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2. Korinther, Kapitel 11

2. Korinther, Kapitel 11

11:1 Wollte Gott, ihr hieltet mir ein wenig Torheit zugut! doch ihr haltet mir's wohl zugut.

11:2 Denn ich eifere um euch mit göttlichem Eifer; denn ich habe euch vertraut einem Manne, daß ich eine reine Jungfrau Christo zubrächte.

11:3 Ich fürchte aber, daß, wie die Schlange Eva verführte mit ihrer Schalkheit, also auch eure Sinne verrückt werden von der Einfalt in Christo.1)
Es war in der korinthischen Gemeinde über dem partheiischen Anhangen an begabte Lehrer ein Zwiespalt entstanden, 1 Kor. 1,11. Weil aber sowohl Paulus, als auch Apollo und Petrus Christum lauter predigten, so konnte der Zwiespalt nur über der Verschiedenheit ihrer Gaben und ihres Vortrags, und über den Lehrpunkten, die einer von dem andern vorzüglich trieb, entstanden sein. Ob nun gleich Paulus sie wegen dieser und andern Ausschweifungen in seinem ersten Brief bestraft, und von der zanksüchtigen Beobachtung der Lehrer auf Christum gewiesen hatte, so hielt er doch für nöthig, in seinem zweiten Brief noch Einiges nachzuholen, und insonderheit sein Apostelamt ausführlich zu vertheidigen, weil er befürchtete, die Verachtung desselben möchte die Verachtung des von ihm gepredigten Evangeliums nach sich ziehen. Gleichwie er im ersten Brief vornämlich auf diejenigen, die apollisch heißen wollten, seine Absicht gerichtet hatte, also weiset er im zweiten Brief vornämlich diejenigen zurecht, die den Kephas und alle sogenannten hohen Apostel ihm vorziehen wollten, handelt aber dabei weitläufig von seinen Schwachheiten oder Leiden, um ihnen zu bedeuten, daß sie ihn zwar als einen Apostel erkennen, aber auf einen so geplagten elenden Menschen, wie er sei, nicht zum Nachtheil des Glaubens an Christum sehen, folglich nicht auf eine partheiische Weise paulisch heißen sollen. Bei dem Anfang dieser Abhandlung sagt er mit einem großen Ernst: ich fürchte, daß nicht eure Sinnen verrücket werden von der Einfältigkeit auf Christum. Es ist eine sehr zarte Sache um diese Einsichtigkeit, und es sind nicht eben grobe Laster nöthig, um davon abgebracht zu werden, sondern es kann’s ein aufblähendes und kraftloses Wissen, und das partheiische Anhangen an einen jeden Menschen thun. Die Sinnen, von denen Paulus redet, sind geistliche Sinnen oder Fähigkeiten der wiedergebornen Seele, wodurch sie Christum als den einigen Seligmacher erkennen und genießen kann. Eines Lehrers Schuldigkeit ist, nicht sich selber, sondern Christum zu predigen, der übertriebenen Hochachtung seiner zu wehren, und die Zuhörer auf Christum zu weisen, ja Ihm zuzuführen, 2 Kor. 11,2.; der Zuhörer Schuldigkeit aber ist, sich Christo zuführen zu lassen, und Ihm allein anzuhangen. Wer in der Einfältigkeit auf Christum steht, sagt von Herzen: ich rühme mich keines Menschen, sondern des HErrn, 1 Kor. 1,31., ich weiß nichts als Christum den Gekreuzigten, 1 Kor. 2,2. Es ist Alles mein, ich brauche alles zu meiner Förderung: ich aber bin Christi, Christus aber ist Gottes, 1 Kor. 3,22.23. Die Einfältigkeit auf Christum führt bei einer ausgebreiteten Liebe eine genaue Bewahrung des Evangeliums von Christo mit sich, und da sie viele Dinge als Mittel gebraucht, so hält sie doch Christum allein für den Gegenstand ihres Vertrauens, und für die einzige Quelle des Heils. Wenn eine Lehre auch wahr ist, so ist sie doch, wenn sie ein Religionsunterricht sein soll, eine lose Verführung, wenn sie nicht nach Christo ist, Kol. ,8., oder auf Christum weiset, und Alles aus Ihm herleitet. Wer das Gewissen beruhigen will ohne die Gerechtigkeit Christi, und wer die Menschen fromm machen will, und die Frömmigkeit nicht aus dem Tod, Leben und Geist Jesu herleitet, ist entweder ein vorsätzlicher oder ein unwissender Betrüger.(Magnus Friedrich Roos)


Wenn Eva in der Prüfung, welche Gott über sie kommen ließ, wohl hätte bestehen wollen, so hätte sie ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Wort Gottes: von dem Baum des Erkenntnisses Gutes und Böses sollst du nicht essen; denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben, wenden sollen. Sie hätte sich nach diesem Wort demüthig und treulich richten sollen, wenn sie auch nicht gewußt hätte, warum Gott das Essen von diesem Baum ihr und ihrem Mann verboten habe, ja, wenn sie auch nicht deutlich verstanden hätte, was der angedrohte Tod mit allen seinen Folgen sei; denn es konnte ihr genug sein, wenn sie nur wußte, daß er das Gegentheil von dem Leben, und ein großes Uebel sei. Die Schlange aber hat sie mit ihrer Schalkheit verführt, wie sie denn selber hernach sagte: die Schlange betrog mich. Die Schalkheit der Schlange bestand darin, daß sie die Aufmerksamkeit der Eva auf die reizenden und scheinbaren Lügen, welche sie ihr vorsagte, und auf den schönen Baum und dessen Früchte hinlenkte, da dann der Fall in die Sünde schnell erfolgte. Nun sagt Paulus, der diese Geschichte nach ihrem buchstäblichen Sinn anführte, und dadurch die Wahrheit derselben nach diesem Sinn bestätigte: er fürchte, die Sinne der Korinther möchten auf eine gleiche Weise von der auf Christum zu richtenden Einfältigkeit verrückt werden. Die heilige Schrift weiset uns nämlich überall auf den Glauben an Christum, und bezeugt auf’s ernstlichste, daß man dadurch allein die Seligkeit erlange. Sie nennt diesen Glauben auch Zuversicht, Vertrauen, Hungern, Dürsten, Kommen, Aufschauen, Ansehen, Annehmen, Empfangen, Bauen und erbaut werden, und leitet daraus das Gebet, den Frieden mit Gott, das Halten Seiner Gebote, und die Geduld und Hoffnung in dem Leiden her. In diesem Allem soll sich nun ein Christ immer finden lassen. In diesem Element soll er leben und schweben, in dieser Bahn soll er laufen; und dieses ist die auf Christum gerichtete Einfältigkeit. Die Einfältigkeit überhaupt besteht darin, daß ein Mensch, der einen gewissen Zweck vor sich hat, nur auf das Einige aufmerksam ist, das ihm zu diesem Zweck verhelfen kann. Die Bedürfnisse unsers armen Lebens und die gesellschaftlichen Verbindungen, worin wir stehen, nöthigen uns, an Vieles zu denken, oder auf Vieles aufmerksam zu sein, allein wenn wir Frieden und Kraft, Licht und Leben, Gnade und Wahrheit, Freiheit und Seligkeit suchen, so ist nur Einer, der mir dazu verhelfen kann, nämlich Christus. Ich habe also nur auf Einen zu sehen, nämlich auf Christum, nur an Einen zu glauben, nur Einem anzuhangen, nur in Einem erfunden zu werden, nämlich in Christo. Der Vater und der Heilige Geist sind freilich nicht ausgeschlossen, denn die drei himmlischen Zeugen, der Vater, das Wort und der Heilige Geist, sind Eins, und der Vater ist in Christo und Christus in dem Vater, auch ist der Heilige Geist der Geist des Vaters und des Sohnes. Uebrigens ist Christus insbesondere der einige Mittler zwischen Gott und den Menschen, der einige Weg zum Vater, der einige Fürsprecher bei dem Vater, und nach diesem Verhältniß hält sich der Glaube an Ihn allein. Johannes ruft uns zu: Kindlein, bleibet bei Ihm, auf daß, wenn Er offenbaret wird, wir Freudigkeit haben, und nicht zu Schanden werden vor Ihm in Seiner Zukunft. 1 Joh. 2,28.(Magnus Friedrich Roos)


So schreibt der Apostel 2 Cor. 11, 3. Wir sind oft ohne Furcht und Besorgniß, weil wir entweder gar nicht merken, was geschieht, oder in dem, was geschieht, das Gefährliche nicht sehen. Da ist es eine Wohlthat, wenn ein Gerechter uns freundlich schlägt und weckt mit Bezeugung seiner Furcht und Besorgniß unsertwegen. Von der Einfältigkeit, die unsere Mutter Eva sprechen lehrte: „Wir essen von den Früchten der Bäume im Garten; aber von den Früchten des Baumes mitten im Garten hat Gott gesagt: esset nicht davon, rührt's auch nicht an, daß ihr nicht sterbet!“ - von dieser Einfältigkeit wurden ihre Sinne unversehens verrückt. Sie schämte an, daß von dem Baum gut zu essen wäre, und lieblich anzusehen, daß es ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte; und nahm von der Frucht, und aß, und gab ihrem Manne auch davon und er aß. Wodurch unsere Eltern steigen wollten, dadurch sielen sie. Was sie durch Hintansetzung des Wortes Gottes gewinnen wollten, gewannen sie nicht nur nicht, sondern verloren auch, was sie hatten. Lasset uns nicht sicher sein, sondern uns fürchten, daß nicht also auch unsere Sinne verrücket werden von der Einfältigkeit in Christo. Wenn wir wissen, daß in keinem andern Heil ist, als in Christo; daß Christus alles in allem ist, daß er uns von Gott gemacht ist zur Weisheit, und zur Gerechtigkeit, und zur Heiligung und zur Erlösung; daß er als der einige Mittler zwischen Gott und den Menschen selig machen kann alle, die durch ihn zu Gott kommen, und also unseres Heiles Anfang, Fortgang und Vollendung darin steht, daß wir zu ihm kommen, ihm anhangen und ihm nachfolgen; dann lasset uns auch als solche verhalten, die das wissen. Lasset uns mit ganzem Herzen an Christo sein, und uns an seiner Gnade genügen. Unsere Weisheit sei die, daß wir wissen, was uns von Gott in Christo gegeben ist; unsere Gerechtigkeit sei die, welche durch den Glauben an Christum kommt; unsere Heiligung sei die, daß wir in ihm und durch ihn viel Frucht bringen; und unsere Erlösung sei die, daß er uns einmal erlöset von allem Uebel und uns hilft zu seinem himmlischen Reiche, da wir ganz sein Eigenthum sein werden zu Lobe seiner Herrlichkeit. Nicht die vielfache Sorge und Mühe für das Leibliche verrücke deine Sinne von der Einfältigkeit in Christo. Denn Eins ist Noth, und das gehet allem anderen vor. Nicht der Ungläubigen Hin- und Hemden über und wider Christum mache dich irre an ihm. Selig bist du, wenn du aus Erfahrung seiner Kraft sagen kannst: „Was ihr wissen wollet, das weiß ich nicht; eins weiß ich wohl, daß ich blind war und bin nun sehend.“ Kurz, achte du alles, wie es auch heiße und gleiße, gegen der überschwänglichen Erkenntniß Christi für Schaden. Der Friede Gottes, welcher höher ist denn alle Vernunft, bewahre dir Herz und Sinne in Christo Jesu. Gnade sei mit dir und mit allen, die da lieb haben unsern Herrn Jesum Christ unverrückt. Amen.(Carl Johann Philipp Spitta)

11:4 Denn so, der da zu euch kommt, einen andern Jesus predigte, den wir nicht gepredigt haben, oder ihr einen andern Geist empfinget, den ihr nicht empfangen habt, oder ein ander Evangelium, das ihr nicht angenommen habt, so vertrüget ihr's billig.

11:5 Denn ich achte, ich sei nicht weniger, als die „hohen “ Apostel sind.

11:6 Und ob ich nicht kundig bin der Rede, so bin ich doch nicht unkundig der Erkenntnis. Doch ich bin bei euch allenthalben wohl bekannt.

11:7 Oder habe ich gesündigt, daß ich mich erniedrigt habe, auf daß ihr erhöht würdet? Denn ich habe euch das Evangelium Gottes umsonst verkündigt

11:8 und habe andere Gemeinden beraubt und Sold von ihnen genommen, daß ich euch predigte.

11:9 Und da ich bei euch war gegenwärtig und Mangel hatte, war ich niemand beschwerlich. Denn mein Mangel erstatteten die Brüder, die aus Mazedonien kamen, so habe ich mich in allen Stücken euch unbeschwerlich gehalten und will auch noch mich also halten.

11:10 So gewiß die Wahrheit Christi in mir ist, so soll mir dieser Ruhm in den Ländern Achajas nicht verstopft werden.

11:11 Warum das? Daß ich euch nicht sollte liebhaben? Gott weiß es.

11:12 Was ich aber tue und tun will, das tue ich darum, daß ich die Ursache abschneide denen, die Ursache suchen, daß sie rühmen möchten, sie seien wie wir.

11:13 Denn solche falsche Apostel und trügliche Arbeiter verstellen sich zu Christi Aposteln.

11:14 Und das ist auch kein Wunder; denn er selbst, der Satan, verstellt sich zum Engel des Lichtes.

11:15 Darum ist es auch nicht ein Großes, wenn sich seine Diener verstellen als Prediger der Gerechtigkeit; welcher Ende sein wird nach ihren Werken.

11:16 Ich sage abermals, daß nicht jemand wähne, ich sei töricht; wo aber nicht, so nehmet mich als einen Törichten, daß ich mich auch ein wenig rühme.

11:17 Was ich jetzt rede, das rede ich nicht als im HERRN, sondern als in der Torheit, dieweil wir in das Rühmen gekommen sind.

11:18 Sintemal viele sich rühmen nach dem Fleisch, will ich mich auch rühmen.

11:19 Denn ihr vertraget gern die Narren, dieweil ihr klug seid.

11:20 Ihr vertraget, so euch jemand zu Knechten macht, so euch jemand schindet, so euch jemand gefangennimmt, so jemand euch trotzt, so euch jemand ins Angesicht streicht.

11:21 Das sage ich nach der Unehre, als wären wir schwach geworden. Worauf aber jemand kühn ist (ich rede in Torheit!), darauf bin ich auch kühn.

11:22 Sie sind Hebräer? Ich auch! Sie sind Israeliter? Ich auch! Sie sind Abrahams Same? Ich auch!
Wir begegnen hier einem persönlichen Anspruch und einem solchen, der des Nachweises bedarf. Der Apostel Paulus wusste, dass sein Anspruch unbestreitbar war; es gibt ihrer aber viele, die kein Recht auf diesen Namen haben und dennoch zum Israel Gottes gerechnet sein wollen. Wenn wir nachweisen können, dass wir Jesu nachfolgen; wenn wir von ganzem Herzen sagen können: „Ich vertraue ganz auf Ihn, ich vertraue einzig auf Ihn, ich vertraue einfältig auf Ihn, ich vertraue jetzt auf Ihn, und ich vertraue ewig auf Ihn,“ dann haben wir ein Recht auf die Stellung, welche die Heiligen Gottes einnehmen: alle ihre Freuden sind unser Eigentum; wir können wohl die Geringsten in Israel sein, geringer als die „Allergeringsten unter allen Heiligen;“ wenn aber die Gnadengüter Gottes den Heiligen „als Heiligen“ zugehören, und nicht als vorzüglichen Heiligen, oder erkenntnisreichen Heiligen, so dürfen wir dennoch getrost und zuversichtlich sagen: „Sind sie Ebräer? ich auch; darum sind die Verheißungen mein, die Gnade ist mein, so wird mir auch die Herrlichkeit zufallen.“ Wenn wir diesen Anspruch mit Recht erheben dürfen, so gewährt er uns großen Trost. Wenn Gottes Kinder sich darüber freuen, dass sie sein Eigentum sind, welche Seligkeit für mich, dass ich sagen darf: „Ich auch!“ Wenn sie von ihrer Vergebung, von ihrer Rechtfertigung, von ihrer Gotteskindschaft in dem Eingebornen und Geliebten reden, wie darf ich dann so freudig antworten: „Durch Gottes Gnade besitze das alles ich auch.“ Aber dieser Anspruch hat nicht nur seine Freuden und Vorzüge, sondern auch seine Pflichten und Bedingungen. Wir müssen uns zum Volk Gottes halten im Schatten der Wolken wie im Sonnenschein. Wenn wir hören, dass man mit Spott und Verachtung spricht von denen, die Christo angehören, so müssen wir unverzagt hervortreten und sagen: „Deren einer bin ich auch.“ Wenn wir sehen, wie sie um Christi willen arbeiten, ihre Zeit, ihre Kraft, ihr ganzes Herz Jesu hingeben, so müssen wir sagen können: „Das tue ich auch.“ Ach, beweisen wir doch unsre Dankbarkeit mit unsrer Hingebung, und leben wir als solche, welche auf Grund ihres himmlischen Bürgerrechts gern die mit demselben verbundene Verantwortlichkeit auf sich nehmen. (Charles Haddon Spurgeon)

11:23 Sie sind Diener Christi? Ich rede töricht: Ich bin's wohl mehr: Ich habe mehr gearbeitet, ich habe mehr Schläge erlitten, bin öfter gefangen, oft in Todesnöten gewesen;

11:24 von den Juden habe ich fünfmal empfangen vierzig Streiche weniger eins;

11:25 ich bin dreimal gestäupt, einmal gesteinigt, dreimal Schiffbruch erlitten, Tag und Nacht habe ich zugebracht in der Tiefe des Meers;

11:26 ich bin oft gereist, ich bin in Gefahr gewesen durch die Flüsse, in Gefahr durch die Mörder, in Gefahr unter den Juden, in Gefahr unter den Heiden, in Gefahr in den Städten, in Gefahr in der Wüste, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter den falschen Brüdern;

11:27 in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in viel Fasten, in Frost und Blöße;

11:28 außer was sich sonst zuträgt, nämlich, daß ich täglich werde angelaufen und trage Sorge für alle Gemeinden.

11:29 Wer ist schwach, und ich werde nicht schwach? Wer wird geärgert, und ich brenne nicht?

11:30 So ich mich ja rühmen soll, will ich mich meiner Schwachheit rühmen.
Wie findet mich das neue Jahr? Bin ich stark? Ich kenne meine Schwachheit und sehe wohl, was mich von innen und von außen hemmt. Paulus hat sich seiner Schwachheit gerühmt. Er vollbringt aber in seiner Schwachheit sein apostolisches Amt, den Dienst des Geistes und der Gerechtigkeit, und er empfängt durch seine Schwachheit deshalb Ruhm, weil sie ihm selbst und allen sichtbar macht, dass er seinen Dienst von Gott hat, nicht nach seinem eigenen Willen und nicht gestützt auf seine eigene Kraft, und dass er sein Amt nicht für sich selbst verwaltet, sich selber zur Befriedigung und Verherrlichung. Darum zog er seine Schwachheit allem vor, was ihm Ruhm bereiten konnte, weil er auf diese Weise allen wahrnehmbar macht, dass seine Kraft nicht die seine ist, sondern die Gottes und sein Erfolg nicht durch ihn entsteht, sondern Gottes Gabe ist. Wenn aber Paulus im Bewusstsein seiner Schwachheit die Waffe erhielt, die ihn gegen alle Selbstgefälligkit schützte, brauchen nicht wir alle diesen Schutz in verstärktem Mass? Hemmungen von innen und von außen wird mir die kommende Zeit reichlich bringen. Sie bringt sie mir, damit mein Blick nicht bei meiner Größe, meiner Begabung und meinem Fleiß verweile und der Blick der anderen nicht an meinem Vermögen hafte. So würde aus dem neuen Jahr kein Jahr des Heils, kein aufwärts führender Gang. Der Blick muss aufwärts steigen zu dem, zu dem wir beten: „Dein ist die Kraft und die Herrlichkeit.“
Auch in dem, was mich schwächt, zeigt sich, Vater, Deine gnädige Hand. Es ist Dein Wille, dass ich auf Dich schaue und mich an Dich halte. Dazu dient mir, was Du mir gibst und was Du mir versagst, was ich durch Deine Güte habe und was mir fehlt. So darf ich Dir für alles danken, was die kommende Zeit mir bringen wird. Dein Name sei gelobt. Amen. (Adolf Schlatter)


Von dem Nautilus, einem Schaltier, erzählen die Naturforscher, daß er, in Gefahr geraten, seine Schalen fest zusammenklappt und sich dann bis auf den Grund des Meeres fallen läßt. Das ist alles, was man zum Ruhm seiner Verteidigung sagen kann: er ist zu schwach, sich zu verteidigen, aber stark genug, sich in Sicherheit auf den Meeresboden fallen zu lassen. Ähnlich ging es uns in manchen Nöten und Gefahren schon, daß wir zum Eingeständnis unserer Schwachheit die Verteidigung aufgaben und uns einfach mit geschlossenen Augen in Gottes Hände fallen ließen. „So, jetzt mag kommen, was will - ich bin dein!“ - Dann kann es dahin kommen, daß man sich seiner Schwachheit rühmt, die einen vor viel Jammer und Torheit auf den eigenen Wegen bewahrt hat. Natürlich nur die Schwachheit, die sich in Gottes starke Hände flüchtet! Was sie rühmt, ist ja nur, daß sie schnell bereit gewesen ist, sich ganz und gründlich von dem helfen zu lassen, dessen Kraft sich erst vollendet, wenn der Mensch seine ganze Ohnmacht fühlt und eingesteht.
Herr, vergib mir manche eigene Bemühung, mich zu verteidigen; denn da machte ich dir nur Schande und mir keinen Ruhm. Erinnere mich daran, wenn neue Stürme kommen, daß ich schnell mich ganz in deine Hände fallen lasse; denn du sorgst für uns! Du wirst es wohlmachen. Amen. (Samuel Keller)

11:31 Gott und der Vater unsers HERRN Jesu Christi, welcher sei gelobt in Ewigkeit, weiß, daß ich nicht lüge.

11:32 Zu Damaskus verwahrte der Landpfleger des Königs Aretas die Stadt der Damasker und wollte mich greifen,

11:33 und ich ward in einem Korbe zum Fenster hinaus durch die Mauer niedergelassen und entrann aus seinen Händen.
Es ist oft beklagt worden, daß wir vom Leben der edelsten Gottesmänner, deren Namen die Bibel uns aufbehalten hat, so gar sparsame und kärgliche Nachrichten haben. Auch hier müssen wir uns unter die Weisheit Gottes demüthigen und an dem, was da ist, uns begnügen lernen. Aber auch schon das Wenige, das uns mitgetheilt ist, bietet dem sinnigen Beschauer Stoff genug dar, um die Weisheit der Wege Gottes zu bewundern und Glauben, Beduld, Hoffnung daran zu stärken. Lesen wir das obige Lebensgemälde des Apostels Paulus, so sehen wir eine Reihe der schmerzlichsten Entbehrungen und Opfer, so viel Angst und Noth, Sorge und Arbeit, Schweiß und Blut, die es blos diesem einen Kämpfer gekostet, und stehen auf einem Saatfeld, das mit vielen heißen Thränen begossen, mit vielen heißen Gebeten eingeweiht worden ist: muß uns das nicht dankbarer machen für den kostbaren Besitz dessen, was jene großen Vorkämpfer uns so sauer errungen, so treu behauptet haben? müssen wir uns nicht anklagen der weichlichsten Leidensscheue und Kreuzflüchtigkeit vor Gott und Menschen, diesen wackern und muthigsten Glaubenshelden gegenüber? müssen wir nicht von ihnen lernen, in den Sorgen und Zerstreuungen, im Gewühl und Geräusch unsers Tagewerks uns nicht aus der Fassung bringen, uns nicht verrücken zu lassen vom nüchternen Blick nach dem himmlischen Kleinod, die Hand zwar am Pfluge der irdischen Arbeit, aber das Herz im Himmel zu haben? müssen wir nicht den Trost herzhaft ergreifen, daß, wenn Christi Kraft in jener Schwachheit mächtig gewesen ist, also daß sie sagen konnten, unter den äußern Kämpfen und den innern Anfechtungen: „In dem Allen überwinden wir weit um deßwillen, der uns geliebt hat; daß nur Er an mir hochgepriesen werde, es sei durch Leben oder Tod!“ daß Er auch bei uns ist auf dem Plan mit seinem Geist und Gaben, und die Schwachen noch immer stark, die Zaghaften getrost, die Blöden unerschrocken und die Elenden herrlich macht? Sei das der Segen dieser Abendbetrachtung! In Jesu Namen. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Nach menschlichem Ermessen war es mit Paulus aus, als die Tore von Damaskus bewacht wurden, damit er ja nicht entwische, und der mächtige Araber seine Mannschaft aufbot, damit es diesmal ganz sicher gelinge, Paulus zu töten. Dennoch entkam er. Freilich verließ er sein erstes Arbeitsfeld, auf das er gleich nach seiner Bekehrung mit der Schwungkraft der ersten Liebe getreten war, nicht öffentlich am hellen Tag wie ein Sieger, begleitet mit einer großen, ihm dankenden Schar, sondern in größter Heimlichkeit vom Dunkel der Nacht geschützt in einem Korb über die Hauer hinab. Dennoch verließ er die Stadt ungebrochen, ganz eins mit der Führung seines Herrn, ohne Murren, und fähig, sich daran zu freuen, dass seine Arbeit in Damaskus in dieser Weise ihr Ende gefunden hatte. Unvergänglich bewahrte er diese Erinnerung in seiner Seele und hatte an ihr den Grund zu einem nie verklingenden Ruhm. Suchen wir Menschen nicht immer den Erfolg? Reden wir nicht von schweren Schicksalen und dunklen Führungen, wenn sich unüberwindliche Hindernisse vor uns auftürmen? Stell dich, Herz, in Gottes Licht. Dann siehst du seine gnädige Hand auch da, wo du bereit bist, von Zusammenbruch, Niederlagen und Ruinen zu reden. Dadurch wird dir Gott sichtbar, dass er auch dann Mittel und Wege hat, wenn die Tore verschlossen sind, und sein Werk vorwärts führt, auch wenn ein starker Araber gegen ihn seine Fäuste ballt.
Vieles, was unseren Stolz stärkte, fiel, Herr, in Trümmer und deine Schar musste schon manche Hoffnungen begraben. Um eines bitte ich Dich; bewahre mich davor, dass ich murre. Deine Gnade ist jeden Morgen neu. An Deiner Hand führt mich mein Weg zum Ziel, nicht zu meinem Ziel, das mir am Herzen liegt, aber zu Deinem, an dem sich Deine Gnade offenbart. Amen. (Adolf Schlatter)

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