Ahlfeld, Johann Friedrich - Was hat die erste Weihnachtspredigt für einen Eindruck gemacht?
(II. heiligen Weihnachtstag.)
Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.
Text: Lucas 2. 15 - 20.
Und da die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten unter einander: Lasst uns nun gehen gen Bethlehem, und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kund getan hat. Und sie kamen eilend, und fanden beide Mariam und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. Und Alle, vor die es kam, wunderten sich der Rede, die ihnen die Hirten gesagt hatten. Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. Und die Hirten kehrten wieder um und priesen und lobten Gott um Alles, das sie gehöret und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.
In dem Herrn geliebte Gemeinde. Wir haben gestern die erste Weihnachtspredigt gehört, und zwar die himmlische Weihnachtspredigt, die der Engel auf dem Felde zu Bethlehem den Hirten gehalten hat. Was soll nun eine Predigt, geliebte Gemeinde? Was ist ihr Amt und ihr Beruf? Nicht dass sie in schönem Klange und feinem Gange die Ohren ein halbes Stündlein kitzle, und es bleibt dann Alles, wie es gewesen ist; nicht dass sie ein halbes Stündlein mit unsern Gefühlen spiele, wie ein leiser Wind mit einem Schifflein auf der See, und es trete dann die alte Windstille ein. Nein, „wie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin kommt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und wachsend, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, also soll das Wort, das aus meinem Mund gehet, auch sein. Es soll nicht wieder zu mir leer kommen, sondern tun, was mir gefällt, und soll ihm gelingen, dazu ich es sende.“ Jede Predigt soll das Herz aufregen, dass dem Menschen bange werde in seiner Sündenruhe, dass er sich erhebe von dem Lager der trägen Sicherheit, dass er aufspringe von seinem Sorgenstuhl, dass er fragen lerne. „Was muss ich tun, dass ich selig werde?“ Dann soll sie ihm Wegweiser sein zu dem Heilande, und soll ihn hinweisen in die Heils- und Gnadenordnung. Zuletzt soll sie ein Stimmhammer sein, der den verstimmten Saiten seines Herzens den rechten Ton wiedergebe, den Ton des Gebetes, den Ton des Dankes gegen Gott, der ihn berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. - Wenn eine Predigt nicht so angetan ist, dass sie wenigstens eins von diesen Stücken aufzurichten vermöge, dann wäre sie besser ungehalten geblieben. Muss aber diese Forderung schon an einen menschlichen Prediger gestellt werden, hat jede rechte Predigt aus sterblichem Munde an schlichtem Sonntage schon diese Kennzeichen ihrer Richtigkeit und Tüchtigkeit - wie viel mehr muss sie die Predigt haben, die ein Engel Gottes in der Morgenstunde unseres Heils gehalten hat! - Nun, Geliebte, wenn wir das Wort Gottes am Sonn- oder Festtage gehöret haben, und wir sehen einander am Nachmittage oder am folgenden Tage, so fragen wir einander gern: „Was hat die Predigt auf dich für einen Eindruck gemacht?“ Und wir tauschen dann unserer Herzen Gedanken gegen einander aus. Heute ist der Tag, der auf die erste Weihnachtsfeier, auf die erste Weihnachtspredigt folgt. Gehört haben sie jene Hirten auf dem Felde. Wir wollen an sie herantreten, wir wollen auch ihnen die Frage vorlegen:
Was hat die erste Weihnachtspredigt für einen Eindruck gemacht?
Die Antwort lautet:
Sie suchen das Kindlein in Kripp' und Stall,
Sie breiten das Wort aus überall,
Sie loben Gott mit fröhlichem Schall.
Herr unser Gott, der du das Wort an jenem Tage so warm und lebendig in diese Herzen fallen ließest, du kannst es auch heute. Ja Herr, der du Himmel und Erde und das Meer bewegest, bewege unsere Herzen, dass wir dem Worte durch deine Gnade glauben und in dieser Feierstunde dem Heilande nachgehen, wie jene Hirten in der Weihnachtsnacht. Amen.
I. Sie suchen das Kindlein in Kripp' und Stall.
Unser Herr und Heiland spricht: „Das Himmelreich ist gleich einem Kaufmanne, der gute Perlen suchte. Und als er Eine köstliche Perle fand, ging er hin und verkaufte Alles, was er hatte, und kaufte dieselbige.“ Die ächte Perle, wie ihr wisst, die ist er selber, Jesus Christ. - Geweckt hatte der Engel die Hirten aus ihrem träumenden Hoffen. Munter waren ihre Seelen, wacker waren ihre Augen geworden. Die Botschaft hatte gezündet wie ein himmlisches Feuer. Nun war kein Warten und Säumen. Hin wollten sie, wo das Kind geboren war. Ihre Herden befahlen sie in Gottes Hand, sie Alle eilten dem Städtlein zu. Da hieß es nicht - „Einer muss hier bleiben, wir können nicht Alle gehen, einer muss unsre Herden bewachen, was sollte sonst aus ihnen werden!“ Wie selten ist solche Liebe in unsern Tagen. Wenn es dem Herrn einmal gelingt, sich eine Tür in dein Herz zu brechen, wenn es ihm gelingt, dich auf seinem heiligen Wege einen Schritt vorwärts zu treiben, dann wird an dies oder jenes Rad der Hemmschuh angelegt. Es kommt dir dann in die Seele: „Ei wenn ich so hingehe in seinem Zuge und in seinem Willen, dann muss ja in meinem ganzem Beruf so Vieles anders werden, dann muss ich in Lust und Freude, in Handel und Wandel so Vieles ändern!“ Und der Gang zur Ehre Gottes wird langsamer, und bald stehet er ganz stille. Jene berieten sich nicht mit Fleisch und Blut, nicht mit Habe und Gut. Sie gingen in Gottes Namen vorwärts. „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen.“ -
O wie selten ist in unseren Tagen ein solcher Bruderbund, eine solche Einigkeit in dem Herrn! Mögen ihrer nur drei gewesen sein, Keiner wollte zurückbleiben, Keiner wollte den Andern zurückhalten. Sie gingen Alle. Wenn jetzt Mann oder Weib oder Sohn oder Tochter sich rüstet und gürtet, den Heiland zu suchen, dann kommt der eine oder der andere Teil und hält zurück, hier mit Spott und Widerspruch, dort mit kalter Klugheit. Wie selten ist eine Familie ganz in dem Herrn! Und von diesen Hirten wissen wir nicht einmal, dass sie zusammen eine Familie gewesen sind. Sie wurden aber eine in Christo Jesu. - Sie gingen hin. Der Engel hatte ihnen ein Zeichen gegeben, daran sie das Kind erkennen sollten: „Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend.“ Wie passt dies Wahrzeichen zu der glorreichen Rede, die vorhergegangen war: „Euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr, in der Stadt Davids?“ Ein Heiland und ein Herr in Davids Stadt, und dazu im Stall und in der Krippe! -
Liebe Christen, Gottes Wege sind der törichten Klugheit oft ein Rätsel. Wie viele sind an diesem Stall, an dieser Krippe schon gestrauchelt! wie Vielen ist der Gottessohn in Kindesgestalt, in Kindesschwachheit ein Stein des Anstoßes und des Ärgernisses geworden! Groß und herrlich in himmlischer Pracht, reich und reisig in Königsmacht hätte er nach ihren Gedanken kommen sollen. Weißt du denn aber nicht, dass du dann auch vollendet und zum Gericht fertig hättest vor ihm stehen müssen? Dass er so arm. so niedrig gekommen ist, muss ja dein innigster Trost sein. Denn weil er sein Reich so klein und niedrig anfängt, sieht er ja auch in dir den armen und niederen Anfang seines Reiches in Gnaden an, und lässt ihn wachsen unter himmlischem Tau und Sonnenschein, wie er selber gewachsen ist, und wie er sein Reich im Großen hat wachsen lassen. -
Jene Hirten nahmen keinen Anstoß daran. Trotz des armen Wahrzeichens gingen sie fröhlich und eilig aus, ihren Heiland zu suchen. Und sie fanden Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegend. Das ist der Lohn ihrer stillen Treue. Die im Glauben nach ihm ausgeschaut hatten, die sehen ihn nun auch in der Tat. Die sich in ihrem Hoffen nicht hatten irre machen lassen, die haben sich nun auch nicht geirrt. Sie hatten nun die Perle. Und wenn sie auch selbst noch nicht leuchtete, wenn das Kindlein war wie ein anderes Kind: es leuchtete über demselben der Gottesstern, es leuchteten um dasselbe die alten Weissagungen, es leuchtete an demselben das erfüllte Wahrzeichen. Die Krippe ward zu einem Siegel, zu einer Stimme Gottes, welche sprach: „Dies ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“ Diese Stimme drang und klang in ihre Seelen hinein: „Und ihr seid die Ersten, die ihre Knie vor ihm beugen, die ihm huldigen. Ihr seid sein und er ist euer. Auch an euch hat er Wohlgefallen.“ -
Geh aus, mein Christ, und suche deinen Heiland. Er sucht ja dich, darum kannst du ihn finden. Und wenn dir heut zu Tage seine arme zerrissene und zerschlagene Kirche auch vorkommt wie Stall und Krippe, er ist doch darinnen; suche nur, du findest ihn! Er ist doch Gottes eingeborner Sohn; suche nur, du erkennest ihn. Er ist und bleibet doch der König der Ehren, wenn auch sein Gewand zerrissen ist, wenn auch durch sein Haus die Stürme der Verheerung wehen. Wenn du ihn findest, wenn du ihn erkennest, wird er dir noch über Alles herrlich erscheinen, wird dein Herz von ihm und seiner Freude voll werden, wie das Herz jener Hirten. Ja dies war voll, so voll, dass es den Most der evangelischen Botschaft nicht fassen, nicht allein behalten konnte.
II. Sie breiten das Wort aus überall.
„Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches ihnen von diesem Kinde gesagt war.“ - Wess das Herz voll ist, des gehet der Mund über. Und ihre Herzen waren voll von der heiligen Nachtfeier, ihre Herzen waren voll von dem neugeborenen Könige. Später, als der Herr seine große Heilandsarbeit begonnen hatte, spricht Philippus, der Christum selber kaum gefunden, zu Natanael: „Wir haben den gefunden, von welchem Moses im Gesetz und die Propheten geschrieben haben.“ So haben auch diese Hirten geredet von dem, was sie in der Nacht erfahren hatten. Und wer sind die ersten gewesen, an die sie die selige Botschaft brachten? Weib und Kind. Es kann nicht anders sein. Wenn die Sünde das Herz füllet, dass es davon überquillt, wenn ihr verheerender und zerstörender Strom ausbricht, dann sind diese die Ersten, die es leiden müssen. Und wenn die Gnade das Herz erfüllet, dass es davon überquillt, dann sind diese die Ersten, die da mittrinken von dem lebendigen Wasser.
Und weiter ging die Botschaft. Nachbarn und Gefreundte mussten sie auch hören. Wenn das Feuer in einem Hause auskommt, so ist das Nachbarhaus das nächste, das mit von den Flammen ergriffen wird. Wenn der Funke der Gnade in ein Herz gefallen ist, und dieses ist entbrannt in der Liebe Gottes, dann will es die Herzen der Nachbarn auch anzünden. O dass doch dieses Feuer so sicher liefe wie das verheerende Element! Wenn dieses ein Haus entzündet hat, fürchten wir mit ziemlicher Gewissheit, dass auch das Nachbarhaus in Flammen aufgeht. Wenn wir doch, wo die Gnade ein Herz entzündet hat, auch mit solcher Gewissheit hoffen dürften, dass die Nachbarherzen von der heiligen Flamme mit ergriffen würden! -
Wie weit sie dann die liebe Botschaft noch weiter hinausgetragen haben, wir wissen es nicht. Sie konnten es aber nicht lassen. Spott mag ihnen auch genug entgegengetreten sein. „Ihr wollt allein jene wunderbare Erscheinung gehabt haben? Warum denn ihr, ihr armen Toren? Warum denn nicht die Klugen und Weisen im Geschlecht? Warum denn nicht die Priester auf Mosis Stuhl? Jene arme Pilgerin aus Nazareth soll die Mutter des Königs der Ehren sein? Was kann aus Galiläa und Nazareth Gutes kommen? Judäa und Jerusalem sind die Sitze der alten Hoffnungen, sind der Herd des rechten Gottesdienstes.“ Aber kein Wasser des Unglaubens, das man ausgoss über das heilige Feuer, kein Schutt der alltäglichen Klugheit, den man darüber schütten wollte, auch nicht die Lauge des Spottes konnte es löschen und ersticken. Sie waren die Ersten, welche sagen konnten: „Ich schäme mich des Evangelii von Christo nicht, sondern es ist eine Kraft Gottes, selig zu machen Alle, die daran glauben.“ - Liebe Christen, die Pflicht, den heiligen Beruf, das Evangelium auszubreiten, haben wir alle von jenen Hirten ererbet. Es muss ausgebreitet werden. Ein Fluss, der von der Höhe quillt, steht nicht still. Er läuft, so lange noch Land da ist. Erst wenn er ins Meer kommt, hört sein Laufen auf. Von den ewigen Bergen der göttlichen Erbarmung strömt der Gnadenquell herunter. Er muss laufen durch alle Länder, so weit Land ist, bis er einst einströmt in das Meer der Ewigkeit. Er läuft aber nicht allein. Unkraut, Krankheit und Sünde stecken an, sie verbreiten sich von selbst. Das Wort muss getragen werden von Herz zu Herz, von Haus zu Haus, von Land zu Land. Und wer soll es tragen? ja wer soll es tragen? Die Gläubigen, die die Seligkeit der Kinder Gottes geschmeckt haben. Ihr Väter, ihr Mütter, habt ihr es denn wohl in dem Kreise eurer Kinder den Hirten nachgetan? Habt ihr die Euren fleißig hingeführt zu Christi Wiege, zu seinen Wunderwegen, zu seinem Kreuze? Haben sie von euch die ersten Gebete gelernt? -
Seht dies nicht als klein an! Der Füllmund1) eines Hauses ruht in der Tiefe. Wenn es vollendet und geputzt dasteht, sieht ihn Niemand mehr, und doch trägt er das ganze Haus. Die ersten Kindergebete, der erste liebe, treue Kinderglaube, das ist der Füllmund des ganzen künftigen Heilsgebäudes eurer Kinder. Sieht man ihn auch später nicht mehr, doch ist und bleibt er der Grund, auf dem die Steine ruhen, die zu Tage ragen. Diese Arbeit, die ihr kaum eine Arbeit nennt, wird die sein, welche euch eure Kinder einst am meisten danken. Wenn sie späterhin in den inneren und äußern Trübsalen, und diesen entgeht doch Keiner, in Jesu Christo einen festen Halt haben, dann werden sie rühmen: „Diesen Halt verdanke ich nächst dem heiligen Geiste, der die Gläubigen berufet, sammelt, erleuchtet, heiliget und bei Jesu Christo erhält, meinen lieben Eltern, die mich frühe zu ihm geführt haben. Sie haben mir schon in der Jugend ein köstliches Gut übergeben, das sich nicht verzehren lässt wie anderer Reichtum.“ Du wirst dir damit bei ihnen ein besser Andenken gründen, als wenn du ihnen Geld und Geldeswert in Masse hinterlässt. Jene Hirten, jene Anfänger in Christo, fühlten diese Pflicht; und du, der du auf ihn getauft und in ihm erzogen bist, du solltest sie nicht fühlen? -
Die Hirten breiteten das Wort aus, das von diesem Kinde zu ihnen geredet war. Ihr Nachbarn und Freunde, - ich meine Nachbarn und Freunde in dem alten Sinne, wo nicht allein die Häuser, sondern auch die Herzen neben einander stehen, wo in den Adern nicht allein ein Blut fließt, sondern auch eine gemeinsame Liebe in den Herzen wohnt, - wenn euch irgend etwas Gutes widerfahren, wenn euch irgend eine frohe Botschaft zugekommen ist, da säumt ihr nicht. Der Freund, der Nachbar muss Teil daran haben, muss es auch wissen. Wenn nun der Herr sich zu uns bezeugte, wenn seine Klarheit in die Herzen schien, wenn das alte Weh zerrann wie Märzenschnee, wenn der Herr seinen Gnadenengel zu dir sandte und dir im innersten Kämmerlein Gnade und Vergebung der Sünde verkündigen ließ. bist du dann auch zu deinen Freunden gegangen? Die halbe Freude teilst du ihnen mit, und die ganze willst du für dich behalten? Hat es dich noch nie getrieben davon zu reden, dass der Heiland geboren ist, so ist er in dir noch nicht geboren. Hat es dich noch nie getrieben, zu reden von der Seligkeit der Kinder Gottes, so bist du auch in deinem Herrn noch nie fröhlich und selig gewesen. Ist dein Herz noch nie übergeflossen von der Freundlichkeit des Herrn, so bist du auch noch nie voll gewesen. Denkst du: „Wozu soll ich das erzählen, das weiß er schon,“ so entsinne dich einmal, wie oft du andere Dinge erzählt hast, die deine Freunde auch längst wussten. Und welches ist es, das sich mit der Geburt des Herrn in Bethlehem, mit der Geburt des Herrn in dir messen dürfte? -
Die Hirten breiteten das Wort aus, das von dem Kinde zu ihnen gesagt war. Sie sind die ersten Missionare des Heilandes geworden. Ehe ein Apostel den Völkern von ihm geredet hat, ja ehe er selbst von sich reden konnte, da haben sie es getan. Allem Volk soll ja die Freude widerfahren. Also muss Christus auch Allen kund gemacht werden. Die Kirche darf nicht aufhören ihre Boten auszusenden, bis auch dem letzten Heiden, dem letzten Juden Jesus verkündigt sei, also dass sie keine Entschuldigung haben. Sollen sie alle in Christo gerichtet werden, so muss er ihnen auch Allen gepredigt werden. Die Missionare, die Glaubensboten, sind das Heer, das dem Sohne die Heiden und der Welt Enden, die ihm sein Vater zum Erbe und Eigentum gegeben hat, erobern soll. Der du selber nicht mitgehest, du würdest das Heer deines irdischen Königs in seine Züge und Schlachten mit deinen Gebeten und Gaben begleiten. Und das Heer des höchsten Königs, deines ewigen Königs, der das Szepter nie aus der Hand legen wird, wolltest du hinziehen lassen, ohne dich um dasselbe zu bekümmern? Ist es klein und schwach, so bedarf es deiner Hilfe und Fürbitte noch viel mehr. Frage dich selbst und sage dir selbst, was du darin getan hast. Du wirst bekennen müssen: „Ich bin weit hinter jenen Hirten zurückgeblieben.“ Wir sind aber zurückgeblieben, weil wir noch nicht einmal die Glaubensfrische dieser Anfänger in Christo haben. Das können wir auch erkennen, wenn wir das letzte Werk jener ersten kleinen Christgemeinde ansehen.
III. Sie lobten Gott mit fröhlichem Schall.
„Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott um Alles, was sie gesehen und gehöret hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.“ - Alle Feste, liebe Christen, nehmen ein Ende. Die kalte Alltäglichkeit tritt bald wieder ein. Ein ewiger Festtag wird es erst sein, wenn wir bei dem Herrn sind. Da gibt es keinen Alltag mehr. Auch jenes Fest nahm ein Ende. Auch die Hirten mussten wieder an ihre Arbeit zurück. Aber sehet unsern Vers wohl an. Erst heißt es - „ Die Hirten kehrten wieder um,“ und dann heißt es: „und priesen und lobten Gott um Alles, was sie gesehen und gehöret hatten.“ Sie brachten also Etwas mit ins Alltagsleben. Sie brachten mit die heilige Gewissheit, das volle Herz, und fort und fort quoll aus diesem Herzen heraus der Preis gegen Gott. Es war der Duft, der aus der Glaubensblume aufstieg bei Tag und Nacht. -
Mein Christ, auch deine Feste gehen vorüber. Es können nicht alle Tage Feste gefeiert werden. Auch dies Fest geht vorüber. Jetzt wird die letzte Christpredigt in diesem heiligen Hause gehalten. Die Lichter am Christbaume brennen ab. Die Gaben, die die Liebe an ihm aufgehängt hat, werden verzehret. Die grünen Nadeln deines Baumes fallen zur Erde, und endlich wird er selbst hinweggeräumt. Ist es dann aus? Hast du mit dem Festkleide auch das Weihnachtsherz ausgezogen? Ist mit dem heiligen Christ auch der Christ weg? Ist mit dem letzten Lichtlein auch dein Glaubens- und Freudenlicht erloschen? Wehe dann dir. Nein, es muss Etwas bleiben. Die Kinder wollen nicht weg vom Christfeste. Sie ordnen wohl ihre kleine Zeitrechnung nach demselben. Sie reden von dem dritten und vierten und fünften Festtage. Und doch haben sie zum großen Teil nur erst den Schein, den Goldschaum vom Feste. Du aber, der du anfängst die Höhe und Breite und Tiefe und Länge der Gnade Gottes in Christo zu erkennen, du hast das Gold, Du könntest weg wollen? Bei dir könnte das Alltagsleben wieder ein Alltagsleben ohne den Herrn werden? Wenn du eine Reise gemacht. Berge bestiegen, Meere befahren oder beschauet hast, so bringst du dir von dort Etwas mit: von den Bergen eine seltene Blume, von dem Meere eine schöne Muschel. Diese behältst du zum Andenken. Es ist freilich ein totes Andenken. Im Feste hast du den Berg der göttlichen Barmherzigkeit erstiegen. Lichtweiß ist sein Gipfel von der Klarheit des Herrn. Man hat von da eine weite Aussicht bis hinüber in die Ewigkeit. Und von da wolltest du Nichts mitbringen? Von da wolltest du keine Blume in das Gefäß deines Herzens stecken? - Im Feste hast du gestanden an dem unergründlichen Meer des göttlichen Gnadenrates. Und von da wolltest du leer weiterziehen? Nein, du sollst mitnehmen lebendiges Angedenken. Du sollst mitnehmen in deinen Beruf, in die Mühe deines Lebens, gepflanzt in die Vase deines Herzens, grünend und blühend, das Reis aus der Wurzel Jesse; du sollst mitnehmen von dem Meer der Gnade den festen Glauben, als die Schale, als die Muschel, darin die eine ächte Perle ruht. Hast du das Reis gepflückt, hast du die Perle aufgelesen an dem heiligen Ufer? Wenn du dir selbst „nein“ antworten musst, so tu es noch. Noch ist die angenehme Zeit des Herrn. Tue es mit Demütigung deiner selbst. Bücke dich! Tue es mit brünstigem Gebet: „Herr wehre meinem Unglauben, mehre meinen Glauben.“ Hast du aber den Herrn mit dir, trägst du den goldenen Schatz im irdenen Gefäße, so kannst du nicht schweigen, so musst du lobend und preisend von ihm zeugen. Wenn die Schwellen des inneren Tempels erbebten von seiner heiligen Nähe, dann muss auch der Weihrauch des Lobes auf den Lippen sein. Aber Lippenlob und Lippenpreis sind nur ein trüglicher Beweis von deinem neuen Leben. Preise ihn mit dem Leben. All dein Thun und Lassen, dein Lieben und dein Hassen, dein Kommen und dein Gehen, dein Fallen und Aufstehen soll ein langes, immer neues „Allein Gott in der Höh sei Ehr“ sein. Ja das soll es sein. Jetzt sind es freilich nur einzelne Töne, noch zerrissen und zerstückt, noch nicht verbunden in eine laufende, ununterbrochene Harmonie. Die Weihnachtslieder und -Glocken müssen nachklingen, bis ein neues Fest gefeiert wird, wenn dich der Herr wieder eins feiern lässt, und dann sollen sie von Neuem gestimmt und angestimmt werden. -
Preise den Herrn mit deinem Tode. Im siebenzehnten Jahrhundert sollte um des evangelischen Glaubens willen ein treuer Holländer verbrannt werden. Als sein Tod nahte, saß er still und in sich gekehrt da. Da sprachen die Feinde: „Fürchtest du dich nun erst vor dem Feuer? Es ist zu lange geharrt, du hättest es zuvor bedenken sollen.“ Er antwortete: „Ich denke nicht ans Feuer, sondern ich sinne nach, was ich für einen Trost im Feuer haben soll, und was da werde meine Freude sein.“ Das kommt den Feinden seltsam vor. Sie begehren seinen Trost und seine Freude zu wissen. Da spricht er: „Der heilige Engelgesang in der Christnacht soll mein Trost sein: Ehre sei Gott in der Höhe, der mir seinen lieben Sohn geschenkt, durch welchen ich meiner Seligkeit gewiss bin. Dem Leibe könnt ihr wohl wehe tun, aber der Seele soll kein Leid widerfahren. Friede sei dem armen Erdenkloß meines Herzens, dass ich meinen Willen in Gottes Willen, der dies Elend über mich verhängt, in Demut fügen könne. Allen Menschen sei ein herzlich Wohlgefallen an der Gnade Gottes, auch mir an diesem schmerzlichen Tode, den ich dem Herrn Jesu zu Ehren willig zu tragen erbötig bin.“ Er ging getrost ins Feuer. -
Das heißt „Gott loben in Kreuz und Tod.“ Lobe ihn also. Lass dich durch keine Einrede des Fleisches irre machen. Sei des versichert und gewiss, er wird dir dann Gnade und Zeit geben ihn im Leben zu loben. Amen.