Thomas von Kempen - Buch 4 - Kapitel 17

Thomas von Kempen - Buch 4 - Kapitel 17

Von der brennenden Liebe und dem heftigen Verlangen, Christum zu empfangen.

Stimme des Jüngers.

1. Mit höchster Andacht und brennender Liebe, mit aller Inbrunst und Gluth meines Herzens begehre ich dich, o Herr, zu empfangen, wie nach dir in der heiligen Kommunion verlangten so viele Heilige und Fromme, welche dir in Heiligkeit des Wandels am meisten gefallen und die glühendste Andacht gefühlt haben.

O mein Gott, du ewige Liebe, du all mein Gut, du unendliche Seligkeit! dich möchte ich aufnehmen mit dem heißesten Verlangen und der tiefsten Ehrfurcht, die je ein Heiliger empfand und empfinden konnte!

2. Und wiewohl ich unwürdig bin, alle jene Gefühle der Andacht zu haben; so bringe ich dir doch meines Herzens ganzes Begehren dar, als hätte ich alle jene, dir so wohlgefälligen, entflammten Begierden allein.

Aber auch, was immer ein frommes Gemüth fassen und verlangen kann: das Alles bringe ich mit tiefster Ehrfurcht und brünstiger Liebe dar, und opfere es dir.

Nichts wünsche ich mir vorzubehalten, sondern will mich und all das Meinige dir aus freien Stücken und mit größter Freude hingeben.

Herr, mein Gott, mein Schöpfer und mein Erlöser, mit solcher Begierde, Ehrfurcht, Lobpreisung und Ehre, mit solcher Dankbarkeit, Würdigkeit und Liebe, mit solchem Glauben, solcher Hoffnung und Reinheit begehre ich dich heute zu empfangne, wie dich empfangen und begehret hat deine heilige Mutter, die glorreiche Jungfrau Maria, als sie dem Engel, der ihr das Geheimniß der Menschwerdung verkündigte, voll Demuth und Ergebenheit antwortete: „Siehe, ich bin des Herrn Magd, mir geschehe nach deinen Wort.“ (Luc. 1,38.)

3. Und wie dein seliger Vorläufer, Johannes der Täufer, der Vornehmste unter den Heiligen, in deiner Gegenwart vor Entzücken hüpfte in der Freude des heiligen Geistes, da er noch im Mutterleibe verschlossen war; und wie er nachmals, als er Jesum unter den Menschen wandeln sah, sich tief demüthigte und mit andächtiger Liebe sprach: „Der Freund aber des Bräutigams, der dasteht und ihn hört, freuet sich hoch über des Bräutigams Stimme“; so wünsche auch ich von großen und heiligen Begierden entflammt zu werden und dir mich selbst von ganzem Herzen darzustellen.

Darum opfere ich dir auch aller andächtigen Herzen Jubelgesänge, glühende Empfindungen, Geistesentzückungen, übernatürliche Erleuchtungen und himmlische Gefühle, und biete sie dir sammt allen Tugenden und Lobpreisungen, die dir von allen Kreaturen im Himmel und auf Erden je dargebracht worden sind und noch dargebracht werden sollen, für mich und Alle dar, die sich mir zur Fürbitte empfohlen haben, auf daß du von Allen würdig gelobt und immerdar verherrlicht werdest.

4. Nimm an mein Gelübde, Herr, mein Gott, und das Verlangen, dich ohne Ende zu loben und ohne Maß zu preisen, wie es dir nach der Fülle deiner unaussprechlichen Größe mit Recht gebührt.

Das bringe ich dir, und möchte ich dir alle Tage und Augenblicke bringen. Und ich lade alle himmlischen Geister und alle deine Gläubigen mit dringenden Bitten ein, und flehe sie inständig an, daß sie mit mir Dank und Lob dir entrichten.

5. Loben sollen dich alle Völker, Stämme und Zungen, und verherrlicht sollen sie deinen heiligen und honigträufelnden Namen mit höchstem Jubel und glühender Andacht!

Und Alle, die mit Ehrfurcht und Andacht dein erhabenstes Sakrament und mit vollem Glauben empfangen, mögen gewürdigt werden, Gnade und Barmherzigkeit bei dir zu finden, und für mich Sünder flehentlich bitten.

Und wenn sie der erwünschten Andacht und der genußreichen Einigung theilhaftig geworden und wohl getröstet und wunderbar erquickt von dem heiligen, himmlischen Tische hinweggegangen sind, so mögen sie auch an mich Armen gedenken.

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