Spieker, Christian Wilhelm - Christliche Morgenandachten auf alle Tage des Jahres - September.

Am 1. September.

„Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.“ Jes. 40, 30.

Die hoffende Seele bekommt göttliche Stärke, die aus Gott durch die Hoffnung in's Herz herabfließt, ihre Kräfte verjüngen sich, wie ein Adler alljährlich sich verjünget, daß sie rüstig ihren Lauf vollbringt und ihr Werk mit Freuden thut, daß sie alles Kreuz geduldig trägt und durch den Glauben überwindet. Die Seele, die auf den Herrn harret, hangt an Gottes Allmacht, der kein Ding unmöglich ist, an seiner Weisheit, die Alles zum Besten lenkt, an seiner Gnade, die nimmer wankt noch weicht.

Und solche Hoffnung wird nie zu Schanden, auch in trüben Kummertagen nicht. Sie ist nicht wie ein Wasserschaum, der vom Ungewitter zerstäubt, nicht wie ein Rauch, der vom Winde hin und her zerstreut wird. Sie weiß gewiß, daß Gott seine Verheißung treulich erfüllen wird, ist's nicht in der Zeit, so doch in der Ewigkeit. -

Als der große Kriegsheld Alexander von Makedonien mit seinem Heere gegen das mächtige Perserreich aufbrechen wollte, verschenkte er all seine Güter an seine Freunde und Diener, und als ihn einer der Letzteren fragte, was er denn nun für sich selbst behalten wolle, antwortete er: „Meine Hoffnung!“ Und die Hoffnung hat ihn nicht betrogen; er hat sich ein Weltreich erobert. -

Ist nun weltliche, menschliche Hoffnung einem Heiden, der Gott den Herrn nicht kannte, so viel gewesen, was sollte nicht die christliche Hoffnung einem Menschen sein, der von Herzen an Gott glaubt? In Armuth und Mangel kann er seine Augen aufheben und sprechen: „Ich hoffe auf den getreuen Gott, denn er kann des Armen nicht ganz vergessen, und die Hoffnung des Elenden kann nicht verloren sein ewiglich.“ (Ps. 9, 19.) In Spott und Verachtung kann er sich trösten mit dem Wort: „Ich hoffe auf den Herrn, der da ist mein Hort und mein Schirm, der mich decket, wenn sich auch Tausende wider mich legen.“ (2. Sam. 23, 3.) In Gefahr und Noth kann er sich aufrichten und bekennen: „Ich hoffe auf den Herrn, dessen Hand nicht verkürzet ist.“ (Jes. 59, 1.) Bei dem Leid über die Sünde ruft er voll Zuversicht: „Ich hoffe auf den gnädigen, barmherzigen Gott, der da vergiebt Missethat und Uebertretung.“ (Ps. 78, 38.) Im Angesicht des Todes und seiner Schrecken kann er siegesgewiß sprechen: „Ich hoffe auf den Herrn, der da hilft und auch vom Tode errettet.“ (Ps. 68, 21.) Ja, die den Herrn kennen, deren Hoffnung ist besser, als der Welt haben, deren Erwarten gewisser, als der Welt besitzen, deren Traurigkeit erquickender, als der Welt Freude, deren Dornenkrone glänzender, als der Welt Ehrenkrone, deren Tod lieblicher, als der Welt Leben.

Meine Hoffnung läßt mich nicht,
Alles mag mich sonst verlassen:
Ruht mein Herz in Gott und spricht:
Ich will ihn getrost umfassen,
Ach, so hab' ich Trost und Heil,
Jesus ist der Seele Heil.

Amen!

Am 2. September.

„Auf dich, Herr, Herr, sehen meine Augen, ich traue auf dich.“ Ps. 144, 8.

In deinem Namen, Jesu Christ,
Steh' ich vom Lager auf;
Zu dir, der allenthalben ist,
Richt' ich mein Herz hinaus.
Nun wartet wiederum auf mich
Viel Arbeit, Sorg' und Müh';
O lieber Herr, ich bitte dich,
Lehr' mich vollenden sie!

O lehr' mich thun nach deinem Sinn
Das kleinste, größte Werk;
Sei, wenn ich im Gedränge bin,
Nur du mein Augenmerk.
Du siehest, Herr, ich habe nicht
Zum Beten lange Zeit;
Doch du verstehst's, wenn's Auge spricht;
Ach, Herr, ich bin im Streit!

Ja, stärke, Herr, mich in dem Streit
Mit dem, was dir mißfällt!
Ich werde wieder singen heut',
Wenn deine Hand mich hält.
Und drängt mich der Geschäfte Last,
Will ich entlaufen dir:
Der du den Sturm gestillet hast,
Still' auch den Sturm in mir!

Lehr' mich in Allem dich versteh'n,
Nur seh'n auf deinen Wink;
Heißt du mich auf den Wegen geh'n,
So halt' mich, wenn ich sink'!
Ach laß im Sinken, Herr, mich nicht!
Du weißt ja, ich bin dein;
Und wenn mir's heut' an Muth gebricht,
So ruf' mir: Du bist mein!

Amen!

Am 3. September.

Segne heut' mein Thun und Lassen,
Segne Alles, was ich hab';
Laß mich von der Tugend Straßen,
Nimmer, nimmer weichen ab;
Stärk' mich durch den heil'gen Geist
In dem Glauben allermeist,
Daß ich endlich selig sterbe
Und das ew'ge Leben erbe.

„Es heilt sie weder Kraut noch Pflaster, sondern dein Wort, Herr, welches Alles heilet.“ (Weish. 16, 12.) O, daß ich's nie vergessen möchte, daß alle gute Gabe von oben her kommt, daß an Gottes Segen Alles gelegen, daß er der Helfer in der Noth, der Tröster im Unglück ist. Das Brod nährt mich wohl, aber durch Gottes Kraft; der Wein erquicket mich wohl, aber durch Gottes Freundlichkeit; das Kraut heilet mich wohl, aber durch Gottes Segen. So oft mir deshalb Speise und Trank wohlschmeckt, so oft ich von Herzen froh bin, so oft mir etwas Liebes und Gutes geschieht, so soll der Blick dankend gen Himmel gerichtet sein. Gott ist's ja doch, der zu Allem Kraft und Gedeihen geben muß.

Wie thöricht, wenn die Menschen glauben, mit ihrer Kunst und Weisheit, mit ihrem Fleiß und Eifer sei's gethan! Müssen wir's nicht oft erfahren, wie schwach unser Wille, wie ohnmächtig unsere Kraft, wie gebrechlich unser Werk ist! Wir meinen oft, Alles wohl bedacht und gut geordnet zu haben, so daß ein Werk, an das wir alle unsere Kräfte setzen, gelingen müsse; aber da kommen Hindernisse, an die wir nicht gedacht, Gefahren, die wir nicht geahnet, Schwierigkeiten, die wir nicht zu beseitigen vermögen. Wir müssen es recht lebhaft erkennen und bekennen: „An Gottes Segen ist Alles gelegen!“ Darum will ich die Mittel, die mir Gott zu meiner Erhaltung, Ernährung und Genesung darbietet, weise und dankbar gebrauchen; aber mein Vertrauen auf den Herrn setzen und zu allem Guten von ihm das Beste erwarten. „Sie werden essen und nicht satt werden!“ sagt der Prophet Hosea 4, 10. Und so ist's mit Denen, die ohne Dank und Gebet, ohne den Ausblick nach oben, ohne den Beistand des Höchsten leben und wandeln und ihr Werk ohne Gott treiben. Sie essen, ohne satt zu werden; sie laufen, ohne vorwärts zu kommen; sie suchen und finden nichts; sie mühen sich ab und kommen zu nichts. Behüte mich, Gott, vor einem solchen trostlosen Leben, und erfülle mich mit deiner heiligen Nähe. Gieb mir ein dankbares Herz und laß mich schmecken und sehen deine Freundlichkeit. Amen!

Am 4 September.

Ach, gieb mir, treues Vaterherz,
Daß alle Sünden, Angst und Schmerz
Mit dieser Nacht vergehen;
Daß ich in deiner Lieb' und Huld
Auch jetzo möge, frei von Schuld,
Neu geistlich auferstehen!
Laß mich
Christlich
Diesen Morgen trachten, sorgen, dir zu leben,
Jesu ganz mich hinzugeben.

Herr Jesu, leite meinen Gang,
Daß ich heut' und mein Lebenlang
Nach deinem Willen walle.
Auf deinem Herzen trage mich,
Mit meinem Geist vereine dich,
Daß ich nicht irr' und falle.
Ach gieb
Antrieb,
Deine Wunden alle Stunden zu betrachten,
Und die Welt für Nichts zu achten.

Getreuer Gott und Vater, dir sei Preis für alle deine Güte, daß du mich hast ruhen lassen unter dem Schatten deiner Flügel. Laß mich desto mehr die künftige Zeit über zu deiner Liebe erweckt werden, daß ich nicht begehre zu leben ohne in dir, und was ich noch lebe, im Glauben deines Sohnes lebe, ja daß er mein wahres Licht und Leben werde, hiezu übergebe ich mich dir voll Neuem in deine Reinigung und Regierung, Laß durch den Glauben Christum in meinem Herzen wohnen, daß er die Früchte des Glaubens in mir wirke, als Liebe, Hoffnung, Demuth, Sanftmuth und Geduld. Lehr mich keine Lust verlangen als deine Liebe, keinen Vortheil, als die Schätze deiner Gnade, keine Ehre, als deine Kindschaft.

Für das Zeitliche laß mich nicht ängstlich sorgen, denn du wirst mich nicht verlassen noch versäumen. Heilige und benedeie das Werk meiner Hände, und neben mir Alle, die dich suchen. Ja, breite deine Barmherzigkeit über alle Menschen aus, und rette Jeden von dem Verderben, worin er gefangen ist öder das ihn bedroht, vornehmlich die Feinde deiner Wahrheit. Insbesondere empfehle ich deiner Leitung alle die Meinigen, auch meine Obern und Vorgesetzten. Erbarme dich des Mangels und des Bedarfs in allen Ständen und mache der Bosheit und den Aergernissen ein Ende. Hilf allen Nothleidenden und Kranken, und sei uns allen gnädig, daß du uns deinen Frieden gebest im Namen Jesu! Amen.

Am 5. September.

„Ein Tag in deinen Vorhöfen ist besser, denn sonst tausend.“ Ps. 84, 11. In dies Psalmenwort stimmen alle Herzen ein, die an dem Hause Gottes ihre Freude haben und wohl wissen, was für ein heiliges, schönes, gesegnetes Vorrecht sie damit überkommen. Wenn wir die Woche hindurch ein Jeglicher in seinem Hause, auf seinem Acker, in seinem zeitlichen Amte und Geschäfte gewirkt haben; wenn die ganze Woche hindurch vornehmlich die irdische Sorge uns dahingenommen und beschäftigt hat: da rufet uns nun am lieben Sonntage der Hall der Glocken in ein Haus, das Allen gemeinsam ist, zu einem Geschäfte, das Alle auf gleiche Weise zu treiben haben; im Hause Gottes werden wir uns immer wieder auf's Neue bewußt, daß wir Eins sind in dem Herrn, Einen Glauben haben und Eine Taufe und Einen Gott und Vater unser Aller, der da ist in uns allen und über uns allen und durch uns alle.

Wer will ihn aussagen den Segensreichthum, der im Gotteshanse jeder Seele zu Theil wird, die der Herr in der heiligen Taufe zu seinem Eigenthum erwählt und auf seine Heilandsarme genommen hat, die er an seinem Tische speiset und tränket mit seinem Fleisch und Blut im heiligen Mahle, und die mit der Samuelsbitte: „Rede, denn dein Knecht höret,“ den Mahnungen zur Buße, zum Glauben, zur Wachsamkeit, zum Fleiß in der Heiligung lauschet! - Voll tiefen Leides über unsere Untreue, Trägheit, Schwachheit und Ungeduld kommen wir zum Hause des Herrn und suchen die Vergebung des barmherzigen Gottes und Heilandes. Da hören wir denn von heiliger Stätte, wie er vordem Petri Thränen abgewischt, und die reuige Sünderin zu Gnaden angenommen, wie der Zöllner gerechtfertigt hinabgeht in sein Haus, und dem Zachäus Heil widerfährt, wie der verlorne Sohn mit Freuden aufgenommen und der Schächer noch in der letzten Stunde aus den Fluthen des ewigen Todes gerettet wird. Und gläubig können wir sprechen: Das gilt auch mir, all meine Sünden sind mir um Christi willen vergeben, denn auch für mich ist er am Kreuze gestorben und hat eine ewige Erlösung erfunden. Und dann wandelt sich unser Schmerz in Wonne, unsere Klage in Lobgesang.

Oder die Sorge um die Nothdurft und Nahrung des Leibes und Lebens liegt uns schwer auf dem Herzen. Da führt uns die Predigt des Wortes hin zu den Vögeln unter dem Himmel, die nicht säen, nicht ernten, auch nicht in die Scheuern sammeln, und die der himmlische Vater doch nähret; führt uns hinaus zu den Lilien des Feldes, die nicht arbeiten, auch nicht spinnen, und die doch herrlicher dastehen, als Salomo in seinem Königsschmuck. Da hören wir von der wunderbaren Speisung der Tausende in der Wüste, hören von dem Menschensohn, der in den Tagen seines Fleisches nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegte, von dem rechten Vater über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden. Und freudig heben wir unsere Augen auf zu dem Geber aller guten und vollkommenen Gabe.

Oder die letzte Nöth macht uns bange. Im Hause des Herrn lernen wir Den kennen, der dem Tode die Macht genommen und Leben und unvergänglich Wesen an's Licht gebracht hat. Da verliert der Tod seine Schreckensgestalt, er ist uns ein Schlaf, ein Hingang zum Vater, ein Eingang in die ewigen Friedenshütten.

Gottes Haus ist eine Stätte des Gebetes, eine Schule des heiligen Geistes, ein Kämmerlein stiller Selbstprüfung, ein Vorhof des Himmels, ein Abbild des Vaterhauses, in welchem noch eine Ruhe vorhanden ist dem Volke Gottes, eine Stätte, wo manche Sorge vom Herzen gewälzt, manches heilige Gelübde gesprochen und manches Samenkörnlein aufgenommen wird, eine Stätte, wo wir unser Herz finden, unser arges, trotziges, verzagtes Herz, aber auch dein Herz, dein treues, weites, liebes Herz, Herr unser Gott und Heiland. Amen.

Am 6, September.

Gieb, daß keiner meiner Tage,
Vater meiner Lebenszeit,
Einst mich im Gericht verklage,
Er sei ganz von mir entweiht.
Auch noch heute wacht' ich auf;
Herr, mein Gott, zu dir hinauf
lasse jeden Tag mich leiten,
Mich zur Ewigkeit bereiten.

„Ich gehe oder liege, so bist du um mich.“ Ps. 139, 3.

Wir denken bei Allem immer an das Nächste. Wer kann uns näher sein als Gott, in dem, wir leben, weben und sind, der uns näher ist, als wir uns selbst sind, dessen Odem unser Leben erhält. Wir wählen vor allen Dingen das Wichtigste. Kann aber ein Gegenstand oder eine Angelegenheit wichtiger für uns sein, als Gott, sein heiliger Wille und unser Verhältniß zu ihm? Kann irgend ein Werk des Lebens wichtiger sein, als das uns von Gott anbefohlene: „ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr euer Gott!“ Diese Aufgabe bleibt jedoch unseres Daseins ewiger Mittelpunkt. Auf das Liebste richtet das Herz seine Neigung. Kann aber unser Herz mit seiner ganzen vollen Liebe Jemand anders gehören, als Gott dem Herrn? Kann das dankbare Herz früher einen andern Namen nennen als den Namen des Allerhöchsten? Können wir uns zu einem andern Wesen mit solchem unbedingten Vertrauen, mit solcher Selbstverläugnung und willigem Gehorsam hinwenden, als zu Ihm, der der rechte Vater ist über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden?

So soll denn auch auf der Tafel des neuen Tages kein anderer Name obenan stehen, als der Name Gottes. Die Erstlinge meines Geistes und Herzens sollen dem Herrn als Opfer dargebracht werden. Frisch wie der Morgenthau soll meine Seele mit dem Odem des Allmächtigen erquickt werden. Dann mit Gott an das Tagewerk, an alle Geschäfte und Sorgen, an alle Freuden und Leiden, an alle Gefahren und Nöthen. Ist Gott mit mir, wer will wider mich sein? Es soll mir den ganzen Tag über ein rechter Ernst sein um das Leben in Gott, um das Festhalten an Gott, um das Achten auf seine Gebote und Wege, um das Arbeiten und Kämpfen, um das Dulden und Ueberwinden, um das Empfangen und Entbehren mit Gott und um seinetwillen. Wie ich denn den Tag anfange mit Gott, so soll er auch mit ihm beschlossen werden.

Am Herrn hängt ´meine Seele,
Fest hält mein Glaube ihn;
Er ist's, den ich erwähle,
Ihn, ihn nur sucht mein Sinn.
Sein Herze steht mir offen,
Zu aller Zeit und Stund',
Hier ankert sich mein Hoffen,
Hier faßt mein Glaube Grund.
Amen!

Am 7. September.

„Bete und arbeite!' Dies sind die beiden goldenen Worte, welche unsere Väter so hoch in Ehren hielten, in welchen sie den Schlüssel wahrer Lebensweisheit, die sichere Schutzwehr gegen Unrecht und Sünde und die beste Anweisung zu einem Gott wohlgefälligen Wandel zu finden glaubten. Sie schrieben diese Worte über ihre Thüren und gruben sie in ihre Herzen. Gottes Segen, meinten sie, müsse ihre Arbeit begleiten, sonst fruchte und gedeihe sie nicht. Und um des Segens Gottes gewiß zu werden, schlossen sie weiter, müßten sie zu ihm beten, ihres Herzens Wünsche in kindlichem Flehen, mit demüthiger Ergebung ihm vortragen. Sie gedachten der Paulinischen Ermahnung: „in allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ Philipp. 4, 6. Wir beten auch, denn wer könnte ohne Gott leben, wem entschlüpfte nicht fast unwillkürlich ein frommer Seufzer, der seines Herzens geheimste Gedanken und Wünsche dem Höchsten zutrüge! Aber beten wir auch so gern, so oft, so anhaltend, so inbrünstig, mit solcher Zuversicht und Glaubenskraft, wie unsere Väter? Ach, der Eifer unserer Zeit ist erkaltet gegen dieses herrliche Mittel der Andacht, der Erhebung, des Trostes, der Tugend und Gottseligkeit. Haben doch die Bettage und Betstunden, der Ruf der Betglocke und all jene Anforderungen zum Gebete, die aus einer frömmeren Vorzeit herrühren, ihre Bedeutung und Kraft fast ganz verloren. Gott hat das Gebet verordnet und geboten als ein Werk der Dankbarkeit und des Gehorsams, und als ein Mittel seliger Gemeinschaft mit ihm zur Erlangung seiner Gnade und Gaben. Es gehört zu Gottes Ordnung, wie in leiblichen Dingen Speise, Arbeit und Arzenei. Für die betende Seele sind die Schranken der Zeit vernichtet; Alles ist helle frohe Gegenwart, denn überall waltet der Eine und Ewige heute wie morgen und allezeit. Wie soll die Zukunft Den erschrecken, der in Gott sich erquickt hat! O erhalte mein Herz warm und offen für diese herrliche Uebung der Gottseligkeit, du heiliger und guter Gott, damit ich im steten Andenken an dich und an die Gemeinschaft mit dir erhalten werde. Das Gebet sei nicht blos eine äußerliche Sitte, eine gute Gewohnheit oder eine flüchtige Anregung des bessern Gefühls und eine vorübergehende Stimmung des Gemüths, sondern ein dringendes Bedürfniß des Herzens, eine bleibende Richtung auf das Ewige. Der du gesagt hast: „rufe mich an in der Zeit der Noth, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen“ - höre mich, wenn ich zu dir rufe, um Jesu Christi willen. Amen.

Am 8. September.

Wenn wir nun zu dir, dem Born der Weisheit, kommen werden, zu dir, dem unvergänglichen Licht, zu dir, dem unauslöschlichen Licht, da wir dich dann nicht mehr durch einen Spiegel sehen in einem dunkeln Wort, sondern von Angesicht zu Angesicht: da wird allererst unser sehnliches Verlangen mit Gütern ersättigt werden; denn es wird von Außen nichts mehr vorhanden sein, darnach uns verlangen könnte, denn allein du, Herr, das höchste Gut, der du sein wirft der Lohn der Seligen und die Krone ihrer Ehren und eine ewige Freude über ihren Häuptern, indem du sie zufrieden stellst von Innen und Außen in deinem Frieden, der höher ist denn alle Vernunft. Da werden wir sehen, lieben und loben, dein Licht werden wir sehen in deinem Licht; denn bei dir ist der Born des Lebens, und in deinem Lichte werden wir das Licht sehen. Was wird das aber für ein Licht sein? Ein unermeßliches Licht, ein unverwesliches, unbegreifliches, unvergängliches Licht, ein unauslöschliches Licht, ein unzugängliches Licht, ein unerschaffnes Licht, ein wahrhaftiges Licht. ein göttliches Licht, das der Engel Angesicht er leuchtet, die Jugend der Heiligen erfreuet, ein Licht aller Lichter und ein Brunn des Lebens, so du selber bist, o Gott!

Bist du doch das Licht, darin wir dich, das Licht, sehen werden, nämlich in dir, in dem Glanz deines Antlitzes, wenn wir dich von Angesicht zu Angesicht sehen werden? Was ist's aber anders von Angesicht zu Angesicht zu sehen, denn das, was der Apostel sagt, erkennen, gleichwie ich erkannt bin? Deine Wahrheit und Herrlichkeit erkennen, ist soviel, als dein Angesicht erkennen. Das heißt, erkennen die Macht des Vaters, die Weisheit des Sohnes, die Gütigkeit des heiligen Geistes, ja der höchsten Dreifaltigkeit einiges unzertheiltes Wesen selbst. Denn das Angesicht des lebendigen Gottes sehen ist das höchste Gut, die Freude der Engel und der Heiligen, der Lohn des ewigen Lebens, die Herrlichkeit der Geister, die ewige Freude, die Krone der Ehren, das Kleinod der Seligkeit, die reiche Ruhe, der schöne Frieden, die innerliche und äußerliche Freude, das Paradies Gottes, das himmlische Jerusalem, das selige Leben, die vollkommene Seligkeit, die Freude der Ewigkeit und der Friede Gottes, der höher ist denn alle Vernunft.

Dies ist die rechte völlige Seligkeit und in vollkommener Herrlichkeit des Menschen, das Angesicht seines Gottes zu schauen, Den zu schauen, der Himmel und Erde gemacht hat, Den zu sehen, der ihn selbst geschaffen, erlöset und herrlich gemacht hat. Er wird Ihn sehen und erkennen und Ihn über alle Maßen lieben, wird Ihn loben und besitzen. Denn Er wird das Erbe seines Volkes sein, des Volks der Heiligen, des Volks, das Er erlöset hat. Er ist der Schatz ihrer Seligkeit, die Belohnung und Vergeltung, darauf sie gewartet. Ich werde, sprach er zu Abraham, dein sehr großer Lohn sein! Denn einem großen Herrn stehen große Dinge wohl an. In der That bist du, o Herr, mein Gott, sehr groß über alle Götter und dein Lohn ist auch sehr groß. Du bist nicht solcherlei weise groß, daß dein Lohn klein sein soll, sondern wie groß du bist, so groß ist auch dein Lohn; denn du bist nicht ein ander Ding und dein Lohn auch nicht ein anderes, sondern wie du selbst sehr groß bist, also bist du selbst der sehr große Lohn.

Du selbst bist der Krönende und die Krone; du selbst der Verheißende und die Verheißung; du selbst der Vergelter und die Vergeltung; du bist der Geber und die Gabe der ewigen Seligkeit. So bist du nun der Krönende und die Krone, o mein Gott, und der herrliche Hauptschmuck meiner Hoffnung, die mit Herrlichkeit gezieret ist, ein freudebringendes Licht, ein erquickendes Licht, ein sein zierendes Geschmeide, meine große Hoffnung, das herzliche Verlangen der Heiligen und der Allersehnte. Darum, wenn man dich sieht, so ist das der ganze Lohn, die ganze Vergeltung und die ganze Freude, deren wir warten. Darin steht das ewige Leben und deine Weisheit. Dies ist das ewige Leben, daß wir dich, der du allein wahrer Gott bist und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen.

Wenn wir dich nun, den einigen Gott, sehen werden, einen wahren Gott, einen einigen, unsichtbaren, unbeschließbaren in Raum und Zeit, einen unbegreiflichen Gott und deinen eingebornen Sohn, der mit dir gleichen Wesens und ewig ist, unsern Herrn Jesum Christum, den du um unsers Heils willen in die Welt gesandt hast in der Kraft des heiligen Geistes: wenn wir dich sehen werden, sage ich, dreifach in den Personen und einig in dem Wesen, dann werden wir haben, das wir jetzt suchen, das ewige Leben, die immer währende Herrlichkeit, welche du bereitet hast Denen, die dich lieben, welche du verborgen hast Denen, die dich fürchten, welche, du geben wirft Denen, die dich suchen und nach deinem Angesicht allezeit verlangen. Amen.

Am 9. September.

Dein treues Aug' hat mich bewacht,
Und deine Liebeshand
Hat allen Schaden dieser Nacht
Von mir hinweggewandt.

Hab' Dank, o Jesu, habe Dank
Für deine Liebestreu';
Hilf, daß ich dir mein Lebenlang
Von Herzen dankbar sei!

Gedenke, Herr, auch heut' an mich
An. diesem ganzen Tag,
Und wende von mir gnädiglich,
Was dir mißfallen mag!

Laß treu mich nützen meine Kraft
Und meine Gnadenzeit,
Und bild' mich in der Pilgerschaft
Zur sel'gen Ewigkeit.

Keineswegs vergehen unsere Werke, wie es scheint, sondern als ein zeitlicher Samen werden sie gestreut, um in der Ewigkeit aufzugehen. Staunen wird der Thor, wenn er aus dieser geringen Saat eine große Ernte wird erstehen sehen. Man säet immerfort, ohne es zu wissen; man säet, wenn man schon sein Unrecht verbirgt, seine eiteln Absichten verhehlt, in der Finsterniß Werke der Finsterniß vollbringt. Wände decken mich von allen Seiten, spricht man, wer sieht mich? Ein Mensch sieht dich freilich nicht; aber böse Engel sehen dich, gute Engel sehen dich, Gott sieht dich. Es sieht dich der Ankläger, es sieht dich eine Menge von Zeugen, es sieht dich der Richter, vor dessen Augen zu sündigen ebenso unbesonnen, als in dessen Hände zu fallen erschrecklich ist. Darum sei nicht sicher; es ist ein Hinterhalt verborgen, vor dem du dich nicht verbergen kannst. Der das Ohr gepflanzt ha( hört, der das Auge geschaffen hat, sieht. Die Strahlen dieser Sonne brechen sich an keiner Mauer von Stein, auch die Wände des Körpers können ihren Blick nicht hemmen. Bloß ist Alles vor den Augen der Wahrheit und schärfer ist sie, denn kein zweischneidiges Schwert. Nichts ist verborgen, das nicht offenbar werde, noch heimlich, das man nicht wissen werde. Herr, lehre mich dies alle Tage meines Lebens bedenken. Amen.

Am 10. September.

„Frühe wollest du, Herr, meine Stimme hören.“ Ps. 5, 4.

Laßt uns früh dem Herren singen
Einen lieblichen Gesang;
Lasset vor sein Ohr' uns bringen.
Einen reinen Herzensklang,
Weil er uns in dieser Nacht
So getreulich hat bewacht,
Und nun wiederum mit Wonne
Läßt erscheinen seine Sonne.

Ew'ge Sonne der Gerechten,
O Herr Jesu, sei gepreist,
Du, der seinen armen Knechten
Täglich sich getreu beweist!
Nimm des Herzens Dank, daß du
Uns erquickt mit sanfter Ruh',
Und uns wieder frei von Schaden,
Sendest einen Tag der Gnaden.

Laß auch unsre Seel' erwachen,
Herr, aus aller Sünden Haft!
Sei du mächtig in den Schwachen
Mit des Glaubens heil'ger Kraft,
Weil du Lasternächte nicht
Liebest, sondern Tag und Licht,
Daß wir, als am Tage, wandeln,
Und nach deinem Willen handeln.

Sprich zu unserm Thun den Segen,
Und laß deines Wortes Schein
Diesen Tag auf allen Wegen
Unsrer Füße Leuchte sein,
Daß wir gehn auf deinem Pfad
Zu verheißner Himmelsstadt,
Und indeß in deiner Liebe
Herz und Hand und Mund sich übe!

Wirke mit bei unsern Werken,
Segne deiner Kinder Schweiß;
Komm beständig, Herr, zu stärken
Unsre Hand zu deinem Preis!
Richt' uns auf, wenn dort und hie
Strauchelt unser schwaches Knie;
Hilf uns heben, hilf uns tragen,
Daß wir nie in Noth verzagen!

Schütz' auch Alles, was wir haben,
Herr, durch deine Gotteskraft,
Daß durch deine Gnadengaben
Werde lauter Heil geschafft!
Wehre unserm Fleisch und Blut,
Laß uns leben, höchstes Gut,
Nur in deinem Geist und Namen!
Amen, großer König, Amen!

Am 11. September.

O Herr Jesu Christe, der du bist das Licht der Welt, der helle Morgenstern, der erleuchtet alle Finsterniß, dir sei Ruhm und Preis und Ehre, daß du auch heue wieder uns aus der Nacht zu hellem Tag, aus der Finsterniß zum Lichte gerufen hast. Insbesondere gedenken wir mit tiefstem Dank und Anbetung, daß du aus der geistlichen Finsterniß und Schatten des Todes uns herausgeführt hast zu deinem wunderbaren Lichte, da du am Stamme des Kreuzes dein theures Blut vergossen und durch dein bitteres Leiden und Sterben uns erlöset hast von Sünde und Tod, Teufel und Hölle. Dein Name sei hochgelobt und dein ewiges Erbarmen gepriesen. Du bist der Geringen Stärke, der Armen Stärke in Trübsal, eine Zuflucht vor dem Ungewitter, ein Schatten vor der Hitze.

O Herr, laß deine Liebe nicht umsonst an uns sein, gieb uns heute und alle Tage einen tiefen Eindruck von deiner Barmherzigkeit und hilf, daß unser ganzes Leben dich preise und verherrliche. Schenke uns eine reiche Liebe ohne Falsch, daß wir hassen das Arge und hangen dem Guten an, daß wir nicht träge seien, was wir thun sollen, sondern brünstig im Geist, und uns schicken in die Zeit, es sei gute oder böse Zeit, daß wir uns auch freuen mit den Fröhlichen und weinen mit den Weinenden. Hilf uns auch einerlei Sinn haben mit einander, daß wir nicht trachten nach hohen Dingen, sondern uns herunterhalten zu den Niedrigen, daß wir uns nicht selbst für klug halten, und vergelten Niemand Böses mit Bösem, sondern so viel an uns ist, mit allen Menschen Frieden haben.

Behüte du unsere Zunge vor allem Bösen, und unsere Lippen, daß sie nicht falsch reden. Hilf uns in allen Dingen, daß wir uns nicht das Böse überwinden lassen, sondern daß wir das Böse überwinden mit Gutem, und Alles, was wir thun mit Worten oder mit Werken, das laß uns thun in deinem Namen, in deiner Kraft und zu deiner Ehre! Segne uns dazu heute und alle Tage mit der Kraft deines heiligsten Verdienstes, begleite du uns auf allen unseren Wegen, daß wir dich stets vor Augen und im Herzen haben und in keine Sünde willigen, noch thun wider deine Gebote. O Herr, hilf uns um deines Namens willen, segne all unsern Ausgang und Eingang, laß alle Gefahren Leibes und der Seele fern von uns sein, und wache über uns mit dem Schutze deiner Allmacht. O Herr! erhalte uns dein Wort, daß wir leben, und laß uns nicht zu Schanden werden über unserer Hoffnung. Amen.

Am 12. September.

Wenn ich immer dein gedächte,
All mein Sinnen zu dir brächte,
Dich, o Herr, um Alles fragte,
Und dir kindlich Alles sagte,
O dann könnt' ich ohne Grauen
Fröhlich vor- und rückwärts schauen.

An jedem Morgen sollte das Gefühl deiner Güte mit uns erwachen, du gnadenreicher Gott! Giebt nicht jeder Athemzug unseres Lebens, jeder Pulsschlag unseres Herzens Zeugniß von deiner Treue und Vaterhuld? Kommt doch alle gute und vollkommene Gabe von dir und wirst du doch nicht müde, deine Menschenkinder zu segnen, zu erfreuen, zu behüten. Nicht am Tage blos lässest du die Sonne deiner Gnade über uns leuchten, auch in der Nacht deckest du uns mit den Flügeln deiner Liebe. Wenn auf unserem einsam-stillen Lager der Schlaf uns in seine Arme nimmt, wenn die Sinne verschlossen, die Kräfte gefesselt sind, wenn alles Bewußtsein geschwunden und Alles um uns her wie erstorben ist: dann beschirmt uns deine Liebe, dann bereitest du uns neue Kräfte und entfernest von uns Gefahr und Noth, du treuer Menschenhüter, ewiger Gott!

Und dies könnte ich vergessen! das Gefühl des Dankes unterdrücken! an das Tagewerk gehen, ohne mein Herz zu dir erhoben zu haben! Nein, mein himmlischer Vater, ich komme zu dir mit dankerfüllter Seele, mit frommen Gedanken und heiligen Vorsätzen. Ich habe deine Huld auch da erfahren, wo ich bewußtlos ruhete. Nun hast du mich wieder erweckt und mit neuen Kräften gestärkt, und rufest mich zur Arbeit, damit ich Gutes thue und Nützliches vollbringe. Durch weise, fromme Thätigkeit, durch einen Wandel in deinem Lichte will ich mir unter deinem Gnadenbeistand einen schönen Feierabend bereiten. Wie fröhlich und zufrieden werde ich mich am Abend zur Ruhe legen können, wenn ich den Tag wohl benutzt habe und deines gnädigen Wohlgefallens gewiß bin. Segne mich dazu, du treuer Gott!

Gieb, daß ich heute
Durch dem Geleite
Auf meinen Wegen unverhindert gehe,
Und überall in deiner Gnade stehe.
Lobet den Herren!

Treib' meinen Willen,
Dein Wort zu erfüllen;
Lehr' mich verrichten heut'ge Geschäfte,
Und wo ich schwach bin, da gieb du mir Kräfte.
Lobet den Herren!

Amen!

Am 13. September.

„Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und säete es auf seinen Acker. Welches das kleinste ist unter allen Samen, wenn es aber erwächst, so ist es das, größeste unter dem Kohl und wird ein Baum, daß die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen unter seinen Zweigen.“ Matth. 13, 31, 32. Die ganze Geschichte des Christenthums ist eine volltönende Auslegung dieses Gleichnisses, das der Mund der Wahrheit geredet. Klein wie ein Senfkorn beginnt das Reich Gottes in der Welt. In einem entlegenen Lande, in einer geringen Stadt, in einem armseligen Stall, in tiefster Dürftigkeit und Erniedrigung, unbeachtet von der Menge des Volkes und von den Lehrern auf Mosis Stuhl, wird Der geboren, der das Reich Gottes gegründet, den Himmel auf die Erde gebracht und die Menschheit erneuert hat. Still und verborgen, unscheinbar und demüthig beginnt des Herrn Jesu Leben, und Wirken. Wie arm und anspruchslos seine Erscheinung, wie eng der Kreis seiner Heilandsthätigkeit, wie klein die Zahl seiner Jünger! Zwölf Männer aus dem niedrigsten Stande, ohne Bildung, Macht und Reichthum, kleingläubig, wankelmüthig, unzuverlässig, sie sind das Heer, das dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn die stolze Welt zu Füßen legen soll. „Nicht viel Weise nach dem Fleisch, nicht viel Gewaltige, nicht viel Edle sind berufen; sondern was thöricht ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, daß er die Weisen zu Schanden mache; und was schwach ist vor der Welt, das hat Gott erwählet, daß er zu Schanden mache, was stark ist, und das Unedle von der Welt und das Verachtete hat Gott erwählet und das da Nichts ist, daß er zunichte mache, was Etwas, ist; auf daß sich vor ihm kein Fleisch rühme.“ 1. Cor. 1, 26-29.

Und doch - großartig ist der Ausgang des Reiches Gottes in der Welt. Das Zeugniß der vom heiligen Geiste erleuchteten und getriebenen Apostel gewinnt schon am Tage der Pfingsten dreitausend Seelen. Bald sind es in Jerusalem Fünftausend, die den Namen Jesu bekennen, und täglich wurden hinzugethan, die da gläubig wurden, zu der Gemeinde. Und ob auch die Stürme der Verfolgungen den Lebensbaum voll Früchte und Schatten zu brechen drohten, ob man auch mit Feuer und Schwert gegen die Bekenner des Herrn wüthete: das Blut der Märtyrer ward der Same der Kirche, das Evangelium Jesu Christi siegte und feierte einen Triumph um den andern. Die Götzentempel sanken in den Staub, die Götzenbilder wurden zertrümmert. Kaiser und Könige pflanzten das Panier des Kreuzes auf in ihren Reichen, und Völker schaarten sich um dasselbe. Wohl stand dann Jahrhunderte lang der Baum gleichsam in winterlicher Erstarrung, aber auch ein neues Leben durchdrang in Luthers Tagen die Zweige des dürren Stammes.

Und heute steht eine Kirche da, die dreihundert Millionen Bekenner zählt: kein Erdtheil ist, in welchem nicht der Name über alle Namen bekannt würde. Und noch immer wächst der Baum, und das Wort des Herrn läuft von Land zu Land. Weite Thüren haben sich aufgethan, große Hindernisse sind überwunden, und es wird eine Zeit kommen, wo das Reich Gottes mit seinem Licht und seinem Frieden alle Völker beseligen wird, wo alle Zungen bekennen werden, daß Jesus der Herr sei zur Ehre Gottes des Vaters. Denn der das Wort vom Senfkorn geredet, der hat auch die Erfüllung in seiner Hand. Amen.

Am 14. September.

„Redet unter einander mit Psalmen und Lobgesängen.“ Eph. 5, 19.

O welche fromme, schöne Sitte
Ist es, zu reden, Herr, von dir!
Da bist du selbst in unsrer Mitte,
Bist unter uns, das fühlen wir.
Es ist dann ganz ein andres Wesen;
Wir sind so brüderlich gesinnt,
Und können's uns im Auge lesen,
Mit wem wir hier beisammen sind.

Wie weit entflicht der Sehnsucht Fehde!
Wie weicht zurück der eitle Scherz!
In freier, offner Freundesrede
Schließt sich dem Herzen auf das Herz.
Wir haben viel uns mitzutheilen,
Und haben viel uns zu gestehn,
Und möchten länger so verweilen
Uns öfter so beisammen sehn.

Wir fangen immerdar auf's Neue
Die liebliche Erzählung an;
Wir reden von des Herren Treue,
Und dem, was er an uns gethan:
Wie er zuerst das Herz gerühret
Durch Freude oder Ungemach,
Und uns mit so viel Huld geführet
Seitdem und bis auf diesen Tag.

Da fühlt man seines Geistes Wehen,
Und wie er sich zu uns bekennt;
Da ist ein segnendes Gestehen,'
Auch wenn man seine Fehler nennt,
Auch wenn man sich in Demuth beugen
Und vielfach sich verklagen muß;
Man spürt des unsichtbaren Zeugen
Erquickend milden Friedensgruß.

Man fühlt sich aller Noth enthoben,
In einen höhern Kreis entrückt;
Man ahnt die Wonne, die uns droben
In seinem Umgang einst entzückt.
Man ist einmal so ganz ein Andrer,
Neu aufgelebt und angefacht,
Ein eingekehrter, froher Wandrer,
Dem Alles hold entgegenlacht.

O segne, Herr, denn unsre Hütte
Recht oft durch deine Gegenwart!
Sei immerdar in unsrer Mitte,
Sind wir vereint in solcher Art!
Ernähre unsrer Andacht Flammen;
In deinem heil'gen Namen führ'
Uns oft in dieser Zeit zusammen,
Ais wir versammelt sind bei dir.

Amen!

Am 15. September.

„Das Himmelreich ist einem Sauerteige gleich, den ein Weib nahm und vermengte ihn unter drei Scheffel Mehl, bis es gar durchsäuert ward.“ Matth. 13, 33. Daß die Kraft des Himmelreichs eine sichere und unfehlbare, aber vor Menschenaugen verborgene und ohne menschliches Zuthun fort und fort wirksame ist, das wird durch diese Gleichnißrede des Herrn bestätigt. Des Himmelreichs Güter und Gaben werden darin einem Sauerteige verglichen. Wie der Teig gleichsam eine todte Masse bleibet, bis du den Sauerteig hinzuthust, so bleibt auch das Menschenherz todt in Sünden, kann sich selbst nicht ändern, umwandeln und heiligen, bis, wie ein neuer Lebensodem, die Kräfte des Himmelreiches die Seele erfüllen, bis durch die Kraft des Herrn und seines Geistes das Alte vergeht und Alles neu wird. Alle Schätze, Ehren und Genüsse dieser Welt, wie sie auch heißen mögen, befriedigen unsere unsterbliche Seele nicht. Allen hochherzigen Gesinnungen und edlen Thaten des natürlichen Menschen fehlt der rechte Grund und die rechte Weihe, weil dem Gemüthe ein höherer Geist und eine neue Welt noch nicht aufgegangen ist. Die Fähigkeit aber, das Göttliche in sich aufzunehmen und Etwas zu werden zum Ruhm und zum Preise des Herrn, ist der menschlichen Natur angeboren und geht bei Keinem ganz unter. Wo die Sünde schon mächtig geworden, da, kann die Gnade noch viel mächtiger werden. Auch der Tiefgesunkenste kann noch aus dem Abgrunde in den Himmel gehoben werden: einem Schächer wird noch der Weg in's Paradies eröffnet, und ein feindseliger Saulus wird ein auserwähltes Rüstzeug des Herrn.

Der Sauerteig, unter das Mehl vermengt, versetzt die ganze todte Masse in Gährung und Bewegung. Die Erscheinung des Gottessohnes auf Erden, das gewaltige Wort seines Mundes, die heilsamen Wunder seiner Hände bewegten und erregten das Volk, daß es rühmte: „Es ist ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und Gott hat sein Volk heimgesucht.“ Und nach den Tagen seines Erdenwandels ward nicht nur Jerusalem und das jüdische Land, auch die Heidenländer und alle Erdtheile wurden erfüllt von der neuen Bewegung, die durch die Verkündigung des Evangeliums und durch das Wirken des heiligen Geistes hervorgerufen wird..

Und wo eine Seele zum lebendigen Glauben gekommen ist, sie ist durch eine größere oder geringere innerliche Gährung hindurchgegangen. Ehe sie die Vernunft gefangen nahm unter den Gehorsam Christi und sich selbst erniedrigte, ehe sie Allem absagte und das Kreuz auf sich nahm, ehe sie ihren Tag von Damaskus erlebte: es waren ihr Stunden und Tage voller Zweifel, Unruhe, Angst und Kampf beschieden, denn die Geburt in's himmlische Leben ist mit schmerzenreichen Stunden verbunden. Nun ist aber auch der ganze Mensch durch die Gotteskraft des heiligen Geistes erneuert: jede Anlage und Kraft, jeder Trieb und jedes Vermögen ist umgewandelt, der Verstand ist erleuchtet, das Herz beruhigt, der Wille veredelt, und in allen Stücken wird die Seele Dem ähnlich, der sie berufen hat von der Finsterniß zu seinem wunderbaren Licht.

O laß dich vom Herrn durchleuchten, umwandeln und heiligen in deinem Wünschen und Wollen, Leben und Wirken, Thun und Treiben, daß du in neuer Gerechtigkeit. Unschuld und Seligkeit in seinem Reiche lebest. „Es sei denn, daß Jemand von neuem geboren werde, so kann er nicht in das Reich Gottes kommen.“ Amen.

Am 16. September.

Abba, lieber Vater, hilf, daß ich diesen Morgen und allezeit im Geist und in der Wahrheit anbete, auch nichts begehre, als was dein Wille ist. Erleuchte mich mit deinem heiligen Geist und reinige mein Gewissen von allen todten Werken, dir, Hem lebendigen Gott, heute und allezeit durch das Verdienst und in der Nachfolge deines heiligen Sohnes zu dienen. Gieb, daß ich nichts in mein Gemüth fasse, als was dir gefällt.

Siehe, ich bin dein und du hast mich deinem Sohne in der Buße gegeben; setze solche täglich in mir fort durch deinen Geist, daß ich wider alles Böse ernstlich streite und mir mein Christenthum einen rechten Ernst sein lasse. Wende von mir ab alle unnütze und böse Worte und Werke; sei durch dein Wort ein Richter der Gedanken und der Sinne des Herzens.

Auch bewahre meinen Fuß, daß ich nicht auf verbotenen Wegen gehe. Denn du weißt, lieber Vater, wie viel Gefahr und Anfechtung mich um und an bedroht und wie leicht ich berücket und befleckt werde. Herr, es soll auch dein Ruhm bleiben, wenn du meine Hülfe wider das Straucheln sein wirst, und mein Glaube wird dadurch gestärkt werden, daß ich dir ewiglich anhange und nicht von dir weiche. Ich will auch Andern deine Wunder erzählen, und uns Alle wollest du zu dir ziehen und in Seilen deiner Liebe leiten durch den Sohn deiner Liebe und in Kraft deines heiligen Geistes!

Mein'n Aus- und Eingang heut' bewahr',
Daß mir kein Uebel widerfahr'.
Behüte mich vor schnellem Tod,
Und hilf mir, wo mir Hülf ' ist noth.

Amen, o mein Herr Jesu Christ,
Der du für mich gestorben bist,
Gieb mir aus Gnad' nach dieser Zeit
Die ew'ge Freud' und Seligkeit.

Amen!

Am 17. September

„Abermal ist gleich das Himmelreich einem Kaufmanne, der gute Perlen suchte. Und da er eine köstliche Perle fand, ging er hin und verkaufte Alles, und kaufte dieselbige.“ Matth. 13, 45. 46. O was sind es für köstliche Güter, die der Herr den Seinen in seinem Reiche darbietet: Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist! Diese hochherrlichen Gaben vergleicht er einer köstlichen Perle, die den Menschen ziert und schmückt. Die ganze Welt und ihre Herrlichkeit, das tiefste Wissen und die größten Heldenthaten sind nichts als glänzende, werthlose Glasscherben gegen das heilige Kleinod, das wir demüthig suchen, für das wir freudig Alles opfern sollen. Wer Jesum hat und in ihm die Vergebung der Sünden, der darf jubelnd bekennen: Ich hab' gefunden, mein Sehnen ist gestillt; Christi Blut und Gerechtigkeit, das ist, mein Schmuck und Ehrenkleid! „Die Perle ist der Inbegriff aller Herrlichkeit. In ihr ragt die Ewigkeit der Wonne herein in diese Zeit der Thränen. In ihr blickt schon des Vaterhauses Friede herüber auf diese Welt voll Unruhe. Durch ihre Strahlen wird einerseits die Welt verklärt, soweit sie des lieben Gottes schone Welt und des Herrn großes Werk ist. In ihrem Lichte wird andrerseits die Welt für uns so kahl und öde, soweit sie Stätte ist der Sünde und des Elends, damit das Heimweh desto größer, werde. Sie ist Alles in Allem. Sucht Einer Weisheit? Nur, wer Jesum kennt und weiß, hat der Weisheit höchsten Preis. Fragt Einer nach Freude? Weicht, ihr Trauergeister, denn mein Freudenmeister, Jesus, tritt herein! Hungert und dürstet Einer nach Gerechtigkeit? Wer an Christum glaubt, der ist gerecht. Ist Kraft im Kampf mein Verlangen? Ich vermag Alles durch Den, der mich mächtig macht, Christus. In der Perle haben wir für unsere Armuth unendlichen Reichthum gekauft. Alles Sehnen ist gestillt, alles Hoffen Besitz, alles Warten seliger Empfang geworden. Christus ist unsere Gerechtigkeit, unser Friede, unsere Freude.“

Freilich kostet's unsägliche Mühe, die Perle zu erlangen und zu behalten; schwer wird sie errungen und leicht wieder verloren. Vielen fehlt die demüthige, aufrichtige Erkenntniß, die da spricht: Wie bin ich doch so arm! Wie hab' ich doch so wenig, was mich ewig stillt und füllt! - und sie gehen nicht zum Suchen aus. Andere, in denen die Ahnung vom Seligwerden erwacht ist, beschauen die Perle und sie gefällt ihnen gar wohl, aber es kommt bei ihnen nicht zu dem rastlosen, sehnsüchtigen Verlangen: das Kleinod muß mein eigen werden! - und sie strecken nicht die Hände aus zum fröhlichsten Empfang. Noth Anderen scheint der Preis zu groß; sie fangen an zu dingen und zu markten, statt Alles zu verwerfen, was sich mit der Perle nicht verträgt, statt alles Andere in ihren Dienst zu stellen - und sie gehen betrübt hinweg, wie jener reiche Jüngling im Evangelium. Andere endlich hatten das Juwel erlangt, aber nicht wohl verwahrt, und mühen sich wieder mit nagenden Schmerzen um glänzende Scherben. Aber, Gott Lob, es giebt auch Seelen, die willig Alles verkaufen, Alles für Schaden achten, was sie hindern könnte, sich dem hochgelobten Herrn ganz zu eigen zu geben, und die nach treuer Hut und Wacht über das kostbare Gut aus dem Gnadenreiche eingehen in das himmlische Freudenreich, wo nichts hinfort die köstliche Perle rauben kann.

Eins ist Noth, ach, Herr! dies Eine
Lehre mich erkennen doch!
Alles Andre, wie's auch scheine,
Ist ja nur ein schweres Joch,

Darunter das Herze sich naget und plaget,
Und dennoch kein wahres Vergnügen erjaget.
Erlang' ich dies Eine, das Alles ersetzt,
So werd' ich mit Einem in Allem ergötzt.

Amen!

Am 18. September.

„Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Christi.“ Röm. 8, 17.

Mein erst Gebet an diesem Morgen
Ist: gieb mir, Vater, Kindessinn!
Für Eins nur laß mich ernstlich sorgen,
Eins sei mein Zeugniß, mein Gewinn:
Daß ich an jedem Tag auf's Neu',
Herr, immer dir zur Ehre sei.

O leite alle meine Schritte,
Mach' mich gehorsam, still und treu!
Gieb, daß ich in der Meinen Mitte
Ein Vorbild alles Guten sei,
Daß stündlich ich von Jesu lern'
Und seinem Pfad nie trete fern.

Gieb deinen Geist mir und vermehre
Die Kraft zur Christusähnlichkeit,
Daß ich auf Nichts, als deine Ehre,
Mein Vater, schaue allezeit!
O könnt' ich einst den Spruch empfah'n:
„Dein Wirken war in Gott gethan!“

In Einsamkeit, im Freundeskreise,
Im Weltgewühl, Herr, steh' mir bei.
Im Weltgewühl, Herr, steh' mir bei,
Daß ich gerecht und sanft und weise
Ein treuer Jünger Jesu sei, -
Mein Herz, dein reines Eigenthum,
Mein Wandel, deines Namens Ruhm.

Und wo ich Böses seh' und höre,
Da reiche mir des Geistes Schwert,
Daß muthig ich's im Keim zerstöre! -
Wer nicht bekennt, ist dein nicht werth.
Den Kaltsinn seines Herzens zeigt,
Wer furchtsam zu der Sünde schweigt.

Soll ich vom Kelche Christi trinken,
Führst du mich, Gott, die Leidensbahn,
Laß mich in Kleinmut!) nicht versinken,
Und nimm dich deines Kindes an;
In Nacht und Dunkel sprich zu mir:
Getrost, getrost: Ich bin bei dir!

Amen!

Am 19. September.

„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir, da du jünger warest, gürtetest du dich selbst, und wandeltest, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein Anderer wird dich führen, da du nicht hin willst.“ So sprach unser Erlöser zu Petrus (Joh. 21, 18), die Beschwerden andeutend, womit sein Greisenalter verknüpft sein würde. Und in eben diesem Sinne sagt Salomo(Pred. 12, 1): „Gedenke an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe denn die bösen Tage kommen und die Jahre hinzutreten, von denen du sagst, sie gefallen mir nicht.“ Was mag auch für den Menschen, der die Welt nur liebt und das vergängliche Leben, trauriger sein, als die Aussicht auf den Winter seines Lebens! Hartes Loos: Schwüler Abend nach kühlem Morgen, Jugend in Freuden, Alter in Leiden! Die Kräfte des Leibes schwinden sichtbar hin; die Arbeiten des Berufs werden beschwerlicher, die Sorgen drückender; das frische Lebensgefühl, das uns aufheiterte, für Genüsse empfänglich und bei der Arbeit wohlgemuth machte, ist dahingeschwunden; alle Sinne werden matter, abgestumpfter und versagen allmälig ihren Dienst ganz; unser Umgang verliert für Andere Reiz und Anmuth, und wir stehen verwaiset unter einem fremden Geschlechte. Wie schwer mag es da dem natürlichen Menschen werden, der nur bei der Welt seine Befriedigung gesucht hat, und dessen Herz vertrocknet und verschmachtet ist von der losen Speise, die ihm geworden, wenn er diese Entbehrungen, Gebrechen und Beschwerden ertragen soll, wenn der bisherige Freudenweg zum Kreuzesweg sich umwandelt! Der fromme Greis dagegen, den die Liebe geeinigt hat mit dem Herrn, der in großer Schwachheit, doch in Wahrheit sagen kann: „Herr, du weißt, daß ich dich lieb habe,“ der freut sich der nahen Erlösung und sucht sein Alter nützlich, lehrreich und erbaulich für Andere zu machen. Gern zieht er sich ans dem Getümmel der Welt zurück in die stille Häuslichkeit und entsagt den Freuden, die seinem Alter nicht mehr geziemen. Er wirkt und arbeitet nach seinen Kräften, so lange es noch Tag für ihn ist, und zeigt dabei die Frucht des göttlichen Geistes, Freude, Geduld und Friede, Sein Rath wird gesucht und seine gereiste Erfahrung und erprobte Rechtschaffenheit hoch geehrt. Die grauen Haare sind ihm eine Krone der Ehre, denn sie sind auf dem Wege der Gerechtigkeit gefunden. Der Jünglinge Stärke ist ihr Preis und graue Haare ist der Alten Schmuck. Die Beschwerden des Alters erträgt er mit Geduld und mit Ergebung in den Willen Gottes. Oft stehet er vor Gott mit seinen Gebeten und geht dem Tode mit getrostem Muthe entgegen. Der Segen des christlichen Glaubens zeigt sich herrlich in seiner Ruhe und Freudigkeit, in seiner Hoffnung und Zuversicht, in seinem stillen, gewissen Geist. - Der Herbst, der das Jahr zu Grabe führt, ruft mir zu, daß auch für mich der Abend des Lebens, wer weiß wie bald, hereinbrechen wird, und damit mein Alter Frieden bringe, will ich mich durch Weisheit und Frömmigkeit darauf vorbereiten.

Mach' immer süßer mir den Himmel
Und immer bittrer diese Welt;
Gieb, daß mir in dem Weltgetümmel
Die Ewigkeit sei vorgestellt;
Mein Gott, ich bitt' durch Christi Blut:
Mach's nur mit meinem Ende gut.

Amen!

Am 20. September.

O allmächtiger Gott und Vater unsers Herrn Jesu Christi, der du rufest dem, das nicht ist, daß es sei, und machest die Todten lebendig, ich will von deiner Macht singen und des Morgens rühmen deine Güte, denn du bist mein Schutz und Zuflucht in aller Noth bei Tag und Nacht. Laß auch ferner deine Augen sehen auf die Gerechten, und deine Ohren merken auf ihr Gebet. Lei nahe Allen, die zerbrochenen Herzens sind, und hilf Denen, die ein zerschlagenes Gemüth haben. Schenke selbst uns solche Herzen, führe uns recht in die Niedrigkeit, ziehe uns aus, daß wir ausgehen von uns selbst und du eingehen könnest in uns und wirken in uns Alles, was vor dir gefällig ist.

O Herr, thue deine Hand nicht von uns ab, verlaß uns nicht, wie wir so oft dich verlassen, suche uns, siehe! wir sind verirrte und verlorne Schafe, wir haben kein Licht und kein Leben, wenn du nicht allezeit unseres Herzens Trost und unseres, Lebens Kraft und Licht bist. Ach, so komm doch zu uns, wende dich auch heute zu uns mit deinem reichen Segen. Gehe uns nach auf allen unsern Wegen, führe und leite uns als die unmündigen Kinder, laß uns nicht abweichen von deinen heiligen Geboten weder zur Rechten noch zur Linken. Weise uns, Herr, deinen Weg, daß wir wandeln in deiner Wahrheit, erhalte unsere Herzen bei dem Einigen, daß wir deinen Namen fürchten. Schenke uns Weisheit und Verstand zu allen Geschäften, bewahre uns vor allen Gefahren Leibes und der Seele, erhalte uns beständig im Gefühl deiner Nähe, daß wir nicht das Böse uns lassen überwinden, sondern daß wir das Böse überwinden mit Gutem. O Herr, hilf uns um deines Namens willen, setze diesen Tag zum Segen für uns und alle die Unsrigen, schenke uns Glauben, Liebe und Hoffnung, erlöse uns von allem Uebel, und hilf uns zu deinem ewigen himmlischen Reich durch Jesum Christum unsern Herrn, welchem mit dir und dem heiligen Geiste sei Lob und Ehre in Zeit und Ewigkeit. Amen.

Am 21. September.

„Abermal ist das Himmelreich gleich einem Netze, das in das Meer geworfen ist, damit man allerlei Gattung fänget. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen und lesen die Guten in ein Gesäß zusammen, aber die Faulen werfen sie weg. Also wird es auch am Ende der Welt gehen. Die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden, und werfen sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähnklappen sein.“ Matth. 13, 47-50. Das Netz ist die Gemeinde des Herrn, seine sichtbare Kirche auf Erden. Das Meer ist die Welt, aus der heraus die Seelen sollen gerettet werden, und an welche daher der Ruf von Christo ergeht, und so lange erschallt, bis ihn Alle vernommen haben. Von dem Netze wird nun allerlei Gattung umschlossen: Vornehme und Geringe, Reiche und Arme, Weise und Unweise, Gerechte und Gottlose. Sie sind berufen von der Finsterniß zu Gottes wunderbarem Licht, befinden sich in der Gemeinschaft der sichtbaren Kirche Christi und vernehmen das Wort: „Thuet Buße und glaubet an das Evangelium!“ O es ist eine große Gnade, ein überschwänglicher Segen, wer also dem Gnadenreiche des Herrn zugehört; er hat Macht empfangen, aus einem Sünder ein Kind Gottes zu werden; er hat Wort und Sacrament, durch welche der heilige Geist die Herzen beruft, erleuchtet, heiliget und bei Jesu Christo erhält; er lebt in christlicher Gemeinschaft, die ihn trägt und fördert im Glauben und in der Gottseligkeit; er hat ein Anrecht empfangen aus die zukünftige Herrlichkeit der Kinder Gottes.

Aber, daß wir vom großen Netze des Himmelreiches umschlossen sind und berufen zur Theilnahme an all seinen Gnadengaben, dessen dürfen wir uns nicht getrösten, das soll uns nicht sicher machen, als hätten wir es schon ergriffen, als könnte uns die ewige Seligkeit nicht entgehen. „Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählet;“ „nicht Alle, die Herr, Herr sagen, werden in's Himmelreich, in das ewige Ehren- und Freudenreich kommen.“

Wenn das Netz voll ist, wird es an's Land gezogen, um das darin Gesammelte zu scheiden: wenn die ganze Menschheit das Evangelium von Christo gehört hat, also daß sich Niemand mehr mit Unwissenheit entschuldigen kann,' dann ist die Gnadenzeit zu Ende, und der Tag des Gerichts bricht an. Offenbar wird dann, ob wir innerlich und wesentlich oder nur äußerlich dem Reiche Gottes angehörten, ob wir gute oder faule, Fische waren, wahre oder falsche Christen, lebendig Gläubige oder solche, deren Glauben todt ist an ihm selber. Aufhören wird dann das Zusammenleben der Gottlosen mit den Gerechten, aufhören der Kampf zwischen der Finsterniß und dem Lichte. Und das Loos der Bösen ist die ewige Verdammniß. Für Gottes Gnade gehen sie verloren, weil sie die Wirkungen dieser Gnade für sich verloren gehen ließen. Vom höchsten Gut, vom größten Glück, vom dauerndsten Frieden sind sie auf immer getrennt und in das tiefste Elend verstoßen. Nimmer können sie ruhen, nimmer zu denken aufhören, und das Gedächtniß ihrer Sünde gießt immerfort Oel in das Feuer ihres Jammers, das in Ewigkeit brennt.

O treuer, barmherziger Herr und Heiland, erhalte uns wachsam und wacker allezeit im Kampfe und treu im Gebete, daß wir im Glauben stehen und einst unter Denen erfunden werden, die würdig sind deiner seligen Gemeinschaft.

Hilf, Gott, daß Jeder kommen mag,
Wo tausend Jahr' sind wie ein Tag;
Vor dem Ort' uns, o Gott, bewahr',
Wo ein Tag ist wie tausend Jahr'.

Amen!

Am 22. September.

Lasset uns nicht eitler Ehre geizig sein, uns unter einander zu entrüsten und zu hassen.“ Gal. 5, 26. Der Glanz der Weltehre ist nur ,ein Glanz in der Finsterniß. Kommt einst der Tag des Herrn, wo der Allmächtige alles Verborgene, auch die Rathschläge der Herzen wird offenbaren, so werden alle Diejenigen, welche jetzt stolz und hoffärtig in der Welt einhergehen, elend und gering erscheinen. Man kann sie daher dem faulen Holze vergleichen, das in der Nacht schimmert, aber bei Tage morsch und zerfressen erscheint; oder den schwarzen Nachtvögeln, die in der Dunkelheit sich belustigen, bei Tage aber stumm und verborgen sitzen müssen. Das weltliche Gepränge ist dem Rauche ähnlich, der, je höher er steigt, desto mehr sich verliert; dem Grase, das auf dem Dache wächst, und bald verdorren muß.

Die der Weltehre nachjagen, sind den Kindern gleich, die nach der bunten Seifenblase haschen, und wenn sie sie ergreifen, haben sie nichts als Schaum in der Hand, und sind betrübt. Nur Kummer im Gewinnen und Herzeleid im Zerrinnen. Ach, und wie streitet sich die Welt um diesen Dienst! Wie entrüsten sich die Herzen unter einander, wie fordert der Eine den Andern gleichsam heraus, es ihm gleich zu thun, wie läßt er ihn sein Uebergewicht, seine Vorzüge fühlen! Wie ist wiederum sein Neid und die Mißgunst geschäftig, die Vorzüge des Andern zu schmälern und herabzusetzen, statt sich daran mit zu freuen und sie zu benützen. Ich will mich nicht in dieses eitle Treiben mengen und Keinem in den Weg treten, daß er darüber scheel sehen könnte. Nach einer andern Ehre will ich streben, und sie zu erlangen, Alles dahingehen. Ich will mich allein rühmen der Ehre, die Gottes Gnade mir giebt im Himmel. Die wahren Christen heißen Kinder Dessen, gegen den alle Könige der Welt nichts sind, als Bettler; sie sollen den Namen haben ihres Gottes und der Stadt ihres Gottes; ihr Name ist eingeschrieben worden in das Buch des Lebens; sie sollen angethan werden mit weißen Kleidern (Offb. 3, 5, 12); sie sollen mit ihrem Könige essen und trinken in seinem Reiche und sitzen auf Stühlen und richten die zwölf Geschlechter Israels (Luc. 22, 30), ja die ganze Welt (1. Kor. 6, 2); sie sollen hier schon sein Ueberwinder und Herren der Welt, des Lebens und des Todes, des Gegenwärtigen und Zukünftigen (1. Kor. 3, 22); sie sollen mit unvergänglichen Kronen, mit Kronen des Lebens geschmückt werden (1. Kor. 9, 25).

Das sind doch so viel wahre Ehren bei Gott, daß wir billig der eiteln Ehre der Welt Valet geben sollten.

Ach, mache Herz und Zinnen,
O Gott, von Allem frei.
Und gieb, daß mein Beginnen
Aufwärts gerichtet sei.
Die Welt kann doch nichts geben,
Das wahre Ruhe brächt';
Wer dich zur Ruh' und Leben
Erwählet, der trifft's recht.

Amen!

Am 23. September.

O Herr, unser Gott, du bist würdig, zu nehmen Preis und Ehre und Kraft, denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen. Auch heute hast du uns das Leben wieder neu gegeben, da doch so viele Tausende in dieser Nacht von schweren Krankheiten betroffen oder vom Tode hingerafft worden sind. O! wir danken dir von ganzer Seele für all deine treue Bewahrung und bitten dich, du wollest auch ferner dein Antlitz über mich leuchten lassen. Gehe uns doch heute den ganzen Tag nach und laß uns stets gedenken an dein Wort: Ich bin der allmächtige Gott, wandle vor mir und sei fromm.

Pflanze besonders eine rechte Liebe in unsere Herzen. Die Liebe ist ja des Gesetzes Erfüllung, so hilf uns, in diesem schwersten Stück unseres Christenberufes allezeit aufsehen auf den Anfänger und Vollender unseres Glaubens, Jesum Christum. Er hat uns bis in den Tod geliebt, und du hast uns geliebt vor Grundlegung der Welt, ja du hast uns geliebt, da wir noch Feinde waren. Ach, so hilf uns doch durch deine allmächtige Kraft, hilf uns von der schnöden Lieblosigkeit, durch die wir uns so manchen Tag verbittern, erwärme durch das heilige Feuer deiner Liebe unsere kalten Herzen, und heilige uns durch und durch in der Kraft deiner seligmachenden Wahrheit.

O Herr! erhöre mein Gebet, laß mich frühe hören deine Gnade, denn ich hoste auf dich. Thue mir kund den Weg, darauf ich gehen soll, denn mir verlangt nach dir. Lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen, denn du bist mein Gott, dein guter Geist führe mich auf ebner Bahn. Fei auch im Leiblichen uns nahe mit deiner Hülfe, gib uns, was wir bedürfen, bewahre uns vor allem Schaden und Unglück, leite alle unsere Schritte und Tritte mit deinem allmächtigen Segen, laß dem Teufel keine Macht über uns, sondern erfülle die Verheißung, daß dein heiliger Engel sich lagert um Die her, die dich fürchten und hilf ihnen aus. Amen.

Am 24. September.

„Ach Herr, lehre mich doch, daß es ein Ende haben muß, und daß mein Leben ein Ziel hat, und ich davon muß.“ Ps. 39, 5. Es ist gut, zu aller Zeit und bei allen Handlungen seiner Todesstunde eingedenk zu sein. Man muß sich oft fragen: Sage mir, meine Seele, und bekenne mir, wenn du in diesem Augenblick oder nach einer Stunde dem Leibe entrückt und vor den Richterstuhl Gottes gestellt würdest, was wolltest du antworten? Zu wem deine Zuflucht nehmen? Thue doch also schon jetzt, wie du dann gethan haben möchtest, und fliehe schon jetzt zu dem Throne der Gnade! Du weißt ja nicht, wie schwach du am Ende sein, oder wie geringe Zeit dir zur Reue übrig bleiben wird! O wie wirst du jammern, daß du um der kurzen Luft des Lebens willen, das dir nun wie ein verflogener Traum dünkt, die lange Freude der Ewigkeit verscherzt hast! Solches muß man oft bei sich erwägen und bedenken. Es ist auch gut, wenn man sich vorstellt, als sähe man seine Freunde und Bekannten auf dem Todtenbette liegen, als sähe man ihre nach Hülfe und Rettung suchenden Mienen. Gewiß ist uns der Tod; er wird für einen Jeden unter uns sicherlich kommen und nicht ausbleiben!

O mein Gott, warum bedenke ich doch so wenig, daß es ein Ende mit mir haben und ich davon muß? Warum lasse ich mich doch zurückhalten von so vielen irdischen und fleischlichen Banden, die doch alle müssen aufgelöset werden? Warum hängt mein Herz doch noch so fest an der Welt, deren Güter so hinfällig, deren Lust so vergänglich ist, und in welcher doch nichts als Sorge und Furcht, Angst und Plage, Seufzer und Thränen, Zittern und Zagen ist?

Warum sehne ich mich nicht vielmehr nach dem seligen Band der himmlischen Heimath, wo Gott Alles in Allen sein wird, wo alle Sorge in Dank, alle Plage in Freude, alles Seufzen in Frohlocken, alle Unruhe in eine ewige selige Ruhe wird verwandelt werden?

Warum habe ich nicht Lust abzuscheiden und bei Dem zu sein, der meiner Seele theuerster Schatz, mein süßester Trost, meine seligste Ruhe, mein Erretter aus Noth und Tod ist? O Herr, lehre mich bedenken, daß es ein Ende mit mir haben muß, damit ich zu dir komme und die unaussprechliche Freude genieße, die du bereitet hast Denen, die dich lieben. Amen.

Am 25. September.

„Lasset uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebet!“

Liebe, die du mich zum Bilde
Deiner Gottheit hast gemacht;
Liebe, die du mich so milde
Nach dem Fall mit Heil bedacht:
Liebe, dir ergeb' ich mich,
Dein zu bleiben ewiglich.

Liebe, die du mich erkoren,
Eh' ich noch erschaffen war;
Liebe, die du Mensch geboren
Und mir gleich wardst ganz und gar:
Liebe, dir ergeb' ich mich,
Dem zu bleiben ewiglich.

Liebe, die für mich gelitten
Und gestorben in der Zeit;
Liebe, die mir hat erstritten
Ew'ge Lust und Seligkeit:
Liebe, dir ergeb' ich mich,
Dein zu bleiben ewiglich.

O unerschöpfliche Liebe, die Alles übersteigt, keines bedarf, und doch Allen reichlich giebt; die Herzen umwandelt und Denen sich umsonst mittheilt, die nach ihr verlangen, die aus Menschen Götter macht, und Erd' und Himmel verbindet, ohne die Keiner glücklich und mit der Niemand unglücklich ist; ich weiß nicht, mit welchem Lobe ich dich preisen soll, und doch kann ich dein Lob nicht ganz verschweigen.

Komm, o göttliche Liebe, in das Herz deines Knechtes, das du geschaffen hast, erfülle das Gefäß, das du gemacht, erweitere das Werk, das du hergestellt, bringe zur Ruhe, was du unruhig gemacht und verwundet hast, besitze, was du durch dein eignes Blut erkauft, einige dir ganz, was du theilweise nach dir gezogen hast.

Denn deine Lust ist es ja, o Herr, bei den Menschenkindern zu sein, und unser Reichthum ist es, Herr Jesu, bei dir zu sein. So wolle denn, lieber Herr, immer bei mir sein, daß ich stets bei dir sein könne und von dir nimmer geschieden werden in Ewigkeit. Amen.

Am 26. September.

Herr, höre mein Wort, merke auf meine Rede, vernimm mein Rufen, ich will vor dir beten. O du gnädiger und barmherziger Gott! ich lobe und preise dich in dieser Morgenstunde, daß du mich nicht allein von meiner Jugend an so väterlich ernährt und bewahret hast, sondern daß du auch diese vergangene Nacht mein Schutz und Beistand bist gewesen; also, daß ich zu deinem Lob wiederum gesund von meinem Lager aufstehen und das angenehme Tageslicht anschauen kann. Herr des Lebens, was ist der Mensch, daß du sein gedenkest, und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Ich wußte im Schlafe nichts von mir selbst. Aber dein Aussehen hat meinen Odem bewahret. Du hast mich und mein Haus mit deiner Wache umgeben. Du hast mich durch deine sanfte Ruhe erquicket, welcher vielleicht viele Kranke, Betrübte, Geängstigte haben entbehren müssen, da ich mir keines Vorzuges vor ihnen, noch irgend eines Verdienstes an mir bewußt bin, da ich vielmehr manche deiner Wohlthaten undankbar angesehen und unweise genossen habe. Ich verspreche dir aber in dieser Frühe, dir mit Leib und Seele zu dienen. Ich habe mir vorgesetzt, daß mein Mund heute nicht übertreten soll. Ich will meinem Fuß den Weg zur Sünde wehren. Mein Auge soll nicht schauen nach Verbotenem. Ich will meine Hände nicht ausstrecken zur Ungerechtigkeit, und mein Ohr abwenden von loser Lehre und bösem Geschwätz, als welches gute Sitten verderbt. Hingegen will ich mich, o dreieiniger Gott, zu deinem Dienst ergeben. Wohne in mir, heilige, leite und reinige mich immer mehr durch deine Gnade, laß mich hingehen, wo ich ein gutes Beispiel und holdselige Worte vernehme. Segne meine Arbeit und mein Vertrauen. Segne und bewahre mich und die Meinigen in Zeit und Ewigkeit!

Bewahr', Gott, meinen Glauben,
Mein' Hoffnung und Geduld,
Laß Sünden nicht berauben
Mich deiner Lieb' und Huld:
Dein guter Geist mich treib',
Daß ich das Böse meide,
Dir trau' in allein Leide,
An's End' beständig bleib'.

Amen!

Am 27. September.

„So Jemand die Seinen, sonderlich seine Hausgenossen, nicht versorget, der hat den Glauben verläugnet und ist ärger, denn ein Heide.“ 1. Tim. 5, 8. An meine Fürsorge, Liebe und Weisheit sind Diejenigen gewiesen, welche mir Gott an's Herz gelegt und in's Haus geführt bat. Wenn sie mir auch dienen und mein Brod essen, so sind sie doch auch Gottes Kinder und Erlöste Jesu Christi, Erben des ewigen Lebens. Im Heidenthum gab's Sclaven, die keine Rechte hatten, nur Pflichten, die der Herr einhandelte, verhandelte und mißhandelte wie ein Thier, Der Geist Christi duldet keine Sclaverei. Vor Gott gilt kein Ansehen der Person, sondern ein Jeder, der ihn fürchtet und recht thut, ist ihm angenehm. „Ihr Herren,“ ruft auch mir der Apostel Paulus (Col. 4, 1) zu, „was recht und gleich ist, das beweiset den Knechten, und wisset, daß ihr auch einen Herrn im Himmel habt.“ Darum will ich meinen Hausgenossen immer eine christliche, menschenfreundliche Gesinnung beweisen und sie nicht nur menschlich halten am Leibe und ihnen den wohlverdienten Lohn unverkümmert reichen, sondern sie auch zur wohlgeordneten Lebensweise, zur Thätigkeit und zu einem rechtschaffenen Wesen anhalten. Ich will Geduld haben mit ihren Fehlern, will ihnen den Zustand der Dienstbarkeit auf alle Weise erleichtern, nicht stolz, herrisch und heftig gegen sie sein, ihnen nach der Arbeit gern eine Erholung gönnen und sie Theil nehmen lassen an den frohen, glücklichen Ereignissen meines Lebens. „Einen treuen Knecht“, sagt Sirach (7, 22 und 23), „und fleißigen Arbeiter halte nicht übel; einen frommen Knecht habe lieb und hindere ihn nicht, wo er frei werden kann.“ Es ist wohl ein hartes Loos, in steter Dienstbarkeit zu leben, immer abhängig zu sein von einem fremden Willen und das Brod eines Andern zu essen. Ist nun dabei Treue, Anhänglichkeit, Eifer und Liebe, o wie sollten wir das nicht dankbar erkennen und durch Wohlgefallen vergelten! Es ist Gottes Gnade, die mich mit irdischen Gütern reicher begabt hat. Diese Gnade soll mich zur Demuth führen und zur Dankbarkeit. Vor dem Ewigen ist kein Herr und kein Knecht; wir sind allzumal Einer in Christo Jesu. Darum will ich, wie für der Dienstleute äußeres Wohlergehen, auch für ihre sittliche Besserung, für ihre wachsende Frömmigkeit sorgen, über ihre Sitten wachen, sie vor Ausschweifungen und Lastern warnen, zum Besuch der Kirche, zum Lesen in der heiligen Schrift, zum Gebet und Genuß des heiligen Abendmahls ermahnen, ihnen überall mit einem guten Beispiele vorangehen und mit ihnen und für sie beten. So werde ich mich als einen treuen Haushalter bewähren und Dankbarkeit, Liebe und Vertrauen bei den Meinen finden. Ich soll das Haupt des Hauses sein, wie Christus das Haupt der Gemeinde ist. Bin ich das, dann wird mir auch Gott seinen Frieden in's Haus bringen und ich werde glücklich sein und glücklich machen.

Herr, bleibe du unser Hausgenosse, damit wir deine Hausgenossen werden droben in des Vaters Haus. Amen.

Am 28. September.

„Wer mit seinem Bruder zürnet, ist des Gerichts schuldig.“ Matth. 5, 22. So wie Geben seliger ist, als Nehmen, so ist auch Verzeihen seliger, als Rache üben. Warum wollte ich denn auch Haß und Zorn gegen meinen Nächsten im Herzen hegen? Was uns schmerzt in des Nächsten Wort und That, war vielleicht nicht böse gemeint, war unbedachtsam ausgesprochen, im Augenblick der Aufregung gethan. Es ist unsere Selbstsucht, unsere Eitelkeit, die sich verletzt und beleidigt fühlt; ja, es war vielleicht das Wort der Warnung, des Ernstes, der Wahrheit, das wir übel aufnahmen und das in der redlichsten Absicht zu uns gesprochen wurde. „Darum hadere nicht mit Jemand, so er dir kein Leid zugefügt.“ Spr. 3, 30. Und gesetzt auch, er hätte dir absichtlich Böses gethan, einen feindseligen Sinn dir entgegengestellt, in den Kelch deines Lebens bittere Tropfen geträufelt, vergilt nicht Gleiches mit Gleichem, gestatte dem bitteren Geiste des Hasses keinen Zugang zu deinem Herzen. Wer ihn aufnimmt und bei sich hegt, schadet sich weit mehr als dem Feinde. Er vergiftet sein inneres Leben, verbittert sich jede Freude, verliert seine beste Zeit in Mühe und Grämen und trägt immer ein zweischneidiges Schwert mit sich im Herzen. Nur die Liebe bringet uns Gott und Menschen näher und macht unser Herz getrost und fröhlich. „Lieber, laß nicht Zank sein zwischen mir und dir, zwischen meinen Hirten und deinen Hirten, denn wir sind Brüder.“ So sprach Abraham zu Lot (1 Mos. 13, 8), und so sollten wir zu Allen sprechen, mit denen zu zerfallen wir in Gefahr stehen. Eine gelinde Antwort stillet den Zorn, aber ein hartes Wort richtet Grimm an. Spr. 13, 1. Darum will ich achten auf mein Herz, will ruhig und gelassen bleiben im Umgange mit wunderlichen und streitsüchtigen Menschen, will nicht wieder schelten, wenn ich gescholten werde, und des Herrn Gebot zu erfüllen suchen: „Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen.“ Amen.

Am 29. September.

„Lobet ihn, alle seine Engel, lobet ihn, alle sein Heer!“ Ps. 146, 2. Zu den lieblichsten Lehren der heiligen Schrift gehört die Lehre von den Engeln. Was die Heidenwelt schon ahnte, was dem Besonnenen kaum zweifelhaft sein kann, daß die Stufenleiter der vernünftigen Geschöpfe über das Geschlecht der Sterblichen noch hinausrage, daß die Kluft zwischen dem majestätischen Gott und dem geringen Menschenkunde nicht völlig unvermittelt sei: das bestätigt uns das Wort Gottes durch die Lehre von den heiligen Engeln. Welch' ein schöner, tröstlicher Glaube: Gott hat uns die leuchtenden Legionen, die seinem Throne näher stehen als wir, zur Hut bestellt, daß sie uns theilnehmend umschweben, unsere Kindlein hüten, den Frommen begleiten und die erlöste Seele emporheben gen Himmel! Welche freundlichen, erquickenden Bilder, diese Engelerscheinungen, die die heilige Schrift aufgezeichnet hat, von jenen drei himmlischen Gästen an, die einst Abraham bewirthen durfte unter'm Schatten seiner Bäume im Hain Mamre, bis zu dem leuchtenden Engel, der in finstrer Mitternacht den gefangenen Petrus gleich einem Träumenden durch die wohlverwahrten Thüren seines Kerkers führte!

Wie groß die Menge dieser himmlischen Geister sei, die der Herr vor der Schöpfung der Menschen in's Dasein rief, die vor ihm versammelt sind, und die nicht im Spiegel und Räthsel, sondern von Angesicht zu Angesicht schauen, wer kann es ausdenken oder aussprechen? Welche Andacht mag aus ihren Blicken strahlen, welche Freude ohne Trübung sie entzücken! Welche Liebesgluth und welche Sehn sucht, Gott zu sehen, und doch auch welche Befriedigung ihres seligen Verlangens! Tag um Tag verkündigen sie die Ehre Gottes, und anbetend rufen sie aus: „Heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth!“ Freudig und vollkommen und immerdar richten sie aus, was Gottes heiliger Wille ist. Sie sind gleichsam die heilbringenden Hände Gottes, die sich zu keinem Werke bewegen, außer wozu er sie leitet. Wohl könnte der Herr uns, seine Kinder, führen und regieren, erhalten und vor allem Uebel Leibes und der Seele schützen ohne der Engel Dienst. Eben wie er uns wohl konnte zu Menschen schaffen, wie Adam und Eva, ohne Vater und Mutter, wie er wohl könnte Land und Leute regieren ohne Fürsten, die Gemeinde weiden ohne Hirten und Lehrer, uns ohne Sonne und Sterne das Licht, ohne Säen und Pflügen das tägliche Brod geben. Aber er null, daß immer eine Kreatur der andern dienen soll.

So sehen wir denn die Boten Gottes in die heilige Geschichte eintreten als Vermittler und Träger der göttlichen Offenbarungen, als schützende und dienende Geister, als fürsorgliche und hülfreiche Hüter und Begleiter der Frommen in den Tagen der Verheißung und der Erfüllung: dem Abraham bringen sie eine Freudenbotschaft, den Lot entreißen sie dem Verderben Sodoms, den Jakob grüßen sie auf seiner Pilgerfahrt, den David strafen sie um seines Hochmuths willen, den Daniel beschützen sie mitten unter den Löwen. Aus Engelsmund empfängt der greise Zacharias die langersehnte Botschaft, und Engelsgruß erschallt im stillen Gemach der gebenedeieten Gottesmagd. Engelslippen verkündigen die Geburt des Weltheilandes, und eine Engelserscheinung zeigt dem heiligen Kinde den Weg der Rettung aus drohender Gefahr. Engel dienen dem Herrn in den Tages seines Fleisches, sind die Zeugen seiner Auferstehung und Himmelfahrt, und Engel werden ihn begleiten, wenn er kommt zum Gericht.

Und die starken, demüthigen Helden sind auch uns in Liebe zugethan, helfen uns, wenn wir arbeiten, ermuthigen uns, wenn wir streiten, krönen uns, wenn wir siegen und bringen unsere Seele zum ewigen Frieden. Herr, was ist der Mensch, daß du sein gedenkest, und des Menschen Kind, daß du dich seiner annimmst? Amen.

Am 30. September.

„Liebe Seele, du hast einen großen Vorrath auf viele Jahre; habe nun Ruhe, iß und trink und habe guten Muth.“ Luc. 12, 19. So spricht Mancher in seinem Herzen, den der Herr gesegnet mit irdischem Gut, der mit Wohlgefallen auf eine glückliche und vergnügliche Zukunft schaut und der nun in aller Gemächlichkeit den irdischen Segen verzehren will. Aber was sagt der Herr zu solchen Plänen und Entwürfen? „Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern!“ Was sind des Menschen Entwürfe und Pläne? Nebel, den der kleinste Luftzug verwehet. Was sind die Schätze und Reichthümer dieser Erde? Güter, welche die Flamme verzehrt, die Fluth wegschwemmt, die Diebe stehlen und der Rost frißt. Was sind die Tage unseres Lebens? Ein flüchtiger Schatten, der vertrieben wird, ein Rauch, vom Winde verwehet. Und darauf wollte ich das Heil meiner Seele, das Glück des ewigen Lebens bauen! „Also gehet es, wer ihm Schätze sammelt und ist nicht reich in Gott.“ Reich sein in dir, mein Gott, in deiner Wahrheit, in deiner Gnade, in deinem Frieden, o welche Seligkeit! welche ewige, unzerstörbare Güter! welch heiliges, gewisses, gottseliges Leben! Darnach laß mich trachten; darin reich werden, damit ich täglich gesättigt werde. Lehre mich bedenken, daß ich sterben muß, vielleicht heute schon, damit ich weise und demüthig werde und mir an dem genügen lasse, was deine Gnade mir darreicht. Wir haben nichts mit in die Welt gebracht, darum offenbar ist, wir werden auch nichts mit hinausnehmen. Leite all mein Streben und Trachten nach deinem Reiche und nach deiner Gerechtigkeit, damit ich in dir ein volles Genüge finde, meine Seele immer mehr reinige von den Schlacken des vergänglichen Wesens, und einst zum Anschauen deiner ewigen Herrlichkeit gelange.

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