Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 44
Daß man das Aeußere nicht in sein Inneres kommen lassen soll.
1. Sohn! du mußt in vielen Dingen unwissend sein, und dich für einen solchen ansehen, der gleichsam für die Erde abgestorben und dem die ganze Welt gekreuzigt ist.
Du mußt auch Vieles mit taubem Ohr übergehen, und was zu deinem Frieden dient, mehr bedenken.
Es ist nützlicher, die Augen von mißfälligen Dingen abzuwenden, und einem Jeden seine Meinung zu lassen, als darüber mit ihm zu streiten.
Wenn du mit Gott gutstehest und auf sein Gericht achtest, so wirst du es leichter ertragen, besiegt zu sein.
2. O Herr! wohin ist es mit uns gekommen? Siehe, ein zeitlicher Verlust wird beweint, um einen geringen Gewinn arbeitet und läuft man; aber den Schaden der Seele vergißt man und denkt später kaum wieder daran.
Was wenig oder nichts nützt, wird beachtet, und was höchst nothwendig ist, wird nachlässig übergangen, dieweil der ganze Mensch in das Aeußere zerfließt, und, wenn er nicht bald sich wieder aufrafft, leicht darin liegen bleibt.