Zuletzt angesehen: Heliand - 51 - Vom Weltuntergange.

Heliand - 51 - Vom Weltuntergange.

Heliand - 51 - Vom Weltuntergange.

Da gieng der waltende Christ
Mit dem Volke fort, der Völker Herr,
Gen Jerusalem. Da waren der Juden
Heißmüthige Herscher, die heilige Zeit
Im Weihthum zu feiern. Noch war des Volks da viel,
Kühner Kämpen, die Christi Wort
Nicht gerne hörten, zu dem Gottessohne
In ihrem Gemüthe keine Minne trugen,
Ein feindselig Volk, ihm völlig abgeneigt
Im Meuchlermuthe. Mordlust trugen sie,
Bosheit in der Brust: ins Böse verkehrten sie
Christi Lehre, wollten den Kräftigen strafen
Seiner Worte wegen. Doch waren da viel
Um ihn der Leute den langen Tag:
Die Geringern hielten ihn schützend umringt
Wegen seiner süßen Worte, daß ihn die Widersacher
So vielen Volks halb zu fahen nicht wagten,
Ihn mieden ob der Menge. Da stand der mächtige Christ
Mitten in dem Weihthum, und sprach manches Wort
Den Völkern zum Frommen. Viele blieben um ihn
All den langen Tag bis daß die lichte
Sonne sich senkte. Da schied aus dem Tempel
Auch die wogende Menge.

Nun war ein berühmter
Berg bei der Burg, der war breit und hoch,
Grün und schön; die Juden hießen ihn
Oelberg mit Namen: da hinauf begab sich
Der Nothhelfer Christ, da die Nacht begann,
Und blieb da mit den Jüngern; der Juden Keiner
Wust ihn da weilen, denn im Weihthum wieder
War der Leute Herr, wenn das Licht von Osten kam,
Empfieng das Volk da, und sagt' ihm viel
Wahrer Worte. In dieser Welt ist nicht,
In diesem Mittelgarten ein Mann so beredt
Unter der Leute Kindern, daß er die Lehren könnte
Zu End erzählen, die da alle sprach
Im Weihthum der Waltende. Ihnen wies sein Wort,
Nach dem Gottesreiche begehren sollten
Die Menschen am meisten, daß sie an jenem mächtigen Tage
Dereinst ihres Herren Herlichkeit empfiengen.
Er mahnte sie der Sünden: die müsten sie vor Allem
Zu löschen verlangen und das Licht Gottes
Im Gemüthe minnen, Meinthat laßen
Und die leidige Hoffart, und Demuth lernen,
Sie im Herzen hegen: so würd ihnen das Himmelreich,
Der Güter höchstes.

Da ward der Hörer viel
Zu seinem Willen gewandt, da sie das Wort Gottes,
Das heilige, hörten, und des Himmelskönigs
Hohe Kraft erkannten und des Heilands Kommen,
Des Herren Hülfe. Ja das Himmelreich war
Rettend nun genaht, und Gnade Gottes
Den Menschenkindern.

Doch ward ihm Mancher
Nun gänzlich gram der grimmen Juden,
Bißig böse. Die Erbitterten wollten
Sein Wort nicht hören, wehrten sich mächtig
Gegen Christi Kraft, konnten nicht dazu kommen,
Die Leute, vor leidgem Streit, daß sie den Glauben an ihn
Fest erfaßten: das Heil blieb ihnen fern,
Daß sie das lichte Himmelreich erlangen mochten.

Da gieng der Gottessohn, und seine Jünger mit ihm,
Aus dem Weihthum, der Waltende, nach freiem Willen
Und erstieg den Berg, der Geborne Gottes,
Saß mit den Seinen da, und sagt' ihnen viel
Der wahren Worte. Von dem Weihthum sprachen da
Die Jünger, dem Gotteshaus: es gebe kein schöneres,
Edleres auf Erden irgend, durch Menschenarbeit,
Von Künstlerhand also vollkommen
Und reich errichtet. Da sprach der reiche,
Hehre Himmelskönig: die Andern hörten es:
„Ich kann euch verkünden, kommen wird die Zeit,
Da nicht stehen bleibt ein Stein ob dem andern:
Zu Boden fällt der Bau, vom Feuer erfaßt,
Von gieriger Lohe, obgleich er so schön nun ist
Und weislich gewirkt. Nichts währt dann auf dieser Welt,
Die grüne Au zergeht.“ Da giengen die Jünger zu ihm
Und fragten ihn stille: „Wie lange steht noch
Diese Welt in Wonne eh die Wende kommt,
Daß der letzte Tag des Lichtes scheint
Durch den Wolkenhimmel? Oder wann willst du wiederkommen
In diesen Mittelgarten, dem Menschengeschlecht
Das Urtheil zu ertheilen, Todten und Lebenden,
Herr, mein Guter! Gar heftig verlangt und
Zu wißen, waltender Christ, wann das geschehen soll.“
Worauf zur Antwort der allwaltende Christ
Gütlich gab den Jüngern umher:
„Das hält so heimlich der Herr, der gute,
So hat es verhohlen des Himmelreichs Vater,
Der Walter dieser Welt, wißen mag es nicht
Ein Held hier auf Erden, wann die hehre Zeit
In diese Welt soll kommen; auch kennen sie wahrlich nicht
Gottes Engel, die gegenwärtig sind
Immer vor seinem Angesicht: sie selber auch
Wüsten es nicht zu sagen, wenn es geschehen solle,
Daß er in diesem Mittelgarten, der mächtige Herr,
Die Völker heimsuche. Der Vater weiß es allein,
Der heilige im Himmel, verhohlen bleibt es
Lebenden und Todten, wann er den Leuten naht.
Doch erzählen mag ich euch, welche Zeichen zuvor
Wundersam werden, eh er in diese Welt kommt
An dem mächtigen Tage. Das wird am Monde kund
Und so an der Sonne. Sie schwärzen sich beide
Von Finsterniss befangen, die Sterne fallen,
Die schimmernden Himmelslichter, die Erde schüttert,
Die breite Welt erbebt. Solcher Zeichen bieten sich viel:
Die große See ergrimmt, der tiefe Golfstrom des Meers
Wirkt mit seinen Wogen den Erdenbewohnern Grausen.
Dann erstarren die Sterblichen vor des Sturmes Zwang,
Alles Volk vor Furcht. Dann ist nirgend Friede,
Waffenkampf wird weit über diese Welt
Heißgrimm erhoben, die Herschaft breitet
Volk über Volk, die Fürsten befehden sich
In mächtiger Heerfahrt, die Menge erliegt
Im offenen Allkrieg. Das ist ein ängstlich Ding,
Daß Menschen müßen solchen Mord erheben.
Weit wüthet Pest auch über diese Welt,
So groß Menschensterben als nie auf diesen Mittelkreiß
Seuche senkte. Dann sieht man Sieche liegen,
Zum Tode taumeln, ihre Tage enden,
Mit ihrem Leben füllen. Dann fährt unleidlicher
Hunger heißgrimm über die Heldenkinder,
Die quälende Kostgier. Das ist nicht das kleinste
Weh in dieser Welt, das da werden soll
Vor dem Unheilstage. Wenn ihr das Alles
Seht auf Erden geschehen, so mögt ihr sicher wißen,
Daß der letzte Tag den Leuten nah ist,
Der mächtige, den Menschen, und die Macht Gottes,
Der Himmelskraft Bewegung, des Heiligen Kunst,
Des Herrn in seiner Herlichkeit. Seht, hievon mögt ihr
An diesen Bäumen ein Bild erkennen:
Wenn sie knospen und blühen, und Blätter zeigen,
Laub sich löst, dann wißen die Leute,
Daß ihnen sicher der Sommer nah ist
Warm und wonnesam, mit schönem Wetter.
So zeigen auch die Zeichen, die ich aufgezählt,
Wann der letzte Tag den Leuten naht.
Dann sag ich euch wahrlich, daß auf der Welt nicht ehe
Dieß Volk zerfahren wird, bevor sich erfüllt
Mein Wort, und bewährt. Die Wende kommt
Des Himmels und der Erde, und mein heilig Wort
Steht fest und währt fort, und erfüllt wird Alles,
In diesem Licht geleistet, was ich vor den Leuten sprach.
Nun wacht und wahrt euch, denn gewiss wird kommen
Der große Gerichtstag, der eures Gottes Kraft zeigt,
Seiner Macht Strenge: die schreckliche Zeit,
Die Wende dieser Welt. Davor wahret euch,
Daß sie euch nicht schlafend, in des Schlummers Ruh
Fährlich befange, in Frevelwerken,
Der Unthaten voll. Das Weltende kommt
In düstrer Nacht wie ein Dieb geschlichen,
Der sein Thun verbirgt: so bricht der Tag herein,
Der letzte dieses Lichtes, eh es die Leute denken -
Völlig wie die Flut that in der Vorzeit Tagen,
Die in steigenden Strömen die Menschheit zerstörte
In Noahs Zeiten, den allein aus der Noth nahm,
Ihn und sein Haus, der heilige Gott
Aus der umfangenden Flut. So fiel auch Feuer
Heiß vom Himmel, als die hohen Burgen
In Sodomas Land schwarze Lohe umfieng,
Grimm und gierig: da entgieng Niemand
Außer Loth allein: denn ihn entleiteten
Die Boten Gottes mit seinen beiden Töchtern
Einen Berg hinauf, weil brennend Feuer Alles,
Land und Leute die Lohe verzehrte.
Wie das Feuer da jählings kam, und die Flut gefahren,
So jäh der jüngste Tag. Daran soll Jeglicher
Gedenken vor dem Dinge: des ist große Durst
Den Menschen allen. Drum mögt ihr in Sorgen sein,
Denn wenn das geschehn wird, daß der waltende Christ,
Der hehre Menschensohn mit der Macht Gottes
Kommt in seiner Kraft, der Könige reichster,
Zu sitzen in seiner Stärke, und zusammen mit ihm
Die Engel alle, die da oben sind,
Die heiligen, im Himmel, dann sollen der Helden Kinder,
Der Erde Geschlechter alle versammelt werden,
Was von Leuten lebt, was je in diesem Licht
Von Menschen erzeugt war. Dieser Menge wird dann,
Allem Menschengeschlechte der mächtige Herr

Ertheilen nach ihren Thaten. Dann weist er die Vertheilten,
Die verworfnen Leute zur linken Hand;
Die Seligen schart er zur rechten Seite,
Und gegen die Guten grüßend kehrt er sich:
„Kommt, ihr Erkorenen, kommt in dieß herliche
Reich, das bereitet ward den Gerechten allen
Nach der Wende der Welt. Geweiht hat euch
Aller Völker Vater: ihr dürft der Freuden genießen,
Dieses weiten Reichs walten, weil ihr mir oft zu Willen wart,
Mir gerne gabet aus gütiger Hand.
Da ich bedrängt war von Durst und Hunger,
von Frost befangen, oder in Feßeln lag,
Bekümmert im Kerker, so kam dem Beklemmten
Hülfe von eurer Hand; euer Herz war mir milde,
Ihr besuchtet mich liebreich.“

Dann entgegnen die Seligen:
„Mein Fürst, wann fanden wir so dich befangen,
So bedrängt und darbend, wie du vor diesem Volk
Erwähnst, du Gewaltiger! Wann je sah man dich
In Bedrängniss darben? dich, der aller Dinge gewaltest,
Aller Güter zugleich, die je der Menschen Söhne
In dieser Welt gewannen.“ Und der Waltende erwiedert:
„Was ihr auf Erden thatet in eures Herren Namen,
Was ihr Gutes gabet zu Gottes Ehre
Den Menschen, den mindesten in dieser Menge,
Den aus Demuth Bedrängten, darum, weil sie
Meinen Willen wirkten - was ihr denen eures Wohlstands
Hingabt zu meiner Verherlichung, das hat euer Herr empfangen,
Die Hülfe kam dem Himmelskönig. Darum will der heilige Herr
Euern Glauben lohnen mit ewigem Leben.“

Dann wendet zur Linken der Waltende sich,
Und spricht zu den Vertheilten: „Eurer Thaten entgeltet nun,
Eures Meinwerks, ihr Menschen. Nun müßt ihr,“ spricht er,
„Verfluchte, fahren in das ewige Feuer,
Das da den Gegnern Gottes bereitet ward,
Dem Volk seiner Feinde für ihre Frevelwerke.
Ihr habt mir nicht geholfen, wenn mich Hunger und Durst
Entsetzlich quälten; wenn ich der Kleider bar
Jammermüthig gieng in großer Bedrängniss..
Ihr habt mir nicht geholfen, wenn ich in Haften lag,
In Ketten und Banden, oder auf dem Krankenbette
Schweres Siechthum litt. Dann besuchtet ihr mich nicht,
Erwiest mir keine Wohlthat, ich war euch nicht würdig,
Daß ihr mein gedächtet: dafür duldet nun
In Feuer und Finsterniss.“

Dann entgegnet das Volk ihm:
„Ei, waltender Gott, wie willst du doch so
Vor dieser Menge reden! Wann bedurftest du der Menschen,
Daß sie Gut dir gönnten? Du gabst uns ja Allen
Wohlstand in dieser Welt.“ Aber der Waltende erwiedert:
Wenn ihr die ärmsten der Erdenkinder,
Die mindesten der Menschen in euerm Muthe,
Ihr Helden, überhörtet, sie haßtet im Herzen,
Ihnen Wohlthat weigertet: das ward euerm Herrn gethan,
Die Wohlthat mir geweigert. Drum will euch der Waltende
Euer Vater nicht empfangen. In Feuer fahrt ihr,
In den tiefen Tod den Teufeln zu dienen,
Den wüthigen Widersachern, für eure Werke.“
Nach diesen Worten wird das Volk geschieden,
Die Werthen von den Bösen. Die Verworfnen fahren
In die heiße Hölle das Herz voll Harms,
Die ewig Verdammten, Weh zu erdulden,
Endloses Uebel. Aber aufwärts führt
Der hehre Himmelskönig der Lautern Heerschar
In langwährendes Licht: da ist ewiges Leben,
Gottes Reich bereit den Rechtschaffenen all.

So hört ich, daß den Helden der herliche Herr
Der Welt Wende mit Worten schilderte,
Wie die Welt währen soll, dieweil da wohnen dürfen
Die Erdensöhne, und wie sie am Ende soll
Zergleiten und zergehn.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/heliand/heliand_-_51.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain