Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - Jes. 55,6-8

Tholuck, August - Glaubens-, Gewissens- und Gelegenheitspredigten - Jes. 55,6-8

Ein neues Jahr hat auch für uns begonnen, akademische Gemeinde! Wir haben Wünsche an demselben empfangen, wir haben Wünsche ausgetheilt. Wenn es nun wahr ist, daß in des Menschen Wünschen die innersten Gedanken der Herzen kund werden, o wie wird in solchen Neujahrswünschen die Blindheit, die Armuth und die Thorheit der Menschen Herzen kund! Ich will nur des einen Wunsches gedenken, worin so manche alles, was sie gutes zu wünschen haben, zusammenfassen: ich wünsche dir alles, was du dir selbst wünschest. O Freunde, sollte nicht vielmehr der entgegengesetzte Wunsch der beste von allen seyn: ich wünsche dir nichts von dem, was du dir selbst wünschest: ich wünsche dir, was dir dein Gott wünscht. Ja, wenn auch der Diener Gottes von der Kanzel herab einen Neujahrswunsch entgegenbringen soll, etwas anderes kann er auch nicht sagen, als: ich wünsche euch, was euer Gott wünscht! Solches aber thue ich im Angesichte des Wortes der Schrift, das wir Jes. 55, 6-8. lesen:

Jes. 55, 6-8.

Suchet den Herrn, weil er zu finden ist; rufet ihn an, weil er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege, und der Uebelthäter seine Gedanken, und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich seiner erbarmen und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und meine Wege sind nicht eure Wege, spricht der Herr.

In diesem Worte vernehmen wir nämlich beides: warum wir euch nur das wünschen können, was Gott euch wünscht, und was das ist, was Gott euch wünscht.

  1. Warum wir euch nichts anders wünschen können, als was Gott euch wünscht?

Darauf giebt unser Text uns die schöne und tiefe Antwort: Weil Gott, auf dessen Wegen wir allein glücklich werden können, auch allein weiß, auf welchen Wegen wir glücklich werden können. So verschieden sind doch unsre Gedanken von dem, was uns glücklich macht, von Gottes Gedanken! Daß bei dem ganzen großen Neujahrwünschenden Haufen dies der Fall seyn muß, folgt das nicht daraus schon, daß ja kaum der Hundertste darüber nachgedacht, was wahres Menschenglück sei, geschweige daß sie an Gottes Wort prüfen sollten, worin Menschenglück bestehe. Nach einem goldenen, zukünftigen Ziel sieht man sie rennen und jagen: nach dem Wege aber und den Mitteln, die zu diesem Ziele führen, zu fragen, fällt kaum etlichen ein. Aber nicht bloß die Weisheit, die nach dem Ziele fragt, auch die Klugheit, die nach den Mitteln fragt, ist laut der Schrift eine göttliche Tugend. „Herr lehre mich bedenken, daß ich sterben muß, auf daß ich klug werde. „Der Herr schauet vom Himmel herab auf die Menschenkinder, daß er sehe ob jemand klug sei. „Darum seid klug wie die Schlangen. Glücklich werden, das ist euer aller Ziel, aber wie viele sind denn solche kluge Jungfrauen, die nun auch ernstlich sich fragen: wie und wodurch der Mensch wahrhaft glücklich wird? Als ob sich das von selbst verstände, thun alle und doch ist Lebensglück ein hoher Thurm: wer einen Thurm baut, muß sitzen und die Kosten überschlagen. Aber das rennt, das läuft, ohne darauf hinzusehen und zu überschlagen, ob auf dem rechten Wege, ob auf dem falschen. Und ist dann und wann einmal einer, der sich hinsetzt und die Frage vorlegt: was ist nun der Weg zum glücklich werden? - dann machen sie's mit ihren eigenen Gedanken ab, nach Gottes Gedanken über Menschenglück fragen die allerwenigsten. Und wie viele unter euch Jünglingen und unter euch Alten mögen seyn, welche auch in dies neue Jahr hineingetreten sind und die Baupläne für ihr Lebensglück - gleich als wäre Lebensglück ein Gebäude, wozu jeder sich nach eigenem Kopfe den Bauriß zu entwerfen das Recht hätte! - sich schon entworfen haben? Und doch kann keiner glücklich werden, als auf dem Wege, der über unsere eigenen Wege und Gedanken so erhaben ist, als der Himmel über die Erde. Wer Ohren hat zu hören, der höre! Der Mensch kann nicht glücklich werden auf dem Wege, den er will: er kann nur glücklich werden auf dem Wege, den Gott will. Und darum darf auch keiner dem andern wünschen, was dieser sich selbst wünscht, sondern nur was Gott ihm wünscht.

I. Der Mensch kann nur auf dem Wege glücklich werden, den Gott will - zuerst

Weil längst vor deiner Wahl der Weg dir schon erkoren,
Der dich zum Glücke führt, schon als du Mensch geboren.

So hoch der Himmel über der Erde ist, sind meine Wege über eure Wege. ruft der Prophet und giebt dir deine ganze Ohnmacht und Nichtigkeit zu erkennen, erinnert dich daran, daß Er der Schöpfer ist und du sein Geschöpf. Wie nun? Hat der, der uns geschaffen hat, nicht auch die Triebe und Anlagen in uns gelegt, die Befriedigung heischen, und ohne deren Befriedigung es kein Glück giebt? Ist nicht also auch längst vorher, ehe du noch wählen konntest, schon als du Mensch geboren wurdest, auch der Weg zu deinem Glücke von deinem Schöpfer dir vorgezeichnet worden? Recke und strecke dich wie du willst, versuch in den Himmel zu fliegen und dich in die Erde zu graben: du gehst in den Banden seiner Ordnungen und seines Willens - erkennst du sie als Liebesbanden und gehst mit deinem Willen darauf ein, so wirst du allmählig inne, daß es gerade die Wege zu deinem Glücke sind, wie du sie selbst nicht besser dir hättest wählen können; wiederstrebst du: aus seinen Ordnungen kommst du doch nicht heraus, seiner Hand kannst du doch nicht entfliehen, nur kommst du aus seiner segnenden Hand unter seine strafende. Entfliehen kannst du ihm nicht.

Und haben diese Triebe und Anlagen unter sich ihre Rangordnung, so daß die Befriedigung für die übrigen nur kommen kann, wenn der, welcher der erste und ursprünglichste von allen ist, seine Befriedigung erhalten hat - und das ist doch bei dem zum Ebenbilde Gottes geschaffenen Geiste kein anderer als der Trieb nach Gott - wie soll es nicht offenbar seyn, daß der Mensch in seinem Suchen nach Glück alles erstreben, alles erforschen, nach allem umherjagen kann, ohne seine innere Unruhe und Leerheit los zu werden - sobald er nämlich das Gut nicht erringt, mit dem und in dem die Befriedigung aller andern Triebe und Anlagen gegeben ist - so lange er nicht Ruhe und Genüge sucht in Gott?

Seht da, den ersten Grund, warum wir auf dem Wege das Glück nicht suchen dürfen, den wir selbst erwählt, darum aber auch unsere eigenen Wege zu gehen uns nicht wünschen dürfen. Aber auch darum dürfen wir's nicht, weil unser Auge, auf welchem der Nebel der Endlichkeit liegt, ja viel zu kurzsichtig ist, um den Weg zu unserm Glück zu erkennen.

Auf deinen Wegen willst,
O Mensch dein Glück du finden,
Und kannst zwei Schritte nicht
Den Weg vor dir ergründen?

Wie kurzsichtig dies Auge der Sterblichen, das sich selbst die Wege des Glückes wählen will - wie sehr müßte das der Mensch nicht eigentlich schon daraus schließen, daß es soviel unerfüllte Gebote giebt - und ich meine die thörichten nicht bloß, sondern auch so viele an sich berechtigte Bitten, die bei Gott keine Erhörung finden. Eine Bitte um Hab und Gut, so weit es uns nöthig ist, um Weib und Kind, um Amt und ehrlichen Beruf, das sind doch gewiß Bitten, welche wir das Recht haben, in die Bitte um das tägliche Brot mit einzuschließen. Und doch, wie vielen von denen, die darum bitten, werden sie nicht zu Theil und werden denen wieder entzogen, die sie schon besitzen. Da wächst ein zukunftschwangerer Jüngling auf, Gottes und der Menschen Freude, und wenn der Baum voll Knospen und Blüthen hängt und man eben der Frucht wartet, da setzt sich der Wurm hinein und er welkt dem Grabe entgegen. Da geht ein anderer hin, der mit Treue das Seinige gethan, um sich zu seinem Berufe zu rüsten und zu bereiten, und muß den Scheitel kahl und das Haar grau werden sehen auf feinem Haupte, ohne den Beruf zu finden, dem er die Kräfte seiner Jugend gewidmet hat. O wie viele Blüthen, die abfallen, wie viele Kräfte, die welken, wie viele Hoffnungen, die zu Grabe getragen werden, ehe sie auf Erden ihr Ziel gefunden haben! Was bleibt uns übrig als zu bekennen, daß dieser Erde Nebel auf unsre Augen drücken! So hoch der Himmel über der Erde ist, so hoch sind meine Wege über eure Wege. Wird's nicht doch so seyn, daß was allen gut ist, doch mir wenigstens jetzt nicht gut seyn kann? Sind die Menschen, die er geschaffen, so verschieden, so müssen es wohl auch ihre irdischen Wege seyn. Halten wir nur immer fest, daß darüber, warum die Fügungen eines einzelnen Menschenleben so sind, wie sie sind, eigentlich keiner urtheilen kann als der das Ganze überschaut, eben weil in Gottes Welt nichts vereinzelt steht, so werden wir auch erkennen, daß von allen einzelnen Fügungen der Menschen kein Sterblicher Grund und Ursache ermessen kann, sondern nur der allein, der das ganze Weltall und die Millionen Fäden, welche alles Einzelne, was geschieht, zusammenknüpfen, mit Einem Blick überschaut. Wir schlagen unsere kurzlichtigen Augen nieder vor seiner Erhabenheit und haben nichts zu sagen, als: jetzt stehen wir im Thale, wo wir nicht zehn Schritte vor uns sehen können, wenn wir auf den Höhen stehen werden und alles übersehen, da werden wir erkennen, daß alle seinen krummen Wege doch grade Wege gewesen sind.

Aber ich sage noch mehr: diese Schranken der Endlichkeit, sie würden für sich allein unser Auge nicht so kurzsichtig machen, wäre es nicht auch die Sünde, die sie so blöde macht.

Laß nur das rechte Ziel dir aus dem Aug' nicht rücken
Und auch im krümmsten Weg wirst Weisheit du erblicken.

Das will ich sagen: betrachteten wir unser Leben nicht nach den Zwecken, die wir uns selbst darin gesetzt, sondern nach dem, den Gott bei unserer Lebensführung hat, so würden uns unsre Wege viel weniger dunkel seyn. Die Erhabenheit von Gottes Gedanken über unsere Gedanken, von welcher der Prophet spricht, ist nicht bloß eine Erhabenheit über die Einsicht unsers Verstandes, sondern auch über die Thorheit und Argheit unsres Herzens. Wo er den Menschen so ganz andere Wege führt, als die seines eigenen Wählens und Wollens, was ist der nächste Zweck, den er dabei im Auge hat? Ist es nicht dies, daß wir das Gut erkennen lernen, auf welches doch im tiefsten Grunde unser Geist angelegt ist, daß wir Ruhe und Genüge suchen in Gott? Siehe da, warum er dir den eigenen Weg mit Dornen vermachen und eine Wand davor ziehen muß, daß du deinen eigenen Weg nicht finden kannst! So lange dieser harte natürliche Wille an uns nicht gebrochen ist, so lange du nicht auf Gnade oder Ungnade vor deinem Gott gelegen und hast sprechen lernen: Du bist der Herr, mache es mit mir, wie es dir gefällt! bist du noch ungeschickt zu einem Gefäße seiner Ehre. Jahre lang an Körper und Geist gebrochen, Weib und Kind, Hoffnung und Beruf verlieren, ist alles kein Verlust, sondern ist Gewinn, sobald es dazu führt, daß das eigenwillige störrige Herz ein Thon wird in seiner Hand. O hat einer erst angefangen, alle seine Lebensschicksale unter dem Gesichtspunkte zu betrachten einer Erziehung zu Gott, wie erhellen sich auch die dunkelsten Wege, wie lernt man Absicht und Plan erkennen, wo einem alles nur als unbegreifliches Räthsel vor Augen lag. Aber es gehört schon ein geschärfter geistlicher Blick dazu. Es gehört die Selbsterkenntniß dazu, welches die Stellen unsers Herzens, wo das meiste wilde Fleisch sitzt, wo der heilende Schnitt des Wundarztes am meisten noch thut. O wie wird man es dann, bei ernstem Achten auf Gottes Wege, inne, wie auf diese Stellen am ersten die Keulenschläge fallen - warum er dir deinen Freund, dir dein Weib, dir deine Gesundheit, dir deinen Seelenfrieden rauben mußte. Weil das alles die Ranken an der Rebe waren, welche der himmlische Weingärtner abschneiden mußte, wenn du mehr Frucht bringen solltest. Darum nur den Blick auf das rechte und eigentliche Ziel unsers Lebens gerichtet, und auch unsre krümmsten Wege werden grad vor unsern Augen werden.

II. Daß wir an das Ziel kommen, sehet, das ist nun auch der Wunsch, den unser Gott an diesem neuen Jahre uns entbietet.

Der Gottlose. so ruft der Herr durch seinen Propheten, lasse von seinem Wege und der Uebelthäter seine Gedanken und bekehre sich zum Herrn. Die eigenen Gedanken fahren lassen, das wünscht uns unser Gott. Ihr Jünglinge und ihr Alten, in der verflossenen Neujahrsnacht, wenn ihr auf dies Stück Leben, das hinter euch liegt, zurückgeblickt, worauf hat sich der Blick gerichtet? Auf eure eigenen fröhlichen und traurigen Gedanken im vergangenen Jahr, eure gelungenen oder gescheiterten Pläne, und - darauf habt ihr die Gläser angestoßen! Und womit seid ihr ins neue hineingetreten? Mit euren eigenen Plänen und Vorhaben, und - die haben euch so fröhlich gestimmt! Was aber wäre das für eine Neujahrsbetrachtung gewesen, wäret ihr statt dessen Gottes Gedanken in dem Stück Leben, das hinter euch liegt, nachgegangen, um Gottes Gedanken zu erkennen, die darin niedergelegt sind und dann Gottes Gedanken, Gottes Mahnungen an euch und Gottes Absichten mit euch. Und wenn ihr dann ins neue Jahr getreten wäret mit dem Vorhaben, Gottes Mahnungen an euch in dem neuen Jahr treuer zu beachten als es im alten geschehen ist und seine Absichten mit euch, die unerfüllt geblieben sind, treuer zu erfüllen! O pflüget ein Neues zum Neuen Jahr, pflüget ein Neues, und „prüfet, nach des Apostels Wort, welches da sei der gute, der wohlgefällige und vollkommene Gotteswille“ an euch und über euch. Das ist's, was unser Gott uns zum Neuen Jahre wünscht, indem er uns zuruft: der Uebelthäter - und dazu gehören ja die frommen Christen auch, insofern sie noch Uebles thun - lasse von seinen Gedanken!“ Und Gott meint's gut mit uns, indem er uns das wünschet, er will uns ein friedliches Herz schaffen beim Hinausblick auf den Weg, der hinter uns liegt und den der vor uns liegt, denn wer ihn mit wiedergebornem Auge ansteht, der wird das Ziel sich nicht aus dem Auge rücken lassen, dahin alle Lebenswege streben - daß wir immer vollkommnere Gottesmenschen werden, und wer das Ziel im Auge behält, dem weiden alle Wege Gottes wohlgefallen, denn auch in den anscheinend krümmsten und thörichsten wird er den Weg zum Ziel erkennen.

Die Führungen jedes einzelnen Menschenlebens geben Stoff zu einem unerschöpflichen Studium der Weisheit Gottes im Kleinen und Geringen. Und je ernstlicher wir uns darauf besinnen und die Weisheit göttlicher Vaterliebe darin erkennen, desto bereitwilliger werden wir auch unsere eigenen Gedanken über Gottes Wege verleugnen und den göttlichen Gedanken nachgehen lernen, und die Frucht wird seyn, wie der Psalmist sie im 40. Psalm ausspricht bei einem solchen Ueberblicke der göttlichen Führungen in seinem Leben: Herr mein Gott, groß sind die Wunder und die Gedanken, die du an mir thust, dir ist nichts gleich!“ Und nachdem er dieses Ehrenbekenntniß von Gottes Gedanken niedergelegt, was folgt sogleich? Siehe da bin ich, in dem Buche ist mir vorgeschrieben. Deinen Willen, mein Gott, thue ich gerne und dein Gesetz habe ich in mein Herz geschrieben. Und das ist die Frucht, die der Herr auch uns durch den Propheten anwünscht, wenn es heißt: Der Gottlose lasse von seinem Wege und bekehre sich zum Herrn, so wird er sich seiner erbarmen. „ Das wird die Frucht seyn, wenn ein Christ im Lichte des von Gott gesetzten Lebenszweckes die Führungen seines Lebens überschaut. Wie beim Psalmisten werden die Gedanken Gottes, die er darin niedergelegt findet, Gnadenwunder in seinen Augen werden und der Dank dafür - wird das Opfer seines Willens seyn!

Darum nun der zweite Wunsch unsers Gottes zu unserm neuen Jahr: Suchet den Herrn, dieweil er zu finden ist, rufet ihn an, dieweil er nahe ist'. Gleich als wollte er sagen: Lieben Kinder, wenn nun doch keiner aus einem andern Wege sein wahres Glück finden kann als auf meinem, und wenn alle Wege die ich euch führe, doch nur Wege sind, auf denen ich zu mir euch führe, eurem wahren Lebensgute, das euch Leben und Genüge giebt: was kann ich euch für einen bessern Neujahrswunsch bringen als den: Suchet mich,“ so habt ihr den Einen der alles ersetzt, so seid ihr in Einem mit allem ergötzt. Indem aber unser lieber himmlischer Vater uns diesen Neujahrswunsch bringt, fügt er auch zugleich eine Warnung bei: suchet mich, dieweil ich zu finden bin. rufet mich an, dieweil ich nahe bin. So ist also darauf hingewiesen, daß eine Zeit kommen könnte, wo er nicht mehr zu finden und nicht mehr nahe wäre. Wie ja auch geschrieben steht: „Siehe, das thut Gott einmal oder zweimal mit einem jeglichen, daß er ihn herumhole aus dem Verderben. Das ist ja“ eine der göttlichen Ordnungen, daß dieselben Gaben Gottes, welche ein Segen für die empfänglichen Gotteskinder sind, ein Fluch werden für die verstockten Sünder. Je öfter Er daher die Arme nach dir ausgebreitet mit einem: hie bin ich! hie bin ich! und du bist ihm nicht entgegengekommen, desto härter wird das wilde Fleisch, das sich um dein Herz setzt, daß du nicht mehr kommen kannst, auch wenn du willst, desto blinder dein Auge, daß du ihn gar nicht mehr sehen kannst, auch wenn er sich dir auf den Weg stellt und die Arme nach dir ausbreitet. Darum, ihr Seelen, denen euer Heil lieb ist, suchet ihn, dieweil er zu finden ist! Aber auch darum, weil die Jahre unaufhaltsam rinnen, und jedes Jahr weniger von deinem Leben ist ein Jahr weniger von deiner Gnadenzeit. Die Gnadenzeit - so ist unsere ganze irdische Lebenszeit geheißen, weil jetzt, so lange sie währt, noch Gnade zu erlangen ist, danach aber das Gericht. Und in dieser Zeit, Jünglinge, da ist wieder eure Jugend die eigentliche Gnadenzeit, denn jetzt ist noch die Zeit, wo die Ruthen weich sind und sich biegen lassen. Suchet den Herrn, weil er zu finden ist'. das ist also vor allen Anderen der Neujahrswunsch des Herrn an euch - wie geschrieben steht: die mich frühe suchen, die finden mich.

O Herr, wie viel eitle und thörichte Glückwünsche, die wir auch an diesem Neujahr wieder empfangen haben. Es ist keiner, der wahrhaft weiß, was zu unserem Heile dient, als du, es ist daher kein anderer, der uns den rechten Neujahrswunsch thun kann. Deine Wege, auch in diesem neuen Jahre, sollen meinen Augen wohlgefallen - ob krumm oder grade, ob rauh oder eben: sie sollen meinen Augen wohlgefallen, denn sie führen allemal dahin, wo mein wahres Heil ist. Und bei dir. bei dir ist der Quell meines Heils, du, bei dem alle Güter enden und beginnen. Darum will ich dich suchen, dieweil du zu finden bist und will dich anrufen, dieweil du nahe bist, du meines Lebens Ursprung und mein Ziel! Amen.

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