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1. Johannes, Kapitel 2

1. Johannes, Kapitel 2

2:1 Meine Kindlein, solches schreibe ich euch, auf daß ihr nicht sündiget. Und ob jemand sündigt, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christum, der gerecht ist.1)
Ob jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher. Ja, obgleich wir sündigen; wir haben Ihn noch. Der Apostel Johannes spricht nicht: „Ob jemand sündigt, so hat er seinen Fürsprecher verscherzt;“ sondern: „wir haben einen Fürsprecher,“ ob wir gleich Sünder sind. Alle Sünde, die ein Gläubiger je begangen hat, oder die ihm zu begehen noch zugelassen wird, kann seinen Anteil an dem Herrn Jesu Christo als seinem Fürsprecher nicht aufheben. Der Name, der hier unserem Herrn gegeben wird, ist vertrauenerweckend: „Jesus.“ Ach, dann ist Er ein Fürsprecher, wie wir Ihn brauchen; denn Jesus ist der Name eines solchen, dessen Pflicht und Freude es ist, zu erretten. Sein Name ist Jesus, denn Er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden; sein lieblichster Name schließt sein Werk ein. Danach heißt es: „Jesus Christus.“ Christus, der Gesalbte: das zeigt seine Vollmacht als Fürsprecher an. Christus hat ein Recht zur Fürsprache, denn Er ist des Vaters bestätigter Fürsprecher und erwählter Priester. Wenn wir Ihn gewählt hätten, möchte es misslich ausfallen, wenn aber Gott die Hilfe einem Starken aufgetragen hat, so dürfen wir unsre Not getrost da niederlegen, wo Gott seine Hilfe zugesagt hat. Er ist Christus, und darum zu seinem Werk auserkoren; Er ist Christus, und darum geeignet zu seinem Amt, denn die Salbung verleiht Ihm die rechte Gewalt. Er ist ein solcher Fürsprecher, der das Herz Gottes bewegt und überwindet. Welche rührende Worte, welche überzeugende Sprache stehen Ihm zu Gebote, wenn Er sich meiner annimmt! Es bleibt noch eine Bezeichnung seines Namens übrig: „der gerecht ist.“ Das ist nicht nur seine Würde, sondern auch sein Verteidigungsgrund. Es ist seine Würde, und wenn der Gerechte mein Fürsprecher ist, dann ist meine Sache eine gute Sache, sonst hätte Er sich ihrer nicht angenommen. Es ist sein Verteidigungsgrund, denn Er begegnet der Anklage der Ungerechtigkeit gegen mich durch die Berufung auf seine Gerechtigkeit. Er erklärt sich als meinen Stellvertreter und rechnet mir seinen Gehorsam zu. Meine Seele, du hast einen Freund, der gar wohl zu deinem Fürsprecher geeignet ist; es kann Ihm nur wohl geraten; überlass dich völlig seiner Fürsorge. (Charles Haddon Spurgeon)


Die herzinnige Anrede: Meine Kindlein! gilt allen, die sich aus der Welt herausretten ließen. Sie müssen nicht sündigen. Sie müssen nicht, weil sie keine Gebundenen der Sünde mehr sind. Die Weltleute müssen sündigen, denn die Sünde übt einen Zwang aus - Kinder Gottes wollen nicht sündigen. Gottes Liebe hat das in ihnen bewirkt Sie wollen nicht mehr fleischlich, sinnlich, wollüstig sein, nicht mehr irdisch, habsüchtig, geizig, auch nicht mehr stolz, hochmütig und empfindlich sein Da hat Jesu Blutskraft einen großen Sieg errungen, ihren Willen umgebildet und geheiligt. - Kinder Gottes dürfen nicht sündigen. Der Herr spricht zu ihnen: „Ihr sollt heilig sein, denn Ich bin heilig.“ Lieber Leser, denke stets daran, dass Jesus und die Seinen im Himmel auf dich zählen und dass du ihnen eine große Freude bereitest, wenn du rein und unbefleckt bleibst. „Ich darf nicht sündigen!“ Schon das schüft in vielen Fällen. - Kinder Gottes können nicht sündigen. Wirklich? Weltkinder müssen sündigen, denn sie liegen im argen, sie sind los von Gott, sind ,Fleisch„; Gotteskinder können nicht willentlich, absichtlich sündigen, denn sie sind aus Gott geboren; die neue Natur ist in ihnen, die Liebe Gottes ist ausgegossen in ihre Herzen. „Er kann nicht sündigen“, ist wohl das sicherste, schlagendste, stärkste Kennzeichen der Wiedergeburt. Dass damit nicht gesagt sein soll, der Christ sei der Möglichkeit des Fallens entrückt, liegt auf der Hand, denn der Apostel fügt gleich hinzu: „Und ob jemand sündigt.“ Das aber liegt in diesem Ausspruch, dass Kindlein nicht mit Willen in Sünde leben können Sie können in gar keiner Weise mehr mit dem Bösen liebäugeln. (Markus Hauser)


Wenn Jemand gesündiget hat, so verdammet ihn sein Herz als einen Ungerechten, und es ist schon oft geschehen, daß einem Christen in einer Stunde der göttlichen Heimsuchung, welche auch in einem seiner letzten Lebenstage erscheinen kann, sehr viele Begehungs- und Unterlassungssünden von einer ganzen Reihe seiner Jahre aufgedeckt und im Gewissen vorgehalten werden, die er vorher nicht erkannt und geachtet hatte. Hier ist’s nun besonders nöthig, daß man glaube, man habe einen Fürsprecher bei dem Vater, Jesum Christ, der gerecht ist; wiewohl diese Wahrheit bei dem Zugang zu Gott täglich der Grund unserer Zuversicht sein muß. Es kommt uns Alles darauf an, daß wir bei dem Vater in Gnaden stehen. Kein Mensch und kein Engel spricht das Urtheil über uns, aber von dem Vater, vor dem unser Zustand und unser Wandel bloß und aufgedeckt ist, und der alle unsere Sünden weiß, wird uns das Leben oder der Tod, Vergebung oder Strafe zuerkannt. Vor dem Vater verklagt uns Moses, nämlich das Gesetz Mosis, insofern es im Reich Gottes noch jetzt gilt; weil wir es übertreten haben, Joh. 5,45. Da nun, wo unsere Sache entschieden wird, haben wir einen Fürsprecher, Jesum Christum, der ein unvergängliches Priesterthum hat, und deßwegen selig machen kann immerdar, die durch Ihn zu Gott kommen, und immerdar lebt, und für sie bittet, Hebr. 7,24.25. Haben wir ein Verlangen selig zu werden, so dürfen wir nicht meinen, daß die Sünden, die wir aus Uebereilung begangen haben, und wegen welcher uns unser Herz verdammt, uns Seiner Fürbitte verlustig machen; denn Johannes sagt: ob Jemand sündiget, welches freilich nicht geschehen sollte, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater. Der HErr Jesus ist also ein Fürsprecher für die Sünder, diese haben Ihn als einen Fürsprecher. Er bittet für Solche, die in der Unwissenheit sündigen: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun. E bittet für einen Menschen, der wie ein unfruchtbarer Feigenbaum ist: HErr, laß ihn noch dieses Jahr. Er bittet für einen Gefallenen, der im Grund der Seele redlich ist, wie für Petrus, daß sein Glaube nicht aufhöre. Er bittet für diejenigen, die in der Gnade stehen, um Erhaltung und Bewahrung, um die Fortsetzung der Heiligung, und um die Einigkeit im Geist, wie Er Joh. 17. gethan hat. Alle diese Fürsprachen, die Er Seinem Vater in den Tagen Seines Fleisches vorgetragen hat, setzt Er ohne Zweifel im Himmel bei dem Vater fort, wer will aber den ganzen Inhalt Seiner Fürbitte, die sich auf die mancherlei Umstände unzählbarer Menschen bezieht, mit seinem Verstand fassen? Genug ist’s, wenn man glaubt, daß derjenige, der gesündiget hat, einen Fürsprecher bei dem Vater habe, der für ihn bittet, wie er es bedarf, der aber auch gerecht ist. Man muß hier nicht an einen gerechten Richter, sondern an einen gerechten Fürsprecher gedenken, der uns mit Seiner Gerechtigkeit zu Hülfe kommt, und sei gleichsam dem Vater vorstellt, als den Ersatz dessen, was wir hätten leisten sollen. Habe Dank, HErr Jesu, daß Du ein solcher Fürsprecher für die Sünder bist. Laß Deine Fürbitte mir täglich, insonderheit aber alsdann, wenn ich von meinem eigenen Herzen verdammt werde, zu Statten kommen. (Magnus Friedrich Roos)

2:2 Und derselbe ist die Versöhnung für unsre Sünden, nicht allein aber für die unseren sondern auch für die der ganzen Welt.
Wo geschieht das größere Wunder, wenn dem Christen, der seinem Christenstand untreu wird, oder wenn der Welt, die Christus nicht kennt oder ablehnt, die Sünden vergeben sind? Die Frage ist töricht; denn beim Wunder gibt es keinen Unterschied zwischen Größe und Kleinheit mehr. Die Versöhnung, die Jesus für uns hergestellt hat, ist immer ein unbegreifliches Wunder, das darum möglich ist, weil Christus bei Gott steht in der Herrlichkeit seiner Gottessohnschaft und in der wirksamen Macht seines in Seinem Tod vollbrachten Gehorsams und in der Majestät seiner Erhöhung zu Gott, die ihn für uns zu unserem Fürsprecher macht. Der Apostel lässt es weder der Menschheit noch der Christenheit zu, dass sie mit eigener Hand nach Gottes Vergebung greife, als könnten wir sie bei Gott beanspruchen um dessen willen, was wir sind. Jeder Anspruch endet an unserer Schuld und der Mund muss sich vor Gott schließen in jenem Schweigen, das Gottes Gericht ehrt. Weil aber Gott der Welt seinen Sohn gab, gab er ihr mit Ihm auch die Vergebung, und weil er die Christenheit zu Jesus rief, gibt es auch für den sündigenden Christen nicht nur Anklage, sondern auch Freispruch, nicht nur Jammer und Reue mit bitterem Tod, sondern auch Umkehr und Aufstehen und Wandel im Licht. Warum wird es mir leichter, dies zu glauben als das, dass die Menschen, mit denen ich zusammenlebe, versöhnt sind? Ich denke doch immer, dass die Befreiung von der Schuld durch unsere Reue und unsere Besserung und unseren Glauben erworben werden müsse. Dass ich Gott seine Gnade lasse, die Sein eigener Wille ist und weder von der Welt noch von der Christenheit erworben wird, das fällt mir schwer. Aber die Strafe für meinen Unglauben, mit dem ich die anderen von Gottes Gnade ausschließe, ist immer die, dass ich selbst nicht an Gottes Vergebung glauben kann und sie für mich selbst verliere. Wer könnte sie erwerben, wenn es seine Sache wäre, sie zu bewirken? Nur Gottes selbsteigene Tat reicht sie mir dar. Das ist bei mir genau so wie bei jedem anderen und deshalb ist mir das Wort des Apostels unentbehrlich, dass Christus sowohl für die Sünden der Christen als auch für die der ganzen Welt der Versöhner sei.
Lehre mich, Herr, mit Deinem barmherzigen Blick die Welt zu betrachten, damit ich nicht nur ihre Sünden sehe, sondern auch Dein Versöhnen vor Augen habe, das uns alle vor dem schützt, was wir uns durch unser verwerfliches Handeln bereiten. Amen. (Adolf Schlatter)


Wenn zwei Menschen miteinander versühnet werden, so läßt der Beleidigte seinen Zorn oder seine Feindschaft fahren, wenn derjenige, der ihn beleidigt hatte, ihm eine Abbitte thut, oder das angethane Unrecht ersetzt. Oft lenkt aber Gott dem Beleidigten das Herz so, daß er, ohne eine Abbitte zu erwarten, oder ohne einen Ersatz des erlittenen Unrechts zu bekommen, den Unwillen fahren läßt: da dann alles Dem heimgestellt bleibet, der da recht richtet. Die Regenten auf Erden nehmen’s noch genauer, wenn sie mit einem Missethäter, der ihr Unterthan ist, versühnt werden sollen; denn sie sehen darauf, daß ihrer Ehre hiebei kein Eintrag geschehe, ihr Regentenamt nicht verlästert werde, und ihre Versühnung nicht den Schein bekommen, als ob sie in der Bestrafung des Bösen nachläßig seien. Sie warten also auf Fußfälle, Abbitten, Fürsprache und dergl. Was soll man nun von dem großen Gott gedenken, der eine Welt voll Sünder, die nicht nur Seine Unterthanen, sondern auch Seine Geschöpfe sind, vor Sich sahe. Seine Rechte gehen unendlich weiter als die Rechte gemeiner Menschen und die Rechte aller irdischen Regenten. Seine Ehre gebührt Ihm wegen Seines göttlichen Wesens, und Er kann so wenig etwas davon vergeben, so wenig Er aufhören kann, Gott zu sein. Wer konnte nun eine Versühnung zwischen Ihm und den bösen Menschen stiften? Er wollte ihnen vergeben und sie selig machen. Wer konnte aber zuwege bringen, daß solches auf eine geziemende Weise, ohne Verletzung Seiner Ehre, ohne Gefahr der Lästerung Seines Namens, und ohne Gefahr des Mißbrauchs Seiner Lindigkeit geschehe. Es ist eben so nothwendig, daß Er als ein Heiliger und Gerechter erkannt werde, als nothwendig es ist, daß Seine Güte und Barmherzigkeit offenbar werde. Wer sollte und konnte nun dieses Alles in ein geziemendes Gleichgewicht bringen? Welche Abbitte, welche Fürbitte, welche Erstattung des Ihm angethanen Unrechts, das freilich nicht in einem eigentlichen Schaden, aber doch in der Schmähung Seines herrlichen Namens besteht, sollte dazu hinreichend sein?
Sollte Er den Sündern den Auftrag geben, die gehörige Versühnung mit Ihm zu stiften, so wäre solches vergeblich. Sünder können und wollen nicht zu Ihm nahen, oder ihm nicht geziemend begegnen. Sünder sind unrein, und all‘ ihr Thun ist unrein, und wenn sie mit Gott handeln wollen, so beleidigen sie Ihn auf’s Neue. Sollte Er sie aber fromm und heilig machen, damit sie Ihm hernach die gehörige Genugthuung leisten können, so wäre die Sache verkehrt eingerichtet: denn die große Gnade, durch welche der Sünder zu einem Heiligen gemacht wird, setzt die Versühnung schon voraus, und kann also nicht der Weg zur Versühnung sein.
Was thut nun der große Gott? Er sandte Seinen Sohn in der Gestalt des sündlichen Fleisches, und übergab Ihm die Sache der Menschen auszuführen, und Dieser übernahm sie. Er wurde unter das Gesetz gethan, und ehrete Gott durch Seinen unvergleichlichen Gehorsam und durch Seine Fürbitte so sehr, daß alle dem großen Gott von allen Sündern angethane Unehre dadurch ersetzt wurde. Er ließ aber auch alle Drohungen des Gesetzes an Sich erfüllen, und alle von den Sündern verdienten Strafen über Sich ergehen, damit die Wahrheit Gottes bestätiget, und Sein heiliger Haß wider die Sünde genugsam offenbar würde.
Und so ist Jesus die Versühnung für unsere Sünden worden, wie Johannes schrieb, oder Er ist wie Paulus Röm. 3,25. sagt, der Gnadenstuhl worden, zur Erweisung der Gerechtigkeit Gottes, damit offenbar würde, daß Gott gerecht sei, und doch gerecht mache den, der da ist des Glaubens an Jesum. Er ist selber das Versühnopfer worden, und hat nichts Fremdes dazu gebraucht. Er hat Sich selbst gegeben für Alle zur Erlösung. (Magnus Friedrich Roos)

2:3 Und an dem merken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten.

2:4 Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit.
Jesu Worte sind Geist und Leben. Wir haben sie erkannt, wenn sie in uns Geist und Leben geworden sind. Jedes gesunde Wachstum hängt davon ab. Du glaubst an die Vergebung der Sünden, aber du erkennst diese kostbare Wahrheit doch erst, wenn Jesu Blut dich tatsächlich gereinigt hat, also, dass nichts dich mehr von Jesus scheidet. Wer den Heiland als Sündentilger im Glauben angenommen hat, ist frei von Schuld und Macht der Sünde. Du hast also in diesem Stück den Herrn nur so weit erkannt, als du jetzt in Wahrheit frei und rein bist. Du glaubst, dass Jesus Haupt und Herr seiner Gemeinde ist, ein Glied an seinem Leibe aber bist du erst dann, wenn diese Wahrheit in dir lebt. Du glaubst an Gott den Heiligen Geist, erkannt hast du Ihn, wenn Er hat Besitz von dir nehmen und die Liebe Gottes in dein Herz hat ausgießen können. Das Erfülltwerden mit Heiligem Geist bedeutet auch: ihn erkennen. Der Glaube aber ist vorangegangen. Petrus bekennt: Wir haben geglaubt und erkannt, dass du bist Christus, der Sohn Gottes. Wer Jesus erkannt hat, besitzt das ewige Leben. Gott erkennen heißt in Gott leben. Ihn im Herzen wohnend haben. Das Erkennen ist also ein Sich-begegnen zum Leben, ein Durchschauen und Aufnehmen, ein In-uns-lebendig-werden der freimachenden Wahrheit. O begegne deinem Gott und Heiland in sehnsuchtsvoller Liebe, Er offenbart sich dir als Herr, als Seligmacher und Heiland, als Hohepriester und König. O wie köstlich ist das: Ihn erkennen, von Ihm erkannt sein, mit Ihm leben, Ihn in uns lebend haben und Seinen Willen erforschen. (Markus Hauser)

2:5 Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind.

2:6 Wer da sagt, daß er in ihm bleibt, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat.
Warum sollen Christen in ihrem Wandel Christo nachfolgen? Sie sollen‘s tun um ihrer selbst willen. Wenn sie ein Verlangen haben nach einem gesunden Seelenzustand, wenn sie der Sündenseuche entfliehen wollen, und sich gern der belebenden Empfindung des Wachstums in der Gnade erfreuen, so lasst sie Jesum zum Vorbild nehmen. Um ihrer eigenen Glückseligkeit willen; wenn sie gern trinken möchten vom reinen Wein, darinnen keine Hefen sind; wenn sie gern sich erfreuen möchten einer heiligen und seligen Gemeinschaft mit Jesu; wenn sie über die Leiden und Sorgen dieser Welt gern hinweggehoben wären, so lasst sie wandeln, gleichwie Er gewandelt hat. Es gibt nichts, was euch so mächtig fördert in eurem Pilgerlauf zum Himmel, als wenn ihr das Bildnis Jesu auf dem Herzen tragt und alle eure Gedanken und Empfindungen dadurch bestimmen lasst. Dann seid ihr am glücklichsten und werdet am ersten erkannt als Söhne Gottes, wenn ihr durch die Kraft des Heiligen Geistes imstande seid, Jesu nachzufolgen in seinen Fußstapfen. Petrus ist unglücklich und elend, sobald er fern von Ihm ist. Dann aber sucht um eures Bekenntnisses willen Jesu ähnlich zu werden: Ach, du armer Christenglaube, wie bist du von deinen Feinden grausam verfolgt und verwundet worden! aber diese Wunden waren nicht halb so gefährlich, wie der Schaden, den dir deine Freunde zufügten. Wer hat der edlen, göttlichen Hand jene tiefen Wunden geschlagen? Der Jünger, der die Schlange der Heuchelei im Busen herbergte. Ein Mensch, der vorgibt, er sei etwas, und sich unter die Schafe mischt, während er nichts ist, als ein Wolf in Schafskleidern, verstört die Herde mehr, denn ein Löwe, der draußen lauert. Keine Waffe ist halb so tödlich, denn ein Judaskuss. Wankelmütige Jünger verunehren das Evangelium mehr, als der schnöde Spott der Gottlosen. Vor allem aber folgt Jesu nach um seinetwillen. Christ, liebst du deinen Heiland? Ist dir sein Name teuer? Liegt dir seine Sache am Herzen? Wünschest du, dass die Reiche der Welt sein eigen werden? Ist‘s dein Verlangen, dass Er möchte verherrlicht werden? Sehnst du dich danach, dass sich Seelen für Ihn gewinnen lassen? Wenn dem so ist, so folge Jesu nach; sei „ein Brief Christi, der erkannt und gelesen wird von allen Menschen.“ (Charles Haddon Spurgeon)


Als Christus im Fleische erschienen war, sprach Johannes der Täufer zu den Juden: „Er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennet“ (Joh. 1, 26.). Selbst die Jünger, die doch bekannten, daß sie geglaubt und erkannt hätten, daß er sei Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, hatten ihre Zeit, da sie der rechten Erkenntniß Christi noch mangelten. Darum sprach er zu ihnen: „Wenn ihr mich kenntet, so kenntet ihr auch meinen Vater“ (Joh. 14, 4.). Und dem Philippus sagte er: „So lange bin ich bei euch, und du kennest mich nicht“ (Joh. 14, 9.)? - Kennen wir den Herrn Jesum Christum? - Du denkst vielleicht: „Das ist eine sonderbare Frage! Ich bin ja kein Heide oder Jude, sondern ein Christ, auf Christi Namen getauft, nach Christi Namen genannt, zur Erkenntniß Christi von Kind auf unterwiesen; wie sollte ich ihn denn nicht kennen?“ Antwort: „Wenn die Frage: kennest du den Herrn Jesum Christum? nicht mehr bedeutete als: hast du eine geschichtliche Kenntniß von ihm, von seiner Person, seiner Würde, seinem Leben, seiner Lehre, seinem Leiden, Sterben, Auferstehen und allem dem, was über ihn geschrieben steht? dann verwundertest du dich billig. Aber die Frage will mehr sagen. Es ist eine Frage nach deinem Glauben, deiner Hoffnung, deiner Liebe; nach dem, was dir Christus ist, und ob er dir alles das ist, was er dir nach dem Zeugnisse des Wortes Gottes zu deiner Seligkeit sein will und sein muß. Und weil ja leider viele Christen so gesinnet sind und wandeln, als wüßten sie nichts von ihm, so solltest du dich diese Frage nicht befremden, sondern zu der Gegenfrage erwecken lassen: „Woran merken wir, daß wir Christum kennen?“ Es steht aber geschrieben 1 Joh. 2, 3-6: „An dem merken wir, daß wir ihn kennen, so wir seine Gebote halten. Wer da sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, der ist ein Lügner, und in solchem ist keine Wahrheit. Wer aber sein Wort hält, in solchem ist wahrlich die Liebe Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind. Wer da sagt, daß er in ihm bleibet, der soll auch wandeln, gleichwie er gewandelt hat.“ Das Halten seiner Gebote oder seines Wortes, und die Nachfolge seiner Fußstapfen, das ist es, daran merken wir, daß wir ihn kennen. Denn wer ihn kennt, der wird ihn lieben, und wer ihn liebt, der wird ihm anhangen, gehorchen und nachfolgen. Wenn man sich nach diesen Merkmalen unter den Christen umsteht, dann hätte Johannes der Täufer noch heutiges Tages Recht, zu vielen Christen zu sagen: „Er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennet!“ dann wird der Herr noch jetzt über viele nicht anders urtheilen können, als er über jene (Joh. 8, 19.) urtheilte: „Ihr kennet weder mich, noch meinen Vater.“ Aber lasset uns unser selbst wahrnehmen, ob wir uns selbst nicht täuschen, ob bei uns die gewissen Merkmale einer wahren Bekanntschaft und Gemeinschaft mit dem Herrn Jesu vorhanden sind. Und wo es da mangelt, da wollen wir uns treulich ermahnen, daß wir in Wahrheit andere es merken lassen: wir kennen ihn und sind von ihm erkannt, denn wir halten seine Gebote und thun, was vor ihm gefällig ist.(Carl Johann Philipp Spitta)

2:7 Brüder, ich schreibe euch nicht ein neues Gebot, sondern das alte Gebot, das ihr habt von Anfang gehabt. Das alte Gebot ist das Wort, das ihr von Anfang gehört habt.

2:8 Wiederum ein neues Gebot schreibe ich euch, das da wahrhaftig ist bei ihm und bei euch; denn die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt.
Wo sich der Mensch in der Ferne von Gott sieht, da ist Finsternis; und je näher seinem Herzen Gott ist, desto heller wird's in ihm. Man denke nur, in welcher Finsternis sich die Heiden fühlten, die vor stummen Götzen knieten und regellos ihren Lüsten und Begierden dienten, ganz abgekehrt von dem lebendigen Gott! In dieser Finsternis konnte es ihnen nicht wohl sein; denn sie sahen keine Zukunft vor sich - und hatten doch einen Geist, welcher sich der Sehnsucht nach einer Zukunft nicht entziehen konnte. Ein Unglücksgefühl mußte in ihnen herrschend bleiben, weil sie eine Ahnung von ihrem göttlichen Ursprung hatten - und sich doch in der ungöttlichsten Weise verderbt sahen. Oft fühlt freilich der Mensch solches nicht; und dann siecht er so hin wie die unvernünftige Kreatur, eine Weile in der Naturkraft strotzend, bis er zusammensinkt. Fühlt er's, dann wird die Finsternis drückender für ihn.
Nun kommt das Evangelium, spricht von einem Sünden vergebenden Heiland, von einem geöffneten Himmel. Dem nun, der seine Finsternis fühlt, dringt's als ein Licht ins Herz. „Ich hab's gefunden!“ ruft er freudetrunken aus. So ging's allen Heiden, denen die Apostel näherkamen; und so geht's heute noch denen, in welchen die Erkenntnis ihrer selbst und Christi durchs Evangelium aufgeht. Zu ihnen kann man sagen: „Die Finsternis ist vergangen, und das wahre Licht scheint jetzt.“
„Das wahre Licht“, sagt der Apostel. Damit will er sagen, daß es nicht wie ein Lampenlicht sei, das nur eine Zeitlang brenne und dann allmählich abnähme und erlösche. Es ist ein Licht, das fortleuchtet und immer helleren Glanz bekommt, weil sich's bis ins ewige Leben, in die Gottesherrlichkeit erstreckt, die lauter Licht ist; ja, es hat daher seinen Ursprung. Darum werden Sonne und Mond vergehen - dieses Licht nicht. Und es leuchtet für einen Menschen, solange er's festhält. Manchmal wohl will es sich im Herzen verdunkeln, wenn der Glaube matter wird, die Zuversicht abnimmt, wenn auch Anfechtungen vom Feinde dazukommen; dann meint einer, daß es kein Licht, nur Täuschung oder ein süßer Traum wäre! Aber es kann dem Getreuen nicht ausgelöscht werden; sondern „ihm geht das Licht immer wieder auf von dem Gnädigen und Barmherzigen“ (Ps. 112,4) - und auch ein nur noch glimmendes Licht darf ihm doch nicht erlöschen!
Wenn daher dieses Licht das wahre heißt, ist's auch im Gegensatz zu anderem gesagt, das sich als Licht darstellen will. Mancher meint, es werde hell in ihm, wenn er in gute Verhältnisse kommt oder wenn er zu Ehren kommt oder wenn er von Krankheiten befreit wird und anderen Nöten oder wenn ihm ein Verstandeslicht in etwas aufgeht oder wenn er in Wissenschaften hell sieht! Das mögen Dinge sein, für die man dem HErrn danken darf; aber das wahre Licht sind sie nicht, weil sie nicht zum Dauernden und Bleibenden führen und den Ewigkeitsdurst des Menschen nicht stillen. Wer sie als wahres Licht nimmt, dem können sie sogar zur Finsternis werden, insofern als er dadurch das wahre Licht, welches Christus gibt, versäumt oder verliert. Wie leicht erlöschen alle diese Lichter - oft schon auf Erden gewiß, wenn der Mensch von der Erde scheidet! Wie arm aber wird er doch dann! Glaube doch niemand, Licht zu haben, ehe er Jesus hat - und Ihn so hat, daß Er ihm wirklich Licht ist!
Am meisten wird auch das wahre Licht im Menschen verdunkelt, wenn er sich wieder mit der Finsternis einläßt, d. h. Werke tut, die niemand, auch Gott nicht, sehen sollte: böse Werke! Vor solchem will auch der Apostel warnen, wenn er sagt: »Die Finsternis ist vergangen, und das wahre Licht scheint jetzt.“ Darum fliehe die Finsternis, da dir's so übel geht, und wandle im Licht, daß es Gott und alle Kreatur sehen darf, dabei dir's wohl ist und bleibt in Ewigkeit!(Christoph Blumhardt)

2:9 Wer da sagt, er sei im Licht, und haßt seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis.

2:10 Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und ist kein Ärgernis bei ihm.

2:11 Wer aber seinen Bruder haßt, der ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis und weiß nicht, wo er hin geht; denn die Finsternis hat seine Augen verblendet.

2:12 Liebe Kindlein, ich schreibe euch; denn die Sünden sind euch vergeben durch seinen Namen.
Glückselig waren diejenigen, denen ein Apostel durch den Heiligen Geist eine solche Versicherung von der Vergebung ihrer Sünden zuschrieb, gleichwie der Gichtbrüchige glückselig und beruhigt wurde, als Jesus zu ihm sagte: sei getrost mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben; und die Sünderin, Luk. 7., als Er V. 48. zu ihr sagte: deine Sünden sind dir vergeben. Johannes schrieb jene Worte aus Eingebung des Heiligen Geistes, hatte aber dabei die geistliche Beschaffenheit der lieben Kindlein, an die er schrieb, vor Augen: wie er denn alsbald darauf von den Vätern sagte, sie kennen den (Erlöser), der von Anfang war, von den Jünglingen, sie haben den Bösewicht überwunden, und von den Kindern, sie kennen den himmlischen Vater. Neben diesen Kennzeichen leiten uns aber die Worte, wodurch Johannes seine lieben Kindlein oder Zuhörer der Vergebung ihrer Sünden versicherte, auf den Weg, auf welchem auch wir diese Versicherung erlangen können. Die Sünden werden im Namen Jesu vergeben. Was diese wenigen Worte bedeuten, lehrt uns Johannes selber, 1 Joh. 2,1.2., da er schreibt: meine Kindlein, solches schreibe ich euch, daß ihr nicht sündiget, und ob Jemand sündiget, so haben wir einen Fürsprecher bei dem Vater, der gerecht ist, und derselbe ist die Versühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern für der ganzen Welt Sünden. Wenn also die Sünden im Namen Jesu vergeben werden, so werden sie deßwegen vergeben, weil Jesus der Fürsprecher bei dem Vater, folglich am rechten Ort, ist, und weil Er ein Gerechter ist, der als Mittler alle Gerechtigkeit für uns erfüllt hat, und weil Er die Versühnung für unsere und der ganzen Welt Sünden ist. Nun dieses Alles geht uns und die ganze Welt an, erinnert uns aber, daß wir den Grund der Vergebung der Sünden nicht in uns, sondern in Christo suchen sollen. Nicht darum, weil wir nur wenig gesündigt haben, nicht darum, weil wir mit Gesetzeswerken, oder mit Leiden, oder mit Werken der Gerechtigkeit die Sünden, die wir begangen haben, wieder erstattet hätten, sondern darum, weil wir einen Fürsprecher haben, der gerecht und die Versühnung für unsere und der ganzen Welt Sünden ist, werden uns die Sünden vergeben. Doch werden nicht der ganzen Welt die Sünden wirklich vergeben, weil ein großer Theil derselben verdammt wird. Womit werden wir also von der Welt, die in das ewige Verderben hingeht, ausgezeichnet? Dadurch, daß wir unsern Fürsprecher und Erlöser kennen, da hingegen die arge Welt, die Seine Gebote nicht hält, Ihn nicht kennt, und wenn sie sagt, sie kenne Ihn, lügt, wie Johannes V. 3.4. schreibt. Auf diese Erkenntniß Jesu, welche auch Glaube heißt, kommt also Alles an. Wer Jesum erkennt, oder wer an Ihn glaubt, hat Vergebung der Sünden, und ist, wie Paulus oft zu sagen pflegt, gerechtfertigt. Wer Ihn aber kennt, hält Seine Gebote, und liebt insonderheit die Brüder, wie Johannes ausführlich lehrt.(Magnus Friedrich Roos)

2:13 Ich schreibe euch Vätern; denn ihr kennt den, der von Anfang ist. Ich schreibe euch Jünglingen; denn ihr habt den Bösewicht überwunden.

2:14 Ich habe euch Kindern geschrieben; denn ihr kennet den Vater. Ich habe euch Vätern geschrieben; denn ihr kennt den, der von Anfang ist. Ich habe euch Jünglingen geschrieben; denn ihr seid stark, und das Wort Gottes bleibt bei euch, und ihr habt den Bösewicht überwunden.

2:15 Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. So jemand die Welt liebhat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters.
Es liegt so nahe, die „Welt“, und was in der „Welt“ ist, lieb zu haben. Der Unglaube findet es geradezu unnatürlich, eine andere Stellung einnehmen zu wollen. Schwer ist das ja auch, wir sehen dies täglich an uns und an andern, aber wir können nicht zwei Herren dienen und auch nicht zwei Welten suchen. Dieser Welt Fürst ist nun einmal der Teufel. Ihm aber haben wir entsagt, weil Christus uns durch Sein Blut aus der Gewalt Satans erlöst hat. Wohl müssen wir in der Welt leben, aber lieben müssen wir sie nicht. Denn wir sind hier nur noch Fremdlinge, Gäste und Pilgrime. Mag der Weltmensch hierüber spotten, wir kennen unsere Stellung. „Wenn jemand die Welt lieb hat, so ist die Liebe des Vaters nicht in ihm.“ Wer Gott liebt, der liebt die „Welt“ nicht; und wer diese „Welt“ lieb hat, in dem ist die Liebe des Vaters im Himmel nicht. Das macht diese Sache sehr ernst! Wir wissen nun, warum so viele nicht in der Liebe Gottes stehen, sie können Ihn unmöglich lieben, weil sie die Weltart lieb haben. Ein eifriger Gott ist unser Gott. Deine Liebe will Er ganz, und nicht geteilt, für sich allein haben. Siehe und erkenne, bereue und beweine deine Torheit. Entweder gibst du nun die Weltliebe völlig auf, oder wenn du es nicht tust, gibst du Gott auf! Wie immer auch die verbotene Liebe bei dir sich äußern mag, als Liebe zum Genuss, als Habgier, als Eitelkeit, als Weltfreundschaft, o, gib sie in den Tod, oder sie stürzt dich ins ewige Elend, weil sie dich von Gott trennt. Jesus hat die „Welt“ nicht lieb gehabt, und wir wollen Ihm ähnlich werden. (Markus Hauser)


Johannes hat in seinen Briefen viel von der Gemeinschaft der Kinder Gottes untereinander, wie sie bei einem heiligen Wandel im Licht, in der Wahrheit und in der Liebe behauptet werden müsse, geschrieben. Sein liebevolles Herz hatte sich dabei in sehr zärtlichen Worten ausgegossen: sein lauterer Sinn aber hatte auch eine heilsame Schärfe hervorgebracht, wodurch er diese Gemeinschaft sowohl von der finstern Zwietracht, als auch von der fleischlichen Liebe unterschieden hatte. Da er nun mit solchen Vorstellungen umging, sah er zugleich gegenüber etwas, das er Welt nannte, und sagte von dieser Welt, man solle sie nicht lieb haben. Diese Welt ist keine einzelne Person, sondern eine Menge. Sie ist der Gegensatz von den Kindern Gottes, die unter sich eine Gemeinschaft haben und Eine Kirche, Eine Heerde, Ein Volk, Einen Leib, Eine Braut Jesu Christi ausmachen. Bei der Welt ist freilich Christus nicht der Hirte, nicht das Haupt, nicht der Bräutigam; sondern sie liegt im Argen, im Satan: sie ist von seinen argen Kräften umfangen, durchdrungen und gebildet. Der Satan ist ihr Fürst und Gott, wie die Schrift sagt. Bei der Welt ist kein Licht, keine Liebe und keine Wahrheit: doch aber eine Uebereinstimmung in der Argheit. Es gibt einen Geist der Welt (1 Kor. 2,12.), den man bei allen Gliedern derselben doch unter unzählig vielen Formen antrifft, und welcher sich durchaus im Unglauben und in der Liebe zur Sünde, oder in der Feindschaft wider Gott und Seine Kinder, oder in argen Gedanken und bösen Lüsten äußert. Johannes macht 1 Joh. 2,16. drei Kennzeichen des Weltgeistes namhaft, nämlich die Lust des Fleisches, die Lust der Augen, und das ehrgeizige Prangen in der Lebensart. Die Lust des Fleisches ist die Begierde nach Gemächlichkeit, sinnlichen Ergötzlichkeiten, unzüchtigen Vergnügungen nach verschiedener Maße und Weise, Wohlleben im Essen und Trinken u.s.w. Die Lust der Augen ist die Begierde, sich wenigstens an den eitlen Bildern derjenigen Wollüste zu ergötzen, die man selbst nicht ausüben will oder kann, folglich die Begierde, solches aus Büchern oder durch das leibliche Anschauen zu sammeln, und in der Phantasie mit Belieben herumzutragen. Weil aber in der heiligen Schrift auch der Seele Augen zugeschrieben werden, so darf man allen leichtsinnigen Witz, alle aufblähende Weisheit, und alle daraus fließenden Scherze, Spöttereien, und Widersprüche gegen die Wahrheit hieher rechnen. Das ehrgeizige Prangen in der Lebensart bedarf keiner Erklärung: nur ist zu erinnern, daß alles Bestreben dazu gerechnet werden müsse, durch große oder kleine dinge sich eine falsche Ehre, ein eitles Lob, einen Vorzug vor Andern, oder eine Gleichstellung mit Andern, die schon in einem Ansehen sind, zu erwerben; und daß deßwegen auch Kinder und arme Leute, in denen ein Stolz ist, sich dieses Prangens schuldig machen können. In diesen dreien Stücken besteht die vermeinte Glückseligkeit der Welt, um derentwillen sie das Reich Gottes, das einen engen Eingang hat, verschmähet, und zu Gott sagt: hebe Dich von uns, wir wollen von Deinen Wegen nichts wissen.
Gott ist Liebe. Lasset uns Ihn lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt. Anstatt der Lust der Welt gibt Jesus den Seinigen ewiges Leben, und verschafft, daß diese zu derjenigen Zeit, da die Welt mit ihrer Lust ganz vergehen wird, Ihm gleich werden, und Ihn sehen wie Er ist, und so in Ewigkeit bleiben. (Magnus Friedrich Roos)

2:16 Denn alles, was in der Welt ist: des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt.
Die Welt imponiert; sie bringt den Eindruck hervor, sie sei stark. Dieser Eindruck entsteht aus der fest geschlossenen Eintracht, die das Leben aller gleichförmig macht. Ob wir in Deutschland, England oder Amerika oder auch in Tokio oder Konstantinopel leben, überall hat das Leben dasselbe Gepräge. Dieselben Triebe wirken sich überall aus; dieselben Güter füllen die Märkte und dieselben unterschiedlichen Gesetze regieren alle. Wer in der Welt lebt, ist überall daheim. Diese Eintracht unterstützt sie in ihrer arbeitsamen Regsamkeit. Eine Fülle von Kräften ist in Bewegung. Jeder tummelt sich, erwirbt, genießt, kämpft und gewinnt. Die Ergebnisse dieser Anstrengungen ragen sichtbar in die Höhe. Wir heißen diesen Turmbau unsere „Kultur“. Die Warnung des Apostels hat also guten Grund; habe sie nicht lieb, schätze sie nicht, gönne ihr keine Verehrung und Bewunderung. Kann ich aber dem Apostel gehorchen, ohne zu vergessen, dass Gott mir den Menschen deshalb zum Nächsten macht, damit ich ihn lieb habe? Hier entsteht keinerlei Schwierigkeit oder Not. Nie werde ich den Nächsten lieb haben, wenn ich die Welt lieb habe. Freilich besteht die Welt aus nichts anderem als aus den Menschen. Was sie aber zur Welt macht, ist nicht das, was jeder Mensch in sich selber ist, sondern unser gemeinsames Leben, das uns aneinander bindet und einander gleichförmig macht, macht aus uns die Welt. In diesem gesellschaftlichen, gemeinsamen Leben kommt aber gerade das nicht zur Geltung, was Gott mich am Nächsten lieben heißt. Wo sitzt die Wurzel für die ganze imponierende Arbeitsamkeit der Welt mit ihren glänzenden Erträgen? Das Fleisch ist begehrlich; damit es erhalte, wonach es verlangt, muss sich jedermann fleißig regen. Die Augen werden nicht satt und begehren immer nach neuem Schauspiel und die Leere des inneren Lebens zwingt zur prunkenden Schaustellung, durch die die Hohlheit des Daseins überkleidet wird. Das ist, sagt Johannes, nicht vom Vater, und wie kann ich werthalten und begehren, was nicht vom Vater ist? Habe ich nicht als Gottes Geschöpf den Leib und die Augen und die Mitgliedschaft im menschlichen Verband, die mir die Ehre unentbehrlich macht? Aber die verzehrende Glut der Begehrung und die nimmersatte Unruhe der Augen und die Verkehrung der Ehre in prahlende Eitelkeit, das stammt nicht vom Vater und trägt nicht Gottes Bild. Darum hüte deine Liebe. Gib sie dem, was vom Vater stammt, und wie vieles habe ich um mich, was ich lieben darf und soll, weil es vom Vater stammt!
Vom Hassen, lieber Herr, hast Du mich frei gemacht. Zum Richten hast Du mich nicht berufen und machst mich nicht zum Zerstörer der Welt. Aber meine Liebe hast Du an Dich gebunden. Dir gehört sie ganz und allem, was Dein ist, allem, was die Herrlichkeit Deines Schaffens zeigt, allem, was aus der Fülle Deiner Gnade stammt. Wie reich machst Du unsere Liebe, wieviel Arbeit gibst Du ihr. Dafür danke ich Dir. Amen. (Adolf Schlatter)

2:17 Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.
Die Welt ist der Prüfstein der Christen, alldieweil sie in derselben sind. Wer sie fürchtet, und aus Furcht vor ihrer Ungunst Christum verleugnet, geht mit ihr verloren; wer sie aber lieb hat, und ihre Freundschaft dadurch erwirbt, wird von dem himmlischen Vater nicht geliebt, und liebt auch den himmlischen Vater nicht. Die Welt liegt im Argen, und kann doch ihre Gestalt so sehr schmücken, daß ein thörichter Mensch sie lieb gewinnt. Sie kann den Augen und dem Fleisch etwas zur Lüsternheit vorhalten, und überdieß eine gewisse kleine oder große Pracht zeigen, welche sie ehrwürdig oder ansehnlich machen soll. Dieses Alles kann noch durch eine falsche Weisheit entschuldigt, gerechtfertigt, angepriesen, ja als nothwendig aufgedrungen werden, daß das Grauen davor bei Leuten, die einen Funken von Gottesfurcht hatten, vergehen kann, und sie endlich von der Liebe der Welt so bezaubert und eingeschläfert werden, daß sie zuerst auf eine ehrbare, zuletzt aber auf eine grobe Art sich der Welt in der Eitelkeit des Sinnes und in bösen Worten und Werken gleich stellen, und Andere auch verführen. Die Ermahnung Johannis: habt nicht lieb die Welt, ist also höchst nöthig. Er gibt derselben dadurch einen großen Nachdruck, daß er hinzu setzt, man könne bei der Liebe der Welt die Liebe des Vaters nicht in sich haben, das ist, man könne von Ihm nicht geliebt werden, und Ihn auch nicht lieben. Welch ein Gegensatz! der Vater und die Welt; die Liebe des Vaters und die Liebe der Welt! Wähle unter diesen beiden. Die Wahl ist für einen vernünftigen Menschen nicht schwer: hingegen ist’s schwerer, die Welt und die Liebe der Welt so kennen lernen, wie sie mit der Liebe des Vaters nicht bestehen kann. Denn die Schlange, welche Evam mit ihrer Schalkheit verführt hat, ist so listig, daß sie die Menschen bereden will, die Liebe der Welt thue der Liebe des Vaters keinen Eintrag, und die Welt sei dem Vater im Himmel nicht so mißfällig, daß der Liebhaber derselben sich den Zorn Gottes zuzöge. Man lerne aber die Welt nur recht kennen, wie lüstern, falsch und eitel sie sei, wie sie es mit den Geboten Gottes so gar nicht genau nehme, wie sie die Gnadenzeit verschleudere, wie sie zwar von der Tugend schwatze, aber von dem Glauben an Jesum, von der Wiedergeburt, von der Inwohnung des Heiligen Geistes nichts erfahren wolle. Man sehe sie an, und vergleiche sie mit dem Wort Gottes, mit dem Bild Christi, und mit dem Sinn und Wandel Seiner ächten Jünger, so wird man bald erkennen, daß der Welt Freundschaft Gottes Feindschaft sei. Und wer ist, der bei der Liebe der Welt sich der Liebe des Vaters wahrhaftig trösten könnte? Man stellt sich der Welt gleich, und liebt sie mit einer fühlbaren Liebe: die Liebe des Vaters aber bildet man sich nur ein, und fühlt nichts davon. Die Liebe der Welt ist wirksam, und treibt den Menschen zu vielen thörichten und schädlichen Dingen: von der Liebe des Vaters wird man zu nichts getrieben. Die Liebe der Welt verhilft zu fleischlichen Ergötzungen, von der Liebe des Vaters hat man aber noch keine Erquickung bekommen. Also ist dann die Liebe des Vaters nicht in einem solchen Menschen. (Magnus Friedrich Roos)

2:18 Kinder, es ist die letzte Stunde! Und wie ihr gehört habt, daß der Widerchrist kommt, so sind nun viele Widerchristen geworden; daher erkennen wir, daß die letzte Stunde ist.
Schon zur Zeit Johannis sagte man, der Widerchrist komme. Paulus hat ihn 2 Thess. 2. deutlich beschrieben, da er V. 3.4. sagte: der Tag Christi kommt nicht, es sei denn, daß zuvor der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünden, und das Kind des Verderbens, der da ist ein Widerwärtiger, und sich erhebt über Alles, das Gott, oder Gottesdienst heißt, also, daß er sich setzt in den Tempel Gottes, als ein Gott, und gibt vor, er sei Gott. Er nennt ihn auch V. 8. den Boshaftigen (oder Gesetzlosen) und sagt, daß ihn der HErr umbringen werde mit dem Geist Seines Mundes, und sein ein Ende machen durch die Erscheinung Seiner Zukunft, und daß Seine Zukunft geschehe nach der Wirkung des Satans mit allerlei lügenhaften Kräften, und Zeichen, und Wundern, und mit allerlei Verführung zur Ungerechtigkeit unter denen, die verloren werden, dafür, daß sie die Liebe zur Wahrheit nicht haben angenommen, daß sie selig würden u.s.w., V. 8.9.10. Es ist klar, daß Paulus hier von einem bösen und schädlichen Menschen redet, durch welchen der Satan die gefährlichste Versuchung auf der Erde ausbreiten, und den ärgsten Anlauf wider das Reich Gottes machen werde. Gleichwie er aber V. 7. sagt, daß das Geheimniß der Bosheit schon zu seiner Zeit wirksam sei, und nur noch aufgehalten werde; also sagte Johannes, es seien schon zu seiner Zeit viele Widerchristen geworden. Der große Widerchrist, den Daniel Kap. 11,36. u. ff. einen König, und Johannes Offenb. 17,11. den Achten an den siebenköpfigen Thiere nennt, war zur Zeit der Apostel noch nicht gekommen, und ist noch jetzt nicht vorhanden, obwohl seine Ankunft nahe ist, und der überhandnehmende Abfall von der christlichen Religion und die sehr gemeine Geringschätzung der Wahrheit ihm den Weg hurtig bahnen; es sind aber doch schon zur Zeit der Apostel viele, und indessen noch mehrere Widerchristen geworden. Es gab nämlich schon zur Zeit Pauli Leute, welche durch den Antrieb eines bösen Geistes Jesum verfluchten, 2 Kor. 12,3. Johannes aber sagt 1 Joh. 4,3.: daß ein Geist sich in einigen Verführern rege, welcher nicht bekenne, daß Jesus Christus in dem Fleisch gekommen sei, folglich die Menschwerdung Jesu Christi, und die Wahrheit Seiner menschlichen Natur läugne, und setzt hinzu, dieser Geist sei der Geist des Widerchrists. Ueberhaupt sagt er 1 Joh. 2,22., derjenige sei der Widerchrist, der den Vater und Sohn läugne. Wer also der Lehre von Gott dem Vater und Seinem eingebornen Sohn widerspricht, wer insonderheit einen andern Christus predigt, als derjenige ist, den die Apostel gepredigt haben, und welcher Gott über Alles gelobet in Ewigkeit, und zugleich wahrer Mensch in Einer Person ist, wer der Kirche ein anderes Haupt aufdrängen will als Christum und einen andern Weg zur Seligkeit anpreisen als Christum, wer die Versöhnung verwirft, die Er am Kreuz ausgerichtet hat, und zugleich Seine Gebote auflöst – ist ein Widerchrist, und wird vom Geist des Widerchrists getrieben, und wenn Er die Bibel anführt, so legt er sie verkehrt aus, und wenn er auch Wunder thäte, so thäte er sie nach der Wirkung des Satans. Prüfet also die Geister, ihr Christen. Prüfet Alles und das Gute behaltet. Lasset euch das Ansehen der Menschen nicht blenden. Es gibt Weise nach dem Fleisch, deren Weisheit irdisch, menschlich, teuflisch ist. Liebet die Wahrheit und seid ihr gehorsam. (Magnus Friedrich Roos)

2:19 Sie sind von uns ausgegangen, aber sie waren nicht von uns. Denn wo sie von uns gewesen wären, so wären sie ja bei uns geblieben; aber es sollte offenbar werden, daß nicht alle von uns sind.

2:20 Und ihr habt die Salbung von dem, der heilig ist, und wisset alles.

2:21 Ich habe euch nicht geschrieben, als wüßtet ihr die Wahrheit nicht; sondern ihr wisset sie und wisset, daß keine Lüge aus der Wahrheit kommt.

2:22 Wer ist ein Lügner, wenn nicht, der da leugnet, daß Jesus der Christus sei? Das ist der Widerchrist, der den Vater und den Sohn leugnet.

2:23 Wer den Sohn leugnet, der hat auch den Vater nicht; wer den Sohn bekennt, der hat auch den Vater.

2:24 Was ihr nun gehört habt von Anfang, das bleibe bei euch. So bei euch bleibt, was ihr von Anfang gehört habt, so werdet ihr auch bei dem Sohn und dem Vater bleiben.

2:25 Und das ist die Verheißung, die er uns verheißen hat: das ewige Leben.
Ich gebe ihnen das ewige Leben. So sagte Christus von seinen Schafen Joh. 10,28. An diese Worte Jesu mag Johannes gedacht haben, da er schrieb: das ist die Verheißung, die Er uns verheißen hat, das ewige Leben. Das Höchste, was ein Mensch von Gott empfangen kann, ist ein ewiges Leben, wie denn Röm. 6,23. gesagt wird, der Sold der Sünde, oder der ganze Lohn, den die Sünde ihren Knechten gebe, sei mit einem Wort der Tod, die Gabe Gottes aber sei das ewige Leben in Christo Jesu, unserm HErrn. Darum wird auch Matth. 25,46. von den Gerechten, die am jüngsten Tag ihre völlige Abfertigung bekommen, nichts Weiteres, als dieses gesagt, daß sie in das ewige Leben gehen, und dieses ewigen Leben wird der ewigen Pein entgegengesetzt.
Auf der Erde gibt es auch lebendige Menschen und Thiere. Kaum aber haben jene und diese eine Zeit lang gelebt, so nehmen sie wieder ab und sterben. Wenn man den Staub von allen todten Leibern der Menschen und Thiere auf dem Erdboden gleich austheilte, so würde derselbe viele Klafter tief damit bedeckt werden. Sterbliche wandeln also auf dem Staub der Todten, und wo tausend Menschen wohnen, da sind viele Tausende begraben. Und doch hält man dieß schwache, sterbliche und kurze Leben für etwas Gutes, und wenn man einen Missethäter auf’s Härteste strafen will, so nimmt man ihm das Leben. Was muß nun das Leben sein, welches keiner Abnahme unterworfen ist, und kein Ende nimmt, das ewige Leben, bei welchem man erfährt, was Offenb. 21,4. steht: Gott wird abwischen alle Thränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen? Welche Kräfte, welche Wonne muß ein solches Leben in sich fassen? Gott heißt der Ewige und der Lebendige. Er hat allein eine solche Unsterblichkeit, welche alle Möglichkeit des Todes ausschließt. Er hat das Leben in Sich selbst, so daß es von Nichts außer Ihm abhängt. Wer also ein ewiges Leben als eine Gabe Gottes empfängt, und durch Seine Gnade unsterblich ist, steht in einer herrlichen Aehnlichkeit mit Ihm. Gott hat die Menschen im Anfang zum ewigen Leben erschaffen, und der Tod ist durch die Sünde in die Welt gekommen. Wenn nun die Sünde wird aufgehoben sein, so wird auch der Tod in den Sieg verschlungen, und der Mensch durch Christum zu seiner ursprünglichen Bestimmung zurückgeführt sein. Christus ist deßwegen gestorben und wieder auferstanden, damit wir ein ewiges Leben empfangen möchten. Er hat auch als der wahrhaftige und treue Zeuge Seinen Schafen dieses ewige Leben verheißen, und fängt schon an, diese Verheißung zu erfüllen, alldieweil seine Schafe noch auf Erden sind; denn das geistliche Leben, das sie empfangen haben, ist schon ein ewiges Leben. Es bricht aber in ihren Seelen völliger an, wenn sie von den Leibern geschieden werden, und ihre Leiber werden auch bei der Auferstehung die Unsterblichkeit anziehen, 1 Kor. 15,54. Wohl demjenigen, der dem Tod des Leibes mit der Hoffnung des ewigen Lebens entgegensehen kann! Gott hat uns das ewige Leben als Seine Gabe verheißen, und uns dadurch erinnert, daß wir mit unsern Begierden nicht an dem kurzen irdischen Leben, und an demjenigen, was es in sich faßt, hangen bleiben sollen.(Magnus Friedrich Roos)

2:26 Solches habe ich euch geschrieben von denen, die euch verführen.

2:27 Und die Salbung, die ihr von ihm empfangen habt, bleibt bei euch, und ihr bedürfet nicht, daß euch jemand lehre; sondern wie euch die Salbung alles lehrt, so ist's wahr und ist keine Lüge, und wie sie euch gelehrt hat, so bleibet bei ihm.

2:28 Und nun, Kindlein, bleibet bei ihm, auf daß, wenn er offenbart wird, wir Freudigkeit haben und nicht zu Schanden werden vor ihm bei seiner Zukunft.2)
Johannes hatte die Glaubigen, an die er schrieb, vor Leuten gewarnt, die sich von ihnen getrennt hatten und einer falschen Lehre ergeben waren, welche unter dem Schein einer besonderen hohen Weisheit dem Fleisch zum Sündigen Raum ließ. Er sagte dagegen V. 27: wie euch die Salbung, das ist der heilige Geist, mit dem ihr gesalbt seid, von Allem belehret, und wie es auch wahr ist, und keine Lüge ist, ja wie sie euch schon belehret hat, so bleibet bei demselben. Hierauf zeigt er aber an, worauf es bei der Lehre der Salbung angesehen sei, und was für ein Zustand bei den Glaubigen daraus entstehen müsse: sie sollten nämlich in Jesu Christo sein und bleiben. Wer da sagt, er bleibe bei demjenigen, was die Salbung lehrt, muß auch in Jesu Christo bleiben, denn der Heilige Geist verklärt Jesum in der Seele, und richtet eine Gemeinschaft mit Gott dem Vater und Seinem Sohn Jesu Christo in derselben an. Durch die Kraft des Heiligen Geistes wird man eine Rebe an Christo, und ein Glied an Ihm als dem Haupt. Man hangt Ihm an, und ist Ein Geist mit Ihm. Die Seele empfindet alsdann mit inniger Zufriedenheit, daß sie nicht mehr ihres eigenen Willens leben könne, nicht mehr ihrer eigenen Lust überlassen sei, nicht mehr von einem jeden Wind der Versuchungen, wie vorher, umgetrieben, aufgetrieben und niedergeworfen werde. der Heiland in dem sie ist, hält sie. Auch bemerkt sie, daß sie als eine Rebe an Christo Frucht bringen könne, und es nicht mehr bei den unkräftigen Vorsätzen und Wünschen bleibe, die Röm. 7,14-23. beschrieben werden. Dieser Zustand nun muß bis an’s Ende behauptet werden; und zwar bis auf die herrliche Zukunft des HErrn: weßwegen Johannes sagt: und nun Kindlein, bleibet in Ihm. Bei dem HErrn Jesu fehlt es in diesem Stück nicht. Er, der, wie der Vater, größer als Alles ist, hält die Seinigen so in Seiner Hand, daß Niemand sie daraus reißen kann; allein durch Unachtsamkeit und Leichtsinn, durch das Belieben an einer ungesunden Lehre, und durch Trennung von der Gemeinschaft der Kinder Gottes könnte man von Ihm nach und nach entfremdet werden; weßwegen die Ermahnung nicht unnöthig ist. Kindlein, bleibet in Ihm, auf daß, wenn Er offenbaret wird, wir Freudigkeit haben, und von Ihm nicht beschämt werden bei Seiner Zukunft. Wer von dem HErrn Jesu abgewichen ist, hat etwa noch eine falsche Einbildung von sich selbst, und hält seinen Zustand für nicht gefährlich, oder gar für besser als den vorigen, besonders wenn er ihn mit einer falschen Lehre schmücken kann: von dem HErrn Jesu aber werden alle solche Leute bei Seiner Zukunft zu Schanden gemacht werden, wenn Er sie Heuchler, Uebelthäter, zweimal erstorbene Bäume u. dgl. nennen, und als solche richten wird. Wer nicht in Mir bleibet, sagt Er Joh. 15,6., der wird weggeworfen wie eine Rebe, und verdorret, und man sammelt sie, und wirft sie in’s Feuer, und muß brennen. Wachsamkeit, Nüchternheit, Gebet, tägliche Aufmerksamkeit auf das Wort Gottes, und eine beständige Verläugnung seiner selbst, eine beständige Enthaltung und Flucht vor der Sünde und der Gelegenheit dazu ist nöthig, wenn man bei Jesu bleiben soll.(Magnus Friedrich Roos)

2:29 So ihr wisset, daß er gerecht ist, so erkennet ihr auch, daß, wer recht tut, der ist von ihm geboren.3)
Der Grundton dieses Kapitels ist, die Gnade nicht zur Sünde und Weltliebe zu mißbrauchen, weder als Väter, noch als Jünglinge, noch als Kinder in Christo, und das um so weniger, als die letzten Zeiten dieser vergänglichen Welt und der Tag der Entscheidung nahe seien. Was ist denn die Welt, die ich nicht lieben soll? Zuvörderst suche sie in deinem Busen und selbsteigenen Herzen, dessen Dichten und Trachten nur böse ist von Jugend auf und immerdar; ferner suche sie unter den Menschen, ihren Lüsten, Sitten, Gewohnheiten, Werken, Gebräuchen, Freuden, Schätzen, Ehren und Ergötzungen; endlich sind die Welt, die Geschöpfe und Gaben Gottes, die du nicht hassen, aber doch weit unter Gott lieben sollst. Von Natur steckt in aller Menschen Herzen freilich die Weltliebe, nämlich Augenlust, Fleischeslust und hoffärtiges Wesen. Dieses goldene Kalb hat drei Köpfe: Fleischeslust oder Wollust, Augenlust oder Geiz und hoffärtiges Leben oder Ehr- und Lobgierigkeit. Dies sind die drei Hauptleidenschaften des menschlichen Herzens. Prüfe dich uns gieb Acht auf deine inneren Begierden, was gilt’s? Du wirst diese Welt in Dir finden! Aber habt nicht lieb die Welt! Die Welt nicht lieben, heißt, an ihren Ehren, Reichthümern und Wollüsten keinen Gefallen haben, daß, wenn schon die Begierden darnach sich im Herzen hervorthun, man widerstrebe und sie unterdrücke; heißt einen Haß in dem neuen, guten Herzensgrunde fühlen gegen Alles, was Welt ist, daß, woran man zuvor sein Vergnügen hatte, der Seele nun ein Verdruß sei; heißt endlich in der That nach nichts streben, sinnen und arbeiten, was die Welt geben kann, sondern es vielmehr von sich stoßen und ausschlagen. Thust du das? Niemand kann zweien Herren dienen; wer die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. So viel wir uns von der einen Liebesart ausleeren werden, so viel werden wir uns mit der andern erfüllen. – Ich bekenne es Dir, mein Gott, daß ich leider die Welt auch lieb gehabt habe. Was habe ich damit geliebt? Heu, das verdorret, einen Schatten, der verschwindet, einen Reichthum, den die Diebe stehlen und die Motten fressen, eine Ehre, die in der Schande besteht. O ich thörichter Mensch, daß ich eine so böse, so vergängliche, so verfluchte Welt geliebt habe! Ach, vergieb mir diese Thorheit; und weil ich ja nicht leben kann ohne lieben, so sollst Du, mein Gott und Heiland, der Mittelpunkt und einzige Gegenstand meiner Liebe sein. Du bist allein liebenswerth; Du hast allein da Recht zu unserer Liebe; Du kannst allein das Verlangen unserer Liebe füllen und sättigen. So kehre Du mein Herz ab von der Weltliebe und gieße Deine Liebe aus in mein Herz durch Deinen heiligen Geist, daß ich Dich liebe von ganzem Herzen und von ganzer Seele und von ganzem Gemüthe und von allen Kräften. Bewahre mich vor der halbirten Liebe, die Welt und Dich zugleich lieben zu wollen; sondern nimm Du mein ganzes Herz ein und laß mir allezeit im Herzen und in den Ohren erschallen dies Wörtlein, das Du zu mir sagst: “ganz mein, oder laß es gar sein!„ (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

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