Spurgeon, Charles Haddon - Ecce Rex.

Spurgeon, Charles Haddon - Ecce Rex.

Gehalten am Sonntag, den 6. Mai 1877.

Und er spricht zu den Juden: „Seht, das ist euer König.“ Joh. 19,14.

Pilatus sagte viel mehr, als er meinte, und deshalb wollen wir unsere Betrachtung seiner Worte nicht auf das beschränken, was er beabsichtigte. Johannes sagt uns von Caiphas: „Solches aber redete er nicht von sich selbst,“ und wir können dasselbe von Pilatus sagen. Alles was in Bezug auf unseren Heiland gesagt oder getan ward, am Tage seiner Kreuzigung, war voller Bedeutung, weit mehr als die Sprechenden oder Handelnden es wussten. Verklärt durch das Kreuz wird selbst das Gewöhnliche feierlich und gewichtig. Als Caiphas sagte, es sei besser, Ein Mensch sterbe für das Volk, denn dass das ganze Volk verderbe, dachte er wenig, dass er die große evangelische Grundwahrheit der Stellvertretung ausspräche. Als das jüdische Volk vor Pilatus ausrief: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder,“ wussten sie wenig von dem Gericht, das sie über sich brächten, das bei der Belagerung Jerusalems anheben und, wie eine schwere Wolke über ihrem Geschlecht hängend, ihnen folgen würde Jahrhunderte lang. Als der Kriegsknecht mit einem Speer seine Seite durchbohrte, hatte er keine Ahnung, dass er vor Aller Augen das Blut und Wasser herausfließen ließ, welches für die ganze Kirche das Sinnbild der zweifachen Reinigung ist, die wir in Jesu finden, Reinigung durch das Versöhnungsblut und Heiligungsgnade. Die Zeit war erfüllt und alle Dinge waren voll. Jede Bewegung jenes furchtbaren Tages war überfließend voll von Geheimnissen, und weder der Meister noch die um ihn her konnten handeln oder sprechen, ohne Evangelium zu lehren oder eine Wahrheit einzuprägen. Während an gewissen Tagen Leichtsinn die Herrschaft zu haben scheint, und wenig zu entnehmen ist aus dem Vielen, was gesprochen wird, redeten am Tage der Passion selbst die Sorglosesten wie Inspirierte.

Pilatus, das unentschiedene Gemüt, der keine eigene Richtung hatte, sprach Worte, so gewichtig, als wenn er unter den Propheten gewesen wäre. Seine Freisprechung unseres Herrn, sein Erwähnen des Barabbas, seine Überschrift über dem Haupte Jesu und vieles Andere war voller Belehrung.

Die Juden waren es, zu denen Pilatus Jesum herausführte, mit Spottgewändern angetan, und zu ihnen sprach er: „Ecce Rex“ „Seht, das ist euer König!“ Der Same Abrahams war es, der ihn als seinen König verwarf; aber wir wollen nicht daran denken, um dies unglückliche Volk zu tadeln, sondern um uns zu erinnern, dass wir in dieselbe Sünde fallen können. Als ein Volk, das mit dem Evangelium begnadet ist, nehmen wir in mancher Hinsicht dieselbe bevorzugte Stellung ein, wie die Juden. Uns ist das Wort Gottes verkündet, unserer Hut sind in diesen letzten Tagen die Offenbarungen Gottes anvertraut und wir, obgleich von Natur wilde Ölzweige, sind in den bevorzugten Stamm eingepfropft, von dem Israel für eine Weile abgeschnitten ist. Sollen wir uns als eben so unwürdig zeigen? Soll Einer von uns an dem Blut Jesu schuldig sein? Wir hören heute von Jesu; verwerfen wir ihn? Der leidende Messias wird heute Morgen wiederum vorgeführt werden, nicht von Pilatus, sondern von Einem, der ihm gerne Ehre erweisen möchte, und wenn er vor euch steht und wieder in den Worten verkündet wird: „Seht, das ist euer König,“ wollt ihr auch schreien: „Hinweg mit ihm, hinweg mit ihm?“ Lasst uns hoffen, dass hier keine Herzen gefunden werden, die böse genug sind, das aufrührerische Volk nachzuahmen und zu schreien: „Wir wollen nicht, dass Dieser über uns herrsche.“ O, dass Jeder von uns den Herrn Jesum als seinen König anerkennen möchte, denn unter seinem Zepter ist Ruhe und Freude. Er ist es wert, von jedem Herzen gekrönt zu werden; lasst uns alle vereint ihn mit Ehrfurcht anschauen und mit hoher Freude empfangen. Gebt mir euer Ohr und Herz, während Jesus als unter euch stehend dargestellt wird, und lasst es für die nächsten paar Minuten euer einziges Geschäft sein, „euren König zu sehen.“

1.

Kommt denn mit mir zu der Stätte, die da heißt Hochpflaster, auf Hebräisch aber Gabbatha, und „seht da euren König.“ Ich werde euch zuerst bitten, euren König zu sehen, wie er seinen Thron bereitet, ja, und sich fertig macht, darauf zu sitzen. Wenn ihr hinblickt auf die Aufforderung: „Seht, das ist euer König,“ was seht ihr? Ihr seht den Mann „voller Schmerzen und Krankheit,“ der eine Krone von Dornen trägt und mit einem alten Purpurmantel bedeckt ist, der ihm zum Spott umgeworfen ward; ihr könnt, wenn ihr genau zuseht, die Spuren seines strömenden Blutes sehen, denn er ist eben gegeißelt, und ihr könnt auch wahrnehmen, dass sein Antlitz von Schlägen gelitten und mit dem schmählichen Speichel der Kriegsknechte befleckt ist.

„Du edles Angesichte,
Davor sonst schrickt und scheut
Das ganze Weltgerichte,
Wie bist du so bespeit!“

Es ist ein fürchterliches Schauspiel, aber ich bitte euch, unverwandt dahin zu schauen und zu sehen, wie des Erlösers Thron errichtet wird. Seht wie er euer Mittler und König wird. Er errichtete einen neuen Thron auf Gabbatha, auf dem er als König begnadigter Sünder und Friedensfürst herrschen wollte. Er war König ehe denn die Welten waren, als Herr über Alles kraft seiner ewigen Macht und Gottheit; er hatte einen Thron, als Welten gemacht wurden als König aller Könige durch die Schöpfung; er hatte auch den Thron der Vorsehung als der, der da trägt alle Dinge mit seinem kräftigen Wort. Auf seinem Haupte waren viele Kronen und auf die Frage des Pilatus: „So bist du dennoch ein König?“ antwortete er mit Recht: „Du sagst es, ich bin ein König.“ Aber hier vor den Juden in seinem Zustand der Schmach und des Elendes, war er im Begriff, hinaufzusteigen und zu allererst den Thron der himmlischen Gnade zu bereiten, der nun unter den Menschenkindern errichtet ist, dass sie dahin fliehen und ewige Seligkeit finden. Achtet darauf, wie er seinen Gnadenthron bereitet, es ist durch Schmerz und Schande, an unsrer Stelle und Statt erduldet. Die Sünde stand der Glückseligkeit des Menschen im Wege, ein gebrochenes Gesetz und die Gerechtigkeit verlangten Strafe: und all' dieses musste geordnet werden, ehe ein Gnadenthron unter den Menschen aufgerichtet werden konnte. Wenn ihr auf unseren leidenden Herrn blickt, seht ihr sogleich die Reichen seines Schmerzes, denn er trägt eine Krone von Dornen, die seine Stirne durchstechen. Schmerz war ein großer Teil der Strafe, die der Sünde gebührt, und der große Stellvertreter litt deshalb viele Schmerzen. Als Pilatus unseren Märtyrerfürsten herausführte, war er das wahre Bild der Schmerzen, er war Majestät im Elend, Elend in seiner ganzen Größe und Tiefe. Die grausamen Furchen der Geißel und die rinnenden Ströme Blutes längs seinem Antlitze waren nur die Anzeichen, dass er im Begriff war, in grausamen Leiben am Kreuze zu sterben, und all dieses lag ihm ob, weil kein Gnadenthron da sein konnte, ehe ein stellvertretendes Opfer stattgefunden. Es gebührte ihm, zu leiden, damit er ein Fürst und Heiland wäre. Seht euren König in seinen Schmerzen, er legt den Grund zu seinem Reich der Gnaden tief. Manche Krone ist durch Blut gesichert worden, und diese auch, aber es ist sein eigenes Blut; mancher Thron ist durch Leiden errichtet worden, und dieser auch, aber er selber trägt die Pein. Durch seine großen Opferleiden hat unser Herr einen Thron bereitet, auf dem er sitzen wird, bis er alle seine Erwählten zu Priestern und Königen gemacht hat, die mit ihm regieren. Seine Todesangst ist es, durch die er die königliche Macht der Begnadigung erhält; durch seine Wunden und Streiche gewinnt er das Recht, arme Sünder loszusprechen. Wir haben keine Ursache, über die Größe seiner Mittlermacht zu staunen, wenn wir die Tiefe seiner Opferleiden betrachten; wie sein Elend die Quelle seiner Majestät ist, so hat die Größe seiner Schmerzen ihm die Macht zu erretten gesichert. Wäre er nicht bis ans Ende des Gesetzes gegangen und hätte die Gerechtigkeit bis zum höchsten Grade geehrt, so wäre er nicht so herrlich im Stande, Barmherzigkeit von seinem hehren, hohen Throne vermittelnder Gnade zu erteilen. Seht euren König denn, wie er tief in seinen eigenen Schmerzen und Tod den Grund seines Gnadenthrons legt.

Aber es ist nicht allein Schmerz, denn er trägt auch die Zeichen der Versöhnung. Jene Dornenkrone bedeutete hauptsächlich Spott; die Soldaten machten ihn zu einem nachgeahmten Monarchen, einem Fastnachtskönig, und jenes Purpurgewand war um seine Schultern in bitterem Hohn geworfen; so verlachte die Welt ihren Gott. Die Evangelisten geben uns die Beschreibung in kurzen Sätzen, als wenn sie zwischen jeder Zeile innegehalten und ihr Antlitz verhüllt hätten, um zu weinen. So steht er hier vor dem Haufen, hilflos, freundlos, mit Niemand, der seine Herkunft verkünden oder ihm ein gutes Wort geben könnte. Er ist verlassen von Allen, die ihn früher Meister nannten, und er ist der Mittelpunkt einer Szene des Lärms und Spottes geworden. Die Kriegsknechte haben ihr Schlimmstes getan, und nun sehen die bedeutendsten Männer des Volkes auf ihn mit Verachtung herunter und werden nur von dem rohesten Hohne zurückgehalten durch einen Hass, der zu wütend nach seinem Tode verlangt, um ihnen Muße für ihre Spöttereien zu geben. Seine Feinde hatten alles in ihrer Macht getan, ihn in Spott zu umgeben, und sie verlangten Erlaubnis, mehr zu tun, denn sie schrien: „Lass ihn kreuzigen.“ Seht, wie er alle Ehre seines Vaterhauses verlassen und seine eigene Herrlichkeit unter den Engeln und hier steht mit einem Spottgewande, einem nachgeäfften Zepter und einer dornigen Krone, die Zielscheibe des Hohns, den Allen verlacht! Doch muss dies sein, denn die Sünde ist ein schändliches Ding und ein Teil der Strafe für Sünde ist Schmach, wie Jene es erfahren werden, die am Gerichtstage aufwachen werden zu ewiger Schande. Schmach kam über Adam, als er sündigte, und dann und da wusste er, dass er nackend war, und nun ist die Schmach in furchtbarem Strom auf das Haupt des zweiten Adam gekommen, dem Stellvertreter des schmachvollen Menschen, und er ist mit Verachtung bedeckt. „Alle, die mich sehen, spotten meiner.“ Es ist schwer zu sagen, ob Grausamkeit oder Hohn am meisten zu tun hat mit der Person unseres Herrn auf Gabbatha; aber indem er dies Beides zusammen erduldete, legte er auf einen unbeweglichen Grund den Eckstein seiner Herrschaft der Liebe und Gnade. Wie hätte er der König eines erlösten Volkes sein können, wenn er es nicht erlöst hätte. Er hätte der Herr über ein zum Tode verurteiltes Volk sein können, der strenge Herrscher eines Volkes, das in Sünden fortfährt und darin fortfahren wird bis es auf ewig von seiner Gegenwart verbannt wird; aber ein solches Königreich suchte er nicht; er wollte ein Reich über Herzen, die ewig ihm verpflichtet sein würden, Herzen, die, befreit von der untersten Hölle durch seinen Versöhnungstod, ihn auf immer mit der heißesten Inbrunst lieben würden. Sein Leiden sicherte seine Macht, zu erretten, seine Schmach verlieh ihm das Recht zu segnen.

„Seht, das ist euer König.“ Seht auf ihn unverwandt und schaut welch ein König er jetzt ist kraft der Wohltaten, die er mitteilt. Seht, er hat auf ewig die Sünde abgetan durch das Opfer seiner selbst, und deshalb stimmen alle Erlösten darin überein, dass Er König sein soll, der den großen Drachen schlug, der die Völker bezwang. Seht, durch sein Niederbeugen zur Schmach hat er den Satan entthront, welcher der Fürst dieser Welt war, und wer sollte den Thron einnehmen, als der, welcher ihn gewonnen hat und den Starken hinausgeworfen, der früher herrschte. Christus hat mehr für die Menschen getan, als der Fürst der Finsternis konnte oder wollte, denn er ist für sie gestorben und hat so mit Recht die Oberherrschaft gewonnen über alle dankbaren Herzen. Und den Tod hat Jesus überwunden, indem er sich ihm unterwarf. Lasst ihn mit dem Siegerkranz gekrönt werden, der den Zerstörer der Welt zerstört hat. In seiner Schmach seht ihr auch Jesum Christum das Gesetz erfüllen und es zu Ehren bringen. Er, der das Gesetz ehren konnte, das sonst uns verflucht haben würde, verdient alle Ehre und Huldigung von den Menschenkindern, die er vom Fluche befreit hat. So seht ihr also, als unser Herr den alten roten Mantel anlegte und es duldete, dass seine Stirne mit Dornen umgeben ward, stiftete er in Wahrheit ein Reich für sich, dessen Grund nie erschüttert werden wird; er vollbrachte das errettende Werk, welches ihn zum Könige unter den Sündern gemacht hat, die er rettet, und zum Herrn des Gnadenreiches, das durch seinen Tod den Menschen aufgetan ist.

Bemerkt dies auch, dass Menschen Könige unter ihren Mitmenschen sind, wenn sie tiefe Teilnahme und wesentliche Hilfe erzeigen können. Der, welcher Teilnahme fühlen kann, gewinnt Macht der besten Art, nicht rohe Gewalt, sondern zarten, geistlichen Einfluss. Aus diesem Grunde litt unser Heiland, wie ihr ihn leiden seht, damit er Teilnahme für euch in euren bittersten Schmerzen und in eurer tiefsten Schande haben möchte. Wie die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er es gleichermaßen teilhaftig geworden, und wie sie leiden müssen, so ward der Herzog ihrer Seligkeit durch Leiden vollkommen gemacht. Dies gibt ihm seine herrliche Macht über uns. Er ist ein treuer Hohepriester, denn er kann Mitleiden haben mit unserer Schwachheit, und diese Fähigkeit, in unsere Schwachheiten und Schmerzen einzugehen, gibt ihm Herrschaft in unseren Herzen. Schaut auf euren König unter Schmerz und Spott und seht wie königlich er eurem Herzen ist. Wie mächtig gebietet er eurem Herzen, sich zu freuen. Mit welcher Herrschergewalt befiehlt er euren Befürchtungen, still zu liegen, und gehorsam weicht euer Zagen seinem Worte. Nun, wie es mit euch ist, so ist es in größerem Maßstabe mit der Welt. Die leidenden Völker werden noch einmal ihren wahren Befreier in ihrem leidenden Herrn sehen. Jenes Rohrzepter wird ihm viel größere Macht sichern, als eine eiserne Rute. Seine Liebe zu den Menschen ist bewiesen durch sein Leiden für sie, und dies wird, wenn der Heilige Geist die Menschen weise gemacht hat, für Myriaden unseres Geschlechts die Ursache sein, ihn als den Herrn über Alles zu verkünden. Die Könige und Fürsten, welche die Menschheit regieren kraft ihrer Abkunft oder durch Waffengewalt, haben nur den Namen „König,“ die wahren Könige sind die großen Wohltäter. Die Helden sind im Grunde unsere Könige. Wir betrachten diejenigen als königlich, die ihr Leben für ihre Mitmenschen wagen können, um ihnen Freiheit zu gewinnen oder sie Wahrheit zu lehren. Das Menschengeschlecht vergisst seiner Herren, aber gedenkt seiner Freunde. Die Erde wäre ohne Jesum nur ein weites Gefängnis gewesen und die Menschen ein Geschlecht verurteilter Verbrecher, aber Er, der auf Gabbatha vor uns steht in all seiner Schmach und seinem Schmerz, hat uns aus unserem verlorenen Zustand errettet und muss deshalb König sein. Wer wird zu ihm Nein sagen? Wenn Liebe zuletzt triumphiert, wenn uneigennützige Selbstaufopferung Huldigung erhält, dann ist Jesus König und muss es bleiben. Wenn der Morgen anbricht und des Menschen Herz von dem Vorurteil und der Ungerechtigkeit gereinigt ist, die Folgen der Sünde sind, dann wird die Macht mit dem Recht sein und die Wahrheit muss herrschen; dann muss Jesus regieren. Das ewige Gesetz der Wesen verlangt, dass die Besten am höchsten seien, dass der, welcher den Menschen am meisten dient, am meisten unter ihnen geehrt werde; in Einem Wort, dass er, der für Nichts geachtet wurde um des Menschen willen, ihm Alles werden sollte. Seht ihn nun, wie die Dornenkrone die Mutter der Krone ist, welche Jesus in der Kirche trägt! Das Purpurkleid ist der Kaufpreis für das Gewand der Weltherrschaft und das Zepter von Rohr ist der Vorläufer der Rute der Völker, womit die ganze Erde regiert werden soll. „Seht, das ist euer König, und sehet die Quellen seiner Mittlermacht.

=====II.===== O ihr, die ihr in eurem blutenden und zurückgestoßenen Herrn „den König in seiner Schöne“ seht, kommt ihr wiederum hierher und seht ihn eure Huldigung beanspruchen. Seht, in welcher Weise er kommt, eure Herzen zu gewinnen. Was ist sein Recht, König über euch zu sein? Es sind viele Rechte, denn auf seinem Haupte sind, viele Kronen, aber das höchste Recht, das Jesus über uns hat, wir durch die Dornenkrone versinnbildlicht; es ist das Recht der höchsten Liebe; er liebte uns, wie kein Anderer uns geliebt haben könnte. Wenn wir alle Liebe von Eltern und Weibern und Kindern zusammen legen, so kann sie keinen Augenblick der Liebe Christi gleich kommen, und sobald diese Liebe uns berührt, so dass wir ihre Macht fühlen, krönen wir ihn gleich als König. Wer kann seiner Anziehung widerstehen? Ein Blick seiner Augen überwältigt uns. Sieh mit deinem Herzen jene Augen voll Tränen über verlorene Sünder, und du bist ein williger Untertan. Ein Blick auf den Hochgelobten, wie er sich um unsertwillen dem Geißeln und Bespeien unterwirft, gibt uns mehr als irgend etwas anderes eine Vorstellung von seinen Kronrechten. Blickt in jenes durchbohrte Herz, wie es sein Lebensblut für uns ausströmt, und aller Streit über seine Herrschaft hat ein Ende in unserem Herzen. Wir erkennen ihn als unseren Herrn, weil wir sehen, wie er liebt. Wie könnten wir anders? Tätige Liebe oder vielmehr leidende Liebe hat Allmacht mit sich. Seht, was die Liebe erduldet und „seht, das ist euer König.“

Jesus im Spottgewande, mit den Spuren seines Leidens gekennzeichnet, erinnert uns daran, dass er uns vollständig gekauft hat durch seine Taten und seinen Tod. „Ihr seid nicht euer selbst, ihr seid teuer erkauft.“ Schaut auf euren König und seht den Preis. Es ist der Preis unendlichen Leidens, grausamster Schmach. Es ist ein unberechenbarer Preis, denn der Herr über Alles ist zu Nichts gemacht. Es ist ein furchtbarer Preis, denn er, der allein Unsterblichkeit hat, nimmt den Tod auf sich. Es ist der Blutpreis. Es ist das Geißeln, Bluten und Wehe Jesu; nein, es ist er selbst. Wenn ihr den Preis eurer Erlösung sehen wollt, „schaut auf euren König.“ Er ist es, der uns Gott mit seinem Blut erkauft hat, er, der sich „selbst entäußerte und nahm Knechtsgestalt an, ward gleich wie ein anderer Mensch und an Gebärden als ein Mensch erfunden, und erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja bis zum Tode am Kreuze.“ Ihr erkennt dies Recht an, die Liebe Christi drängt euch; ihr fühlt, dass ihr fortan ihm allein leben wollt, und es für Freude achten, dass er in jeder Hinsicht über euch mit unumschränkter Macht herrsche.

Jesus hat durch sein Leiden eine Macht über uns erlangt, die viel höher ist als irgend eine, die von einem Gerichtshof verliehen werden oder durch bloße Gewalt aufgezwungen werden kann, denn unsere Herzen ergaben sich ihm freiwillig und verleihen ihm das Recht unserer freien Unterwerfung, froh, solch königlicher Liebe Huldigung zu erweisen. Ist es möglich für einen Gläubigen, den Herrn Jesum anzublicken ohne zu fühlen, dass er sich sehnt, immer mehr sein Knecht und Jünger zu werden? Dürstet ihr nicht, ihm zu dienen? Könnt ihr ihn in der Tiefe der Schande sehn, ohne zu wünschen, ihn auf die Höhe der Herrlichkeit zu erheben? Könnt ihr ihn sich so niederbeugen sehen für euch, ohne Gott zu bitten, dass ein herrlicher Thron ihm werden und dass er darauf sitzen und die Herzen aller Menschen beherrschen möge? Es tut nicht nötig, das Recht des Königs Jesus zu beweisen, denn ihr fühlt es; seine Liebe hat euch im Sturm genommen und hält ihre Gefangenen fest. Ihr könnt keinen Heiland haben, ohne dass er zugleich euer König ist, und wenn ihr einen solchen Heiland in einem solchen Zustand sehet, so könnt ihr nicht an ihn denken ohne euch zu freuen, ihm alle Macht und Herrschaft beizulegen. Könnten wir seiner Herrschaft entgehen, würde es Knechtschaft für uns sein, und wenn wir zu irgend einer Zeit sie nicht anerkennen, so ist das unser schlimmstes Leiden.

„Seht, das ist unser König,“ er selbst ist sein eigenes Recht auf Gehorsam. Seht, was er für euch litt, meine Brüder, und scheut euch fortan vor keiner Arbeit, Schande oder Trübsal um seinetwillen. „Seht, das ist euer König,“ und rechnet darauf, gleich ihm behandelt zu werden. Erwartet ihr, mit Gold gekrönt zu werden, wo er mit Dornen gekrönt ward? Sollen Lilien für euch wachsen und Disteln für ihn? Schämt euch nie, seinen herrlichen Namen zu bekennen, wenn ihr nicht so schändlich sein wollt, und Verräter an solchem Herrn zu sein. Seht, welche Schmach auf ihn gehäuft war, und lernt von ihm, alle Schmach um der Wahrheit willen zu verachten. Soll der Jünger über den Meister sein oder der Knecht über seinen Herrn? Wenn sie den Herrn des Hauses so schlecht behandelt haben, was werden sie den Hausgenossen tun? Lasst uns auf unser Teil von dieser Behandlung rechnen, und indem wir sie annehmen, vor allen Menschen beweisen, dass der von den Menschen Verachtete und Verworfene wirklich über uns König ist und dass die Untertanen nicht erröten, ihrem Monarchen gleich zu sein. Selbst wenn es alle Schmach kostete, welche die Welt nur auf uns häufen oder alles Leiden, das Fleisch und Blut in irgend einer Lage erdulden kann, lasst uns treu in unserer Anhänglichkeit sein und rufen: „Wer kann uns scheiden? Soll Verfolgung oder Not oder Trübsal uns von unserem König trennen? König der Schmerzen, du bist der König meiner Seele! König der Schmach, du bist der absolute Beherrscher meines Herzens. Du bist König nach göttlichem Rechte, und König nach meiner eigenen, freien Wahl. Andere Herren haben über uns geherrscht, aber jetzt seit du dich in dieser Weise offenbart hast, soll dein Name allein unseren Geist regieren.“ Seht ihr also nicht, dass Jesus vor Pilatus sein Recht offenbart in der Gestalt, in der er erscheint. „Seht euren König.“

III.

„Seht, das ist euer König,“ zum dritten Mal, damit ihr ihn seht, wie er sich sein Gebiet unterwirft. In die Gewänder des Spottes gekleidet und mit einem von Schmerz entstellten Gesicht kommt er hervor, „siegend und dass er siegte.“ Dies ist beim oberflächlichen Blick nicht ersichtlich, denn er ist nicht angetan wie ein Kriegsmann. Ihr seht kein Schwert an seiner Hüfte, keinen Bogen in seiner Hand. Keine heftigen Drohungen fallen von seinen Lippen, auch spricht er nicht mit beredter Überzeugungskraft. Er ist unbewaffnet, und doch siegreich; er schweigt, aber er überwindet. In dieser Kleidung geht er aus zum Kriege. Seine Schmach ist seine Rüstung und seine Leiben sein Schlachtschwert. Wie sagt ihr? Wie kann es so sein? Ich spreche nicht von Erdichtung, sondern von nüchterner Tatsache, und es soll bewiesen werden.

Missionare sind ausgegangen, die Heiden für Christum zu gewinnen und haben bei den unzivilisierten Söhnen der Sünde damit angefangen, ihnen zu erzählen, dass es einen Gott gibt und dass er groß und gerecht ist: die Leute haben unbewegt zugehört oder haben nur geantwortet: „Meinst du, wir wissen das nicht?“ Dann haben sie von der Sünde und ihrer Strafe gesprochen und von dem Kommen des Herrn zum Gericht, aber die Leute wurden nicht gerührt, sondern sagten kühl: „Es ist wahr,“ und gingen ihres Weges, um wie zuvor in Sünden zu leben. Zuletzt haben diese ernsten Männer das selige Geheimnis verkündet und von der Liebe Gottes, der seinen eingebornen Sohn gab, gesprochen und begonnen, die Geschichte von den unvergleichlichen Leiden Immanuels zu erzählen. Da haben die dürren Gebeine sich bewegt und das taube Ohr hat angefangen, zu hören. Sie sagen uns, dass nicht lange, nachdem sie begonnen, diese Geschichte zu erzählen, die Heiden die Augen auf sie hefteten, die Gesichter von Teilnahme leuchteten, die vorher gleichgültig waren, und sie haben sich gefragt: „Warum begannen wir nicht hiermit? Ah, warum nicht?“ Denn dies ist's, was der Menschen Herzen rührt. Christus, der Gekreuzigte ist der Überwinder. Nicht in den Gewändern seiner Herrlichkeit unterwirft er sich das Herz, sondern in seinen Kleidern der Schmach. Nicht auf dem Thron sitzend, gewinnt er zuerst den Glauben und Zuneigung der Sünder, sondern als blutend, leidend und sterbend an ihrer Statt. „Es sei aber ferne von mir rühmen,“ sagt der Apostel, „denn allein von dem Kreuze unseres Herrn Jesu Christi;“ und obgleich jede Sache, die mit dem Heiland verknüpft ist, ihr Teil in unserer Predigt haben muss, so ist doch dies die Hauptsache. Das Versöhnungswerk Jesu ist das schwere Geschütz unserer Batterie. Das Kreuz ist der gewaltige Sturmbock, womit wir die ehernen Tore der Vorurteile und die eisernen Riegel der Hartnäckigkeit niederbrechen. Christus, der als Richter kommt, erschreckt, aber Christus, der Mann der Schmerzen, unterwirft. In der Dornenkrone ist eine königliche Macht, willige Untertänigkeit zu erzwingen, das Rohrzepter bricht die Herzen mehr, als eine eiserne Rute, und das Spottgewand gebietet mehr Liebe, als Cäsars kaiserlicher Purpur. Es ist ihm nichts gleich unter dem Himmel. Zehntausend mal zehntausend Siege hat Er errungen, den Pilatus hinausführte vor die Menge, Siege, die klar der Dornenkrone und dem Spottkleide zuzuschreiben sind; sind sie nicht geschrieben in dem Buch von den Streiten des Herrn? Es werden mehr solcher sein, sobald er häufiger in seiner eigenen Weise dargestellt und den Menschen geheißen wird, in dem Mann der Schmerzen ihren König zu sehen.

Ist es nicht bei uns so gewesen, ebenso wohl wie bei den fernen Heiden? Was gewinnt Christo heutzutage die Herzen der Menschen? Was anders, als Christus in Schmach und Leiden? Ich berufe mich auf euch, die ihr kürzlich bekehrt seid; was hat euch als Gefangene an den Wagen Christi gebunden? Was hat euch bewogen, euch zu seinen Nachfolgern zu weihen und seines Namens euch zu freuen? Was anders, als dies, dass er sein Haupt für euch im Tode neigte und euch Gott mit seinem Blut erkauft hat? Ihr wisst, es ist so.

Und o, lieben Kinder Gottes, wenn ihr je völlig die Kraft Christi über euch fühlt, bis sie euch gänzlich überwältigt, ist es nicht das Andenken an das Erlösungsleiden, welches dies tut? Wenn ihr wie Harfen werdet und Jesus seinen Finger auf die Saiten eures Herzens legt und nichts hervorbringt, als das Lob seines teuren Namens, was ist's, das diese Töne dankbarer Liebe hervorzaubert, als seine Herablassung um euretwillen? Ist nicht dies euer Lied, dass er erwürgt ward und euch Gott erkaufte durch sein Blut? Ich bekenne, ich könnte am Fuße seines Kreuzes niedersitzen und nichts tun als weinen, bis ich vor Weinen verginge, denn seine Leiden machen meine Seele zerschmelzen. Dann, wenn ich den Ruf der Pflicht vernehme, so fühle ich tiefes Verlangen, mit Andern von ihm zu reden, bereit zu jedem Opfer, um Andere unter seine Herrschaft zu bringen, und voll heiliger Leidenschaft, die selbst der Tod nicht auslöschen könnte, all' dieses, sage ich, wenn ich eben des Erlösers Leiden angeschaut, aus seinem Kelche getrunken habe und mit seiner Taufe getauft bin. Das Rohrzepter herrscht, wie kein anderes je tat, denn es entzündet Begeisterung. Die Dornenkrone gebietet Huldigung, wie kein anderes Diadem je tat, denn sie stählt die Menschen zu Helden und Märtyrern. Kein Königtum ist so allbeherrschend, als das, was als Insignien die Dornenkrone, das Rohr, den roten Mantel und die fünf Wunden hat. Andere Oberherrschaften sind aufgezwungen und gleißnerisch und hohl, verglichen mit der Oberherrschaft Dessen, der von Menschen „verachtet“ war; Furcht oder Gewohnheit oder Selbstsucht machen die Menschen anderswo zu Hofleuten, aber inbrünstige Liebe füllt den Hof des Königs Jesus. Wir sagen nicht bloß, dass das verachtete Antlitz majestätischer ist, als irgend ein anderes, sondern wir haben es bei vielen Gelegenheiten gefühlt und fühlen es jetzt so. Wollt ihr unsere harten Herzen weich machen? Sagt uns von Jesu Schmerzen. Wollt ihr uns starke Männer in Kinder wandeln? Stellt den Mann der Schmerzen in unsere Mitte; ihm kann man nicht widerstehen.

Blickt auch auf die Rückfälligen, wenn ihr die Macht des verachteten Nazareners sehen wollt. Wenn sie von Christo gegangen, wenn sie lau geworden sind, wenn ihre Herzen gegen ihn kalt geworden sind, dem sie einst anhingen, was kann sie zurück bringen? Ich kenne nur Einen Magneten, welcher in der Hand des Heiligen Geistes diese traurig Gefallenen anzieht: es ist Jesus in seiner Schmach und Pein. Wir sagen ihnen, dass sie den Sohn Gottes aufs Neue gekreuzigt haben und ihm öffentliche Schmach angetan, und sie blicken auf ihn, den sie durchstochen und klagen um ihn. O ihr, die nachdem ihr von dem Kelch am Kommunionstisch genossen, hingegangen seid, um an Bacchus Tafel zu trinken, ihr, die nachdem ihr von der Liebe Christi gesprochen, den Lüsten des Fleisches gefolgt seid, die, nachdem sie seinen Preis gesungen, den heiligen Namen gelästert, mit dem sie genannt, möge seine Allmacht der Liebe auch in euch bewiesen werden. Was kann euch zurück bringen, als diese traurige Betrachtung, dass auch ihr ihm eine Dornenkrone geflochten und seinen Feinden Ursache gegeben, ihn zu lästern? Doch könnt ihr noch Anteil an dem Verdienste seines Todes haben; die Kraft und Wirksamkeit seines kostbaren Blutes haben nicht einmal für euch aufgehört, und wenn ihr zu ihm zurückkehrt und o, möchte sein Anblick euch ziehen - will er euch gnädig empfangen, wie zuerst. Ich sage zu euch: „Seht, das ist euer König,“ und möge die Gewalt seiner Erniedrigung und seines Leidens in einigen von euch sich heute Morgen beweisen, indem ihr euch zu seinen Füßen beugt, überwunden von seiner großen Liebe und durch sein wunderbares Erbarmen zur Buße und Glauben zurückgeführt. Ein Blick auf seine Wunden und Striemen heilt uns, so dass wir über unsere Empörung trauern und uns sehnen, zu Gott heimgebracht zu werden, um uns nie wieder zu verirren.

Ach, lieben Brüder, wir werden immer finden, so lange die Welt steht, dass unter Heiligen, Sündern, Rückfälligen und allen Arten von Menschen die Macht Jesu Christi am sichersten gefühlt wird, wenn seine Erniedrigung am treuesten verkündet und am meisten geglaubt wird. Es ist dies, wodurch er alle Dinge sich unterwerfen will. Wenn wir nur Jesum Christum dem Hindu predigen, so wird es nicht nötig sein, alle seine metaphysischen Spitzfindigkeiten zu beantworten, die Schmerzen Jesu sind ein scharfes Schwert den gordischen Knoten zu zerhauen. Wenn wir zu den tiefgesunkenen Einwohnern Afrikas gehen, werden wir nicht nötig haben, sie erst zu zivilisieren; das Kreuz ist der große Hebel, der gefallene Menschen aufhebt; es überwindet das Böse und befestigt Wahrheit und Gerechtigkeit. Die Gesunkensten und Verhärtetsten lernen seine große Liebe und Herzen von Stein beginnen zu schlagen; sie sehen Jesum den Tod leiden aus keinem anderen Grund, als aus Liebe zu ihnen, und sie werden gerührt und fragen ernstlich, was sie tun müssen, um von einem solchen Heiland errettet zu werden. Der Heilige Geist wirkt in den Herzen Vieler, indem er die große Liebe und den Schmerz Jesu darstellt. Möchten wir, seine Prediger, großen Glauben an sein Kreuz haben und fortan sagen, wenn wir den leidenden Jesum predigen: „Seht, das ist euer König.“

IV.

Viertens bitte ich euch, euren König zu sehen, wie er das Vorbild seines Königreichs aufstellt. Wenn ihr ihn anblickt, so fällt es euch sogleich auf, dass er, wenn er ein König ist, keinem anderen Monarchen gleicht, denn andere Könige sind mit reichen Gewändern bedeckt und mit Pomp umgeben, aber er hat nichts davon. Ihr Ruhm besteht gewöhnlich in Kriegen, durch welche sie Andere haben leiden lassen, aber sein Ruhm besteht in seinem eigenen Leiden; kein Blut außer seinem eigenen ist geflossen, um ihn berühmt zu machen. Er ist ein König, aber er kann nicht in die Liste solcher Herrscher, wie die, welchen die Völker der Erde zu dienen gezwungen sind, gesetzt werden. Als Antoninus Pius die Statue Jesu in dem Pantheon aufstellte als Eines in dem Kreise der Götter und Heroen, da muss sie denen, welche sie anschauten, sehr am unrechten Platz vorgekommen sein, wenn der Bildhauer nur etwas lebensgetreu gewesen. Sie muss gesondert gestanden haben, wie eine, die nicht zu den übrigen gezählt werden könnte. Ebenso wenig kann man ihn unter die Gebieter des menschlichen Geschlechts rechnen, welche die Menschheit unter ihrer eisernen Ferse zermalmt haben. Er war keiner der Cäsaren; ihr könnt ihn nicht einem von diesen gleich erscheinen lassen; nennt ihn nicht Autokrat, Kaiser oder Zar, er hat eine Autorität größer als alle diese, aber nicht derselben Art. Sein Purpur ist verschieden von dem ihrigen und seine Krone auch, aber sein Antlitz ist noch verschiedener und sein Herz am allermeisten. „Mein Reich,“ sagt er, „ist nicht von dieser Welt.“ Statt Truppen hat er ein Heer von Leiden, statt Pomp eine höhnende Umgebung, statt stolzer Haltung Demut, statt Schmeichelei Spott, statt Huldigung Speien, statt Ruhm Schande, statt eines Throns ein Kreuz. Doch war nie ein wirklicherer König, in der Tat, alle Könige sind nur Namen, außer diesem König, der ein wahrer König ist in sich selbst und durch sich selbst und nicht durch äußere Gewalt. Wahrhaft königlich ist der Nazarener, aber er kann den Fürsten der Erde nicht verglichen und sein Reich kann nicht unter die ihrigen gerechnet werden. Ich bete, dass der Tag bald kommen möge, wo Niemand davon träumt, auf die Kirche als einen weltlichen Bau zu blicken, der eines Bundes fähig sei mit irdischen Reichen, um von diesen patronisiert, regiert oder reformiert zu werden. Christi Reich leuchtet wie ein einsamer Stern mit einem ihm eigentümlichen Glanz. Es steht gesondert wie ein lichter Berg, heilig und hehr; die hohen Berge mögen vor Neid hüpfen, aber es ist keins von ihnen noch ihm gleich. Ist dies nicht sogar in der Erscheinung unseres Herrn klar, wenn Pilatus ihn vorführt und ruft: „Seht, das ist euer König!“

Nun, wie er uns in seiner eigenen Person das Vorbild seines Reiches darstellt, so können wir erwarten, dass wir in seinen Untertanen etwas Ähnlichkeit mit ihm wahrnehmen werden, und wenn ihr auf die Kirche schaut, die sein Reich ist von dem ersten Tage ihrer Geschichte an bis jetzt, so werdet ihr sehen, dass auch sie ihr Purpurkleid trägt. Das Blut der Märtyrer ist das Purpurgewand der Kirche Christi; die Leiden und Verfolgungen der Gläubigen sind ihre Dornenkrone. Denkt an die Wut der Verfolgung unter dem heidnischen Rom und das ebenso unmenschliche Verfahren des päpstlichen Rom, und ihr werdet sehen, wie das Wappen des Reiches Christi eine Dornenkrone ist; eine Krone und doch Dornen, Dornen, aber doch eine Krone. Der Busch brennt, aber er wird nicht verzehrt. Wenn ihr, Geliebte, wahre Nachfolger Jesu seid, so müsst ihr erwarten, euer Maß von Unehre und Schmach zu haben und könnt auf euer Teil von Schmerz und Leiden rechnen. „Dem Mann der Schmerzen“ zu folgen ist schmerzvoll. Gottes Passahlamm wird noch immer mit bitteren Kräutern gegessen. Das Kind Gottes kann der Rute nicht entgehen, denn der erstgeborne Bruder tat es nicht und ihm müssen wir gleich werden. Wir müssen erstatten „Was noch mangelt an Trübsalen in Christo, für seinen Leib, welcher ist die Gemeinde.“ (Kol. 1,24.)

Gedenkt indes daran, dass Christi Leiden als Vorbild nicht für seine eigenen Sünden war, und nicht eine Züchtigung für seine eigenen Fehler, so dass die Leiden, welche zu seinem Reiche gehören, diejenigen sind, welche um seines Namens und seiner Ehre willen erduldet werden und für das Wohl Anderer. Wenn Menschen im Gefängnisse sind für ihre eigenen Verbrechen, das hat nichts mit seinem Reiche zu tun; wenn wir für unsere Sünden leiden, das ist kein Teil seines Reiches; aber wenn ein Mensch von seinem Vermögen einlässt, um Christi Sache willen, sich harter Arbeit, selbst bis zum Tode, unterzieht, Verachtung trägt und Schweres leidet als ein Christ dies ist nach dem Vorbild des Reiches Christi. Wenn der Missionar ausgeht mit seinem Leben in der Hand zu den Heiden, oder wenn ein Gläubiger in irgend einer Weise sich seiner Annehmlichkeiten begibt zum Wohle Anderer, dann ahmt er wahrhaft das Muster nach, das ihm in Pilatus Halle von unserem großen König gegeben ist. Ich sage zu euch Christen, die ihr die Bequemlichkeit liebt, zu euch, die ihr euer Gold aufhäuft, zu euch, die ihr nichts tun wollt, das euch den Tadel eurer Mitmenschen zuzieht, zu euch, die ihr für euch selber lebt, würde es nicht Ironie der schärfsten Art sein, wenn ich auf Jesum vor Pilatus hinweisen wollte und sagen: „Seht, das ist euer König.“ Ihr lebt in ungehörigem Luxus, häuft Reichtum an, wälzt euch in Bequemlichkeit, lebt, um euch zu vergnügen! Ist das euer König? Armselige Untertanen ihr, und eurem Herrn sehr ungleich; aber wenn unter uns sind, die um seinetwillen Opfer bringen können, so dürfen wir ohne Furcht auf unseren König blicken. Ihr, die ihr unerschrocken bei Verachtung seid, und alles geben möchtet was ihr hättet und euch selber auch, um Jesum zu kennen, und so tut, zu euch sage ich: „Seht, das ist euer König.“ - denn ihr gehört zu seinem Reich und sollt mit ihm regieren. In eurer Selbstüberwindung seid ihr schon Könige geworden. Indem ihr eure eigenen Wünsche und fleischlichen Neigungen beherrscht, um seiner Liebe willen, seid ihr schon Könige und Priester vor Gott und sollt regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. Der, welcher von seinen Leidenschaften in irgend welchem Grade beherrscht wird, ist immer noch ein Sklave, aber der, welcher für Gott und seine Mitmenschen lebt, hat eine königliche Seele. Das Wappen eines Fürsten vor Gott ist immer noch Schmach und Leiden; dieser Schmuck wird bereitwillig getragen, sobald der Herr dazu beruft. In Christi Reich sind diejenigen die Fürsten vom höchsten Rang, die am meisten ihrem Herrn gleich sind und die demütigsten und niedrigsten in ihrem Herzen sind und am meisten die Knechte Ader. Die Fürsten zweiten Ranges kommen ihm weniger darin gleich, und je tiefer ihr hinabsteigt, desto weniger seid ihr ihm in dieser Hinsicht ähnlich. Ein Christ, umgeben von jeder Annehmlichkeit, der nie Hartes für Christum erduldete, der nie wusste, was es heißt, um Jesu willen verlacht zu werden, der nie ein Opfer brachte, das so weit ging, ihn im Geringsten zu drücken, ist, wenn in der Tat ein Christ, der Kleinste im Himmelreich. Stolze, reiche Leute, die nur Kleinigkeiten für Christi Sache geben, sind Parias in seinem Reich, aber Die sind die Höchsten, welche willig sind, die Allergeringsten zu sein, Die sind Fürsten, welche sich zum Fegopfer aller Leute um seines Namens willen machen, so wie die Apostel und ersten Märtyrer waren, und Andere, die sich von seiner Liebe gedrängt“ fühlten.

V.

Unsere Schlussbemerkung soll sein: „Seht, das ist euer König,“ wie er die Gewissheit seines Reiches beweist; denn, Geliebte, wenn Christus König war, als er sich in Pilatus Händen befand, nachdem er gegeißelt und angespien war und das Kleid und die Krone des Spottes trug, wann wird er nicht König sein? Wenn er König war, als es am schlimmsten um ihn stand, wann wird er dann nicht König sein? Sie haben ihn tief erniedrigt, tiefer als die Menschenkinder, denn sie haben ihn so gemacht, dass er ein Wurm ist und kein Mensch, verachtet vom Volk und doch ist er König! Zeichen des Königtums waren da am Tage seines Todes. Er teilte Kronen aus, als er am Kreuze hing - er gab dem sterbenden Schächer die Verheißung, dass er ins Paradies eingehen sollte. In seinem Tode erschütterte er die Erde, öffnete die Gräber, zerriss die Felsen, verfinsterte die Sonne und machte, dass die Menschen erschreckt an ihre Brust schlugen. Eine Stimme nach der anderen, selbst aus den Reihen der Feinde, proklamierte ihn als König, sogar als er den Tod eines Verbrechers starb. War er da ein König? Wann wird er nicht König sein? und Wer ist, der durch irgend welche Mittel seinen Thron erschüttern kann? In den Tagen seines Fleisches „lehnten die Könige im Land sich auf und die Herren ratschlagten mit einander wider den Herrn und seinen Gesalbten und sprachen: Lasst uns zerreißen ihre Bande und von uns werfen ihre Seile;“ aber der im Himmel saß, lachte ihrer und der Herr spottete ihrer, und Christus am Kreuz ward anerkannt in Hebräisch, Griechisch und Lateinisch, als immer noch der König der Juden. Wann wird er nicht König sein? Wenn er König war, ehe er starb und ins Grab gelegt ward, was ist er nun, da er von den Toten erstanden ist, nun, da er den Verderber unseres Geschlechts überwunden hat, und lebt, um nie wieder zu sterben? Was ist er nun? Ihr Engel, sagt, welche Herrlichkeit ihn jetzt umgibt! Wenn er König war, als er vor Pilatus' Gericht stand, was wird er sein, wenn Pilatus vor seinem Gericht stehen wird, wenn er sitzen wird auf jenem großen, weißen Thron und die ganze Menschheit vor seinem Richterstuhl fordern? Was wird seine anerkannte Herrschaft und gefürchtete Majestät am Tage des Herrn sein? Kommt, lasst uns ihn anbeten; lasst uns unsere demütige Huldigung in den Höfen des Herrn heute darbringen, und dann lasst uns ausgehen zu unserem täglichen Dienst in seinem Namen und dies unseren festen Entschluss sein lassen mit der Hilfe seines Geistes, dass wir leben wollen, um ihn in unserem Herzen zu krönen und in unserem Leben, an jedem Ort, wohin wir gestellt werden, bis der Tag anbricht und die Schatten fliehen und wir unseren König in seiner Schöne sehen und das ferne Land. Niemand kann ein Reich umstürzen, das auf den Tod seines Königs gegründet ist; Niemand kann eine Herrschaft vernichten, deren tiefer Grund in den Tränen und dem Blut des Fürsten selbst gelegt ist. Napoleon sagte, dass er sein Reich durch Gewalt gegründet habe und dass es deshalb vergangen sei; „aber,“ sagte er, „Jesus gründete sein Reich auf Liebe, und es wird ewig währen. So muss es sein, denn was immer sein oder nicht sein mag, es steht geschrieben: „Er muss herrschen.“

Was uns betrifft, wenn wir wünschen des Erlösers Reich auszubreiten, müssen wir willig sein, uns um Christi willen zu verleugnen, vorbereitet auf Anstrengung, Verleumdung und Selbstentsagung. In diesem Zeichen werden wir siegen. Das Kreuz muss von uns getragen werden, ebenso wohl als von ihm, wenn wir mit Jesu regieren sollen. Wir müssen beides, das Kreuz lehren und das Kreuz tragen. Wir müssen an der Schmach teilnehmen, wenn wir an der Herrlichkeit teilnehmen wollen. Kein Kreuz, keine Krone. Wenn wiederum die Stimme gehört werden wird: „Seht, das ist euer König,“ und Jude und Heide ihn auf dem Throne sehen wird, umgeben von allen Engeln seines Vaters, die ganze Erde seiner Macht unterworfen, dann wird Der selig sein, welcher in dem erhöhten Heiland seinen König sieht. Der Herr verleihe uns diesen Tag, treue Untertanen des Gekreuzigten zu sein, damit wir einst seine Herrlichkeit teilen. Amen.

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