Spieker, Christian Wilhelm - Christliche Morgenandachten auf alle Tage des Jahres - Juli.

Am 1. Juli.

Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?“ Ps. 27, 1. Wie leicht ist es, dich zu finden, Herr, mein Gott! und doch wie Viele bleiben fern von dir! Blicke ich zum Himmel empor, so bist du da; er ist der Thron deiner Herrlichkeit. Schaue ich um mich her auf dieser Erde, ich fühle überall deine heilige Nähe; sie ist deiner Füße Schemel. Sehe ich zurück auf mein vergangenes Leben, auch da leuchtet mir dein väterlich Angesicht; deine Hand hat mich geleitet von Kindheit an, und deine Weisheit hat mich sicher geführt durch alle Unruhe und Dunkelheit des Lebens. Steige ich hinab in des Herzens Tiefe, auch da bist du; es ist die Wohnung deines Geistes, die Stätte deines Friedens.

Wohin ich gehe, folgst du mir nach, wo ich bin, da bist auch du. Du kennest selbst meine Gedanken und Bestrebungen, und Alles schreibst du nieder in dein Buch, es sei gut oder böse. Heller als die Sonne sind die Augen, mit denen du die Wege deiner Menschenkinder beschauest. Auch mich sahen sie schon, da ich noch gebildet ward. Auf hoher Warte stehest du gleichsam und richtest deinen Blick so unablässig auf mich, als hättest du Himmel und Erde und alle andern Creaturen vergessen. Ich habe ein Wort vernommen und es ist eingedrungen in mein innerstes Leben und stehet geschrieben in meinem Herzen, daß du mein Vater bist und mich erlösen willst von allem Uebel des Lebens, daß der Himmel mein Vaterland und meine Pilgerreise die Wallfahrt in die Heimath ist.

Darum suche ich dich allenthalben, mein treuer Gott und Vater, und verlange nach deiner Hülfe und nach deinem Rathe. Ohne dich und deinen eingeborenen Sohn kann ich den Weg, die Wahrheit und das Leben nicht finden; er, der treue Hirt, muß mich durch die Wüste führen ins gelobte Land. Ohne dich habe ich keine Freude und keinen Frieden; ohne dich kann ich die Sünde, die Welt und den Tod nicht überwinden, ohne dich in das Reich des ewigen Lichtes nicht eingehen. Wer aber unter dem Schirme des Höchsten sitzet und unter dem Schatten des Allmächtigen bleibet, der hat in dem Herrn einen starken Hort und eine feste Zuversicht, der kann zu ihm sprechen: „Herr, meine Zuflucht und feste Burg, mein Fels, auf den ich baue, mein Gott, auf den ich hoffe!“ Siehe, mein Gott, ich hoffe und baue auf dich und befehle dir mein Herz und Leben und alle meine Wege. Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser. Er erquicket meine Seele und führet mich auf rechter Straße. Und ob ich schon wanderte im finstern Thal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir; dein Stecken und Stab trösten mich. Amen!

Am 2. Juli.

Denke dir, du sähest ein tiefes, dunkles Thal, das allen Jammer in sich faßte. Darüber führte eine lange, blos einen Fuß breite Brücke. Müßte nun Jemand über diese schmale, hohe und gefährliche Brücke gehen, dem die Augen verschlossen, daß er seine Tritte nicht zu sehen vermöchte, dem die Hände gebunden wären, daß er keinen Stab zum Fühlen gebrauchen könnte, würde der wohl noch lachen und scherzen? Würde der nicht vielmehr vor Furcht und Schrecken erzittern und erbeben?

Denke dir, daß noch Ungestalten von Raubvögeln um die Brücke herumschwärmten, geschäftig, den Wanderer in die Tiefe hinabzureißen; denke dir endlich, daß bei jedem seiner Schritte die einzelnen Bretter sofort hinter ihm weggezogen würden!

Und nun höre, was das Gleichniß sagen will. Unter dem tiefen und dunkeln Thal ist die Hölle zu verstehen. Alles, was schmeichelt, findet man nicht da, und Alles, was schreckt, peinigt und ängstet, findet man da. Die gefahrvolle Brücke ist das gegenwärtige Leben, wer es übel benutzt, sinkt zur Hölle hinab. Die Bretter, welche hinter dem Wanderer weggezogen werden, sind die nie wiederkehrenden Tage seines Lebens, deren beständige Abnahme ihn immer mit Eile zum Ende hindrängt. Der Vogelschwarm ist die Schaar böser Geister. Wir selbst sind die Wanderer, blind von Thorheit und mit Untüchtigkeit zur Tugend wie mit einer schweren Kette gebunden.

Nun bedenke, ob wir nicht in solcher Gefahr zum Schöpfer um Hülfe schreien müssen.

Am 3. Juli.

Der sich selbst für unsere Sünde gegeben hat, daß er uns errette von dieser gegenwärtigen argen Welt nach dem Willen Gottes und unseres Vaters, dem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ Gal. 1, 4. Luther läßt sich über diese Worte also vernehmen: „Alle Kraft und Macht der Seligkeit ist daran gelegen, daß diese Worte für ernste und wahrhaftige Worte gehalten werden. Ich sage solches fürwahr nicht vergeblich, denn ich hab's oft erfahren, und erfahre es noch täglich, je länger je mehr, wie über die Maßen es einem schwer wird, sonderlich wenn das Gewissen die Last der Sünden und die Schrecken des Todes fühlt, fest zu glauben, Christus sei hingegeben, nicht für die, so da heilig, gerecht, würdig und Gottes Freunde sind, die recht und billig verdienet hätten Gottes Zorn, den ewigen Tod und Verdammniß.

Darum sollen wir mit diesen und dergleichen Sprüchen, derer die Schrift voll ist. uns wohl rüsten und geschickt machen, auf daß wir dem Teufel, wenn er dermaleinst kommt und uns anklaget und spricht: „Du bist ein Sünder, darum bist du mein eigen und ein Kind der ewigen Verdammniß,“ daß wir alsdann, sage ich, ihm begegnen und auf diese Meinung antworten können: „Ja, eben darum, daß du mich einen Sünder anklagest und deshalb verdammen willst, will ich desto getroster glauben, ich sei gläubig und gerecht, und werde gewiß selig werden, denn eben mit dem, daß du sagest, ich sei ein armer großer Sünder, giebst du mir Schwert und Waffen in die Hand, damit ich dich gewaltig überwinden kann. Denn kannst du mir sagen, ich sei ein armer Sünder, so kann ich dir wiederum sagen, daß Christus für die Sünder gestorben ist und ihr Fürsprecher sei, darum schreckest du mich gar nicht damit, daß du mich einen Sünder heißt, sondern tröstest mich vielmehr.“

Daran halte fest, meine Seele, in den Stunden der Anfechtung.

O, solltest du sein Herze sehn,
Wie sich's nach armen Sündern sehnet,
Sowohl wenn sie noch irre gehn,
Als wenn ihr Auge vor ihm thränet!
Er streckt die Hand nach Zöllnern aus,
Er eilet in Zachäi Haus;
Wie sanft stillt er dort Magdalenen
Den Strom der bittern Reuethränen
Und denkt nicht, was sie sonst gethan.
Mein Heiland nimmt die Sünder an.

Amen!

Am 4. Juli.

Gott der Herr ist Sonne und Schild; der Herr giebt Gnade und Ehre; er wird kein Gutes mangeln lassen den Frommen. Herr Zebaoth, wohl dem Menschen, der sich auf dich verläßt!“ Ps. 84, 12 u. 13.

Die güldne Sonne,
Voll Freud und Wonne,
Bringt unsern Grenzen
Mit ihrem Glänzen
Ein herzerquickendes, liebliches Licht.
Mein Haupt und Glieder
Die lagen danieder;
Aber nun steh' ich,
Bin munter und fröhlich,
Schaue den Himmel mit meinem Gesicht.

Mein Auge schauet,
Was Gott gebauet
Zu seinen Ehren,
Und uns zu lehren:
Wie sein Vermögen sei mächtig und groß;
Und wo die Frommen
Dann sollen hinkommen,
Wann sie in Frieden
Von hinnen geschieden
Aus dieser Erde vergänglichem Schooß.

Abend und Morgen
Sind seine Sorgen;
Segnen und mehren,
Unglück verwehren,
Sind seine Werke und Thaten allein.
Wann wir uns legen,
So ist er zugegen,
Wann wir ausstehen,
So läßt er aufgehen
Ueber uns seiner Barmherzigkeit Schein.

Ich hab' erhoben
Zu dir hoch droben
All meine Sinnen;
Laß. mein Beginnen
Ohn' allen Anstoß und glücklicher gehn!
Laster und Schande,
Des Seelenfeinds Bande,
Fallen und Tücke
Treib ferne zurücke!
Laß mich auf deinen Geboten bestehn!

Laß mich mit Freuden
Ohn' alles Neiden
Sehen den Segen,
Den du wirst legen
In meines Bruders Hand, Güter und Haus.
Geiziges Brennen,
Unchristliches Rennen
Nach Gut mit Sünde,
Das tilge geschwinde
Aus meinem Herzen und wirf es hinaus!

Alles vergehet;
Gott aber stehet
Ohn' alles Wanken;
Seine Gedanken,
Sein Wort und Wille hat ewigen Grund.
Sein Heil und Gnaden
Die nehmen nicht Schaden,
Heilen im Herzen
Die tödtlichen Schmerzen,
Halten uns zeitlich und ewig gesund.

Gott, meine Krone,
Vergieb und schone,
Laß meine Schulden
In Gnad und Hulden
Aus deinen Augen sein abgewandt!
Sonst, Herr, regiere
Mich, lenke und führe
Wie dir's gefället!
Ich habe gestellet
Alles in deine Beliebung und Hand.

Willst du mir geben,
Womit mein Leben
Ich kann ernähren,
So laß mich hören
Allzeit im Herzen dieß heilige Wort:
„Gott ist das Größte,
Das Schönste und Beste,
Gott ist das Süßste
Und Allergewißste,
Aus allen Schätzen der edelste Hort!“

Amen!

Am 5. Juli.

Jesus spricht zu Martha: Habe ich dir nicht gesagt, so du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen?“ Joh. 11, 40. Der Glaube ist das Eine, was Noth thut, worin wir Alles haben, womit wir Alles erlangen, wodurch wir Alles erkennen und vermögen, und ohne Glauben ist Alles an uns verloren. Durch den Glauben haben wir Jesum, den Heiland der Sünder; durch den Glauben erlangen wir die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt; durch den Glauben erkennen wir die Wege, die Gott der Herr mit seinen Kindern auf Erden geht; durch den Glauben sind wir stark, Fleisch und Blut, Welt und Satan zu überwinden und trotz allen Widersachern Gott zu Ehren und dem Nächsten zu Nutzen in Friede und Freude zu leben.

Dagegen ohne den Glauben ist Alles, was Gott der Vater uns von Ewigkeit her zugedacht, Alles, was Gott der Sohn, da die Zeit erfüllet war, für uns gethan und gelitten hat, Alles, was Gott der Heilige Geist seit dem Tage unsrer Taufe an uns gewirket hat: es ist vergebens und kann keine Frucht in uns schaffen, wenn wir keinen Glauben haben.

Oder meinest du, o Seele, es sei für einen Johannes und einen Petrus, für eine Maria und eine Martha leichter gewesen, an Christum Jesum, den Sohn Gottes zu glauben, als für uns, weil sie ihn mit ihren Augen gesehen und mit ihren Händen betastet haben, weil sie Zeugen gewesen seiner Herrlichkeit, einer Herrlichkeit des eingebornen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit? Siehe, es gilt hier das Wort aus dem Munde der Wahrheit: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ Was du siehst, das glaubst du nicht, und wenn du nicht glaubst, so siehst du nichts von der Wahrheit und Herrlichkeit Gottes, und so du davon etwas siehst, so siehst du es mit den Augen des Leibes. Darum spricht der Herr, da er sich anschickt, mit seiner Gottesmacht den todten Lazarus zu erwecken, zu Martha die immer noch nicht glaubte, daß er solch ein Wunderwerk ausrichten könne, da der Verstorbene schon vier Tage im Grabe gelegen, das Wort: „Habe ich dir nicht gesagt, so du glauben würdest, du solltest die Herrlichkeit Gottes sehen?“ Und als der Fürst des Lebens mit lauter Stimme rief: „Lazare, komm heraus!“ so hörten es Alle, die dabei waren, und als der Verstorbene herauskam, so sahen es Alle, die herumstanden; aber die Herrlichkeit Gottes des Vaters, der seinem Sohne solche- Macht gegeben hat, die Herrlichkeit des Sohnes Gottes, der in göttlicher Kraft, aus göttlicher Liebe dies Werk vollbracht, um die -Seelen zu erretten aus der Finsterniß des Unglaubens, um ein seliges Gottesreich zu gründen auf Erden - diese Herrlichkeit sahen nur die, welche schon an ihn glaubten oder deren Herzen durch das Wunder zum Glauben erweckt wurden.

Stehet also eine Menschenseele in ihrem eigenen Lebensgang wie in der Geschichte ganzer Völker nicht die Herrlichkeit Gottes, der aus Finsterniß zum Licht, aus Sünde zur Gerechtigkeit, aus dem Tode zum Leben führt: so hat wich eine Seele keinen Glauben und stehet durch eigene Schuld mit blinden Augen vor der Herrlichkeit Gottes. - Herr, laß das Licht deiner Gnade in mein Herz hineinstrahlen, daß ich deine Herrlichkeit sehe und dich preise. Amen!

Am 6. Juli.

Lieber himmlischer Vater, ich lobe und preise dich auch für diese Nacht, die du mich überleben und für diesen Tag, den du mich erleben lassen.

Laß das rechte göttliche, geistliche und himmlische Leben, das aus dir ist, durch den Geist der Gnaden in mir neu werden, damit nicht ich lebe, sondern Christus in mir, und ich im Glauben des Sohnes Gottes stets erneuert werde, als eine Pflanze der Gerechtigkeit zu grünen und zu blühen, dir zum Preise, und auszubrechen in lebendige und dir wohlgefällige Früchte des Geistes, meinem Nächsten zu Nutz und Dienst. Ich ergebe mich dir auf's Neue, o Vater, mache mit mir, was dir wohlgefällt. Reinige, läutere und bewähre mich, daß ich ein rechtschaffener Christ sei und zum Israel Gottes gehöre, über welchem ist Friede und Barmherzigkeit. Ich begehre keine Ehre als deine Kindschaft, keinen Reichthum als die Gerechtigkeit Jesu Christi, keine Freude als die gnadenreiche Einwohnung des Heiligen Geistes.

Für mein Leibliches wirst du wohl sorgen, denn du hast gesaget: Ich will dich nicht verlassen noch versäumen. Doch bewahre mich vor Müßiggang. Laß mich arbeiten, nicht aus Geiz, sondern aus herzlicher Liebe gegen meinen Nächsten.

Laß deine Barmherzigkeit sich ausbreiten über alle Menschen, die auf dem ganzen Erdboden wohnen, und deine Güte, über alle deine Geschöpfe. Gedenke deiner Kinder, die dich kennen und in der Einigkeit des Geistes verbunden sind als lebendige Glieder an ihrem hochgelobten Opferhaupte Jesu Christo. Laß unser - aller Gebet Ein Gebet sein vor dir durch Christum, in welchem du uns dir selbst angenehm gemacht hast. Sei du selbst eine ewige Vergeltung allen Denen, die mir Liebe beweisen. Meine Beleidiger siehe mit erbarmendem Auge an und vergieb ihnen, gleichwie ich ihnen von Herzen vergebe Alle meine Anverwandte lege ich in deine Liebesarme. Kirchen und Schulen, Obrigkeit und Unterthanen befehle ich dir, mein Gott. Ach, siehe an den elenden Zustand in allen Ständen, mache dich auf und hilf uns, daß deine Ehre gerettet und des gottlosen Wesens ein Ende werde. Hilf den Armen und Elenden, die zu dir schreien. Herr, mein Gott, verschmähe mein Gebet nicht, sondern erhöre mich um Jesu Christi willen. Amen.

Am 7. Juli.

Sehet die Vögel unter dem Himmel an, sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheuren, und euer himmlischer Vater ernähret sie doch.“ Matth. 6, 26. Läßt sich die Alles ernährende Liebe Gottes sprechender und rührender darstellen, als mit diesen Worten? Wie ist das Vöglein so lustig, singet so lieblich und hüpfet von einem Zweige zum andern! Es weiß nicht, daß der Winter herbei kommt, sorget nicht um den Mangel, der eintreten könnte, ist so vergnügt in sich selbst und singet wohlgemuth sein Morgen- und sein Abendlied. „Hier fliegen die Vöglein vor unsern Augen über (sagt mein lieber frommer Luther), uns zu lehren, daß wir wohl unser Hütlein gegen sie abthun möchten und sagen: mein lieber Herr Doctor, ich muß bekennen, daß ich die Kunst nicht kann, die du kannst; du schläfst die Nacht über in deinem Nestlein ohn' alle Sorge, des Morgens stehst du wieder auf, bist fröhlich und guter Dinge, setzest dich auf ein Bäumlein und singest, lobest Gott, suchest darnach deine Nahrung und findest sie. Warum thu' ich alter Narr das nicht auch, da ich doch so viel Ursach' dazu habe? Kann das Vöglein sein Sorgen lassen und hält sich in solchem Fall wie ein lebendiger Heiliger, hat weder Acker noch Scheuren, weder Kasten noch Keller, singt dennoch, lobet Gott, ist fröhlich und guter Dinge, weil es weiß, daß es Einen hat, der für ihn sorgt und unser Vater im Himmel heißt; Warum thun wir's denn nicht auch, die wir doch arbeiten und das Feld bauen, die Früchte einsammeln, aufschütten und auf die Noth behalten?“ So will ich denn arbeiten, weil Arbeit gut und von Gott befohlen ist, aber ich will dabei alle meine Sorge auf Gott werfen, weil er väterlich für mich sorget. Mit meinem Sorgen und Grämen richte ich doch nichts aus. Daß ich Nahrung die Fülle habe, ist nicht der Lohn meiner Arbeit, sondern Gottes Gnade und Segen. Und wenn ich pflüge hundert Jahre und thue aller Welt Arbeit, 'ich werde doch keinen Halm aus der Erde bringen. Arbeiten gebührt uns, aber Ernähren gehört Gott zu.

Am 8. Juli.

Die Güte des Herrn ist alle Morgen neu, und seine streue ist groß.“ Klagel. 3, 23.

Dich, dich, mein Gott, will ich erheben,
Du warft mein Schutz in der vergang'nen Nacht,
Erquicktest mich, erhieltst mein Leben,
'Und schafftest, daß ich fröhlich bin erwacht.
Wer bin ich, daß du meiner so gedenkst
Und wieder einen Tag zum Heil mir schenkst?

Auch über mir ist deine Güte
Noth immerfort an jedem Morgen neu.
Mit dankbar freudigem Gemüthe
Fühl' ich die Größe deiner Vatertreu'.
Auch diesen Tag will ich mich deiner freu'n;
Auch er soll deinem Dienst geheiligt sein.

Vor deinen Augen will ich wandeln,
Und redlich thun, was dir, mein Gott, gefällt;
Gewissenhaft in Allem handeln,
Und weislich flieh'n die arge Lust der Welt.
O stärke selbst durch deine Gnade mich, -
Denn was vermag ich Schwacher ohne dich?

Laß diesen Tag mich so vollbringen,
Daß ich ihn ohne Reu' beschließen kann.
Will guter Vorsatz mir mißlingen,
So nimm als That den Vorsatz gnädig an.
Auch dieser Theil von meiner Uebungszeit
Sei mir Gewinn noch für die Ewigkeit.

Gieb mir auch heute, was mir nützet;
Vor Allem aber gieb ein ruhig Herz,
Das sich auf dein Liebe stützet,
Und dir vertraut auch in dem größten Schmerz.
Du weißt, was mir zum wahren Wohl gebricht,
Und dies versagst du meinen Bitten nicht.

In diesem kindlichen Vertrauen
Will ich getrost an mein' Geschäfte geh'n,
Auf deinen Beistand sicher bauen,
Und deiner Fügung still entgegen geh'n.
Ich weiß, du führst mich stets auf rechter Bahn,
Und nimmst mich einst gewiß zu Ehren an.

Amen!

Am 9. Juli.

Wirf dein Anliegen auf den Herrn, der wird dich versorgen, und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen.“ Ps. 55, 23. Mit Recht haben die Väter die ganze heilige Schrift vom ersten bis zum letzten Worte einen Gnadenbrief Gottes an uns Menschen genannt. In seinem Worte offenbart der Herr uns nicht nur seine unendliche Liebe und Barmherzigkeit, sondern hält uns auch das Elend und den Jammer vor, wohin uns die Sünde gebracht hat und bringt, wenn wir auf dem breiten Wege beharren und die rettende Hand nicht ergreifen, die sich uns darbietet.' In beständiger Unruhe und Angst, in Furcht und Zittern bringen wir unsere Tage hin, so lange wir nicht in Gottes Geboten wandeln. Denn der starke, eifrige Gott droben im Himmel wacht über jedes seiner Gebote und läßt Keinen ungestraft, der dawider thut. Wenn er nun spricht: „Rufe mich an in der Noth, so will ich dich erretten, und du sollst mich preisen!“ so sollten wir in freudigem Glauben all unser Anliegen und unsre Noth auf ihn werfen und ihm vertrauen. Aber klopfen wir nicht erst vor allen Menschenthüren an, ehe wir vor der Himmelsthüre Trost und Hülfe suchen? Sehen wir uns nicht erst nach menschlichen Stützen um, ehe wir uns dem starken Arm des Herrn vertrauen?

O meine Seele, wirf dein Anliegen auf den Herrn. Er kann auch im Meere Wege und in tiefen Wassern Bahn machen. Siehe nicht auf die Noth und Gefahr, nicht auf die hochgehenden Wogen und Fluthen der Trübsal und des Kummers, sondern auf Den, der das Steuer deines Lebensschiffleins führt. Er hat noch niemals Schiffbruch gelitten. Er stillt das Brausen des Meeres und das Toben seiner Wellen. Er sieht dich in diesem Jammer, er kennt deine Angst, Furcht und Bangigkeit, es bricht ihm sein Herz und er ruft dir zu: Mein Kind, ich stehe dir nahe, wirf dein Anliegen auf mich, gieb her, was dich bekümmert und betrübt, gieb her dein Leid und deine Schmerzen, du kannst sie nicht tragen, ich bin derselbige heute noch und in alle Ewigkeit, dein Hoherpriester, der Mitleiden hat mit der Menschen Schwachheit!

Willst du diese Stimme deines Herrn verachten und versäumen? Willst du dich nicht trennen von der schweren. Bürde der Sorgen und des Kummers? Willst du zu deinem eigenen Schaden festhalten in Verkehrtheit und Eigensinn, was er aus Huld und Gnade dir abzunehmen bereit ist? Und nimmt er die Last, die dich drückt, nicht völlig von deinen Schultern, so macht er sie doch leichter. Den ersten Eltern gab er zwar den erschlagenen Sohn nicht wieder, aber er gab ihnen einen andern zum Ersatz. Den blinden Bettler Bartimäus machte er zwar nicht zum reichen Mann, aber er schenkte ihm doch wenigstens das Augenlicht. Dem hungernden Volk in der Wüste reichte er zwar keinen Ueberfluß und kein Wohlleben, aber Gerstenbrot und ein wenig Fischlein, daß es nicht gar verschmachten mußte. Das Warten der Frommen wird mit Freude gekrönt. Darum wirf dein Anliegen auf den Herrn' der wird dich versorgen, und wird den Gerechten nicht ewiglich in Unruhe lassen.

Gott, meine Krone, vergieb und schone!
Laß meine Schulden in Gnad und Hulden
Aus deinen Augen sein abgewandt.
Sonsten regiere mich, lenke und führe,
Wie dir's gefället, ich habe gestellet
Alles in deine Beliebung und Hand.

Amen!

Am 10. Juli.

Also, meine Liebsten, wie ihr allezeit seid gehorsam gewesen, nicht allein in meiner Gegenwart, sondern auch nun vielmehr in meinem Abwesen; schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern.“ Philipp. 2, 12. Der Brief Pauli an die Philipper ist, wie in zarter, inniger Liebe, so auch in einer regen, heitern Freude des Heiligen Geistes geschrieben; aber dennoch ist er sehr ernst. Es gehört ja auch zum Wesen und Charakter der christlichen Freude, daß sie das Ernsthafte nie von sich zu entfernen und zu vergessen braucht, um ungestört zu bleiben in seiner Freude. Und ob sie den Menschen bis zum Himmel erhebt, so bleibt er sich doch seines ganzen Weges und Zieles bewußt. So kann uns denn die ernste Ermahnung nicht befremden: „schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und Zittern!“ Dies ist das natürliche Gefühl im Menschen, insofern er nicht durch sich selbst, nicht durch sein eigenes Verdienst und Bemühen, sondern allein durch die Gnade Gottes und durch das Verdienst Jesu Christi selig werden kann. Der Christ wird im Lichte göttlicher Wahrheit gewahr., wie er, von Sünde und Tod umfangen, die vergeltende Ewigkeit und den heiligen und gerechten Gott, der das Böse bestrafen muß, zur Aussicht hat. Dieser schreckliche Zustand muß ihn mit Furcht und Zittern erfüllen. Solche Pein seines Herzens hört aber auf, sobald dem Gläubigen die Freundlichkeit und Leutseligkeit Gottes unseres Heilandes erscheint,' wenn das gnadenreiche Wort . Gottes sein wundes Herz heilt und er in Jesu Christo Zugang zu seinem himmlischen Vater gefunden hat. „Meinest du, daß ich Gefallen habe an dem Tode der Gottlosen, sprichst der Herr, und nicht vielmehr, daß er sich bekehre von seinem Wesen und lebe? Darum bekehret euch, so werdet ihr leben.“ Hesek. 18, 23 und 32. „Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ Joh. 3, 16. Damit verwandelt sich das Zittern in Freude und die Furcht des Todes in Hoffnung des Lebens. Der Mensch hat Gott gefunden und in Gott Heil und Leben, Frieden und Freude und ist selig in diesem Verhältniß mit Gott, weil er Vergebung der Sünden hat und die Gewißheit der Erlösung vom Tode. Das Schaffen und Sorgen, selig zu werden, hört damit nicht auf, aber es ist nicht das ängstliche Verzagen an unserer Seligkeit, sondern der tiefste, strengste, allen Leichtsinn niederkämpfende, alle Trägheit besiegende Ernst in einer Sache von der höchsten Wichtigkeit, der die ganze Seele füllt und das ganze Leben regiert, der aber den Frieden und die Freude des durch Gottes Gnade neugeborenen Herzens nicht hindert. Wir sind gewiß, durch den Glauben an das Verdienst Christi die Seligkeit zu erlangen in der Herrlichkeit Gottes des Vaters. Ach, hilf nur, mein Herr und Heiland, daß ich bestehe im Kampf mit der Sünde und die Gnade Gottes nicht versäume. Amen.

Am 11. Juli.

Nach der Herrlichkeit deines Hauses sehnet sich mein Geist, o Vater, und dein unwürdiges Kind begehret zum Anschauen deiner Klarheit zu gelangen. Wann werde ich kommen vor dein Angesicht, wann werde ich vollendet werden?

Und werde ich würdig sein, dein Heiligthum zu betreten? Du allein, o Herr, kannst mir die Pforten öffnen, die mich zu deinem Lichte führen, und nur du kannst machen, daß meine Hoffnung nicht zu Schanden wird. O verschmähe mich nicht und erbarme dich mein, des Werkes deiner Hände; Hilf mir durch deinen mächtigen Arm, gütiger Vater, und laß mich nicht verloren gehen vor deinem Angesicht durch meine Sünden; mich, den du bereitetest, um zur Herrlichkeit deiner Wohnung zu kommen, mich, den du geschaffen hast zu deinem Bilde.

O, wann erscheint der Tag der Freude, da ich dich schaue und all mein Verlangen erfüllt wird! Nach dir dürstet meine Seele, nach dir, dem lebendigen Gott! Wann werde ich von der dürren Erde- zu den Wassern des ewigen Heils gelangen; wann wirft du meinen Durst stillen und mich 'tränken vor deinem Angesicht, du Quelle alles Lebens?

Herrlicher und schöner Tag, den kein Abend endet; wo die Stimme des Lobes und des Frohlockens gehört wird; wo Freude ohne Traurigkeit kund wird, Freude der Ewigkeit. Dort ist Alles vollkommen, und nichts ist dort, was du nicht willst. Kein Feind, kein Fallstrick drohet mehr, sondern die höchste Ruhe, der stillste Frieden und ungetrübte Seligkeit sind das ewige Erbe aller Derer, die in deinem Anschauen versammelt sind. O, wann werde ich eingehen und dich schauen; wann wird die große Erscheinung deiner Herrlichkeit mein Theil!

Ich warte meines Heilandes Jesu Christi, welcher meinen nichtigen Leib verklären wird, daß er ähnlich werde seinem verklärten Leibe. Ich warte meines Herrn, daß er sich erhebe und mich einführe als seinen Gast zu dem Mahle des Himmelreichs. Komm, Herr, und säume nicht, besuche mich in Frieden. Komm, Herr, Jesu, und führe mich, so wird mir wohl sein. Führe meine Seele aus ihren Banden, daß sie deines heiligen Namens sich freue.

Höre mich, Herr, und leite mich aus den Unruhen des zeitlichen Lebens in den Hafen der ewigen Seligkeit. Selig sind, welche die Gefahren des stürmischen Meeres dieses Lebens überwunden haben, und zu dir, dem sichern Hafen, zu gelangen gewürdigt wurden. Sie erfreuen sich des Friedens und frohlocken in deiner Herrlichkeit. Von allem Uebel befreit, haben sie erreicht das unverwelkliche Erbe, das behalten wird im Himmel, und preisen deine Gnade, o Gott, die sie hinausgehoben hat in dein Reich! Amen.

Am 12. Juli.

So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rechten Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen.“ Joh. 11, 31, 32.

An deiner Rede will ich bleiben.
Du treuer Heiland, Jesus Christ!
Und ob auch Keiner d'ran verbliebe,
Ich weiß ja, was dein Wort mir ist;
Wie aus der Sünde tiefstem Jammer,
Wie aus des Todes finst'rer Nacht,
Wie aus der Hölle Haft und Banden
Dein theures Wort mich frei gemacht.

An deiner Rede will ich bleiben,
D'rauf läßt sich's bauen felsenfest;'
Ich weiß ja, daß von deinen Worten
Du keins zur Erde fallen läßt.
Es sollen Berg und Hügel weichen.
Eh' stürzt der ganze Weltkreis ein,
Eh' auch das kleinste deiner Worte,
Herr Jesu, unerfüllt wird sein!

An deiner Rede will ich bleiben,
Kein Wörtlein d'rin sei mir, zu klein;
Das kleinste Wort aus deinem Munde
Muß größer, als die Welt ja sein.
Du sprachst ein Wort - und sie erstanden
Die Kreaturen sonder Zahl;
Du sprichst ein Wort - und Herzen schmelzen,
Die härter sind, als Erz und Stahl.

An deiner Rede will ich bleiben,
Wie Kindlein an der Eltern Mund;
Ach, laß an deinem Wort mich hangen
So fest noch in der letzten Stund' -
Und nimm dann mit dem Gruß des Friedens
Zu dir dein theu'r erkauftes Kind,
Dahin, wo ohne Wort dich schauen
Die deine rechten Jünger sind.

Amen!

Am 13. Juli.

Der Glaube der Auserwählten Gottes ist die Erkenntniß der Wahrheit zur Gottseligkeit in der Hoffnung des ewigen Lebens.“ Tit. 1, 1 und 2. Der Glaube eignet sich Alles an und die Liebe spendet Alles aus, sowie der Glaube den Christen macht und die Liebe den Christen beweist. Der Glaube nimmt in sich auf, was die Schrift zum Heil der Seele darbietet, Gott und seine Gnade, Christum und sein Evangelium, den Himmel und die Verheißung der Seligkeit. Der Glaube hat seinen festen Grund und Boden in der heiligen Schrift. Sie ist der Brunnen, aus welchem er seine reiche Nahrung schöpft.

Wenn die Schrift uns hinweiset auf Gott, als den rechten Vater über Alles, was Kinder heißt im Himmel und auf Erden, so spricht der Glaube: „ich lasse dich nicht; du segnest mich denn.“ Wenn die Schrift sagt: „es ist in keinem Andern Heil, auch dem Menschen kein anderer Name gegeben worden, in dem er könnte selig werden, als der Name Jesu Christi“, so sinket der Glaube demüthig vor ihm nieder und spricht: „mein Herr und mein Gott!“

Wenn die Schrift verkündet: „Christus ist in die Welt gekommen, die Sünder selig zu machen“, so erwidert der Glaube: „Er ist von Gott gemacht zur Weisheit, zur Heiligung, zur Gerechtigkeit und zur Erlösung.“ Wenn die Schrift uns verheißet, daß die, so ritterlich kämpfen, gekrönt werden sollen, so spricht der Glaube mit Paulus: „mir wird der gerechte Richter die Krone des Lebens geben!“

Wenn uns die Schrift zuruft: „Christus ist wahrhaftig auferstanden!“ so spricht der Glaube: „Tod, wo ist dein Stachel; Hölle, wo ist dein Sieg? Gott sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat in unserm Herrn Jesus Christus!“ Wenn die Schrift lehret: durch den Glauben haben die alten Väter Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirket, die Verheißung erlangt, der Löwen Rachen verstopfet, des Feuers Kraft ausgelöscht, sind stark geworden im Streit - so sprechen die Gläubigen: „Unser Glaube ist der Sieg, der die Welt überwunden hat. Wer ist aber, der die Welt überwindet, ohne der da glaubet, daß Jesus Gottes Sohn ist?“ Mache mich reich, o Herr, an diesem Glauben; erfülle mich mit Früchten der Gerechtigkeit, durch Jesum Christum. Amen.

Am 14. Juli.

Nun aber bleiben Glaube, Liebe, Hoffnung, diese drei. Die Liebe aber ist die größte unter ihnen.“ 1. Cor. 13, 13. Der Glaube führt zum Schauen, die Hoffnung zur Erfüllung, die Liebe ins ewige Leben. Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in Gott und Gott in ihm. Darum müssen wir Gott über Alles lieben. Von Gott gehet die Liebe auf unsern Nächsten über, denn wer seinen Bruder nicht liebet, den er stehet, wie mag der Gott lieben, den er nicht stehet? Die Liebe sucht nicht das Ihre, sondern fördert Anderer Wohlfahrt, Glück und Freude; sie tödtet alle Selbstsucht und jedes eigennützige Bestreben, trauert mit den Traurigen und freuet sich mit den Fröhlichen; sie tröstet die Betrübten, richtet die Gefallenen ans, speiset die Hungrigen, kleidet die Nackten, nimmt die Vertriebenen auf. Sie spricht zu dem Nächsten: dein Leid ist mein Leid, deine Freude ist meine Freude, deine Noth meine Noth, und mein Brod dein Brod. Ein Herz, eine Seele, Hin Gewinn, ein Verlust. Wenn's möglich wäre, so theilte die Liebe das Leben mit dem Nächsten; giebt sie es gern hin für den König und das Vaterland, für Vater und Mutter, für Freund und Bruder, für die Gedrückten und Verfolgten, für die Nachbarn und Glaubensgenossen. Darum ist auch die Liebe des Gesetzes Erfüllung, das Band der Vollkommenheit, die Quelle aller Freude, der Ursprung aller Tugend, das vollkommene Gesetz der Freiheit. Sie verträgt Alles, sie glaubet Alles, sie hoffet Alles, sie duldet Alles. Sie freuet sich nicht der Ungerechtigkeit, sie freuet sich aber der Wahrheit. Sie stellet sich nicht ungebärdig, sie läßt sich nicht erbittern, sie trachtet nicht nach Schaden. Die Liebe ist langmüthig und freundlich; die Liebe eifert nicht, sie blähet sich nicht, sie treibet nicht Muthwillen. So dränget der Glaube zur Liebe, und die Liebe verherrlicht den Glauben. Darum sagt auch Christus: „Daran wird Jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, so ihr Liebe unter einander habt.“ Noth bin ich nicht frei von aller Selbstsucht; noch sorge ich zu emsig für meine Wohlfahrt, für meinen Gewinn, für mein Vergnügen; noch bleibe ich zu kalt bei des. Nächsten Leid und Unglück; noch regt sich Neid und Mißgunst bei des Bruders größeren Gütern. O Herr, öffne mein Herz für deine ewige Liebe, so werde ich das Kind des Glaubens, die Seele des Christenthums, die heilige Liebe aufnehmen in mein Herz und sie treulich bewahren. Ich will mich und meinen Nächsten und alle Dinge nur lieben in Gott. Amen.

Am 15. Juli.

In allen Dingen lasset eure Bitte im Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kund werden.“ Phil. 4, 6.

In Osten flammt empor der gold'ne Morgen,
Und Alles, was die finstre Nacht verborgen,
Wird offenbar, erhellt vom Sonnenlicht;
Und all' die Wälder, all' die Höh'n und Tiefen,
Die eingehüllt im Nebelbette schliefen,
Stehn glänzend vor der Sonne Angesicht.

Leucht' in mein Herz und gieb mir Licht und Wonne,
Mein Jesu, meines dunkeln Herzens Sonne,
Erwecke drin den hellen Tagesschein;
O offenbare mir die vielen Falten
Des Herzens, das nach dir sich muß gestalten
Und in dein heilig Bild verkläret sein.

In deinem Lichte laß mich heute wandeln,
In deiner Liebeswärme laß mich handeln,
Wie eine neubelebte Creatur,
Die auch durch eine neue Lebensweise
Den Schöpfer ihres neuen Lebens preise,
Und leb' zu seinem Ruhme nur.

Ich bitte nicht: nimm weg des Tages Plagen!
Nein, um die Liebe bitt' ich, sie zu tragen,
Und um den Glauben, daß mir Alles frommt,
Daß Alles sich zu meinem Heil muß wenden,
Weil Alles mir aus deinen lieben Händen
Und deinem segensreichen Herzen kommt.

Ich bitte nicht: gieb mir viel äußre Stille!
Nein, Herr, auch hier geschehe ganz dein Wille;
Doch bitt' ich: gieb ein kindlich stilles Herz!
Zieht mich die Erde in ihr ird'sches Treiben,
So laß mein Herz doch stets dein eigen bleiben,
Zieh's von der Erde zu dir himmelwärts.

Ich bitte nicht: o ende du recht frühe
Des Erdenlebens Angst und Noth und Mühe!
Nein, sei mein Frieden in der Erdennoth.
Ich bitte nicht: laß bald dein Reich mich erben!
Nein, eh' ich sterb', laß mich der Sünde sterben,
Und werde du recht meiner Sünde Tod.

Du rechte Morgensonne meines Lebens,
O leuchte mir denn heute nicht vergebens,
Sei du mein Licht, wenn ich im Dunkeln steh',
Umleuchte mich mit Glanz und Heil und Wonne,
Daß ich mit Freuden in die Abendsonne
Am Ende meiner Erdenwallfahrt seh'.

Amen!

Am 16. Juli.

So ermahne ich euch, daß man vor allen Dingen zuerst thue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen.“ 1. Tim. 2, 1. Liebe Seele, du lebst nicht für dich allein, sondern ungezählte Schaaren von Pilgern wandern neben dir durch die Wüste dieser Zeit. Du sollst dich freuen mit den Fröhlichen und trauern mit den Betrübten. Deiner Brüder Wohl und Wehe in Zeit und Ewigkeit muß dir am Herzen liegen, mögen sie nah oder fern, gläubig oder ungläubig, hoch oder niedrig, Freunde oder Feinde sein. Für jeden Stand und Beruf, für leibliche und geistliche Nothdurft, für das Gedeihen irdischer und himmlischer Aussaat soll deine Fürbitte laut werden.

Du trittst damit in die Fußtapfen deines himmlischen Hohenpriesters, der sich gesetzt hat zur Rechten des Vaters und' lebet immerdar, und bittet für die Seinen auf Erden. Du trittst damit ein in die große Gnadenfamilie, deren Kinder in Wahrheit beten: Vater unser, der du bist im Himmel! Alle Menschen mußt du täglich in dein Gebet zu Gott einschließen. Wo du nichts für sie hast als dein Herz, da nimm, von brüderlicher Liebe durchdrungen, für sie aus dem Reichthum der göttlichen Gnade den Segen, um ihn auf ihr Haupt zu legen.

Mit solcher fürbittenden Liebe übst du eine wunderbare, weithin reichende Macht. „Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist.“ So hat Gott auf Abrahams Gebet Lot's und der Seinen geschont, als Sodom unterging: hat auf Mosis treue Fürbitte oftmals die strafende Hand zurückgezogen, die über Israel ausgestreckt war. So hat er den letzten Ruf des engelmilden Stephanus an Saulus erfüllt; hat auf das inbrünstige Flehen der Gemeinde zu Jerusalem dem Petrus die Kerkerthüre aufgethan. So hat er die anhaltenden Bitten der frommen Monica erhört, und aus dem verlornen Sohne Augustinus einen todesmuthigen Streiter Christi, eine Säule der Kirche gemacht; hat dem kräftigen Bitten Luthers sein väterlich Ohr geneigt, und ihm den treuen Freund und Gehülfen, Melanchthon, aus schwerer Krankheit errettet. So hat er, der thun kann über Bitten und Verstehen, zu allen Zeiten die Fürbitte der Frommen mit Erhörung gekrönt und es sie erfahren lassen, wie ihnen durch gegenseitige Fürbitte Macht und Stärke, Hülfe und Sieg zu Theil wird.

Durch die ernstliche Fürbitte wird die Liebesgemeinschaft zwischen Eltern und Kindern, zwischen Mann und Weib, zwischen Obrigkeit und Unterthanen, zwischen Brüdern und Freunden erneuert, befestigt, geheiligt. Durch die ernstliche Fürbitte wird das, was getrennt ist, einander näher gerückt, und der Reichthum der göttlichen Barmherzigkeit von Herz zu Herz getragen. Auch in den dunkelsten Stunden, bei den größten Gefahren, unter den schrecklichsten Ereignissen fehlt es der fürbittenden Liebe nicht an Trost. Sie ruft Gottes Erbarmen hiernieder auf die Verlassenen und Geplagten, auf die Verirrten und Verlorenen, wirft alle Liebessorge und Liebesangst auf Gottes Vaterherz. Und fürwahr:

Was die Liebe flehet,
Ist ein Korn, in Gottes Herz gesäet. - Amen.

Am 17. Juli.

Danket dem Herrn und prediget seinen Namen.“ Ps. 105, 1. Mit der Treue in der Fürbitte geht Hand in Hand die Treue im Danken. Oder, sollten wir uns beschämen lassen von den anderen Creaturen, die dem Herrn in ihrer Sprache und Rede danken, wenn er sie grüßt? Wie duften Flur und Wald, wenn Gott sie zur Sommerszeit mit Regen erquickt, wie lieblich singen die Vöglein, wenn der goldne Strahl sie am Morgen zu neuem Leben geweckt hat!

Und du, meine Seele, wolltest an dem Geber aller guten und vollkommenen Gabe stumm, gedankenlos und gefühllos vorüber gehen, der dich auf allen deinen Wegen mit tausendfachem Segen überschüttet? Siehe, was dich erfreut und erhebt, was dich nährt und labt, er reicht es dir nach seiner unwandelbaren Güte und Vaterhuld. Ein Tag sagt's dem andern, und eine Nacht thuts kund der andern, wie unermüdlich er über dich wacht und für dich sorgt. An jedem Morgen thut er seine milde Hand über dich auf; an jedem Abend nimmt er dich in seinen Schutz; er decket immer neu den Tisch, woran du dich sättigen sollst. Schaue zurück in die Vergangenheit: sie ist reich an Erinnerungen seiner Liebe. Betrachte die Gegenwart: sie umgiebt dich mit Einladungen seiner Liebe. Erwäge die Zukunft: sie erglänzt von Verheißungen seiner Liebe.

Aus vielen und großen Gefahren hat er dich errettet. Wenn du irrtest, hat er dick/ auf den Weg zurückgebracht, wenn du thöricht warst, hat er dich belehrt, wenn du sündigtest, hat er dich gewarnt In der Traurigkeit hat er dich getröstet, in der Schwachheit dich mit Kraft gerüstet. Fielest du, so richtete er dich auf; standest du, so hielt er dich; gingst du, so leitete er dich; kamst du, so empfing er dich; schliefst du, so bewachte er dich; riefst du, so hörte er dich. Und hast du ihm etwas zuvor gegeben, das dir könnte wieder vergolten werden, vermagst du etwas aufzuweisen, das du nicht von ihm empfangen hättest? Bist du nicht von ihm geliebt worden, ehe sich irgend etwas von Liebe in dir regte? Ist er's nicht allein, in dem du webst, lebst und bist? O schließ dir nicht mit Undank die Thüre seiner Gnade zu, tritt nicht unter jene Neun, sondern gehe mit dem Einen, Gott die Ehre zu geben. Bekenne aufrichtigen Herzens:

Bis hieher hat mich Gott gebracht
Durch seine große Güte,
Ais hieher hat er Tag und Nacht
Bewahrt Herz und Gemüthe.
Bis hieher hat in meinen Stand
Er mich geführt an Vaterhand,
Bis hieher mir geholfen.

Hab' Lob und Ehre, Preis und Dank
Für die bisher'ge Treue,
Die du mir täglich lebenslang
Bewiesen hast auf's Neue.
In mein Gedächtniß schreib ich an:
Der Herr hat große Ding' gethan
An mir und mir geholfen.

Wohl bedarf der Geber alles Guten deines Dankes nicht, aber du bedarfst es, der Güte Gottes zu gedenken. Unter'm Danken wirft du immer mehr der segnenden Strahlen gewahr, die von oben auf dich fallen, bis in dein innerstes Herz hinein, wirst immer mehr des segnenden Auges inne, das nicht schläft noch schlummert, sondern hütet und wacht früh und spät, hörst immer deutlicher die tröstliche Stimme von oben: Ich will dich nicht verlassen noch versäumen. Unter'm Danken wird das Herz so weit und voll, so demüthig und zuversichtlich. Unter'm Danken ziehen die Wohlthaten Gottes gleichsam in Reih' und Glied an deinem inwendigen Auge vorüber: wie er dich je und je geliebt, und so selig geführt hat. Unter'm Danken entsteht ein immer innigeres Band zwischen Gott und dem Menschen, ein immer brünstigerer Zug zu Gott, ein immer sehnlicheres Verlangen nach Gott. Amen.

Am 18. Juli.

Es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster!“ Ps. 92, 2. Ja, dem Herrn lobsingen und die Wunder seiner Gnade preisen - das ist das Höchste, wozu wir uns erheben können. Lobpreis ist höher als Bitte, höher als Danksagung. Bittend strecken wir die Hand aus nach Gott, dessen wir bedürfen, dankend bezeugen wir, daß er uns die erbetene Gabe dargereicht hat, mit unserem Loblied aber treten wir unter die Schaar der heiligen Engel, die ohne Unterlaß dem Herrn ihr Saitenspiel erklingen lassen. Und je tiefer wir hineinschauen in die Herrlichkeit der Werke, die Gott vor unseren Augen ausgebreitet, je fleißiger wir forschen im Reichthum des heiligen Buches, das er uns in die Hand gegeben, je öfter wir uns versenken in die Gnadenwege, die er uns geführt, desto mehr wird uns das Herz aufgehen in Lob und Preis, desto beharrlicher wird unser Mund seine Treue rühmen, desto fröhlicher werden wir unsere Lebensstraße ziehen, desto öfter werden wir singen und sagen:

Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren,
Meine begnadigte Seele; das ist mein Begehren.
Kommet zu Hauf,
Psalter und Harfe, wacht auf,
Lasset den Lobgesang hören!

Lobe den Herren, der Alles so herrlich regieret,
Der dich auf Adelers Fittigen sicher geführet,
Der dich erhält,
Wie es dir selber gefällt.
Hast du nicht dieses verspüret?

Lobe den Herren, der künstlich und sein dich bereitet,
Der dir Gesundheit verlieben, dich freundlich geleitet.
In wie viel Noth
Hat nicht der gnädige Gott
Ueber dir Flügel gebreitet?

Lobe den Herren, der deinen Stand sichtbar gesegnet,
Der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet.
Denke daran,
Was der Allmächtige kann,
Der dir mit Liebe begegnet.

Lobe den Herren, was in mir ist, lobe den Namen;
Alles, was Odem hat, lobe mit Abrahams Samen.
Er ist dein Licht;
Seele, vergiß es ja nicht!
Lob' ihn in Ewigkeit! Amen.

Am 19. Juli.

Du hältst mich bei deiner rechten Hand.“ Ps. 73, 23.

Nicht der Anfang, nur das Ende
Krönt des Christen Glaubensstreit.
Ach, getreuer Gott! vollende
Meinen Lauf in dieser Zeit;
Hab' ich dich einmal erkannt,
So verleih' mir auch Bestand,
Daß ich, bis ich einst erkalte,
Glaube, Lieb' und Hoffnung halte.

Laß mich einem Felsen gleichen,
Der in Sturm und Wellen steht;
Laß mich nicht zurücke weichen,
Wenn mich Noth und Tod umsäht.
Sei mein Anker, der nicht bricht,
Sei mein Stern und helles Licht,
Daß ich nie von dir mich scheide
Und am Glauben Schiffbruch leide.

Es ist gut, ein Christ zu werden,
Besser noch, ein Christ zu sein;
Doch den besten Ruhm auf Erden
Giebt der Herr nur Dem allein,
Der ein Christ beständig bleibt
Und den Kampf zum Siege treibt;
Solchen wird mit ew'gen Kronen
Christus droben einst belohnen.

Laß mich halten was ich habe,
Daß mir nichts die Krone nimmt.
Es ist deines Geistes Gabe,
Daß mein Glaubensdocht noch glimmt;
Lösche nicht dieß Fünklein aus,
Mach' ein helles Feuer d'raus;
Laß es ungestöret brennen,
Dich vor aller Welt bekennen.

Du hast meinen Grund geleget;
Jesus, der mein Grundstein ist,
Wird durch keine Macht beweget,
Ihn verrücket keine List.
Laß mich fest auf ihm bestehn,
Nimmermehr zu Grunde gehn,
Wenn sich Macht und List bemühen,
Mich von Christo abzuziehen.

Jesu! hilf mir dir anhangen,
Wie das Schaf am Hirten hängt,
Stets im Glauben dich umfangen,
Wie mich deine Gnad' umfängt.
Kommt es dann zur letzten Noth,
So versiegle mir im Tod,
Was ich dir geglaubt auf Erden,
Und laß es zum Schauen werden.
Amen!

Am 20. Juli.

Unser Elend und Gottes Erbarmen sind zwei Flügel, auf denen sich unser Gebet zum Himmel emporschwingt. Bedenken wir zuvörderst, wie kurz unser Leben, wie schlüpfrig der Weg, wie ungewiß die Stunde des Todes ist. Bedenken wir, daß wir weinend in dies Leben traten, mit Schmerz darin wandeln, mit Jammer davon scheiden werden. Bedenken wir, mit welchen Bitterkeiten Alles, was auch noch so reizend erscheint, untermischt und wie trügerisch und verdächtig ist, was die Weltliebe gebiert.

Denken wir an die unzähligen Uebel, welche die Menschheit überhaupt belasten, denken wir an die Gefahren insbesondere, die uns bedroht haben. Erinnern wir uns, wie viele Sünden wir von Jugend auf begangen, wie viel eitle Arbeit wir gethan, wie oftmals wir uns vergebens und um nichts abgemühet, was wir gefunden und was wir verloren haben, wo wir liegen und woher wir gefallen sind. Was kann uns inständiger zum Gebete auffordern, als solche Betrachtung?

Aber was mag auch andrerseits uns lieblicher dazu anlocken, als das Gedächtniß an die Barmherzigkeit des Schöpfers, die wir immerdar erfahren haben? Bedenken wir, wie viel Gutes er uns gegeben, und aus wie vielem Unglück er uns gerissen hat. Bedenken wir, wie er uns, wenn wir ihn vergaßen, wieder an sich erinnerte, wenn wir von ihm gegangen waren, wieder zu sich rief, wenn wir kamen, wieder gnädig aufnahm; wie er uns vergab, wenn wir Reue zeugten, wie er uns hielt, wenn wir standen, wie er uns aufrichtete, wenn wir fielen, wie er aus unsrer bösen Lust bittres Leid und aus dem bittern Leide wiederum himmlischen Trost bereitete. Wahrlich, betrachten wir solches, so muß unser Herz zum Gebet entflammt werden.

Herr, lehre du mich also beten,
Wie es dir lieb und wohlgefällig ist!
Laß nie mich anders vor dich treten
Als daß ich hab' im Herzen Jesum Christ.
Ach, mache mich nur von mir selber frei,
Daß Christus Alles mir in Allem sei!

Amen!

Am 21. Juli.

Erquicke mich durch deine Gnade, daß ich halte die Zeugnisse deines Mundes.“ Ps. 119, 88.

Das sei alle meine Tage
Meine Sorge, meine Frage:
Ob der Herr in mir regiert?
Ob ich in der Gnade stehe?
Ob zum rechten Ziel ich gehe?
Ob ich folge, wie er führt?

Ob ich recht in Jesu lebe?
Und als ein lebend'ger Rebe,
Kraft und Saft stets aus ihm zieh?
Ob mich Jesu Liebe reize?
Ob im Kummer ich zum' Kreuze
Und zu seinen Wunden flieh?

Ob mein Jesus, wo ich gehe,
Wo ich sitze, wo ich stehe,
Mir stets vor den Augen schwebt?
Ob er mir im Herzen lieget?
Ob mein Glaub' die Welt besieget
Und sein Kreuztod mich belebt?

Ob ich sorglos nichts versäume?
Nichts aus Lässigkeit vorträume?
Ob mein Herz sich nicht zerstreut?
Ob mich jegliches Vergehen,
Deren täglich viel geschehen,
Auf's Empfindlichste gereut?

Ob mir Christus Alles werde?
Ob mich eitle Lust der Erde
Nicht um's stille Seligsein
Im Genuß der Gnade bringe?
Ob ich trachte, streb' und ringe,
Jesu Eigenthum zu sein?

Jesu, ach erbarm' dich meiner!
Mache mich von nun an deiner
Alle Stunden innigst froh!
Laß vor deinem Aug' mich wandeln,
Täglich würdiger mich handeln
Nach dem Evangelio.

Amen!

Am 22. Juli.

So Jemand ein Amt hat, daß er es thue, als aus dem Vermögen, das Gott darreichet; auf daß in allen Dingen Gott gepriesen durch Jesum Christum, welchem sei Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“ 1. Pet. 4, 11. „Ein Jeglicher bleibe in dem Berufe, zu dem er berufen ist.“ 1. Cor. 7, 20. Treue in meinem Berufe ist Treue gegen Gott; denn das Amt, das ich bekleide, ist nicht das Werk meiner eigenen Wahl, sondern ist ein Beruf, den ich von Gott erhalten, ist das Werk, an welches er mich gestellt hat. Ich soll ihm dereinst davon Rechenschaft ablegen und als ein treuer Haushalter mich bewähren.

Gott verlangt von einem Haushalter nicht mehr, als daß er treu erfunden werde. Es kommt nicht darauf an, welches Werk ich treibe, sondern in welchem Sinne ich es führe. Wer im Geringsten nicht treu ist, der ist auch im Großen nicht treu. Ein geringer Knecht, der gewissenhaft sein Tagewerk vollbringt, ist vor Gott höher geachtet als ein Fürst, der seine Schuldigkeit nicht thut. Nicht, daß ich mir durch Eifer und Tüchtigkeit in meinem Amte der Menschen Beifall und Gunst erstrebe, sonder n daß ich meinem himmlischen Vater wohlgefällig werde. Er ist der stille Zeuge meines Lebens; er kennt alle meine Gedanken von ferne; er wägt den Willen und die Kraft; er weiß, was die Arbeit hindert und fördert.

Ich soll meinen Brüdern nützen, soll wirken für des Nächsten Wohlfahrt, soll Armuth, Trübsal und Noth hindern, wo und so viel ich kann. So will ich denn von meinem Ueberflusse mittheilen, will den Unmündigen rathen, die Betrübten erheitern, für die Gedrückten sprechen, die Unschuld beschützen, den Verfolgten Obdach geben. Gott braucht meine Gaben Nicht, aber mein armer Bruder ist von Gott an mich gewiesen, und der Herr ruft uns zu: „was ihr thut dem Geringsten unter meinen Brüdern, das habt ihr mir gethan.“ Amen.

Am 23. Juli.

O Reich des Lichtes und des göttlichen Friedens, der höher ist denn alle Vernunft, wo die Seelen der Verklärten ruhen, und ewige Freude ihr Haupt umschwebt und Trauern und Seufzen nicht mehr sind; wo die Gerechten deinen Thron umgeben, mein Gott, und mit dir leben und regieren; wo du sie erfüllest mit dem überschwenglichen Reichthum deiner Güte, und dein Anschau'n ihre Kräfte stärkt: o du mein Vaterland! nach dir blicke ich noch aus der Ferne; dich, süße Heimath, grüße ich aus dem Thal meiner Wallfahrt und begehre dich zu erreichen, Hoffnung der Sterblichen, Jesus Christus, du meine Zuflucht, du mein leuchtender Stern in den Finsternissen des Lebens, lenke mein Schiff durch die Wellen, daß mich die Tiefe nicht verschlinge, daß ich zu dir komme', Sonne der Gerechtigkeit, daß du mich empfangest an der Grenze meines himmlischen Vaterlandes. Ich rufe zu dir, mein einiger Trost, und halte mich am Stamm deines Kreuzes, an dir, du Heiland Aller, die mühselig und beladen sind. Hilf mir und errette mich, und nimm mich auf in deine verborgene Herrlichkeit.

O wenn ich zu dir, dem Quell der Weisheit, dem nie erlöschenden Lichte, gelangt bin, wenn die Nacht endet vor dem Anblick deines Angesichts, dann wird mein Verlangen nach dem höchsten Gute gesättigt sein; denn du selber bist der Lohn aller Seligen. Ich werde erkennen, wie ich erkannt bin, deine Wahrheit und deine Herrlichkeit, und Theil haben an der Freude der Engel und aller Seligen, an dem Lohn des ewigen Lebens, an dem Reichthum der Seligkeit, welcher das himmlische Jerusalem erfüllet. Was du zusagest, wirst du halten, und vergelten und lohnen nach deiner gnädigen Verheißung. Dann werde ich haben, was ich suchte und was du bereitet hast Denen, die dich lieben, was du bewahrest für die, so dich fürchten und dein Angesicht immerdar suchen.

Herr, ich suche dein Angesicht und die Pforten des Himmelreichs, daß ich eingehe in deine Freude und dich preise und deine Barmherzigkeit. Ich stehe an deiner Thür und vor dir ist all mein Verlangen, und mein Seufzen ist dir nicht verborgen. Wende dein Antlitz zu mir und sieh mich an in Barmherzigkeit. Laß mich schauen die Gnadenfülle deines Reiches, und nimm mich auf zu deinen ewigen Freuden. In deine Hände befehle ich meinen Geist. Amen.

Am 24. Juli.

Du allein, o Ewiger, machst den Gottlosen gerecht nach deiner großen Barmherzigkeit und führst die Irrenden zur Erkenntniß der Wahrheit und zum ewigen Leben.' Du gebeutst allen Menschen an allen Enden, Buße zu thun, und ermahnest uns durch deine Diener an Christi Statt: „Lasset euch versöhnen mit Gott!“ Ich höre den Zuruf des Apostels: „So thut nun Buße und bekehret euch, daß eure Sünden vertilgt werden, damit die Zeit der Erquickung komme von dem Angesichte des Herrn.“ Apostel-Geschichte 3, 19 und 20.

So komme ich denn in der Frühe zu dir, mein Gott, und bitte um ein bußfertiges Herz. Lehre mich meine Sünden recht erkennen, auf daß ich sie nicht gering achte, sondern mich recht von Herzen zu dir bekehre. Und weil der Gerechte seines Glaubens lebt, der Glaube aber nicht Jedermanns Ding ist, so gieb mir deinen heiligen Geist, daß er den rechten Glauben in mir erwecke, stärke und befestige. Verleihe mir deinen Frieden durch meinen Herrn Jesum Christum, der ja in die Welt gekommen ist, die Sünder selig zu machen.

Behüte mich, daß ich nicht ferner wandle im Rath der Gottlosen, noch trete auf den Weg der Sünder. Lehre mich thun nach deinem Wohlgefallen und behüte mich vor bösen Leuten und vor den Fallstricken des eigenen Herzens. Regiere du mein Herz, daß es voll guter Gedanken, frommer Gefühle und heilsamer Rathschläge werde und ich in allen Stücken wachse an Dem, der das Haupt ist, Christus.

Uebe durch deinen Geist in meinem Gewissen dein ernstes Gericht wider meine Sünden und erfülle mich mit der göttlichen Traurigkeit, die da wirket zur Seligkeit eine Reue, die Niemand gereuet. Laß mich Keinem ein Aergerniß geben durch leichtfinnige Reden, unschickliches Betragen oder unchristliche Sitten. Ich soll dir von jedem unnützen Worte Rechenschaft geben, und ich sollte nicht über mich und meine Reden wachen? Darum, barmherziger Vater, verlaß mich nicht und nimm deinen heiligen Geist nicht von mir. Wenn ich sterben soll, so verleihe mir ein getrostes Herz ohne bange Furcht vor dem Tode und ein sanftes, seliges Ende. Amen.

Am 25. Juli.

Geh' aus, mein Herz, und suche Freud'
In dieser schönen Sommerzeit
An deines Gottes Gaben;
Schau' an der schönen Gärten Zier
Und siehe, wie sie mir und dir
Sich ausgeschmücket haben.

Ach! denk' ich, bist du hier so schön.
Und läßt du uns so lieblich geh'n
Auf dieser armen Erden;
Was will doch wohl nach dieser Welt
Dort in dem reichen Himmelszelt
Und güldnem Schlosse werden!

Welche hohe Lust, welch heller Schein
Wird wohl in Christi Garten sein;
Wie muß es da wohl klingen,
Da so viel tausend Seraphim
Mit unverdrossnem Mund und Stimm'
Ihr Hallelujah singen.

Wie du der Herr der Natur bist, o Ewiger, so bist du auch der Vater deiner Menschen. Du kleidest die Lilien auf dem Felde, giebst den jungen Raben ihr Futter und sättigest Alles, was da lebet auf Erden, mit Wohlgefallen. Du füllest die Erde mit deinem Segen und krönest das Jahr mit deinem Gute. So hast du uns auch in diesem Jahre deinen Erntesegen bescheert und deine milde Hand für uns Alle aufgethan. Du hast treulich gehalten, was du einst der Welt verheißen: „So lange die Erde stehet, soll nicht aufhören Samen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Du hast das Jahr gekrönet mit deinem Gute und uns mit reichem Segen überschüttet; hast Regen und fruchtbare Zeiten gegeben, die Ernte uns treulich behütet und unsere Herzen erfüllet mit Freude. So gehet alles in stetem Wechsel vorüber nach deiner heiligen Ordnung, aber bei allem Wechsel beharret deine Gnade und Güte ewiglich. Auch für mich hast du gesorgt, du lieber Vater im Himmel, und mir mein täglich Brod bescheert, so daß ich getrost und mit aller Zuversicht in die Zukunft schauen kann und nicht nöthig habe, in banger Sorge für mich und die Meinen durch's Leben zu gehen. Tank sei dir für diesen irdischen Segen, für alle Früchte, welche auch in diesem Jahre die Natur uns dargeboten. Wir säeten und pflanzten; aber du gabst Gedeihen dazu. Du ließest, unsichtbar vor unseren Augen, im Schooße der Erde den Samen sich entfalten und aufsprossen und, ein Wunder vor unseren Augen, rauschten dichte Halme und volle Aehren über die gesegneten Felder. Laß auch mich in geräuschloser Stille, ungesehen und verborgen vor der Welt, Gutes thun und segensreich wirken, damit ich einst zu seiner Zeit ernte ohne Aufhören.

Von dir allein kommt Segen und Gedeihen zu unserer Arbeit; so laß denn auch Alles, was ich thue und vornehme, im steten Hinblick auf deine segnende Kraft geschehen. Allmählig und kaum bemerkbar reisten die Saaten und Früchte; darum laß mich nicht kleinmüthig werden, wenn der Lohn für meine Mühen spät erst kommt und die Frucht der Gerechtigkeit langsam reift. Du lässest deine Sonne scheinen über Gute und Böse, lässest regnen über Gerechte und Ungerechte; so will ich denn auch von deinem Erntesegen Allen mittheilen, die der Hülfe bedürfen, Schuldigen und Unschuldigen, Freunden und Feinden. Durch Wind und Sturm, durch Regen und Ungewitter, durch heiße und rauhe Tage reisten und gediehen die Saaten; so reisen auch wir durch gutes und böses Geschick, durch Kampf und Thränen, durch Mühe und Leid der Ewigkeit entgegen. Führe mich, o Herr, zu einer seligen Ewigkeit und bringe mich sicher hindurch durch das unruhige Leben. Laß mich reiche Früchte, volle Garben bringen zum ewigen Leben. Amen.

Am 26. Juli.

Der feste Grund Gottes bestehet und hat dieses Siegel: Der Herr kennet die Seinen; und: Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet.“ 2. Tim. 2, 19. Die Gemeinde des Herrn, die heilige christliche Kirche, ist nach der Schrift das geistliche Haus Gottes, erbauet aus lebendigen Steinen. Dieses geistliche Haus Gottes und mit ihm das ganze Heil der Sünder kann nie zerstört werden. Es hat einen festen Grund, darauf es ruht, einen Grund, von Gott gelegt.

Und was ist dieser feste Grund? Es ist die unendliche Liebe und Barmherzigkeit, die da will, daß Allen geholfen werde; sein gnädiger Wille und Vorsatz der Erlösung, wie auch das ganze Werk der Erlösung, welche durch Jesum Christum geschehen ist; das Zeugniß des Heiligen Geistes durch die Propheten und Apostel, und dazu die ewige Wahrheit und Treue des dreieinigen Gottes: das ist der feste Grund Gottes, der da bestehet, den keine Menschenweisheit und keine Menschenmacht uns verkehren oder umstoßen kann, und darauf wir uns gründen können mit unserem Glauben an Gnade, Gerechtigkeit, Leben und Seligkeit durch Den, der als das Lamm Gottes die Sünde der Welt getragen hat.

Mag alles Sichtbare und Irdische wanken und weichen, wenn dieser Grund Gottes uns bleibt, so können wir in dem Herrn fröhlich und getrost sein, und das sonderlich auch um des Siegels, um der Inschrift willen, die gleichsam auf solchem Grundstein unseres Heils eingegraben ist, und die zum Ersten lautet: Der Herr kennet die Seinen. Für ihn, den Herzenskündiger, ist die Vermischung der Gerechten und Gottlosen in der Gemeinde nicht da: als feste Steine in seinen Bau sind nur die eingefügt, die er als die Seinen erkennet, die ihm von Herzen angehören. Er kennet sie in unwandelbarer Gnade und Barmherzigkeit; er hat sie in seine Hände gezeichnet und ihre Namen in das Buch des Lebens geschrieben; sein Her; gedenkt ihrer mit Liebe, seine Augen sehen auf sie mit Wohlgefallen, und seine Ohren merken auf ihr Gebet. Er kennet all die Noth, Anfechtung und Fährlichkeit, er weiß, was sie in Zeit und Ewigkeit bedürfen. O des köstlichen Trostes! Welche diese aber sind, die der Herr als die Seinen kennet, das sagt der andere Denkspruch, mit dem jener feste Grund besiegelt ist: Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennet. Wer Christum anruft, sich zu ihm, als seinem Heilande, bekennt, der darf nicht in der Sünde fortleben, nicht in der Ungerechtigkeit verbleiben. Jede wissentliche Duldung der Sünde zeigt uns als Scheinglieder an dem Leibe des Herrn. Denn was hat die Gerechtigkeit für Genieß, für Gemeinschaft mit der Ungerechtigkeit? So gilt es denn, um des Namens Jesu willen dem ungöttlichen Wesen abzusagen, das Arge zu hassen und dem Guten anzuhangen.

Und der Herr, der da weiß, daß wir ohne ihn nichts thun können, ist unsere Zuflucht, wenn wir bei ihm Hülfe suchen wider allen bösen Rath und Willen, wodurch der Teufel, die Welt und unser Fleisch uns von seiner Liebe scheiden wollen. Er reiniget uns von Ungerechtigkeit und begründet uns fest in der Gottseligkeit, daß wir als solche erfunden werden können, die er mit Wohlgefallen als die Seinen kennet. Amen.

Am 27. Juli.

Geduld ist euch noth, auf daß ihr den Willen Gottes thut.“ Hebr. 10. 36.

Laß du in allen Sachen
Den lieben Herrn nur machen,
Wie er es macht, ist's gut. -
Dein Sorgen, Thun und Treiben
Muß doch vergebens bleiben,
Wenn er nicht stets das Beste thut.

Erlös aus allen Aengsten
Und wenn dir recht am bängsten,
Eilt er, dir beizustehn;
Er hat ja nie verlassen
Die gläubig ihn umfassen
Und treu in seinen Wegen gehn.

Drum, Seele, halt' nur stille,
Ist's deines Herren Wille,
So schafft er bald dir Ruh -
Wo nicht, sei auch nicht bange,
Und frag' nicht stets: „Wie lange?“
Nein, frag' du lieber: „Herr, wozu?“

Und sollt er auch nicht eben
Sogleich dir Antwort geben,
Weil noch sein Sinn nicht klar;
Wart' nur, eh' Tage schwinden,
Wirst du's mit Staunen finden,
Daß Alles lauter Gnade war.

Ja, Gnade will er, Gnade,
Am meisten dann gerade,
Wenn er uns hüllt in Nacht;
Drum wolle nicht verzagen,
Er wird auch dich wohl tragen
Mit stillverborgner Liebesmacht.

Amen!

Am 28. Juli.

Wo dein Gesetz nicht mein Trost gewesen wäre, so wäre ich vergangen in meinem Elende.“ Ps. 119, 92. Von Allem, was uns zur Beruhigung, Erleuchtung und zur Stärkung unseres unsterblichen Geistes dargeboten ist, ist nichts wichtiger, zuverlässiger und segensreicher, als die Heilige Schrift. Der Ewige hat sein göttliches Wort zu allen Zeiten durch seine Knechte und Propheten an die Welt gelangen lassen und dadurch der Sünde und dem Verderben gewehrt. Als Vollendung aller göttlichen Erbarmung ist dieses Wort Fleisch geworden und hat zum Heil unseres Geschlechts vor den Augen der Welt die ganze Fülle himmlischer Herrlichkeit entwickelt. Wo es eine freundliche Aufnahme, gläubige Herzen und willigen Gehorsam fand, hat es ein stilles, friedfertiges und glückseliges Leben angerichtet.

Denn es ist ein Quell, der uns labt und erquickt in der dürren Wüste des Lebens, ein Licht, das uns durch die Nacht des Lebens zu den seligen Fernen hinüberleuchtet, ein Thau des Himmels, der die Dürre des Herzens erfrischt; es ist die Krone aller Erkenntniß, der Kern alles Wissens, der Herold des Friedens und der Verkündiger des ewigen Lebens. Bei allen Gläubigen hat sich dies Wort bewährt als eine seligmachende Kraft Gottes, die den Müden erquickt, den Leidenden tröstet, den Gebeugten aufrichtet, den Verirrten zurechtführt, den Kämpfenden stärkt und den Sterbenden durch die seligsten Hoffnungen belebt. Es ist ein Hammer, der Felsen zerschmettert, lebendig und kräftig, und schärfer denn ein zweischneidig Schwert. Es durchdringet, bis daß es scheidet Seel' und Geist, auch Mark und Bein, und ist also wahrhaftig ein Richter der Gedanken und Gesinnungen des Herzens. So sei denn dieses Wort meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege; es leite mich auch heute auf meinem Lebenspfad und erfülle meine Seele mit guten Gedanken.

Heil'ges Wort der ew'gen Wahrheit,
Das dem Irrthum mich entriß,
Du verscheuchst durch deine Klarheit
Meines Geistes Finsterniß.
Jeder Trug entflieht vor dir,
Meine Schuld enthüllst du mir;
Wo du, heil'ges Wort, erklungen,
Hast du Mark und Bein durchdrungen.

Amen!

Am 29. Juli.

Alle Schrift, von Gott eingegeben, ist nütze zur Lehre, zur Strafe, zur Besserung, zur Züchtigung in der Gerechtigkeit.“ 2. Tim. 3, 16. Wo das Wort Gottes überhört, vergessen, entstellt und verdunkelt wird; wo menschliche Klugheit die Weisheit Gottes verdrängt und gering achtet; wo die äußeren Satzungen des Buchstaben den freien Geist, aus Gott geboren, fesseln und lähmen . wo das heilige Buch aus den Herzen und Händen, aus den Häusern und Kirchen der Christen verschwunden ist: da kehret der Unglaube ein mit seinem Frevel und der Aberglaube mit seinem bösen Gefolge, da vertrocknet die Quelle der Liebe, da erstirbt die Kraft zu allem Guten und der Strom des Verderbens ergießt sich über das Land. Finsterniß decket dann das Erdreich und Dunkel die Völker.

War es doch so in der christlichen Kirche, ehe die Männer der Kraft und des Glaubens, mit dem Worte Gottes in der Hand, in den Kampf traten gegen die Anmaßungen geistlichen Hochmuths, gegen die Herrschaft weit verbreiteten Aberglaubens. Daß ihnen dieser Kampf gelungen, verdanken sie allein der siegreichen Kraft des göttlichen Worts. Aus dieser ging die evangelische Wahrheit in ihrer lichten Klarheit hervor. Gegen das Ansehen derselben sanken alle Satzungen menschlicher Macht in den Staub und jede äußere Gewalt in Glaubenssachen verlor ihre Wirksamkeit. Mit der wieder an's Licht gezogenen göttlichen Offenbarung ging für die Christenheit ein neues Leben aus. Die Heilige Schrift wurde die unumschränkte Herrscherin in der evangelischen Kirche. Als das deutsche Volk in Luthers Uebersetzung der Bibel das segensreiche Werk erhielt, das eins der kostbarsten Kleinode des lieben Vaterlandes ist. worin sich des Deutschen tiefes, reiches und frommes Gemüth, der ganze Wohllaut und die volle Kraft und Herrlichkeit der deutschen Sprache auf eine bewunderungswürdige Weise darstellt, da griffen Alle fröhlich nach der köstlichen Gabe und im ganzen Volke regte sich ein wunderbares Leben.

Seitdem das Christenthum im deutschen Lande angepflanzt worden, ist uns keine größere Wohlthat Gottes widerfahren. Die Bibel bildete den eigentlichen Kern der Reformation, von dem Kraft, Licht und Leben nach allen Richtungen ausging. Wenn wir also uns zu, freuen Ursach' haben, daß wir von dem Dienst des vergänglichen Wesens zur Freiheit der Kinder Gottes erhoben sind; daß das Wort Gottes wieder unter uns reichlich und täglich wohnt und die Verehrung des Allerhöchsten auf die Einfachheit und Würde der apostolischen Kirche zurückgeführt worden ist; daß Christus der Hirt und Bischof unserer Seele, das Haupt unserer Kirche und der einige Mittler zwischen Gott und den Menschen ist: so verdanken wir dies vorzüglich der heiligen Schrift. Darum will ich dies theure Kleinod festhalten, darin forschen und lösen und es auch in Anderer Herz und Hände zu bringen suchen. Es soll meines Herzens Trost und Theil und ein Friedens- und Segensbote sein bei meinen Mühen und Arbeiten, bei meinen Freuden und Leiden. Amen.

Am 30. Juli.

Wort des Lebens, laut're Quelle,
Die vom Himmel sich ergießt,
Lebenskräfte giebst du Jedem,
Der dir Geist und Herz erschließt,
Der sich wie die welke Blume,
Die der Sonne Gluth gebleicht,
Dürstend von dem dürren Lande
Zu der Quelle sich geneigt.

„Es ist eine große, wunderbarliche Macht und Gewalt in den Worten der heiligen Schrift - schreibt der fromme Gottesmann Luther. 'Es ist einem, als spräche man mit unserm lieben Herrgott selbst, als wisse man alle Geheimnisse des Reiches Gottes und erfahre alle Gnade, die uns Jesus erzeuget hat, an dem eigenen Herzen. O wie ist's doch' ein' köstlich, edel Ding, Gottes Wort vor sich haben; denn Derselbe, kann allezeit sicher, fröhlich und getrost sein. Wer Gottes Wort nicht hat, der fällt in Verzweiflung, denn es mangelt ihm an der himmlischen Stimme und Trost, uno er folget seines Herzens Eitelkeit und unnützen Gedanken, die ihn dann zur Verzweiflung treiben. Außer dem göttlichen Worte kann's Niemand wohlgehen. Ach, die Welt flehet diesen Edelstein nicht, verstehet auch nicht, wie theuer und werth dieser Schatz ist. Das Wort ist das rechte Maß und das AIlerköstlichste im ganzen Leben, daß ich so mit rechter Zuversicht sagen kann, das thue ich nach Gottes Wort, in seinem Namen und wie es ihm wohlgefällt. Ich möchte nicht leben ohne das Wort Gottes.“ Aus der Heiligen Schrift nahm also der Streiter Gottes den hohen Muth und den starken Sinn, mit welchem er unverzagt in die Mitte mächtiger Feinde und Widersacher trat. Daß er nicht verstummte gegen ihre Anklage, daß er nicht erschrak vor ihrer Menge, daß er nicht verzagte bei wachsender Gewalt, verdankte er allein der Kraft des göttlichen Worts, das David's Arm stärkte gegen den gewaltigen Goliath. Und worin fanden fromme Dulder Trost, Erhebung und Zuversicht in den Feiten der Noth und Trübsal? Was gab ihnen einen so freudigen, gewissen Geist, da, wo Andere kleinmüthig zagten und an der Rettung verzweifelten? Waren es nicht kräftige Worte, erhabene Beispiele, trostvolle Geschichten der heiligen Schrift, die ihnen Zeugnisse gaben von der Nähe und Hülfe des Ewigen? O auch mir soll es zugerufen sein, was Paulus den Colossern (3, 16) schreibt: „lasset das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit, lehret und ermahnet euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen, lieblichen Liedern, und singet dem Herrn in eurem Herzen.“ Die edelsten und besten Menschen aller Zeiten haben aus der Schrift Licht und Kraft, Frieden und Freude, Trost und Ermunterung geschöpft. Sie soll auch mein Führer sein durch Versuchung, Gefahr und Trübsal, eine Schutz- und Trutzwaffe bei allen Anfechtungen, die Schule aller Weisheit, der Schlüssel zu dem Himmelreiche, der Spiegel, in dem ich mich selbst, aber auch Gottes Antlitz schaue. Amen.

Am 31. Juli.

Das Heu verdorret, die Blume verwelket, aber da: Wort unsers Gottes bleibet ewiglich.“ Jes. 40, 8.

Sagt, was hat die weite Welt,
Das dem Worte Gottes gleichet?
Was sind Ehre, Lust und Geld?
Rauch, der mit dem Wind entweichet.
Erd' und Himmel mag vergehen,
Gottes Wort wird ewig stehen.

Heil'ges Wort, was giebt wie du
Licht und Leben, Hell und Gnade,
In Bedrängniß Seelenruh',
Muth auf schwerem Dornenpfade?
Trost der Armen, Kraft der Schwachen,
Du kannst ewig selig machen.

Wort voll Licht und Kraft, durch dich
Wird der Himmel aufgeschlossen,
Und ein Feld eröffnet sich,
Wo die ew'gen Saaten sprossen.
Keiner Weisheit kann gelingen,
Was du hilfst in Kraft vollbringen.

Selig, die an Gottes Wort
Geist und Herz sich gern erquicken,
Und vom Baum, der nie verdorrt,
Frucht des ew'gen Lebens pflücken,
Und in seinen Bergwerksgründen
Immer neue Schätze finden.

Lehre mich, o Geist des Herrn,
Gottes Wort vor Allem lieben,
Und in deinem Lichte gern
Mich nach seiner Vorschrift üben:
Daß es Geist und Herz regiere,
Mich den Weg zum Himmel führe.

Amen!

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