leben geordnet und eingerichtet waren. Ap. Gesch. 13, 48. Nicht wie es sonst in der deutschen Bibel lautet, als ob nur darum nicht mehrere oder weniger geglaubt, weil nicht mehr oder weniger dazu versehen gewesen. Sondern der Geist zeigt hier die Ordnung und Einrichtung Gottes an, in welcher er die Menschen will selig haben, daß, wer sich darein schicket, auch wirklich selig werde.
4.
Solche Ordnung aber ist nun vornehmlich der Glaube nächst der Buße, mit allen seinen Früchten und Kräften, die er in des Menschen Versöhnung, Heiligung, Erleuchtung und Erlösung wirket. Also daß zum Leben verordnet seyn, hier so viel heißt, als in Buße ausgesöhnt, im Geist erleuchtet, in der Gnade geheiliget und im Leiden bewähret werden.
5.
Weil denn nun dieses unläugbar ist, daß Gottes Augen in allen nach dem Glauben sehen, so fragt sich's, ob er denn auch alle also erwählen könne? Die Erfahrung bezeugt es sowohl als die Schrift, daß nicht alle glauben, und dem Evangelio gehorsam sind. Röm. 10, 16. Viele wollen sich nicht sammeln lassen, sondern widerstreben dem heiligen Geist. Matth. 23, 37. Ap. Gesch. 7, 51. Daher sind sie auch nicht erwählet um ihres Unglaubens willen. Hos. 13, 9.
6.
Wir wollen die Ordnung nach einander kürzlich betrachten, worin sich die Erwählung äußert, und zwar nicht zu überflüssigem Nachgrübeln verborgener Rathschlüsse Gottes, oder zu Zank gebärenden Fragen und Disputen, sondern nur so viel zu des Glaubens Festigkeit und täglicher Uebung im Christenthum noth seyn mag.
7.
Gottes unveränderliches einfältigstes Wesen hat und leidet in sich nicht zweierlei Willen, wie wir bald hören werden, sondern es ist ihm selbst ein einiger ewiger Wille, alle seine Geschöpfe gut zu haben und zu sehen. Also ist die Scheidung nicht von ihm und seinem Wesen, sondern von der getrennten Creatur. In ihm ist kein Unterschied zweier oder mehrerer Willen, sondern in uns; und wenn wir davon reden, so drücken wir es nur nach unserm elenden Begriff aus. Dieß ist also zu fassen.
8.
Eigentlich und nach dem allerersten Grund und Anfang aller Dinge war in Gott nur ein einiger Wille, der sich aus dessen unzugänglichem Lichte bei der Schöpfung hervorthat in lauter Gutem, also dass nimmer kein Böses wäre zum Vorschein gekommen, wo die Menschen nicht gefallen wären.
9.
Diese waren auch also von ihrem Werkmeister bereitet, daß sie wählen konnten in freiem Willen, was ihnen gefiel. Sie konnten Gottes Licht, Kraft, Wonne und Herrlichkeit haben und offenbaren, wenn sie mit Gott einstimmten, oder auch die Finsterniß, Sünde und daher entstehende Angst erregen durch ihr Abweichen.
10.
Nachdem sie nun dieß Letztere gethan, und von der verbotenen Frucht gegessen, haben wir uns mit eiteln Dingen überfüllt, und sind von dem ewigen Gut getrennt, so lange wir nicht uns ganz wieder zu Gott kehren. Und damit solches geschehe, steht Christus stets vor den Herzen, klopfet und bietet seine Erlösung an mit aller nöthigen Gnade, dadurch wir aus dem Verderben weichen können.
11.
Wer nun diese Kraft Christi erfasset, der wird auch von ihr ergriffen, und seiner Gnadenwahl gewiß. Denn wer da will, der nehme das Wasser des Lebens umsonst, heißt es Offenb. 22, 17. Denn es stehet ihm alles offen durch den Glauben. Wer aber auch nicht will, dem entziehet sich die züchtigende Gnade, und läßt ihn in seiner Finsterniß und Bosheit dahin fahren, daß er keine Entschuldigung behält.
12.
Also sieht man klar, wie Gott immer gegen die Menschen Eines Willens bleibe in sich selbst, der ihre Besserung will, und wie daher nimmermehr zwei unterschiedene Willen in ihm von Ewigkeit gewesen seyn, deren einer die Seligkeit Etlicher gewollt hätte, der andere aber die Verdammniß der Meisten, welches entsetzlich zu hören ist; indem ja Gott ewig nichts Böses wollen kann, so gewiß er Gott ist und gut bleibet.
13.
Welchem sich aber ein Mensch selbst einergibt, dessen Knecht ist er, es sey der Sünde zum Tode, oder dem Gehorsam zur Gerechtigkeit. Röm. 6, 16. Da kommt es darauf an, wem die Seele Platz und Raum läßt, das hat und genießt sie, nicht aus eigener Kraft, sondern aus Gnade, der sie nicht widersteht, oder hinderlich fällt in der Wirkung. Da sehen wir, woran es liege, wenn einer nicht erwählt wird, nemlich an dem falschen Willen und Unglauben.
14.
Auf daß wir also nach menschlicher Weise weiter davon sagen, und alles aus der Schrift bewähren, so ist Gott von Ewigkeit nach seinem ersten vollkommensten Rath und Willen gegen alle Menschen gleich durch unpartheyisch und vollkommen gut gesinnt gewesen, ohne Absicht auf ihren Zustand, wie schon erwiesen ist.
15.
Der Grund ist seine allgemeine wahre Liebe, in welcher er auch alle Menschen bei ihrem Fall gerne selig haben wollen, und zwar ohne und außer allem ihren Verdienst und vorgehende Liebe. Denn darin steht die Liebe, nicht daß wir Gott geliebet haben, sondern daß er uns geliebet hat, und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden. 1 Joh. 4, 10. In dieser Liebe hat Gott die Welt geliebet ohne Ausnahme oder Unterschied. Joh. 3, 16. Ja in dieser Liebe will Gott noch immer, daß allen Menschen geholfen werde. 1 Tim. 2, 3. Hingegen will er gar im Geringsten nicht, daß Jemand verloren werde, 2 Petr. 3, 9. hat auch keine Lust oder Gefallen am Tode eines einzigen Gottlosen, sondern daß er sich bekehre und lebe. Ezech. 18, 23. 33. Luc. 19, 41. Wer kann das deutlicher ausdrücken, als es der Geist selbst gethan hat? und wer mag so verwegen seyn, diesen allgemeinen Grund umzureißen, zu läugnen oder zu entkräften?
16.
Damit aber auch die arge Vernunft nicht die ewige Liebe Gottes in Verdacht ziehe, als gebe sie dergleichen nur vor, daß es in Gottes Herzen also sey, ohne es in der That zu beweisen: Siehe, so hat sie wahrlich solche Dinge vorgenommen, die uns vollkommen von der Allgemeinheit göttlicher Liebe überzeugen müssen.
17.
Denn da hat Gott die Welt also geliebet, daß er seinen eingebornen Sohn sandte, und ihn für uns alle dahin gab. Joh. 3, 16. Röm. 8, 32. Und damit abermal Niemand argwöhne, es sey nur auf Gläubige angesehen; so heißt es ja allzuklärlich: Er ist die Versöhnung nicht allein für unsere (der bekehrten) Sünde, sondern auch für der ganzen Welt; als das Lamm Gottes, das der (ganzen) Welt Sünde trägt und wegnimmt. 1 Joh. 2, 2. Joh. 1, 29. Also, daß es so gut ist, als wären sie (die Menschen) alle gestorben, indem Einer, Christus, gestorben ist. 2 Cor. 5, 14.
18.
O des allgemeinen vollkommensten unpartheyischen Liebes-Willens Gottes in Jesu Christo, der so gar nicht einen einzigen Menschen ausgenommen hat von solcher völligen Herwiederbringung des Verlornen! Wie mächtig schweifet der Geist der Wahrheit nicht aus, und fasset in die Erlösung alles ein? Col. 1, 20. Es sey der Wohlgefallen in Christo gewesen, daß alles durch ihn versöhnet würde zu ihm selbst (nicht etwa nur die Menschen, sondern) es sey auf Erden oder im Himmel. Also hasset Gott gar nichts, was er gemacht hat, es ist nichts, da er Haß dazu hätte. B. Weish. 11, 25.
19.
Noch mehr: Wenn etwa der Unglaube diejenigen will im Zorn und Eifer ausnehmen, die jetzt nicht glauben noch folgen; so versichert der Geist des Glaubens, daß Christus auch die erkauft hat, die ihn doch wirklich verläugnen (mit Worten und Thaten,) 2 Petr. 2, 1. Daher wir auch Niemand verderben sollen, weil Christus auch für ihn gestorben ist, sowohl als für Andere, die nicht verderben. 1 Cor. 8, 11.
20.
Und Lieber, was wollen wir noch lange daran zweifeln, oder einen Unterschied unter den Menschen machen, als ob Gottes Liebe nur einen einzigen nicht geliebet hätte? Waren wir nicht alle in Adam Sünder und Feinde Gottes von Natur? Dennoch hat uns Gott alle zugleich in Christo geliebet und versöhnet ohne Verdienst und Vorzug. Ist nicht durch eines Jesu Gerechtigkeit die Rechtfertigung des Lebens über alle Menschen gekommen, eben so allgemein, gleichwie durch eines Menschen Sünde die Verdammniß über alle Menschen gekommen ist? Röm. 5, 8. 17. 18. 19.
21.
Diese unbewegliche Grundfeste laßt uns wohl behalten, und tief in's Herz fassen, denn es kommt eine Zeit, da uns Hülfe und Gewißheit noth seyn wird, auf daß wir nicht wanken, sondern einen starken Trost wider unser eigen Herz behalten.
22.
Und ob Jemand weiter sorgen wollte, vielleicht habe Gott dieß alles nicht allen Menschen zu gute machen und vorlegen wollen; so haben wir auch hievon die klarsten Nachrichten und Versicherungen. Wer solche nicht erkennet, der hat zu sorgen, daß er noch keine wahre Erkenntniß und Gewißheit von seiner Seligkeit hat, und also den heiligen Geist als das Pfand derselben nicht in sich trägt, sintemal er sonst keine Scrupel dawider erregen würde.
23.
Wir Menschen haben ja auch von Natur noch nach dem Fall genugsame Spuren in uns, wie gerne der Schöpfer Allmend Jeden wolle geholfen wissen. Denn ist nicht das natürliche Licht der göttlichen Erkenntniß, wodurch Gottes Wesen auch den Heiden offenbar ist, eine Anleitung zu Gottes Willen? Kann uns nicht auch das Gewissen dazu führen, daß wir uns von Gott rufen und ziehen lassen? Röm. 1, 19. 21. 2,15.
24.
Ob nun wohl dieses alles noch nicht genug ist uns vollkommen herwieder zu bringen, so finden wir auch doch genugsame Zeugnisse, daß die Verkündigung von der Erlösung ganz allgemein gewesen ist. Denn das Evangelium ist verkündet unter aller Creatur, die unter dem Himmel ist, wie dessen erste Diener bezeugen. Coloss. 1, 23. Röm. 10, 14. 17. Weßhalb auch Christus es also verordnet hat, solches zu predigen in aller Welt aller Creatur. Matth. 28, 19. Marc. 16, 15. Luc. 24, 47.
25.
Ist es Jemanden um die Sache selbst, nemlich um seine Erlösung zu thun, nicht aber um vieles Scrupulieren und Disputieren, der wird der unendlichen wesentlichen Liebe diese große Herrlichkeit, und sich selbst sein Heil nicht absprechen. Denn ist etwas ehrerbietig und behutsam zu handeln, so ist es gewiß dieser Grund der Seligkeit in der allgemeinen Liebe Gottes.
26.
Und obschon einige dem Buchstaben und dem ersten Ansehen nach hart lautende Sprüche sich finden, welche die Ungelehrige verwirren, zu ihrem eigenen Unheil; da sie doch lieber die unzähligen Zeugnisse und Proben göttlicher Gnade forschen und erwählen sollten: So sind auch solche dennoch ohne Zwang nach der Regel des Evangeliums wohl zu entscheiden.
27.
Unser Vorhaben ist hier nicht, über unserer Wahl lange zu streiten, oder Andere deswegen zu verklagen; sondern einfältig und gründlich davon gewiß zu werden. Daher wir jetzt beiseit setzen, wie weit der Gegensatz zu tragen, oder auch mit der Wahrheit einigermaßen zu vereinigen seyn möge oder nicht.
28.
Genug, daß ein Mensch, dem es um sein Heil zu thun ist, aus Gottes Erklärung unfehlbar wissen und genießen kann, daß ihn Gott erwählet habe von Anfang zur Seligkeit, wenn er die Heiligung des Geistes und den Glauben der Wahrheit hat und behält bis an's Ende, wie wir bald weiter vernehmen wollen.
29.
Da wir schon im Anfang gehört, daß es an unsrer Seite hauptsächlich auf den göttlichen Glauben ankomme; um deßwillen, weil Gott die Menschen in gewisser Ordnung will selig haben, so müssen wir uns in solche bequemen. Geschieht das nicht, so bleibt zwar Gott getreu, und kann sich selbst nicht läugnen, ob man gleich ihn verläugnet. Indessen kann alsdann aus des Menschen Schuld Gottes Rath nicht erfüllt werden.
30.
Die liebliche Sonne seiner Gnade scheint immer unverrückt auf alle zu, was kann sie denn davor, wenn einer oder der andere nicht erwärmet oder beleuchtet wird? Thut sie sich doch genugsam hervor mit ihren Strahlen. Locket sie doch Alle und Jede zu sich, wenn sie nur wollen zu Christo kommen und das Leben nehmen.
31.
Es heißt ja: Viele sind berufen. Berufen aber sind sie nach dem Vorsatz. Denn die er zuvor versehen hat, die hat er auch berufen, gerecht und herrlich gemacht. Röm. 8, 28. 30. Nun hat er zwar nach seinem ersten Willen alle Menschen berufen, aber sie haben sich nicht alle berufen lassen. Welche nun den Beruf annehmen, von denen hat es Gott schon von Ewigkeit zuvor gesehen, und also sie erwählt, und in der Zeit auch zur Gerechtigkeit und Seligkeit gebracht.
32.
Dazu gehet der ewige Vater, der sonst in einem unzugänglichen Licht wohnet, 1 Tim. 6, 16. aus demselben hervor, und zwar sowohl sehr frühe, oder im Anfang der Welt schon, als hernach von Zeiten zu Zeiten; wie etwa ein Hausvater um gewisse Stunden einen Arbeiter nach dem andern miethet. Ja er besuchet auch einen jeden Menschen zu verschiedenen Zeiten mit seiner Gnade, bald in der Jugend, bald im Mittelalter, bald später.
33.
Weil er denn keine Zeit vorbei läßt, da er nicht Jeden heimsuchen sollte, wie Niemand läugnen kann, und zwar sowohl mit Worten als Werken: So haben wir auch auf solche Ausgänge und Zutritte der Gnade Gottes wohl zu merken. Hören wir seine Stimme von Außen und von Innen, so laßt uns unser Herz nicht verstecken, sondern hören wie ein Jünger, denn sie gehet bald vorbei, und möchte nicht so leicht oder so sanft und kräftig wiederkommen, wenn sie verachtet worden.
34.
Hier möchte nun der Geist wohl Jedermann fragen: Ob er mit freiem Gewissen sagen oder sich entschuldigen könne, er sei darum bisher unbekehrt, ungebessert, unerleuchtet, oder also müßig und unfruchtbar in Gottes Weinberg geblieben, weil ihn Niemand gedinget habe, wie dort jene faule Arbeiter sprachen? Oder ob nicht die ewige Liebe uns alle gelocket habe? Hat Jemand noch einen Funken Redlichkeit in sich, der wird es nicht läugnen können oder wollen.
35.
Woran liegt es aber, daß die Meisten gar nicht, Viele aber so schläfrig und übel kommen und arbeiten? Freilich würden sie alle den Himmel annehmen, wenn Gott spräche: Kommt nur ihr Menschen, ihr sollt alle selig werden, wenn ihr schon noch so frech bleibt, oder doch nur heuchelt. Sagt nur: Herr, Herr, geht zur Beichte und Abendmahl, bleibt aber wie ihr seyd, treibt eure Sünden nach wie vor, oder versteckt sie doch nur subtil; es soll euch nicht schaden. Ich will euch alle so erwählen zum ewigen Leben. Das wäre ein Evangelium für dieß Volk.
36.
Nun aber Gott so großen Ernst fordert, und einen solchen lebendigen Glauben sucht, so ist leicht zu erachten, warum so wenig selig werden. Denn diese bisher beschriebene Erwählung ist heilig, und zielet auf lauter Heiligung und Besserung: Die Heiligung aber besteht sowohl in Aussonderung vom Bösen, als im Anhalten zum Guten. Der Hausvater rufet auch uns zur Arbeit in seinen Weinberg, nicht zum Müßiggang.
37.
Erwählen heißt eigentlich etwas aus dem gemeinen Haufen auslesen und besonders setzen, zu einem sonderbaren Stand und Gebrauch. Im Grunde ist es nichts anders als Heiligen, denn Heiligung ist eine Aussonderung vom gemeinen Gebrauch zu einem besonderen. Also wen Gott erwählet, den nimmt er aus dem verderbten Wesen heraus zu seinem Eigenthum. Wäre die ganze Creatur gut und mit Gott einstimmig geblieben, so bedürfte Gott nicht Jemand davon heraus zu nehmen und zu erwählen, sondern es wäre noch Alles sehr gut, wie von Anfang.
38.
Nachdem aber die ganze Welt im Argen liegt, so ist noth, daß die, so Gott nachfolgen wollen, sich lassen aussondern und auslesen, welches der Anfang der Heiligung ist. Darum ist es eine unschätzbare Gnade, wenn eine Seele göttlich gewiß ist, wie dort Christus seine Jünger versicherte, er habe sie aus der Welt auserwählt, und darum seyn sie nicht aus der Welt. Joh. 15,19.
39.
Gleichwie ein Hausvater gewisse Leute, die am Markt dieser Welt müßig stehen, heraus nimmt, und zu seinem Weinberg widmet: Also rufet und ziehet Gott so manche Seele, von welcher er den Glauben zuvor stehet, von dem unnützen Geschwätz und Zeitverderb der Weltleute ab, und setzt sie besonders in seine Anbetung, Nachfolge und Bedienung.
40.
Die meisten Menschen leben auf dieser Welt nur als auf einem Theater, da sie sehen, was Andere machen, sich um fremde Händel bekümmern, aber nie in sich selbst gehen, ihr eigen Elend merken, oder nüchtern werden; sondern sie sind weder Gott noch ihren Seelen das Geringste nütze, ja thun in geistlichen und ewigen Dingen Gott gar nichts zu gefallen.
41.
O wie Mancher steht vom Morgen oder ersten Tag seines Lebens an in dieser Welt ledig, ohne wahren Dienst Gottes, ob er schon noch so geschäftig in dieser Welt scheint! Denn so viel nicht zu Gottes Reich und Ehren, oder des Nächsten wahren Besten geschieht, so viel ist Mäßigung da. Daher Manche, auch wohl Gelehrte und Lehrer, ihr Brod recht mit Sünden essen, und der Erden Last sind, wenn sie nicht einzig und allein auf lauter Besserung arbeiten, sondern nur zum Schein und um Lohn und Brod lehren, predigen und handthieren an den Seelen.
42.
Und wie mancher anderer Greuel des Herzens von Innen und von Außen ist nickt aus dem Fall da, daraus wir uns müssen in Christo ziehen und erwählen lassen? Denn wer recht will erwählet seyn, der muß in keiner Sünde wissentlich mehr stehen bleiben, sonst bleibt er in der Gemeinschaft mit dem gemeinen Verderben und Abfall. So oft man etwas Arges oder Falsches in oder an sich merket, so oft schreie man um die Absonderung und Heiligung im Blute Jesu, es mögen üble Gedanken, Begierden, Worte oder gar Ausdrücke böser Werke seyn.
43.
Von diesem und allem andern Verderben nun muß uns der Hausvater abrufen und abziehen, wenn wir sollen Erwählte des Herrn seyn. Ja, wo Jemand nicht allezeit mit Liebe folgen will, so braucht er auch wohl stärkere Züge und Gebisse dazu. Da muß es oft kommen, daß uns die Leute selbst absondern, schmähen, unsern Namen als einen Boshaftigen hinausstoßen oder verwerfen, und zwar um des Namens Christi willen, wie er zuvor gesagt hat. Luc. 6, 22.
44.
Dieß alles gehört mit zur Erwählung von der Welt: Aber noch mehr die wirkliche Heiligung und Besserung, darauf sie vornehmlich zielet. Denn wie uns Gott nicht zur Unreinigkeit berufen hat, sondern zur Heiligung, 1 Thess. 4, 7. also hat er uns auch eben in einem solchen Sinn erwählet zur Reinigung.
45.
Eben da der Heiland sagt, er habe die Seinen von der Welt erwählt, spricht er auch: Er habe sie erwählt und gesetzt, daß sie sollen Frucht bringen, und ihre Frucht bleibe, Joh. 15, 16. nemlich die Frucht des Glaubens in der Liebe. Denn so beschreibet uns der Geist dieselbe namentlich Coloss. 3, 12. Ziehet an, als die Auserwählten Gottes, Heilige und Geliebte, (siehe, also hänget an der Wahl unzertrennlich die Heiligkeit) herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demuth, Sanftmuth, Geduld, und über alles die Liebe.
46.
Damit ist auch der Zweifel gehoben, daß wir nicht die Wahl durch die Heiligkeit verdienen, sondern daß diese aus jener gewißlich folge. Denn die schon auserwählt sind, die sollen sodann anziehen diese Tugenden, wozu sie Gott von Ewigkeit bestimmt und in der Zeit berufen hat.
47.
Ach, dieses ist eben der wahre Zweck der göttlichen Wahl, daß sie ihre Creatur gern wiederum heilig und gut haben will. Dahin sollte alle unsere Arbeit in Gottes Weinberg, aller Kampf und alles Anhalten im Geist gehen, daß wir wiederum zu unserem verlornen göttlichen Ebenbild nach und nach gelangten. Ja, wir sollten diese Gnade nicht um alles fahren lassen, daß uns dessen der Schöpfer wieder würdigen will, nicht aber so lässig darin seyn, oder sie mit den Spöttern gar schmähen und für unmöglich achten.
48.
Denn heißt es nicht ausdrücklich: Welche Gott zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet, daß sie gleich seyn sollen dem Ebenbild seines Sohnes? Röm. 8, 29. Wie aber anders als im Leiden und Leben, Dulden und Herrschen? V. 17.
49.
So sind wir nun gewißlich dazu von Gott bestimmt, so viel unser in der Wahrheit glauben, daß wir in Christum und sein unschuldig Bild sollen eingeprägt, und in demselben vor dem Vater offenbar werden mit unendlicher Herrlichkeit. Damit erfüllet werde, was da im 65. Psalm stehet: Selig ist, den du erwählest und zu dir lassest, daß er wohne in deinen Höfen, der hat reichen Trost von deinem Hause, deinem heiligen Tempel.
50.
Wenn diese Wahrheit nicht so klar ausgedrückt wäre in der Schrift, so möchte man etwa noch zweifeln, ob es auch eine so heilige Wahl sey. Denn die Natur zieht die Gnade und Wahl gern auf Muthwillen. Nun aber ist es allzu deutlich. Er hat uns erwählet, auf daß wir sollten (nicht scheinen oder uns stellen, sondern) seyn (nicht etwa heuchlerisch oder gar arg bleiben, sondern) heilig und unsträflich, (nicht nur vor Menschen, welches endlich nach der Natur möglich ist, sondern) vor ihm, (nemlich dem lebendigen Gott, und zwar nicht aus Zwang oder Furcht, sondern freiwillig, nemlich) in der Liebe. Eph. 1, 4. Ist uns dies nicht Zeugnisses genug?
51.
Ja, was noch mehr ist, es heißt gar, wir sollen unsern Beruf und Erwählung feste machen; worin denn? Also, daß wir darreichen in unserm Glauben Tugend, in der Tugend Bescheidenheit, in der Bescheidenheit Mäßigkeit, in der Mäßigkeit Geduld, in der Geduld Gottseligkeit, in der Gottseligkeit brüderliche und darin gemeine Liebe. 2 Petr. 1, 10. f.
52.
Dieses ist so wenig nun unsern eigenen Kräften zuzuschreiben, als etwa andere Wohlthaten des Evangeliums, welche die Frucht der Besserung und Reinigung von uns kräftiglich fordern. Denn an Gottes Seite war die Wahl ohn' all' unser Verdienst ohnedem fest genug. Aber an unserm Theil bedürfen wir die Versicherung davon, und diese kann durch den heil. Geist am kräftigsten aus den Früchten des Glaubens, wie sie hier benennt sind, erhalten werden.
53.
Also gar kommt die Gnadenwahl durch die Heiligung des Geistes her, und gehet auf den Gehorsam, wie Petrus abermal im Anfang der 1. Epistel nennet Auserwählte durch die Heiligung des Geistes zum Gehorsam, aber nicht aus eigener Würdigkeit, sondern zur Besprengung des Blutes Jesu Christi. Der Herr wolle es uns selber in's Herz schreiben, wie unzertrennlich die wahre Heiligung von der Erwählung und Gewißheit der Seligkeit sey.
54.
Hieraus verstehen wir, welches die wahre Ordnung sey, wonach Gott die Menschen erwählet habe. Nemlich Buße und Glauben suchet Gott bei solchen, ohne diese kann und will er keine erwählen und selig machen. Sollte wohl das allerverständigste göttliche Wesen das hohe Werk der menschlichen Seligkeit ohne gewisse Ursache, Ordnung und Grund vornehmen? Thut er doch in natürlichen Dingen alles ordentlich, geschweige in ewigen. Sollte er sich da übereilen, und so ohne gewissen Grund alle Unbußfertigen wollen selig haben? Ja es wäre stracks wider sein Wesen, wo er einen Menschen wollte zum Leben mit sich bestimmen, der doch noch völlig in seinem Abfall, und in des Satans Bild, ohne Aenderung stehen bliebe.
55.
Luther sagt davon sehr nachdrücklich in der gedachten Vorrede über die Ep. an die Röm. §. 19. Es sei allein in Gottes Hand gestellt, daß wir fromm werden: Man müsse aber in dieser Ordnung erstens, sich mit Christo und dem Evangelio bekümmern, zweitens, die Sünde und Gnade erkennen, drittens, mit der Sünde streiten. Darnach unterm Kreuz und Leiden werde man die Vorsehung lernen, wie tröstlich sie sey. Denn ohne Leiden könne man die Vorsehung nicht ohne Schaden und heimlichen Zorn wider Gott handeln. Darum müsse Adam zuvor wohl todt seyn, ehe er dieß Ding leide, und den starken Wein trinke.
56.
Sogar meldet er auch dabei, daß ohne die wahre Erforschung solcher Ordnung kein Prediger von der Wahl ohne Irrthum lehren könne. Und wer noch ein Säugling sey, der solle diesen starken Wein nicht trinken oder auch geben. Die Ursache ist diese: Wer Gottes Ordnung und Regierung in dem Werke seiner Bekehrung und Heiligung nicht an sich selbst in wahrer Demüthigung und Erweckung bei Buße und Glauben erfahren hat, der wird entweder die Leute durch falsche Versicherung von der Wahl sicher machen, oder auch aus natürlichem Eifer und Grimm sie in Verzagung stürzen. Die Natur kann nirgend in der Mittelstraße bleiben, entweder sie ist trotzig oder verzagt, und wie sie ist, so macht sie auch andere gerne.
Es ist ohne Zweifel in keinem Wege das der gesunde Verstand und rechte Gebrauch der Lehre von der Vorsehung Gottes, das, dadurch entweder Unbußfertigkeit oder Verzweiflung verursacht oder gestärkt werden, so führet auch die Schrift diese Lehre nicht anders, denn also, daß sie uns dadurch zum Wort weiset, Eph. 1. 1 Cor. 1. zur Buße vermahnt, 2 Tim. 3 zur Gottseligkeit anhält, Eph. 1. Joh. 15. den Glauben stärket. Die nach dem Vorsatz verordnet seyn zum Erbtheil, die hören das Evangelium, glauben an Christum, beten und danken, werden geheiliget in der Liebe, haben Hoffnung, Geduld und Trost im Kreuz, Röm. 5. Und ob dies alles gleich sehr schwach ist in ihnen, haben sie doch Hunger und Durst nach der Gerechtigkeit, Matth. 5, 6. Nach dieser Lehre sollen sie von Sünden abstehen, Buße thun, seiner Verheißung glauben, und sich ganz und gar auf ihn verlassen. - Und nachdem der heilige Geist in den Auserwählten wohnet, der in ihnen nicht müßig ist - sollen sie gleichergestalt auch nicht müßig seyn, noch vielweniger dem Triebe des Geistes Gottes sich widersetzen, sondern in allen christlichen Tugenden sich üben, daß sie ihren Beruf und Erwählung feste machen, damit sie desto weniger daran zweifeln, je mehr sie des Geistes Kraft und Stärke in ihnen selbst befinden.
57.
Es ist aber zu besorgen, daß nicht nur vormals manche harte Streitigkeiten über der Wahl aus ungeübten Sinnen hergerührt: sondern daß auch noch mancher unlauterer Vortrag hievon daher komme, wenn man selber nicht in Buße und Heiligung seine Erwählung hat feste machen lassen, sondern wie ein Lahmer hin uno her wanket, bald in fleischlicher Leichtsinnigkeit, darin man's auf's Ungewisse waget, bald im Unglauben und Verzagtheit, die allen Kampf und Glauben hindert.
58.
Daher kommt es auch, daß Mancher ohne Unterschied einen ganzen vermischten Haufen Volks stracks als allesamt für Auserwählte preiset; da doch Christus allemal wiederholt hat, es feien nur Wenige auserwählet, nemlich, weil sich die Wenigsten auserwählen und vom Bösen abziehen lassen. Menge es den Schmeichlern und Seligmachern nach, so würden alle Diebe und Meineidige fromm und selig seyn, wo sie nur ihnen Lohn und Lob gäben, als denn auch leider! in vielen Beicht- und Predigtstühlen geschieht.
59.
Und o wie gerne möchte es Gott mit seinen heiligen Engeln und Auserwählten sehen, wenn sie sich alle erwählen ließen! Aber so wird der Richter Manchen, der es sich jetzt nicht vermuthet, endlich müssen abweisen, daß er die noch nie erkannt, und also nicht erwählt habe, die nur Herr, Herr sagen, in seinem Namen weissagen, Thaten oder Scheinwerke thun, und doch des Vaters Willen nicht wirklich und aufrichtig gethan. Matth. 7, 23.
60.
Ja alle die, welche in der Gnadenzeit und weil es heute heisset, nicht dahin ringen, daß sie das Siegel Gottes und sein Pfand, den Geist in ihre Seelen überkommen, werden sich betrogen sehen, ob sie schon gemeint sich selber zu erwählen, oder für Erwählte auszugeben. Denn deren Namen nicht im Himmel angeschrieben sind, die nicht geschrieben erfunden sind im Buche des Lebens, die werden geworfen in den feurigen Pfuhl. Offenb. 20, 15.
61.
Was hilft denn das nun, wenn sich einer schon hier für noch so rechtgläubig hält, und für einen Christen ausgibt? wird er nicht endlich erkannt und ausgethan werden? werden nicht die Ersten, die sich für die Besten ausgeben, oder auch am ersten mit berufen waren, die Letzten werden?
62.
Ja wohl wird manche Hure eher in das Reich Gottes kommen, als Pharisäer und dergleichen. Matth. 21, 31. Das macht, jene, als die von allen für die Letzten und Elendesten gehalten werden, kommen wohl endlich zur Demüthigung und Buße; diese aber halten sich schon für bekehrt, und verwerfen also alle guten Warnungen, darum kommen sie nicht zum Zweck. Ja auch wohl solche, die in der That und Wahrheit die Ersten und Besten, oder Weisesten und Frömmsten waren, mögen doch wohl durch Eigenheit und Selbst-Gesuch, wenn sie nicht wachen, dermaßen abkommen von ihrer ersten Liebe, daß sie die Letzten werden.
63.
O es ist nichts Unmögliches, auch nicht selten geschehen, daß bekehrte Leute aus der Gnade wieder gefallen und Christum verloren haben! und zwar geschieht es nicht etwa allein durch grobe Sünden, sondern auch durch verborgenen Hochmuth, Neid, Murren und dergleichen, das von Menschen nicht eben gemerkt oder gerichtet wird.
64.
Demnach müssen wir ja wohl auf der Hut seyn, lernen und merken, was Satan im Sinn hat, damit wir nicht übervortheilt und des Kleinods auch wohl am Ende verlustig werden. Denn Viele laufen, aber Einer erlanget das Kleinod. Darum laßt uns also laufen, daß wir es ergreifen. 1 Cor. 9, 24.
65.
Ist es aber also bewandt mit der Wahl, möchte Jemand denken, daß man leicht kann Schiffbruch am Glauben leiden, so wird wohl Niemand seiner Erwählung gewiß seyn können. Aber allerdings gibt es eine Gewißheit davon, doch nur für solche, die ihrer Seligkeit mit Furcht und Zittern wahrnehmen, und nicht sicher noch frech, noch auch verzagt werden.
66.
Von Gottes Seite kann ein jetzt beschriebener, bekehrter und geheiligter Christ seiner Gnadenwahl gewiß werden, weil Gott seine Wahrheit treulich hallen muß, denen, die in seiner vorgeschriebenen Gnadenordnung stehen, worin er die Menschen selig haben will. Denn er muß nothwendig kraft seiner Zusage geben Preis, Ehre und unvergänglich Wesen, denen, die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben, Röm. 2, 7. und also in lebendigem Glauben stehen.
67.
Noch vielmehr vergewissert uns, die wir glauben, seine unveränderliche Liebe, Treue und Gnade, die er an denen nothwendig beweisen und preisen muß, die sie an sich kräftig werden lassen. Denn dieß ist eben der feste Grund Gottes, der da bestehet, (wenn alles fällt,) und dieß Insiegel hat: Der Herr hat die Seinen erkannt, oder die, so seine sind, wenn sie auch Niemand erkennen will. 2 Tim. 2, 19. Aber wer Christi Namen nennet, der stehe auch ab von der Ungerechtigkeit.
68.
Da liegt der Grundstein von der Gnadenwahl der berufenen Gläubigen, nemlich Gottes Liebeserkennen, da sein Vaterherz schon von Ewigkeit weiß und liebt, die ihm anhangen, und an denen er seine Liebe beweisen mag ohne Hindernisse. Je mehr du nun dieser ewigen Liebe Platz lässest, und sie nur begierig in dich ziehest, je fester wird dein Heil.
69.
Dieß ist tausendmal gewisser, als wenn es Gott auf unser Verdienst oder Werk gesetzt hätte. Denn was haben wir, das wir nicht empfangen haben, und was wir auch empfangen, wie leicht ist etwas davon tadelhaft? Nun es aber allein auf Gnade gesetzt ist, und diese nicht wanket noch vergeht, siehe, so bleibt und steht fest in Ewigkeit alles, was darauf gebaut wird, und also auch unsere (der Gläubigen) Erwählung und Erlösung.
70.
Kommt also einem recht um sein Heil bekümmerten Herzen ein Zweifel ein, ob es auch möchte erwählt und nicht verstoßen seyn: So suche man es bloß in der Gnade, so sich in Christi Wunden und Tod eröffnet; da sind so viel und große Merkmale, daß sie erleuchtete Seelen nicht trügen können, daher ja wohl nicht obenhin muß gebeten werden: Laß mich durch deine Nägelmal erblicken die Gnadenwähl.
71.
Doch ist dieses alles so bescheidentlich und ordentlich zu fassen, daß wir auch in uns selbst, so ferne wir erleuchtet sind, Gewißheit suchen und nehmen müssen. Sintemal alles, was außer uns von Gott und seiner Wahl gesagt wird, auch in einem Jeden eintreffen muß, wo wir anders zur Sache und zu göttlicher Gewißheit darüber gelangen wollen.
72.
Nicht ist es zu verstehen, als ob die Gewißheit an uns liege. Denn wir haben es schon gesehen, daß es an Gott hange: sondern daß sie auch von Gott in uns gewirkt werden müsse. Das thut aber alles der einige Geist Gottes, der da Zeugniß muß geben unserm Geist, nicht nur, daß er Wahrheit sey, sondern daß wir auch Kinder Gottes und seiner Wahrheit seyn. Wo ist aber dieß, als bei Auserwählten und Gläubigen?
73.
Dieß ist eine unschätzbare Gnade, wenn Gott durch seinen eigenen Geist, der aus seinem Munde gehet, uns versiegelt, und uns solch' Pfand gibt, zu unserer Erlösung, wie Paulus die versicherte, über welche er Gott preisete, daß er sie erwählet hätte. Eph. I, 4. 14. 2 Cor. 1, 21. Cap. 5, 5.
Es haben auch daher viele im Pabstthum, wider ihre gemeine Lehre, gestanden, ein gesalbter Christ könne zur Gewißheit seiner Wahl und Seligkeit kommen. Welche zu der unaussprechlichen Vereinigung erhaben sind, die werden von ihrer Gnaden-Annehmung gewiß, von denen Paulus sonderlich redet Röm. 8. 1 Cor. 2. -
Da er von denen redet, denen diese Erfahrungs-Wissenschaft widerfährt und dadurch die innere Offenbarung des heiligen Geistes geschieht.
Diejenigen seyn der ewigen Seligkeit versichert, die sich selbst verläugnet und mit Christo vereinigt haben. Wenn sie sterben, fahren sie im selben Augenblick in den Himmel.
Die heiligen und vollkommenen Menschen, die ihnen selbst durch die Liebe in Gott gestorben seyn, können Gott kaum verlassen, - sie leben im Geist ohne Furcht, Angst und Sorgen, und der Geist Gottes gibt Zeugniß ihrem Geist, daß sie Gottes Kinder seyn, welches Zeugniß ihnen Niemand rauben kann. Sintemal sie in ihrem Geist das ewige Leben fühlen.
Wenn der Geist zeuget, was ist für Zweifel übrig? - Wer will von dieser Würde zweifeln, wenn das höchste Wesen das schenkt, und es versprochen und zu bitten befohlen hat, was es zeuget? u. s. w. Die Gegenliebe gegen den liebhabenden Gott erfolgt nicht, als wenn der Geist dem Menschen durch den Glauben den ewigen Vorsatz Gottes über seiner künftigen Seligkeit offenbart.
74.
O wie wohl ist der Seele, die also durch alle Widerstände und Feinde ihres Heils lernet durchbrechen, daß sie endlich unbewegt darin wird! Aber es ist keine bloße Muthmaßung, Meinung oder äußerliche Ueberredung, daß sich Jemand davon durch Andere allein so trösten lassen wollte. Sondern es muß dieß Zeugniß des heiliger Geistes auch göttlichen Grund im Herzen haben, daß er uns zu wahrer Veränderung gebracht, und also aus Gott wiedergeboren habe.
Die himmlische Geburt ist die ewige Gnadenwahl, dadurch Gott gesehen hat, welche würden ähnlich werden dem Bilde seines Sohnes. Wer in Christum glaubet, wartet keiner Verdammniß, ist der Auserwählten einer, zur Seligkeit versehen und verordnet.
75.
Will Jemand seine Ungewißheit und Zweifel darüber überwinden, der lasse sich dem heil. Geist über, so wird derselbe schon wahre Glaubensfrüchte in ihm bringen, als Zeichen seiner gnädigen Erwählung. Denn ein Christ kann wissen, daß er aus dem Tod ins Leben gekommen ist, nemlich wenn er die Brüder liebet. Hat er keine redliche Liebe gegen Auserwählte, sondern spottet, neidet, hasset und drücket sie, so ist er im Tode und verworfen. 1 Joh. 3, V. 19.
76.
Darum, wer da erwählt seyn will, der lasse sich nur erwählen, oder von der Welt abziehen und unbefleckt bewahren, so ist er gewiß genug erwählt. Denn was man wählt, das hat man, und wovon man sich wählen und annehmen oder dringen läßt, dessen eigen ist man. Daher kommt es, daß so viel berufen, aber so wenig auserwählt sind, weil sie sich nicht erwählen lassen.
Ein christlicher Poet drückt es kürz und gut aus wider den Zweifel:
Was zweifelst du noch lang? Sey nur aus Gott geboren,
So bist du ewiglich zum Leben auserkoren.
77.
Ist es uns nun ein Ernst rechte Auserwählte des Herrn zu seyn, so laßt uns lernen unsern Beruf und Erwählung feste zu machen. Wodurch denn? darin, daß wir erstlich Glauben haben, und darin darreichen Tugend, und in der Tugend Bescheidenheit, Mäßigkeit, und weiter Geduld und Liebe. 2 Petr. 1, 10.
78.
Dieß kann uns nicht trügen, wo es rechtschaffen und nicht heuchlerisch ist; denn es sind wesentliche Früchte des Glaubens-Geistes: Ja wo es auch noch ein Anfang schwach hergehet, so wird doch die Aufrichtigkeit oder Wahrheit schon im Gewissen zeugen, wie es gemeint sey, und also durch Gnade ein Siegel unserer Wahl und deren selige Wirkung seyn. Alsdann kann man seine Seligkeit zwar mit Furcht und Zittern wirken und nicht sicher werden, aber doch auch in solchem Zittern sich freuen und getrost seyn, weil der Herr die Seinen kennet.
79.
Konnten doch die ersten Lehrer von den Gläubigen gewiß seyn und wissen, daß sie auserwählet wären, 1 Thess. 1, 4. Sie preiseten Gott darüber in großer Freudigkeit. 2 Thess. 2, 13. 1 Petr. 1, 2. Wie sollte einer nicht vielmehr von seiner eigenen Seele endlich eine Versicherung erlangen, daß er nicht verwerflich, sondern erwählt sey? Niemand weiß ja besser, was in ihm ist, ohne der Geist des Menschen in ihm selber, zumal wo Gottes Geist davon zeuget.
80.
Ferner, wie sollte nicht ein solcher Auserwählter Gottes seiner Wahl gewiß seyn und bleiben mögen, da er schon hier beginnt selig zu seyn, und manche Kräfte der zukünftigen Welt etwa schmecken mag nach Gottes Willen? Sind doch alle die Gnadenzüge, alle Arbeit des Geistes Gottes, ja alle andere Ausbrüche seiner Liebe lauter Pfänder seines ewigen Erbes, die uns versichern, daß uns Gott nicht gesetzt hat zum Zorn, sondern die Seligkeit zu besitzen in Christo. 1 Thess. 5, 9.
81.
So gewiß die Ungläubigen ihre Verdammung und Verwerfung in sich tragen, und schon gerichtet sind, Joh. 3, 18. so gewiß tragen wir das Zeugniß in uns, daß uns Gott erkieset hat zu seinem ewigen Heil. Den Heuchlern hilft es nicht, wenn sie von ihren Schmeichlern selig und auserwählt gepriesen werden, oder auch selber sich unter die Erwählte setzen, und die köstlichsten Trostsprüche auf sich deuten: Den Gerechten schadet es nicht, wenn sie von aller Welt verworfen und verdammt würden. Denn Beide haben ein ander Zeugniß in sich, das ihnen Niemand nehmen kann.
82.
Geriethe aber ein Schwacher in Zweifel, ob auch Gott ihm gnädig seyn möchte, weil er etwa in Anfechtung oder Druck des Fleisches stehet: Siehe, so ist vielmehr solches alles noch ein viel größer Siegel der Gnadenwahl. Denn welche er zuvor versehen hat, die hat er auch verordnet dem Bilde seines Sohnes gleich zu werden. Röm. 8, 29.
Daß Christus selber wider die schwere, bittere und greuliche Gedanken (von der Wahl) süße, freundliche, tröstliche Worte in's Herz pfropfen müsse, und den Vater auf's Allerlieblichste einbilden, sagt Luther über Joh. 17, 6. Wo er auch hinzugesetzt: Hängest du an Christo, so bist du gewißlich unter dem Haufen, die Gott von Anfang dazu erwählt hat.
Und Beinbarduo schreibt wider die päbstliche Lehre vom Zweifel, es müsse die innerliche Eingebung einem Menschen Zeugniß geben, daß die ewige Vorsehung etwas Gutes über ihn beschlossen habe. Vorher sey der Mensch ungewiß, bis er die Neigung der göttlichen väterlichen Güte erfahre u. s. w.
83.
Solches aber muß nothwendig erst im Leiden geschehen, ehe es in der Herrlichkeit erfolgen kann. Darum sollten wir uns vielmehr freuen, wenn unsere Wahl also geprüfet würde, und alle Prüfungen als Zeichen ansehen, die unser Heil befördern müssen. Denn alles, alles muß uns zum Besten dienen, so wir Gott lieben, die wir ja nach dem Fürsatz berufen sind. Röm. 8, 28. Und nichts soll uns von dieser Liebe Gottes, damit er uns ewiglich erwählet hat, scheiden, es sey gleich Trübsal, oder Angst, oder Verfolgung, oder Schmach, oder sonst etwas. Der Glaube fraget vielmehr getrost mit Paulo Röm. 8, 33. Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hie, der gerecht macht. Wer will verdammen? Christus ist hie, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferwecket ist, welcher sitzt zur Rechten Gottes, und vertritt uns.
Gebet.
Ewiger Vater unsers Herrn Jesu Christi, dir sey Preis und Herrlichkeit gesagt von allen denen, die du von der Welt wirklich erwählet und erkauft hast, daß du diesen deinen Vorsatz in Christi? Jesu hast an uns in dieser Gnadenzeit zu erfüllen angefangen. Dein ewiger heiliger Wille hat sich ja durch kräftigen Beruf mehr als zu kräftig geäußert, und du bist uns treulich entgegen gegangen, uns zu gewinnen und herwieder zu bringen. Ach laß dieß dein ewiges Wort über unsere arme Seelen bestätigt werden in der Zeit, und führe deinen holdseligen Liebesrath über uns aus, durch eine vollkommene Erlösung in deinem Sohn, durch welchen du sie angefangen hast in uns, die wir glauben durch deine lautere Gnade. Herr, bewahre uns doch vor aller Sicherheit, Leichtsinnigkeit, Falschheit, auch vor Mißtrauen, Zweifel und Verführung der Vernunft in diesem Geheimniß. Dagegen ziehe uns so ganz von Welt und Sünde ab, daß wir aus dem gemeinen Abfall und Verderben gesondert, als Erkaufte von der Erden, dir zum Eigenthum uns heiligen lassen, alle Widrigkeit der Weltkinder dazu annehmen, damit wir von ihnen geschieden bleiben, und vornehmlich uns selbst und unserer Eigenliebe lernen erstorben seyn. So nimm uns hin als deine Ausgesonderte, versiegle selbst in uns durch deinen Geist deinen Rath über uns, und laß uns als neugeborne Kinder deines väterlichen Erbes gewiß und versichert werden, damit uns auch die Trübsal nicht von dir, sondern zu dir führe, und an dich binde, bis du deinen vollkommenen und guten Willen an uns wirst vollbracht haben in der Ewigkeit, da wir als deine Erkaufte und Auserwählte dich preisen sollen, und das Ende den Anfang wieder finden wird, daß dein ewiger Vorsatz bestehe von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.