Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem Eifer um die Keuschheit.

Gerhard, Johann - Heilige Betrachtungen - Von dem Eifer um die Keuschheit.

Ein keusches Gemüt ist die Ruhestätte Christi.

Wer ein wahrer Jünger Christi sein will, der muss sich der heiligen Keuschheit befleißigen. Ein keuscher und reiner Geist ist der allbarmherzige Gott; mit keuschen Bitten musst du ihn anrufen. Es hat ein Weiser gesagt, dass die Unbeflecktheit des Leibes und die Unbescholtenheit der Seele zwei Schlüssel der Gottesfurcht und der Glückseligkeit sind. Wenn der Leib nicht rein und unbefleckt von Hurerei erhalten wird, so wird auch die Seele im Gebet nicht entbrennen können. Unser Leib ist ein Tempel des heiligen Geistes 1 Kor. 6,19; mit allem Fleiß müssen wir uns hüten, dass wir diese Heilige Wohnung des Heiligen Geistes nicht beflecken. Unsere Leiber sind Christi Glieder 1 Kor. 6,15; wir müssen uns hüten, dass wir nicht die Glieder Christi nehmen und Hurenglieder daraus machen. Dem Herrn wollen wir durch Glauben und Keuschheit anhangen 1 Kor. 6,17; der Hure wollen wir nicht anhangen, dass wir nicht mit ihr ein Fleisch werden 1 Kor. 6,16. Die Sodomiten, die in Lüsten entbrannt waren, wurden vom Herrn mit Blindheit geschlagen 1 Mos. 19,11, mit leiblicher und mit geistlicher. Dieselbe Strafe trifft heute noch die unreinen Menschen. Die Lüste der Sodomiten wurden mit Schwefel und Feuer, das vom Himmel fiel, gerächt 1 Mos. 19,24: so wird Gott die Brunst jener schändlichen Begierde in den Hurern mit ewigem Feuer anbrennen; dies Feuer wird nicht verlöschen und der Rauch ihrer Qual wird aufsteigen von Ewigkeit zu Ewigkeit Off. Joh. 14,11. Außen, das ist, außerhalb des Himmlischen Jerusalem sind die Hunde, das ist, die unreinen und wollüstigen Menschen Off. Joh. 22,15. Christus hat uns mit seinem teuren Blut abgewaschen in der heiligen Taufe; mit allem Eifer müssen wir uns hüten, dass mir nicht durch unreine Lüste uns beflecken. Selbst unter Leitung der Natur schämen sich die Gottlosen solche Schandtaten vor den Augen der Menschen zu vollführen, und doch schämen sie sich nicht, dieselben vor den Augen Gottes und der Engel zu vollführen. Keine Wände können die Augen Gottes, die viel heller sind als die Sonne Sir. 23,28, am Sehen hindern; keine Winkel machen die Gegenwart der Heiligen Engel unmöglich, keine Einsamkeit bringt dass innere Zeugnis des Gewissens zum Schweigen. Das ist zu verwundern, dass die Brunst der Ausschweifung gleichsam zum Himmel aufsteigt, da doch der Gestank derselben zur Hölle niedersteigt. Jener kurze Sinnenrausch wird ewigen Schmerz erzeugen; einen Augenblick währt, was ergötzt, ewig währt, was peinigt; kurz ist der Sinnenrausch der Hurerei, ewig die Strafe des Hurers Ebr. 13,4. Das Andenken an den Gekreuzigten kreuzige in dir dein Fleisch. Das Andenken an die Hölle tilge in mir die Brunst der Begierde. Die Tränen der Reue löschen in dir das Feuer der unreinen Lust aus. Die Furcht vor Gott töte dein Fleisch, damit die Lust des Fleisches dich nicht verführe. Bedenke, dass das Verlangen der Lust voll Angst und Unverstand, die Tat von Schande und Schmach, das Ende voll Reue und Schimpf ist. Siehe nicht an das gleißnerische Antlitz des bösen Geistes, der zur unreinen Lust anreizt, sondern den Schwanz, mit dem er sticht, wenn er flieht. Betrachte nicht die Kürze der Vergnügung, sondern vielmehr die Ewigkeit der Verdammnis. Habe deine Lust an der Kenntnis der Schrift, und du wirst deine Lust nicht haben an den Lüsten des Fleisches. Richte immer irgend eine Arbeit aus, damit der Versucher, wenn er kommt, dich beschäftigt findet. Den David hat er in der Stunde der Muße verführt 2 Sam. 11,2; den Joseph konnte er im Dienste nicht verführen 1 Mos. 39,9.

Denke an den Tod, der alle Stunden bevorsteht, und es wird dir leicht sein, alle Lust des Fleisches zu verachten. Liebe die Mäßigkeit, und du wirst leicht die schändliche Begierde überwinden. Ein Leib, glühend vom Wein, schäumt rasch über in die unreine Lust: die Keuschheit ist in Gefahr im Genuss. Wenn du daher das Fleisch in unmäßigen Genüssen weidest, so nährst du dir selbst einen Feind. Das Fleisch musst du so nähren, dass es diene, so zähmen, dass es sich nicht erhebe Röm. 13,14. Denke an den Schrecken des letzten Gerichts, und du wirst die Brunst der unreinen Lust leicht dämpfen. Der Rat der Herzen wird offenbart werden 1 Kor. 4,5; wie viel mehr die im Finstern vollbrachten Taten? Rechenschaft wird gegeben werden müssen auch von unnützen Worten Matth. 12,36; wie viel mehr von unflätigen Reden? Rechenschaft wird gegeben werden müssen von schändlichen Worten; wie viel mehr von unreinen Taten? So lange dein Leben gedauert hat, so lange wird auch deine Anklage dauern: so viel deiner Sünden waren, so viel werden deiner Ankläger sein. Die Gedanken, über die wir aus Gewohnheit uns keine Gedanken machten, werden nicht unerörtert bleiben. Was nützt's also, dass deine Hurerei eine Weile vor Menschen verhehlt wird, da sie am Tage des Gerichts vor den Augen aller ohne Ausnahme muss geoffenbart werden? Was nützt's, dem Stuhl des irdischen Richters entgehen, da du doch dem Stuhl des himmlischen Richters nicht entgehen kannst? Diesen Richter wirst du nicht mit Geschenken bestechen können; denn er ist der gerechteste Richter. Du wirst ihn auch nicht durch Bitten von seinen Urteilsspruch abbringen können; denn er ist der strengste Richter. Du wirst auch seinem Gebiet und seiner Rechtspflege nicht entlaufen können; denn er ist der mächtigste Richter. Du wirst ihn auch nicht mit nichtigen Entschuldigungen täuschen können; denn er ist der weiseste Richter. Du wirst auch wider den gefällten und gesprochenen Schluss keinen Einspruch erheben können; denn er ist der höchste Richter. Da wird Wahrheit in der Untersuchung, Offenheit in der Veröffentlichung, Strenge in der Vollstreckung sein.

Darum, andächtige Seele Gottes, schwebe dir immer der Ernst dieses Richters vor; so wird dich die Brunst der unreinen Begierde nicht verführen. Sei die Rose der Liebe, das Veilchen der Demut und die Lilie der Keuschheit: Lerne von Christo Matth. 11,29, deinem Bräutigam, Demut, lerne auch von ihm Keuschheit. Groß ist die Würde der Keuschheit, weil sie in dem Leib Christi geheiligt worden ist: groß ist die Würde der Keuschheit, weil sie im Fleisch außer dem Fleisch leben macht. Wie es nichts erbärmlicheres gibt, als vom Fleisch überwunden werden, so gibt es nichts herrlicheres, als das Fleisch überwinden. Und nicht bloß die äußeren Hurereien sind zu fliehen, sondern auch die unreinen Gedanken, weil Gott nicht bloß der Richter der äußeren Handlungen, sondern auch der inneren Gedanken ist. Durch's Gesicht wird oft die Frömmigkeit, durch die Augen oft die Keuschheit verletzt, höre, was die Wahrheit spricht: Wer ein Weib ansieht, ihrer zu begehren, der hat schon mit ihr die Ehe gebrochen in seinem Herzen Matth. 5,28. So schwer dieser Kampf ist, so ruhmvoll wird der Sieg sein. Schwer ist es, die manchfache Glut der Lust zu dämpfen: die noch nicht Mannbaren stachelt sie auf, die reife Jugend entzündet sie, die Alten und Abgelebten macht sie lass und träge, sie verschmäht die Hütten nicht, sie scheut die Paläste nicht. Aber so schwer es hier ist zu kämpfen, so preiswürdig wird es sein zu triumphieren. Die ersten heftigen Regungen müssen sofort unterdrückt, und dieser Flamme darf durch gottlosen Gedanken keine Nahrung zugeführt werden. Da der Apostel erklärt hat, dass man allen Lastern Widerstand entgegen setzen muss, gebietet er wider die Hurerei nicht das Handgemeinwerden mit ihr, sondern die Flucht: Flieht, spricht er, die Hurerei 1 Kor. 6,18. Wie ein fremder Bettler, der mit geheuchelter Unschuld sich naht, um uns zu hintergehen, sich entfernt, wenn wir ihn nicht zulassen; aber wenn wir ihn bei uns eintreten lassen, Gast wird, Kräfte sammelt, endlich, wenn wir ihm in allen zu Willen sind, Herr wird, so reizen uns die Bewegungen der schandbaren Lust; wenn wir sie nicht hätscheln, weichen sie. Wenn du willst, dass dieser Feind nicht über dich herrsche, so nimm ihn nicht auf in das Haus deines Herzens.

Bewahre uns, o Gott, in der Heiligkeit der Seele, und in der Keuschheit des Leibes!

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