Thomas von Kempen - Buch 2 - Kapitel 12

Thomas von Kempen - Buch 2 - Kapitel 12

Von dem königlichen Wege des hl. Kreuzes.

1. Hart scheint vielen die Rede: „Verläugne dich selbst, nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach.“ (Mth. 16,24.)

Aber viel härter wird jenes letzte Wort zu hören sein: „Gehet hin von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer.“ (Matth. 25,41)

Die aber jetzt das Wort vom Kreuze gern hören und befolgen, die werden dann die Ankündigung der ewigen Verdammniß nicht fürchten dürfen.

Dieses Zeichen des Kreuzes wird am Himmel sein, wenn der Herr zum Gerichte kommen wird.

Dann werden alle Diener des Kreuzes, die dem Gekreuzigten im Leben nachfolgten, zu Christo, ihrem Richter, mit großer Zuversicht hintreten.

2.Was fürchtest du dich also, das Kreuz auf dich zu nehmen, durch das man zum Himmelreiche eingeht?

Im Kreuze ist Heil, im Kreuze Leben, im Kreuze Schutz vor den Feinden, im Kreuze Fülle himmlischer Wonne, im Kreuz Stärke des Gemüths, im Kreuz Freude des Geistes, im Kreuz die höchste Tugend, im Kreuze Vollendung der Heiligkeit.

Es ist kein Heil für die Seele, keine Hoffnung des ewigen Lebens, außer im Kreuze. Nimm darum dein Kreuz auf dich und folge Jesu nach und du wirst eingehen in das ewige Leben.

Er ging voran, trug sein Kreuz und starb für dich am Kreuze, damit du auch dein Kreuz tragest und am Kreuze zu sterben begehrest.

Denn wenn du mit ihm gestorben bist, so wirst du auch gleichermassen mit ihm leben; und bist du ein Genosse seiner Pein gewesen, so wirst du es auch seiner Herrlichkeit sein.

3.Sieh, im Kreuz besteht Alles und im Sterben liegt Alles; und es ist kein anderer Weg zum Leben und zum wahren innern Frieden, als der Weg des heiligen Kreuzes und der täglichen Abtödtung.

Wandle, wo du willst, suche, was du magst, und du wirst nicht finden einen höheren Weg oben, noch einen sicheren unten, als den des heiligen Kreuzes.

Richte und ordne Alles nach deinem Wollen und Absehen und du wirst finden, daß man immer etwas leiden müsse, gern oder ungern: und so wirst du immer Kreuz antreffen.

Denn du wirst entweder Leibesnoth oder Seelennoth haben.

4.Zuweilen wirst du von Gott verlassen, ein andermal von dem Nächsten geplagt werden und was noch weit schlimmer ist, oft wirst du dir selbst zur Last sein.

Und doch wirst du durch kein Mittel, durch keinen Trost dich befreien oder erleichtern können, sondern du mußt, so lange Gott es will, aushalten.

Denn Gott will, daß du Trübsal ohne Tröstung leiden lernest und daß du dich ihm gänzlich unterwerfest und demüthiger werdest durch Trübsal.

Niemand empfindet Christi Leiden so herzlich, wie der, dem Aehnliches zu leiden auferlegt wird.

Das Kreuz ist also stets bereitet und wartet überall auf dich.

Du kannst ihm nicht entfliehen, wohin du auch gehst; denn wohin du auch kommen magst, bringst du dich selbst mit und wirst immer dich selbst finden.

Wende ich nach oben, wende dich nach unten, wende dich nach außen, wende dich nach innen, und allenthalben wirst du Kreuz finden; denn es ist nothwendig, daß du überall Geduld behaltest, wenn du innern Frieden haben und die ewige Krone verdienen willst.

Trägst du das Kreuz gern, so wird es auch dich tragen und wird dich zum erwünschten Ziele führen, wo nämlich das Leiden ein Ende nehmen wird, obwohl es hienieden nicht sein mag.

Wenn du es aber ungern trägst, so machst du dir eine Last und beschwerst dich selbst um so mehr und dennoch mußt du es tragen.

Ja, wirfst du ein Kreuz ab, so wirst du ohne Zweifel ein anderes finden und vielleicht ein schwereres.

Glaubst du dem zu entrinnen, dem noch kein Sterblicher entgehen konnte?

Welcher der Heiligen ist in der Welt ohne Trübsal gewesen?

Denn Jesus Christus, unser Herr, war, so lange er lebte, nicht eine Stunde ohne Leidensschmerz.

„Es mußte“, spricht er, „Christus leiden und auferstehen von den Todten und so eingehen in seine Herrlichkeit.“ (Luk. 24,26.)

Und warum suchest du einen andern Weg, als diesen königlichen Weg, welcher ist der Weg des heiligen Kreuzes?

5.Das ganze Leben Christi war Kreuz und Marter, und du suchest dir Ruhe und Freude?

Du irrest, du irrest, wenn du etwas Anderes suchst, als Trübsal zu leiden; denn dieses menschliche Leben ist voller Elend und ringsher mit Kreuzen gezeichnet.

Und je höher Einer im Kreuze fortgeschritten ist, um so schwereres Kreuz findet er oft, weil seine Pilgerschaft ihm um so peinlicher wird, je mehr die Sehnsucht nach der Heimath wächst.

6.Dennoch ist der so vielfach Bedrängte nicht ohne lindernden Trost, weil er fühlt, daß ihm die größte Frucht aus dem Ertragen seines Kreuzes zuwachse.

Denn indem er sich ihm freiwillig unterwirft, verwandelt sich alle last der Trübsal in Zuversicht auf Gott.

Und je mehr das Fleisch durch Drangsal geschwächt wird, desto mächtiger wird der Geist durch innerliche Gnade gekräftigt. Ja, bisweilen wird er durch das Verlangen nach Trübsal und Widerwärtigkeit aus Liebe zur Gleichförmigkeit mit dem Kreuze Christo so sehr gestärkt, daß er gar nicht ohne Schmerz und Trübsal sein möchte, weil er Gott um so wohlgefälliger zu sei glaubt, je mehr und je Schwereres er für ihn ertragen könne.

Das ist nicht des Menschen Verdienst, sondern die Gnade Christi, die so viel vermag und wirket in dem gebrechlichen Fleische, daß der Mensch das, was er von Natur stets verabscheut und flieht, mit Inbrunst des Geistes ergreift und liebgewinnt.

7.Es ist nicht der Natur des Menschen gemäß, das Kreuz zu tragen, ja es lieben, den Leib züchtigen und dienstbar machen, Ehren fliehen, Schmähungen gern ertragen, sich selbst verachten und verachten lassen, Widriges und Verlust erleiden und auf kein Glück in dieser Welt Anspruch machen.

Wenn du nur dich selbst im Auge hast, so wirst du nichts der Art aus dir vermögen; vertrauest du aber auf den Herrn, so wird dir Kraft vom Himmel gegeben, und Welt und Fleisch deiner Herrschaft unterworfen werden.

Ja sogar den Feind, den Teufel, wirst du nicht fürchten, wenn du mit dem Glauben gewappnet und mit Christi Kreuz gezeichnet bist.

8.Schicke dich also an, als ein guter und treuer Knecht Christi, mannhaft zu tragen das Kreuz deines Herrn, der aus Liebe für dich sich kreuzigen ließ.

Rüste dich, viel Widerwärtigkeiten und mancherlei Ungemach in diesem armseligen Leben zu erdulden; denn wo du auch sein magst, so wird es dir ergehen und so wirst du fürwahr es überall finden, wo du dich immer verbergest.

So muß es sein, und es gibt kein anderes Mittel, der Anfechtung von Uebeln und dem Schmerze zu entgehen, als daß du dich geduldest.

Trinke den Kelch des Herrn mit Liebe, wenn du sein Freund sein und Theil an ihm haben willst.

Die Tröstungen stelle Gott anheim; er mache es damit nach seinem Wohlgefallen. Du aber schicke dich an, Trübsale zu ertragen und halte sie für die größten Tröstungen; denn „die Leiden dieser Zeit sind nicht werth die Herrlichkeit, die an uns geoffenbaret werden soll“ (Röm. 8,18.), auch wenn du allein sie alle zu erdulden vermöchtest.

9.Bist du dahin gelangt, daß dir die Trübsal süß ist und schmeckt um Christi willen; dann glaube, daß es gut mit dir stehe, weil du das Paradies auf Erden gefunden hast.

So lange dir das Leiden schwer fällt und du ihm zu entfliehen suchst, so lange steht es übel mit dir, und überall hin wird die geflohene Trübsal dir folgen.

10. Wenn du gefaßt bist auf das, worauf du es sein sollst, nämlich auf's Leiden und Sterben: so wird es bald besser werden und du wirst Frieden finden.

Selbst wenn du mit Paulus entzückt würdest bis zum dritten Himmel, so wärest du deßwegen doch nicht gesichert, Widerwärtiges tragen zu müssen.

„Ich“, spricht Jesus, „will ihm zeigen, wie viel er leiden muß um meines Namens willen.“ (Apostelgeschichte 9,16.)

Leiden also mußt du, wenn du Jesum lieben und ohne Unterlaß ihm dienen willst.

11. O daß du würdig wärest, etwas um Jesu willen zu leiden! Wie großer Ruhm bliebe dir davon! Welche Freude für alle Heiligen Gottes! Welch erbaulicher Anblick für deine Mitchristen würde es sein! Denn die Geduld empfehlen Alle, wiewohl nur Wenige dulden wollen.

Billig solltest du um Christi willen gern Mäßiges leiden, da Viele weit Schwereres leiden um der Welt willen.

12. Das halte für ausgemacht, daß dein Leben ein Sterben sein muß. Und je mehr Einer sich selbst abstirbt, desto mehr beginnt er Gott zu leben.

Niemand ist geschickt, das Himmlische zu erfassen, er habe sich denn entschlossen, um Christi willen Widerwärtigkeiten zu ertragen.

Nichts Gott Wohlgefälligeres, nichts dir selbst Heilsameres gibt es in dieser Welt, als freudig für Christum leiden.

Und wenn dir die Wahl gelassen wäre, so müßtest du mehr wünschen, für Christum Widriges zu leiden, als mit vielen Tröstungen erquickt zu werden, weil du so Christo ähnlicher wärest und allen Heiligen gleichförmiger.

Denn unser Verdienst und das Wachstum unsers Gnadenstandes besteht nicht in vielen Annehmlichkeiten und Tröstungen, sondern vielmehr im Ertragen großer Beschwerden und Trübsale.

13. Wäre für das Heil der Menschen irgend etwas besser und erträglicher gewesen, als Leiden: so hätte es uns Christus gewiß durch Wort und Beispiel gezeigt.

Denn sowohl die Jünger, die ihm nachfolgten, als auch Alle, die ihm zu folgen begehren, ermahnte er offenbar, das Kreuz auf sich zu nehmen und spricht: „Wer mir nachfolgen will, der verläugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“ (Matth. 16,24.)

Darum, wenn Alles durchlesen und erforscht worden, sei dieses der endliche Schluß: „daß wir durch eitel Trübsal eingehen müssen in das Reich Gottes“ (Apostelgesch. 14,22.)

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