Spieker, Christian Wilhelm - Christliche Morgenandachten auf alle Tage des Jahres - Januar

Ich und mein Haus, wir sind bereit,
Dir, Herr, die ganze Lebenszeit
Mit Seel' und Leib zu dienen.
Du sollst der Herr im Hause sein,
Gieb deinen Segen nur darein,
Daß wir dir willig dienen.
Eine kleine, fromme, reine
Hausgemeine
Mach' aus Allen!
Dir nur soll sie wohlgefallen.
Es wirke durch dein kräftig Wort
Dein guter Geist stets fort und fort
An unser Aller Seelen!
Es leucht' uns wie das Sonnenlicht,
Damit's am rechten Lichte nicht
Im Hause möge fehlen.
Reiche gleiche Seelenspeise
Auch zur Reise
Durch dies Leben
Uns, die wir uns dir ergeben.
Gieß' deinen Frieden auf das Haus
Und Alle, die drin wohnen, aus,
Im Glauben uns verbinde;
Das walte Gott Vater, Sohn und heiliger Geist! Amen.

Ich danke dir, mein lieber himmlischer Vater, durch Jesum Christum, deinen lieben Sohn, daß du mich und die Meinen diese Nacht vor allem Schaden und Gefahr gnädiglich behütet hast, und bitte dich, du wollest mir vergeben alle meine Sünden, wo ich unrecht wider dich gethan habe, und mich und die Meinen behüten vor Sünden und allem Uebel, auf daß dir all mein Thun und Leben wohlgefalle. Denn ich befehle mich, mein Leib und Seel' und Alles in deine Hände. Dein heiliger Engel sei mit mir, auf daß der böse Feind keine Macht an mir finde. Amen.

Am 1. Januar.

„Wir sind von gestern her; unser Leben ist wie ein Schatten auf Erden.“
Hiob 8, 9.

Wie unvermerkt eilt die kurze Lebenszeit dahin! Wie verrinnen Tage um Tage, Wochen um Wochen, Jahre um Jahre! Wie der Morgen wechselt mit dem Abend, so wechselt ein Geschlecht mit dem andern und sie sind im Nu dahin. Wie im rauschenden Strome Welle auf Welle folgt, so kommt und gehet Alles im Menschenleben. Immer eilt die Gegenwart davon, immer folgt ihr die Zukunft nach, und was vorbei ist, kommt nicht wieder. Aber einem ernsten Ziele gehen wir Alle entgegen. Es ist das Grab, das harte, öde Bett von Erde, in das wir nichts von unsern irdischen Gütern, nichts von unsern Freuden und Genüssen, nichts von unsern Ehren und Würden, nichts von unsern Kenntnissen und Geschicklichkeiten, Keinen von Allen, die wir lieb haben auf Erden, mitnehmen können; wo wir starr und bleich liegen, bis die letzte Spur unseres irdischen Daseins verwischt ist. Aber sollten wir darum trauern und zagen? Sollten wir bei dem raschen Flug der Zeit, bei der Eitelkeit aller Dinge, bei der Vergänglichkeit dieser Welt, im Angesichte des Todes und des Gerichtes, sollten wir da nur Thränen, Seufzer und Klagen haben? Sollten wir nicht etwas verspüren von dem Heimweh nach dem rechten Vaterland, wo jede Sehnsucht gestillt, jeder Schmerz geheilt, jedes Räthsel gelöst wird? Sollten wir nicht nach dem fragen, der dem Tode die Macht genommen und Leben und unvergängliches Wesen an's Licht gebracht hat? Sollten wir nicht mit Furcht und Zittern trachten nach dem, was droben ist? Ach, es bleibt ja unsre Seele unruhig, bis sie ruhet in Gott, und es bleibt ohne ihn in unserem Herzen eine Oede und eine Lücke, wenn wir auch mit allem irdischen Gut gesegnet sind. In dieser Gnadenzeit sollen wir uns rüsten für die Ewigkeit. Wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern die zukünftige suchen wir. Wir reisen, um nach Hause zu kommen; wir kämpfen, um die Krone des ewigen Lebens zu erlangen; wir tragen und dulden, um in das Himmelreich einzugehen. Aber wie steht es mit mir? Der Herr hat mir zwei Wege und zwei Pforten vorgestellt, auf denen ich wandeln, und in welche ich eingehen kann. Befinde ich mich auf dem Wege, der zur Seligkeit führt? Bin ich treu in meinem Berufe? Kämpfe ich den guten Kampf des Glaubens? Ist mein Herz voll Liebe zu dem, der mich je und je geliebet? Trage ich ihm in Geduld und Hoffnung das Kreuz nach? Werfe ich alle meine Sorgen auf ihn, der die Vögel unter dem Himmel nährt, und die Blumen des Feldes kleidet? oder bin ich kleinmüthig und verzagt, wenn des Herrn Hilfe verziehet, bin ich hochmüthig und trotzig, wenn der Herr gute Tage bescheeret? Die ersten Stunden des neuen Jahres legen mir all diese ernsten Fragen an's Herz und reden so vernehmlich von der Menge meiner Uebertretungen und Sünden wider den heiligen und gerechten Gott. Und vielleicht ist dieses neubegonnene Jahr das letzte meines Lebens; vielleicht bringt es mir den Tag der Rechenschaft und stellt mich vor das Angesicht des ewigen Richters, der mein Herz durchschaut bis auf den innersten Grund und der entscheidet über mein ewiges Heil oder ewiges Verderben.

Ach, ich beuge meine Kniee vor dir, allmächtiger, ewiger Gott, der du wohnest in einem Lichte, da Niemand zukommen kann. Du bist der Selige und Alleingewaltige, der Alles trägt mit seinem starken Arm. Auch mich hast du aus Gnaden berufen zur ewigen Seligkeit. Meine Seele verlanget nach dir, und damit ich den Weg des Lebens erkennen und volles Genügen finden möge, hast du deines eingeborenen Sohnes nicht verschonet, sondern ihn auch für mich in die Welt gesandt. Herr, Alles, was ich bin und habe, lege ich in deine treuen Vaterhände. Du thust über Bitten und Verstehen, und führest Alles hinaus zu deines Namens Ehre und zu unsrer Seelen Seligkeit. So nimm denn auch in diesem neuen Jahre mich und die Meinen in deinen gnadenreichen Schutz, denn ohne dich vermögen wir nichts. Beschütze und behüte, regiere und tröste uns, auf daß unser Ausgang und Eingang gesegnet sei. Verleihe uns Muth im Kampfe, Geduld im Leiden, Hilfe in Gefahr; erhalte uns bei dem Einen, daß wir deinen Namen fürchten, die Sünde meiden und mit Ernst trachten nach dem ewigen Leben. Bleibe bei uns mit deiner Gnade, mit deinem Schutze und mit deinem Frieden. Und ist meine Zeit dahin, so nimm mich um Christi willen auf in dein ewiges Reich. Amen!

Am 2. Januar.

„Und er hat mir gesagt: laß dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“
2 Cor. 12, 9.

Der Apostel Paulus hat dieses Wort vom Herrn empfangen als Antwort auf sein Flehen unter großen Schmerzen. Durch des Apostels Mund spricht Gott nun auch zu mir: Laß dir an meiner Gnade genügen! Richte ich den Blick zurück, überdenke ich die heiteren und trüben Tage, wäge ich gegeneinander was mir gelungen und fehlgeschlagen, was mir gewährt und versagt ist, so finde ich. daß Vieles mir geblieben, Manches von mir neuerworben ist. Soll ich darin Genüge haben? oder bedarf ich mehr als das, was die Welt mit den schönsten Namen nennt, wonach sie am eifrigsten trachtet: Reichthum und Genuß, Bildung und Kunst? Nein, das Eine, was ich nicht entbehren kann, das ist Gottes Gnade. Die ist mein Leben, meine Nahrung. Könnte die Welt mir alle Schätze darbieten, könnte sie mich mit allen Ehren überhäufen, - der Reichthum und die Herrlichkeit der Gnade Gottes wäre damit nie zu erreichen. Denn daß der Herr nur Gedanken des Friedens und nicht des Leides über mir hat, daß er mich trägt mit Langmuth und Geduld, daß er das Heil in Christo auch mir zugedacht hat, daß an denen, die in Christo Jesu sind, nichts Verdammliches ist, daß der Tod den Stachel und die Hölle den Sieg verloren hat, daß wir mit Christo in einem neuen Leben wandeln werden: das ist die heilsame Gnade Gottes, welche erschienen ist allen Menschen. An dieser Gnade hab' ich Genüge; mit dem Trost dieser Gnade im Herzen gehe ich freudig der Zukunft entgegen. Ich weiß, daß mein Heil in Zeit und Ewigkeit auf Gottes Erbarmung ruhet, daß ich aus Gnaden durch die Erlösung Jesu Christi gerecht und ein Erbe des ewigen Lebens werde. Wohl stehen sie alle vor mir die Uebertretungen und Sünden der vorigen Tage, aber der Gnadenreiche, der nicht will, daß Jemand verloren gehe, öffnet mir sein Vaterherz, hemmet den Strom des Verderbens und vergibt mir alle Schuld um seines lieben Sohnes willen. Wohl wird auch mir das neue Jahr Gefahren und Verluste, Schmerzen und Kämpfe, Wunden und Thränen bringen; wohl werde ich die Eitelkeit alles Irdischen, die Trübsal dieser Zeit auch an mir erfahren; aber unter der Prüfung und Züchtigung, unter dem harten Druck und der schweren Bürde weiß ich, wo der Friede zu finden ist, der das Herz heilt, labt und schirmt. Wohl gehe ich der Zukunft mit heiligen Vorsätzen und ernsten Gelübden entgegen, aber ich weiß doch, daß mein Fuß gleiten und straucheln, daß mein Herz von der Sünde verlocket, von der Lust der Welt gereizt werden wird. Dann aber darf ich zu dem eilen, der mein Stab und mein Licht, meine feste Burg, meine gute Wehr und Waffe ist, der sich mächtig erweiset in den Schwachen, der dem treuen Kämpfer vorangeht und Bahn bricht, der Keinen über sein Vermögen versucht und für den Frommen Alles in Heil und Segen verwandelt. Seine Gnade ist die Quelle alles Lebens und in seinem Lichte sehen wir das Licht. Ich rücke mit diesem Jahre der Stunde näher, welche der Vater seiner Macht vorbehalten hat. Aber ich zittere nicht vor den Schrecken des Todes und Grabes; ich werde freudig die Hütte dieses Leibes verlassen und zum Vater gehen, denn er ist mir versöhnt durch den Tod seines lieben Sohnes und will mir ein gnädiger und barmherziger Richter sein. Wie sollte ich mich nicht sehnen, abzuscheiden und bei Christo zu sein!

So hilf denn, du treuer Gott, hilf gnädig durch das unruhige Leben, durch alle Gefahren und Versuchungen, durch alle Leiden und Trübsale. Stärke meinen Glauben, läutere meine Liebe, erfülle das Herz mit seliger Hoffnung, und laß mich endlich durch deine Barmherzigkeit eingehen in die Friedenshütten, die deine Gnade uns bereitet hat. Amen!

Am 3. Januar.

„Laß leuchten dein Antlitz über deinen Knecht; hilf mir durch deine Güte.“
Ps. 31, 17.

Höchster Gott! durch deinen Segen
Konnt' ich fröhlich und gesund
Diese Nacht zurücke legen;
Also preist dich Herz und Mund.
Denn du willst für alle Treu
Nichts, als daß man dankbar sei.

Segne heute mich vom neuen,
Weil du segnen kannst und mußt;
Denn mit Wohlthat zu erfreuen,
Das ist deine Herzenslust,
Und du machst die milde Hand
Täglich aller Welt bekannt.

Segne mich mit deinem Geiste,
Daß er heut' mit seiner Kraft
Meinem Glauben Beistand leiste,
Daß er gute Werke schafft
Und dem Bösen insgemein,
Mag ein wackrer Gegner sein.

Segne mich mit deinem Worte,
Schreib es in mein Herz hinein,
Daß es mag an jedem Orte
Meines Wandels Richtschnur sein.
Leuchtet mir dies Lebenslicht,
O so fehl' und fall' ich nicht.

Segne mich in meinem Stande,
Zeuch mein Herz mit Klugheit an,
Daß ich solchen ohne Schande
Und mit Ehren führen kann.
Gieb dazu mein täglich Brod
Und was irgend sonst mir noth.

Segne mich in Kreuz und Leiden
Mit Vertrauen und Geduld;
Segne mich in Glück und Freuden
Mit dem Reichthum deiner Huld;
Daß ich dir im Kreuz getreu
Und im Glück voll Demuth sei.

So will ich für allen Segen
Lob und Ehre, Preis und Dan!
Dir zu deinen Füßen legen
Und es thun mein Leben lang;
Ais ich mit den Engeln dort
Vor dir jauchze fort und fort.

Am 4. Januar.

„Das Wort, das ich geredet habe, wird euch richten am jüngsten Tage.“
Joh. 12, 48.

Ein schweres Wort aus dem Munde des Herrn, der nicht gekommen ist, daß er die Welt richte, sondern daß er die Welt selig mache. Ein Wort, das uns an jedem Morgen zu einem heiligen Ernste wecken sollte. Es ist uns gesagt, was recht und gut ist, und was der Herr unser Gott von uns fordert. Das Wort Gottes, das wir nie ganz austilgen können aus dem Gedächtniß unsres Gewissens, das uns begleitet zu unsrer Arbeit und zu unsrer Ruhe, diese Gottessprüche umfassen gar viel, verlangen ein bußfertiges Herz, einen kindlichen Geist, eine feste Treue und einen willigen Gehorsam. Es ist eine hohe Aufgabe, die wir übernehmen, wenn wir in die Gemeinschaft mit dem Herrn treten. Wir sollen Allem absagen, Alles verlassen, um Christum zu gewinnen und ihm nachzufolgen. Wir sollen vollkommen sein, wie unser Vater im Himmel auch vollkommen ist. Er ruft uns zu: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr euer Gott!“ 3 Mos. 19, 2. Aus eigner Kraft aber vermögen wir nicht, auf dem Wege zum ewigen Leben zu wandeln. Da geht uns denn Christus voran, ermuntert und stärkt unsre Seele, wenn sie matt und müde werden will, hilft uns die Bürde tragen und den Sieg erringen. Darum will ich mich nicht selbst betrügen durch den eitlen Wahn und die thörichte Hoffnung, daß der Herr uns schwache Menschenkinder bei all unsrer Sünde und Missethat aus Gnaden seiner Seligkeit theilhaftig machen werde. Nein, ich weiß, Gott läßt seiner Gebote nicht spotten, und was der Mensch säet, das wird er ernten. Gal. 6, 7. Der Ewige und Alleinselige hat nichts versäumt, nichts unterlassen, um uns selig zu machen. Er hat seinen eingeborenen Sohn in's Fleisch, in die Armuth des Menschenlebens, in den blutigen Tod am Stamme des Kreuzes gegeben; er hat uns theuer erkauft - sollten wir der Sünde dienen? Das sei ferne! Darum will ich wachen und beten, daß ich nicht in Anfechtung falle und gegen den Herrn meinen Gott sündige. Sein heiliges Gesetz soll wohnen in meinem Herzen und ein Licht sein auf meinen Wegen.

Ach, Herr Jesu, mich regiere
Durch den werthen heilgen Geist,
Daß ich so mein Leben führe,
Wie dein Wort mich unterweis't,
Daß ich meinen Lebenslauf
Richte zu dem Himmel auf,
Und wenn ich einst werde sterbe,
Laß mich dann den Himmel erben.

Am 5. Januar.

„Alles, was ihr thut mit Worten oder Werken, das thut Alles im Namen des Herrn Jesu, und danket Gott und dem Vater durch Ihn.“
Col. 3,17.

Ja, ich sage dir Lob und Dank, du lieber Vater im Himmel, durch meinen Herrn und Heiland Jesum Christum, daß du mich und die Meinen in dieser vergangenen Nacht so väterlich behütet und vor allen Gefahren getreulich bewahret hast. Du hast Leben und Wohlthaten mir gethan und dein Aufsehen hat meinen Odem bewahret. Nun aber weiß ich, daß des Menschen Thun nicht stehet in seiner Gewalt, wie er wandle und seinen Gang richte: darum komme ich zu dir, mein Herr, und mein Gott, und übergebe mich ganz deiner weisen und väterlichen Leitung. Erleuchte du meinen Verstand, regiere mein Herz, stärke meinen Willen, daß ich alle meine Sachen weislich führe und nichts Anderes suche, gedenke und begehre, als was dir wohlgefällig und mir und meinem Nächsten nützlich und heilsam ist. Dir will ich meinen Sinn, Verstand und Willen zum alleinigen Dienste ergeben. Mit kindlicher Freudigkeit ergreife ich deine Hand, auf daß sie mich sicher führe durch das unsichere Leben. Du aber, mein treuer Hirt und Heiland, der du der Weg, die Wahrheit und das Leben bist, leite meinen Fuß auf den Weg des Friedens und des Heils und behüte meinen Eingang und Ausgang. Bewahre mich, daß ich nicht in Irrthum und Sünde verfalle, sondern dir diene im wahren Glauben und mit reinem Herzen. Laß dein heiliges Wort mir ein Zeichen sein in meiner Hand und ein Denkmal vor meinen Augen. Erleuchte mich mit deinem himmlischen Lichte; erquicke mich mit deinem göttlichen Troste, stärke mich mit deiner ewigen Kraft. In deinem Namen gehe ich jetzt an meine Arbeit. Ohne dich und deinen Segen vermag ich ja doch nichts. Verleihe dem Herzen Frieden, dem Arme Kraft, dem Leibe Gesundheit; bewahre mich vor Unglück und Schaden und gieb Geduld bei den Sorgen und Mühen des Lebens. Ich will Alles thun in deinem heiligen Namen; so werde ich mein Tagewerk thun zu deiner Ehre und zu meinem Segen. Wie du mich, führe auch die Meinen. Amen!

Am 6. Januar.

„Und da Jesus getauft war, stieg er bald herauf aus dem Wasser; und siehe, da that sich der Himmel auf über ihm. Und Johannes sah den Geist Gottes, gleich als eine Taube herabfahren und über ihn kommen. Und siehe, eine Stimme vom Himmel herab sprach: Dieß ist mein lieber Sohn, an welchem ich Wohlgefallen habe.“
Matth. 3, 16 und 17.

Der Herr Christus kam, bevor er sein heiliges Mittleramt antrat, an den Jordan zu Johannes dem Täufer, daß er sich taufen ließe. Johannes erschrak, als er den heiligen Gottessohn, der kein Sündenbekenntniß ablegen konnte, und darum keiner Reinigung bedurfte, unter die Sünder treten und sich seiner Taufe nahen sah. Er wehrete dem Herrn; dieser aber, der als Bruder aller Menschen gekommen ist, daß er sich zu ihnen herablasse, um sie hernach zu seiner Herrlichkeit zu erhöhen, weist den Täufer auf den Rathschluß Gottes hin, dem sie beide Folge leisten müßten. Und kaum hat der Sohn Gottes übernommen alle Gerechtigkeit zu erfüllen, so thut sich der Himmel auf über ihm, der heilige Geist kommt herab auf ihn in sichtbarer Gestalt und der Vater selbst hält die Taufrede, in der er hinweis't auf das Ziel und Ende der Laufbahn seines lieben Sohnes. - Durch Christi Taufe wird unsere Taufe verherrlicht. Alles, was er gethan, hat er für uns, uns zu gut gethan. Fleisch vom Fleische, in Sünden empfangen und geboren, der Sünde, dem Tode und der Verdammniß unterworfen, bedürfen wir der Vergebung der Sünden und der Wiedergeburt durch den heiligen Geist. Beides ist an die Taufe geknüpft; beides empfangen wir, wenn wir in die Gemeinschaft mit Jesu treten. Durch die Taufe sind wir ihm, der uns durch sein Leben, Leiden und Sterben erlöset, erworben und gewonnen hat, einverleibt, in ihn gepflanzet und eingesetzt zu Erben seiner Gnade und seines heiligen Verdienstes, oder wie unser Luther sagt: „Ich bin getauft, das heißt nichts anderes, als der Himmel ist mein, ist mir umsonst geschenkt und ich habe Brief und Siegel darüber.“ In der Taufe empfangen wir den Geist der Wahrheit, der Kraft und des Trostes. Durch Alles, was wir auf Erden thun und leiden, lieben, glauben und hoffen, können wir nicht mehr erreichen, als daß wir behalten, was uns der dreieinige Gott an unserem Tauftage aus Gnaden zugesagt und bescheeret hat. Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden. Wer aber des Herrn Stimme verachtet, seiner Führung eigenwillig widerstrebt, und von der Sünde nicht lassen mag, wer in Unglauben und Unbußfertigkeit dahin lebt, der verliert die empfangene Gnade, streicht seinen Namen, der im Buche des Lebens bereits stand, wieder aus, verschleudert das ewige Erbtheil und schließt sich selbst den Himmel zu. Einem solchen Menschen hilft es nicht, daß er getauft ist, sondern seine Verdammniß wird um so größer. Den Willen seines Herrn hat er gewußt, aber nicht darnach gethan. Den Centner hat er empfangen, aber er hat ihn in die Erde vergraben. Davor behüte uns, Herr unser Gott, in Gnaden! Du schreibst mich in das Buch des Lebens,

O meines Lebens Leben, ein.
Ach lasse mich doch nicht vergebens
Auf deinen Tod getaufet sein.
Ach schreibe mich so kräftig an,
Daß mich kein Fluch vertilgen kann.

Am 7. Januar.

„Die Seele des Gottlosen wünscht Arges und gönnet seinem Nächsten nichts.“
Spr. 21, 10.

Unter allen Untugenden des natürlichen, ungläubigen Herzens ist keine so allgemein und doch so verwerflich, als der Neid. Ein gütig Herz, sagt der Weise des alten Bundes, ist des Leibes Leben, aber Neid ist Eiter in den Gebeinen. Seine Quelle ist die Selbstsucht, die dem glücklicheren Bruder kein freundlich Wort zusprechen kann, die mit dem Fröhlichen sich nicht freuen mag, die dem Andern nichts gönnt, am wenigsten, was ihm zukommt. Gott der Herr theilt einem jeden das Seine zu, nachdem er will. Gottes Gut und Gabe ist es, was ein Anderer hat, denn alle gute und vollkommene Gabe kommt von oben herab; sei es nun Gestalt oder Geld, Macht oder Ehre, Kunst oder Verstand, sei es Verdienst oder Tugend, Talent oder Gottesfurcht: aus Gottes unerschöpflicher Schatzkammer ist's dargereichet. Den Nächsten neiden heißt also des Herrn Güte und Milde neiden, über welche wir uns billig freuen sollten. Gleichwie der Satan dem Allmächtigen im Himmel die Ehre nicht gegönnt hat, wie Kains Geberden sich verstellet über Abels Opfer, wie Saul dem siegreichen David nach dem Leben stehet, wie die Hohenpriester und Aeltesten den Herrn Jesum aus Neid zum Tode überantwortet haben: so gebärdet sich noch allezeit das schändliche Laster des Neides wider Gottes Herrlichkeit und Freundlichkeit. Wie zerreißen wir aber, die Bande, die dieser Friedensstörer so leicht auch um unser Herz legt? Wie wird unsre Seele völlig rein von dem Roste, der an ihr frißt? Wenn wir immer wieder gedenken des unendlichen Reichthums, der einem Jeden, unter uns in Christo Jesu geschenkt ist, gedenken der Gnadenschätze, die Allen offen stehen, die allein Friede und Freude in's Herz bringen, die das Höchste und Schönste sind im Himmel und auf Erden: dann sind wir selig schon hienieden und selig dort, wo wir empfangen das unvergängliche Erbtheil. Herr, mein Gott, gieße in mein Herz deine Güte, deine Liebe, deine Treue, daß ich mich über deine Gaben, die du aus Barmherzigkeit unter uns ausheilest, herzlich freue, daß ich meine Seele nicht beschwere mit Neid und Mißgunst, sondern alles, was du mir gegeben, zu deinem Lob und Preis gebrauche.

Laß mich mit Freuden ohn' alles Neiden
Sehen den Segen, den du wirst legen
In meines Bruders Hand, Güter und Haus\

Am 8. Januar.

„Siehe, die Pferde halten wir im Zaum, daß sie uns gehorchen und den Weg gehen, den wir wollen. Die Schiffe, ob sie wohl groß sind und von starken Winden getrieben werden, lenket man mit einem kleinen Ruder, wo der hin will, der es regieret. Aber die Zunge kann kein Mensch zähmen, das unruhige Uebel voll tödtlichen Giftes.“
Jac. 3, 3 und 8.

O wie schwer ist es, unsere Zunge zu hüten! Ein Wort ist bald gesagt und bald verhallt, und von einem jeglichen unnützen Wort, das wir geredet haben, müssen wir Rechenschaft geben am jüngsten Tage. Wie viel tausend Worte reden auch die Besseren unter uns in der Langeweile, in der Leidenschaft, im Leichtsinn, die nie über unsre Lippen gekommen wären, hätten wir uns zuvor besonnen. Ach, mit wie viel leichtfertigem, nichtssagendem, boshaftem Geschwätz haben wir so manche Stunde hingebracht! Wohl haben sie keine Spur in der Luft zurückgelassen und sind längst in unserem eigenen Gedächtniß verwischt, aber im Schuldbuche des Lebens sind sie doch verzeichnet und werden uns einst schwer auf die Seele fallen, wenn vielleicht unsere Zungen und Lippen längst in Staub zerfallen sind. „Wer auch in keinem Wort fehlet, der ist ein vollkommener Mann.“ Es giebt nur Einen so vollkommenen Mann: Jesus Christus, welcher keine Sünde gethan, ist auch kein Betrug in seinem Munde erfunden worden. Seine Worte waren holdselig zu hören, ob er ein Kindlein herzte oder einen Sünder zur Buße rief, ob er im Tempel predigte oder am Hochzeitstische saß, ob er zu seinem Vater im Himmel betete oder mit seinen Brüdern auf Erden redete. Auf ihn laßt uns sehen! Von ihm laßt uns lernen, die Zunge zu hüten vor Lug und Trug, vor Spott und Bosheit, vor Zorn und Unsauberkeit. Obwohl das köstlichste Leibesgeschenk und das lauteste Zeugniß unserer göttlichen Abkunft, wie viel Schaden richtet sie doch an, diese redende Zunge, dieses unruhige Uebel voll tödtlichen Giftes. Sie entflammt im Herzen die unreinen Begierden; sie säet im Hause Zwietracht zwischen Mann und Weib, zwischen Eltern und Kindern, zwischen Herrschaft und Dienstboten; sie entzündet im Staate Haß und Feindschaft zwischen Obrigkeit und Unterthanen; ja die Schlangenzunge wird zum Leibes- und Seelenmörder. Aber soll meine Zunge gezähmt werden, so muß vor Allem mein Herz behütet sein. Das Herz ist die Quelle, die Zunge die Rinne. Aus dem Herzen kommen die argen Gedanken. Darum, lieber Vater im Himmel, reinige mein Herz durch deinen heiligen Geist, und thue meinen Mund auf, daß meine Lippen allzeit reden was wahrhaftig ist, lieblich und wohllautet zu des Nächsten Nutz und zu deiner Ehre.

Hilf, daß ich rede stets, womit ich kann bestehen,
Laß kein unnützes Wort aus meinem Münde gehen.
Amen!

Am 9. Januar.

„Wache auf, der du schläfest, und stehe auf von den Todten, so wird dich Christus erleuchten.“
Ephes. 5, 14.

Gott, du Licht, das ewig bleibet,
Das ohn' allen Wechsel ist,
Das die Finsterniß vertreibet,
Der du bleibest, wie du bist:
Ich verlasse meine Ruh;
Rufe: Werde Licht! mir zu,
Daß ich, der ich Nacht und Erde,
Durch dein Licht verkläret werde!

Wecke, da der Leib geschlafen,
Auch die Seele geistlich auf;
Gieb ihr deines Lichtes Waffen,
Richt' und leite ihren Lauf;
Laß mich sein des Lichtes Kind,
Hilf mir, weil ich geistlich blind,
Jesu, daß ich wieder sehe
Und in deinem Lichte gebe.

Schenke mir, Herr, und gewähre.
Was die arme Seele füllt;
Ach, erneure und verkläre
Stets in mir mein Ebenbild!
Sende mir den Geist der Kraft,
Der ein neues Leben schafft,
Daß ich himmlisch auf der Erde
Und ein Geist mit Christo werde.

Segne meiner Hände Werke,
Fördre mich in meiner Pflicht,
Bleibe meiner Schwachheit Stärke,
Meines Lebens Kraft und Licht;
Laß mein Lebensziel allein
Deines Namens Ehre sein;
Hilf, daß ich stets wahre Liebe
Gegen meinen Nächsten übe.

Führ' mich einst zu jenem Lichte
Deiner höchsten Majestät,
Wo vor deinem Angesichte
Die verklärte Seele steht,
Heller als der Sonnenschein,
Schön, unsterblich, engelrein;
Laß sie sein mit dir vereinet,
Wenn mein letzter Tag erscheinet.

Am 10. Januar.

Vater unser, der du bist im Himmel.
Matth. 6,9

„Gott will uns damit locken, daß wir glauben sollen, er sei unser rechter Vater und wir seine rechten Kinder, auf daß wir getrost und mit aller Zuversicht ihn bitten sollen, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater bitten.“ So unser frommer, glaubensstarker Luther; und so ohne Furcht und Zittern nahen wir uns im Gebete des Herrn dem Vater im Himmel, damit wir zu ihm beten können herzlich, zutraulich, gläubig. „Ihr habt nicht einen knechtischen Geist empfangen, ruft uns der Apostel zu (Röm. 8, 15), daß ihr euch abermal fürchten müßtet, sondern ihr habt einen kindlichen Geist empfangen, durch welchen wir rufen: Abba, lieber Vater!“ Und daran wollen wir festhalten! Mögen uns Menschen ihr Herz verschließen und von uns sich abwenden, von oben her öffnet sich uns das große, treue Vaterherz und neiget sich unsern Bitten. Mag uns bange werden in dieser Welt der Trübsal und Unruhe, von oben her kommt uns die ewige Liebe entgegen mit ihrem Segen und Frieden. Mag die Sünde uns locken, das Gewissen uns verklagen, der Tod uns schrecken, der gnadenreiche Vater kommt zu uns, seinen Kindern, nach seiner großen Barmherzigkeit und richtet das zerschlagene Herz und den geängsteten Geist wieder aus. „Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, daß sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselbigen vergäße, so will ich doch nicht deiner vergessen. Siehe, in meine Hände habe ich dich gezeichnet.“ (Jes. 49, 15 und 16.) Dieser Verheißung aus des Vaters Munde will ich sicher vertrauen: denn sie ist erfüllt in Jesu Christo, meinem Heiland. In Ihm, dem Geliebten, hat uns der Vater Alles gegeben. Durch ihn erkennen wir den Schöpfer Himmels und der Erde, um dessen herrlichen Thron die heiligen Engel stehen, als den Gnädigen und Barmherzigen, als den rechten Vater über Alles, was Kinder heißt. Mit ihm, dem eingebornen Sohne, haben wir Kindesstätte in des Vaters Schooße. Darum gelangt nur das Gebet wahrhaftig in Gottes Ohr und Herz, das da geschieht im Namen Jesu, der uns vertritt bei dem Vater, der durch seinen Geist uns beten lehret, und dessen Reich und Ehre uns am Herzen liegt. Ach, daß ich nur immer so freudig, so kindlich, so ergeben, so erhörungsgewiß beten möchte, wie mein Herr und Heiland; dann würde ich gestärkt, getröstet und voll heiligen Friedens von dem Angesichte Gottes gehen. Was will mich denn noch schrecken und ängstigen aus Erden? Des Vaters Hand leitet mich, des Vaters Liebe bedecket mich, des Vaters Herz schlägt für mich. Nun, lieber himmlischer Vater, der du uns freien Zugang zu dir durch Jesum Christum verstattest, gieb mir, daß ich in allem Anliegen die Zuflucht zu dir nehme. Und wenn ich zu dir komme, so verschmähe du mich nicht, sondern erhöre mein Gebet um Jesu Christi willen. Amen!

Am 11. Januar.

Geheiliget werde dein Name.
Matth. 6,9

Was liegt dem betenden Kinde Gottes zuerst am Herzen? Des Vaters Name. Gottes Name ist aber Gott selbst mit seiner Heiligkeit und Herrlichkeit, mit seiner Treue und Liebe, mit seiner Gerechtigkeit und seinem Gericht. Daß er als unser höchster Schatz von uns erkannt, daß sein heiliger Name auch bei uns heilig werde, darnach verlanget uns. Und er wird bei uns heilig, wo das Wort Gottes lauter und rein gelehret wird, wo man nichts davon und nichts dazu thut, aber vor Allem, wo wir heilig als die Kinder Gottes darnach leben. Ja, das Leben in Gott ist erst das rechte Loblied seines herrlichen Namens. „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, der Herr euer Gott.“ (3 Mos. 19, 2.) Dies Wort muß uns durch's Herz gehen und uns treiben zu einem Leben in demüthigem Glauben, da man spricht: „Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“ (Ps. 124, 8); zu einem Leben in rechtschaffener Buße, da man bittet: „Um deines Namens willen, Herr, sei gnädig meiner Missethat“ (Ps. 25, 11); zu einem Leben in freudigem Bekenntniß, da man ausruft: „Ich will deinen Namen predigen meinen Brüdern“ (Ps. 22, 23); zu einem Leben in feurigem Lobpreis, da man weiß: „Es ist ein köstlich Ding dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster!“ (Ps. 92, 2.) Und solch ein Leben nach Gottes Willen und zu Gottes Ehre dürfen wir ja täglich anschauen, das Leben Jesu Christi, des Heiligen und Gerechten, der nie eine Sünde gethan hat, der liebend und segnend über die Erde ging, der der Weg und die Wahrheit und das Leben ist, in dem wir den Abglanz der ewigen Herrlichkeit, die Fülle der Gottheit sehen, und der uns aushelfen will zu seinem himmlischen Reiche. Durch seinen Geist erleuchtet er uns, daß wir sollen ablegen nach dem vorigen Wandel den alten Menschen, der durch Irrthum und Lüste sich verderbet, daß, wir uns sollen erneuern „im Geiste unseres Gemüthes und anziehen den neuen Menschen, der nach Gott geschaffen ist in rechtschaffener Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Eph. 4, 22-24. Der Heilige wohnt nur in einem reinen Herzen, und wenn er zu uns kommt und Wohnung bei uns macht, wenn er Gestalt in uns gewinnt, unser Herz erneuert, unser Leben verklärt, so nähern wir uns dem Wahrhaftigen, dessen Werke unsträflich sind, dessen Treue unwandelbar ist. Selig sind, die reines Herzens sind, denn sie werden Gott schauen. „Preis und Ehre und unvergängliches Wesen denen, die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben.“ Richte denn meinen Geist hinauf zu deinem Lichte, du wahrhaftiger, heiliger Gott; wehre der Sünde, daß sie mich nicht überwältige in der Stunde der Versuchung; gib mir Muth und Kraft im Kampfe mit der argen Welt und führe mich endlich nach dieses Leibes Leben in dein ewiges Himmelreich, wo Freude die Fülle und liebliches Wesen zu deiner Rechten ist ewiglich. Amen!

Am 12. Januar.

Dein Reich komme.
Matth. 6,10

Das Reich Gottes ist ein dreifaches: ein Reich der Macht, der Gnade und der Herrlichkeit. Das Reich der Macht braucht nicht erst zu kommen, denn es ist überall, und umfaßt Himmel und Erde und alle Kreaturen. Es verkündet sich in der Pracht des gestirnten Himmels, in dem Glanze der Sonne, in der Anmuth des Frühlings, in der Segensfülle des Herbstes. Das Reich der Gnade ist's, um dessen Kommen wir bitten. Wohl ist es ohne unser Zuthun in Christo Jesu erschienen, wohl kommt es seitdem mit sicherem, unaufhaltsamem Gange auch ohne unser Gebet von ihm selbst und wird sich vollenden als ein Reich der Herrlichkeit; aber daß es zu uns, die bereits durch die heilige Taufe darin aufgenommen sind, in Kraft komme und gewaltig weiter durch die Welt gehe, darum will der Herr von uns angerufen werden. Er ist der König dieses Reiches, sein Thron der Himmel, sein Wappen das Kreuz, sein Heer die Schaar der Bekenner, seine Waffen das Wort. Wo ist nun dieses Reich? Da, wo man in Buße sich beuget vor dem Heiligen und Gerechten, wo man im Glauben die Hand des barmherzigen Heilandes ergreift, wo Gerechtigkeit und Friede und Freude im heiligen Geist herrschet. Aber es kommt nicht mit äußerlichen Geberden. Nicht die heilige Taufe, die wir empfingen, nicht das heilige Abendmahl, das wir genießen, nicht der Kirchenbesuch, dessen wir uns befleißigen, sind untrügliche Zeichen, daß das Reich Gottes in uns ist, sondern nur, daß wir in das Reich Gottes gekommen sind. Auch das „Herr, Herr sagen“ thut es nicht, denn das Reich Gottes stehet nicht in Worten, sondern in Kraft, das will sagen: wir müssen unsre Herzen, Muth und Sinn mit allen Kräften dem Herrn zum Dienste begeben und von ihm allein uns regieren lassen. So lange die Sünde uns knechtet, sind wir fern vom Reiche Gottes. So lange wir Lug und Trug lieben, sind wir fern vom Reiche des Herrn, dem die Lügner ein Greuel sind. So lange wir in Hochmuth einhergehen, sind wir fern vom Reiche des Herrn, der den Hoffärtigen widerstehet, den Demüthigen über Gnade giebt. So lange wir der Fleischeslust und Augenlust dienen, sind wir fern vom Reiche des Herrn, der da will, daß wir unser Fleisch kreuzigen sammt den Lüsten und Begierden. Darum gehe in dein Kämmerlein und schließe die Thür hinter dir zu, und bete zu deinem Vater im Verborgenen, daß er dir den rechten Glauben an Christum Jesum schenke, die Sünde aus deinem Herzen vertreibe, dich fromm und treu mache, in dir regiere, sein Reich täglich in dir zunehme und wachse und dich aus Gnaden um Christi willen einst aufnehme in das Reich der Herrlichkeit. Diese Bitten wird er erhören nach seiner Verheißung.

Am 13. Januar.

Dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden.
Matth. 6,11
„Das ist die Liebe zu Gott, daß wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.“
1. Joh. 5, 3.

Was der Vater will, muß den Kindern gefallen. Er will aber nur Eins von Ewigkeit zu Ewigkeit. Seine unaussprechliche Seligkeit, sein heiliger Friede soll durch die ganze Schöpfung gehen, soll Himmel und Erde erfüllen. Je näher nun seinem Lichte und seiner Herrlichkeit, desto mehr Theilnahme an dieser Seligkeit, desto mehr Friede und Freude und gottseliges Wesen. Wo dagegen Noth und Ungemach ist, wie ans dieser Erde, da ist Abfall von Gott, und Ungehorsam gegen seinen heiligen Willen. Dieser sein guter und gnädiger Wille waltet nur droben im Himmel ganz allein, und wie er von den Engeln, den dienstbaren Geistern, aufs Vollkommenste: völlig, willig und beständig vollbracht wird, so soll er auch bei uns, das ist, von uns und an uns geschehen und soll uns Alles gelten.

Wir dürfen der väterlichen Hand und gnädigen Leitung unseres Gottes nicht widerstreben, sondern müssen allzeit still und ergeben sprechen: Wie Gott mich führt, so will ich gehn ohn' alles Eigenwählen. Sein Rath unser Rath, sein Wille unser Wille! Wohl führt er uns oft ganz anders, als wir gehen möchten. Er meint es aber gut mit uns, und sind auch Anfangs seine Wege dunkel, das Ende ist eitel Licht. Sucht er uns heim mit Armuth und Krankheit, nimmt er uns das Liebste vom Herzen: wir wollen uns gläubig schicken in das, was er will. Legt er uns Lasten auf: wir wollen sie willig und demüthig tragen als seine Lasten, und den Kelch der Leiden Annehmen im Aufblick zu dem, der gebetet hat: „Vater, nicht mein, sondern dein Wille geschehe!“ Deiner Führung folg' ich still, wie du willst, nicht wie ich will. - Wie aber an uns, so soll Gottes Wille auch von uns geschehen. „Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, so will ich ihr Gott sein.“ Jer. 31, 33.

Die Kinder sollen gehen in des Vaters Fußtapfen und sollen vollkommen sein wie er vollkommen ist. Sein Wille ist unsere Heiligung; wir sollen geschmücket sein mit allen christlichen Tugenden: Liebe, Freude, Friede. Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit. Freilich solch' ein Leben im Dienste des Herrn und nach dem Willen des Herrn ist nicht leicht, sondern kostet Opfer; darum hat Mancher die Hand vom Pfluge wieder zurückgezogen. Uns aber soll es die höchste Freude sein, Gottes Willen zu thun, in seinen Wegen zu wandeln. Bei uns soll es heißen: „Deinen Willen, mein Gott, thu' ich gern, und dein Gesetz habe ich in meinem Herzen.“ Ps. 40, 9. Täglich wollen wir daran gedenken, daß Gehorsam besser ist, denn Opfer. 1 Sam. 15, 22. Täglich wollen wir in unserem Amt und Beruf, im Großen, wie im Kleinen, vor Hoch und Niedrig, bei der Arbeit, wie bei der Ruhe, den vor Augen und im Herzen haben, der gesagt hat: „Meine Speise ist die, daß ich thue den Willen deß, der mich gesandt hat und vollende sein Werk.“ Joh. 4, 34.

Wie Gott will, sag' ich stets mit Freuden,
Wie Gott will, glaub' ich auf sein Wort,
Wie Gott will, trag' ich alles Leiden,
Wie Gott will, hoff' ich immerfort,
Wie Gott will, wart' und leb' ich still,
Und sterb' auch endlich, wie Gott will.

Am 14. Januar.

Unser täglich Brod gieb uns heute.
Matth. 6,11
„Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab vom Vater des Lichts.“
Jac. 1, 17.

Ist nicht Alles, was ich bin und habe, das Geschenk deiner ewigen Liebe, du treuer Gott und Vater? Sehe ich nicht überall, in mir und um mich, die Spuren und Zeugnisse deiner allwallenden Güte? Füllet sich nicht die Erde mit deinem Segen und das Meer mit den Gaben deiner Huld? Du thust deine milde Hand auf und sättigest Alles, was da lebet, mit Wohlgefallen. Du lässest Brunnen quellen und Bäche und sendest von oben herab den milden, erquickenden Regen. Du hauchest die Erde an, und überall regt sich Leben und Freude, daß sie hervordringen aus der Tiefe und jauchzen in dem Lichte deiner Herrlichkeit. Und ich wollte bangen und sorgen bei so vielen Zeugnissen deiner Huld? Ich wollte kleinmüthig verzagen bei dem Anblick deiner Weisheit, Macht und Güte? Ich wollte mich ängstigen in meinem Herzen, wenn Mangel und Noth hereinzubrechen drohen? „Sehet die Vögel unter dem Himmel an,“ ruft mir der Heiland zu, den du uns zum Troste gesandt hast, „sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen, und euer himmlischer Vater ernähret sie doch. Seid ihr denn nicht viel mehr denn sie? Schauet die Lilien auf dem Felde, wie sie wachsen, sie arbeiten nicht, auch spinnen sie nicht, ich sage euch, daß auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen ist, als derselben eins.“ Matth. 6, 26 f. Die Vögel unter dem Himmel, die Blumen auf dem Felde sind mir als Prediger hingestellt; sie rufen mir zu: laß dein Sorgen und Grämen, wirf all deine Sorge auf den, der für dich sorget, der immer hält, was er zusagt, und dessen Hand noch lang genug ist, wo Menschenhand zu kurz ist. Er kann helfen, er will helfen. Ihm kommt das Sorgen zu; mit unserm Sorgen richten wir nichts aus und rauben dem die Ehre, an dessen Segen Alles gelegen ist. Darum will ich mein Tagewerk thun treu und gewissenhaft und alles Andere dem überlassen, der die Vögel speiset und die Lilien kleidet.

Mäßig will ich sein in meinen Wünschen, bescheiden in meinen Bitten und zufrieden mit Wenigem. Ich will schmecken und fühlen, wie freundlich der Herr ist, und mit Danksagung empfangen mein täglich Brod. Gieb mir nur dein Wort, Herr, und deines Geistes Kraft für meine Pilgerreise nach der himmlischen Heimath, damit ich nicht verschmachte in des Lebens dürrer Wüste. „Aller Augen warten auf dich, Herr! und du giebst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du thust deine milde Hand auf und sättigest Alles, was lebt, mit Wohlgefallen.“ Ps. 145, 15 u. 16. Auch heute warte ich auf dich, daß du mir Kraft verleihest, die Arbeit segnest, unser Werk förderst und den Tag über bei uns seiest.

Ich bitte nicht um Ueberfluß, - noch Schätze dieser Erden,
Laß mir, so viel ich haben muß, nach deiner Güte werden.
Gieb mir nur Weisheit und Verstand,
daß ich dich, und den du gesandt,
Recht liebe und erkenne.

Am 15. Januar.

Vergieb uns unsre Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern.
Matth. 6, 12
„Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leibe dieses Todes?“
Röm. 7, 24.

Auf das „Gieb“ folgt sogleich das „Vergieb“, denn es muß uns, wenn wir die vierte Bitte gebetet haben, alsbald auf's Herz fallen, daß wir nicht werth sind noch verdient haben, auch nur das tägliche Brod von Gott zu empfangen. Auf uns lastet die Schuld der Sünden, indem wir täglich mit Gedanken, Worten und Werken, mit Thun und Lassen wider den Herrn sündigen und eitel Strafe verdienen. Er leuchtet mit dem Glanze seiner Herrlichkeit herab auf die Menschenkinder, die im Schatten des Todes sitzen - und sie erheben ihr Haupt nicht nach oben, wo die Heimath der ewigen Liebe ist, und verschließen ihr Herz gegen das Licht der gnadenreichen Wahrheit. Der Herr füllet den Schooß der Erde mit seinem Segen, sendet Regen und Sonnenschein, krönet das Jahr mit seinem Gute und verbreitet Leben und Freude durch die ganze Schöpfung - und der Mensch ist kalt und undankbar, nimmt Alles ohne Danksagung hin, ist unzufrieden mit dem ihm verliehenen Gute, mißbraucht den Reichthum und trotzet auf seine Klugheit. Noch mehr. Also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben (Joh. 3, 16) - und die Menschen nehmen den Gottgesandten nicht auf, verachten seine Lehre, verschmähen seine Liebe und rufen das „Kreuzige“ über ihn aus. Gott hat den Menschen den Himmel aufgethan, hat ihnen den Weg zur Seligkeit gezeigt, kommt immer wieder, wie oft sie auch zurückgestoßen wird, mit seiner Vaterhuld und Gnade - und sie wählen den eigenen Weg, verscherzen leichtsinnig ihr ewiges Heil, weisen alle Einladung zur Buße zurück und versenken ihr Herz in die Lüste dieser Welt. Und selbst die Ernsteren und Besseren, welche dankbar die ihnen dargebotene Gnade annehmen, die ihrer hohen Bestimmung eingedenk sind und in Christo den Weg, die Wahrheit und das Leben gefunden haben: wie viel Fehltritte, Irrthum und Sünde werden auch bei ihnen gefunden! Ach, wollte der Vater im Himmel ansehen unsre Schuld, zurechnen und strafen unsre Sünde, so wären wir längst vergangen in unserem Elende! Vor ihm ist Niemand rein, und wenn wir Alles gethan haben, was uns vorgeschrieben, so sind wir doch unnütze Knechte gewesen. Wir sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhms, den wir vor Gott haben sollten. Unser Dichten und Trachten war böse von Jugend aus. Darum müssen wir Alle demüthig an unsre Brust schlagen und beten: „Gott sei mir Sünder gnädig!“ Jedes Gebet muß durchdrungen sein von dem demüthigen Verlangen: „vergieb uns unsre Schuld!“ - Aber die erlangte Gnade muß uns auch versöhnlich machen gegen unsern Nächsten, der sich an uns versündigt. Kein Haß und Groll, kein Neid und keine Rache dürfen in einem Herzen wohnen, welches Gottes Gnade gefunden und empfunden hat. „Darum wenn du deine Gabe auf dem Altar opferst,“ ruft uns der Erlöser zu, „und wirst allda eingedenk, daß dein Bruder etwas wider dich habe: so laß vor dem Altar deine Gabe und gehe zuvor hin, und versöhne dich mit deinem Bruder, und alsdann komm und opfere deine Gabe.“ Matth. 5, 23 u. 24. Herr, siehe nicht an unsere Sünde um Jesu willen und gieb uns ein versöhnliches Herz. Amen.

Am 16. Januar.

Führe uns nicht in Versuchung.
Matth. 6, 13

Oft wissen wir selbst nicht, was wir können, und unser Inneres ist mit mancher Zuthat umgeben, von der zweifelhaft ist, ob sie uns wirklich eignet, oder nur etwas äußerlich Angenommenes ist, wie denn wohl Mancher zuweilen einen hohen und stolzen Muth an den Tag legt und sich mit Petrus vermisset: „Ich will mein Leben für dich lassen“ (Joh. 13, 37), und doch, wenn es gilt, zu Schanden wird, so daß die selbstbewußte Kraft in offenbare Verleugnung umschlägt. Die Versuchung offenbart, was wir aus uns selbst wollen, ob wir zu stehen vermögen, wenn Gott die Stützen unseres Lebens, wie den Zuspruch der Freunde, den Beistand der irdischen Mittel und selbst seine umschirmende Gnade hinweg nimmt und uns der uns anerschaffenen Freiheit und Selbstentscheidung anheim giebt. Die Versuchungen, die Gottes Kinder erfahren, gleichen dem Kampfe, in welchem sich die Kräfte des Lichts und der Finsterniß messen, und aus welchem die bewahrten Kämpfer neugekräftigt und zu noch schwererem Streite geschickt hervorgehen. Anfechtung macht gute Christen. Die leidigen und freudigen Lagen, in die der Herr uns versetzt, dienen zur Prüfung und Bewährung unsers Glaubens und Gehorsams, unsrer Liebe und Treue. Darum können wir eben so wenig flehen: Führe uns in gar keine Versuchung, als der Krieger nicht bitten darf: Führe mich nicht in die Schlacht, und der Schiffsmann nicht: Führe mich nicht auf die offene See. Es wird niemand gekrönt, er kämpfe denn recht. Der Teufel, die Welt und unser Fleisch legen es unter göttlicher Zulassung vor Allem darauf an, daß sie uns betrügen, indem sie sich uns nicht zu erkennen geben und die Sünde als süß, Gottes Willen als bitter, Weltgenuß als Ehre und Christi Kreuz als Schande uns vorspiegeln. Sie verführen uns in Mißglauben und Verzweiflung, daß wir hoffärthig und sicher werden, oder an Gottes Macht und Gnade verzagen. Darum müssen wir, so lange wir hier wallen, täglich bitten: Schwach und krank sind wir, o Vater, und die Versuchung ist so groß und mannichfaltig, die uns von innen und außen zusetzt und unsere Seele so leicht bethört und verführt. Behüte und bewahre deine Kinder nach deiner Treue durch deines Wortes und Geistes Kraft, daß sie nicht zu Falle kommen und wieder sündigen. Gieb uns Gnade, daß, wie lange und hart wir angefochten werden, wir auf dem Grunde des Glaubens beständig bleiben und ritterlich kämpfen bis an unser Ende; denn ohne deine Gnade und Hülfe vermögen wir nichts.

Führ' uns, Herr, in Versuchung nicht,
Wenn uns der böse Feind anficht.
Zur linken und zur rechten Hand
Hilf uns thun starken Widerstand,
Im Glauben fest und wohl gerüst't
Und durch des heil'gen Geistes Trost.

Am 17. Januar.

Erlöse uns von dem Uebel.
Matthäus 6,12

„Wir warten aber eines neuen Himmels und einer neuen Erde, nach seiner Verheißung, in welchen Gerechtigkeit wohnet.“
2. Petr. 3, 13.

Wie ist doch Alles in der Welt so wandelbar und eitel, so ungewiß und vergänglich! Nirgends ein bleibendes Besitzthum, ein sicherer Friede, eine ungestörte Freude! Arbeit, Sorg' und Herzeleid ist der Erde Alltagskleid. Viel Noth und Plage beschweret uns Fremdlinge und Pilgrime in diesem Jammerthal. Viele müssen unter Krankheit, Gebrechen und Schmerzen seufzen, müssen Armuth, Schaden und Verlust ertragen, Schmach und Spott, Verachtung und Lästerung erleiden. Andere gehen gebeugt unter der Last des Zweifels, Kleinmuths und Schreckens, der Verzagtheit, Furcht und Traurigkeit. Die Sünde geht hindurch durch die Welt und verbreitet nach allen Seiten hin Schmerz und Wehe, Thränen und Jammer. Zuletzt kommt der Tod, der König der Schrecken. Mit unwiderstehlicher Gewalt reißt er auch die liebsten Menschen aus unsern Armen und schlägt uns die tiefsten Wunden. Und weil all diese äußeren unsre inneren Uebel, die uns beschweren, nur bittere Frucht der Sünde und eine heilsame Züchtigung für uns sind, der wir zu unsrer Heiligung nicht entbehren können, so bitten wir nicht, daß uns kein Uebel treffen möge, denn das hieße dem gnadenreichen Willen Gottes widerstreben, sondern wir bitten nur in diesem Gebet, daß Gott unsrer Schwachheit gedenken und sich unserer Seelen herzlich annehmen wolle, daß er uns endlich von allerlei Uebels Leibes und der Seele erlöse, und zuletzt, wenn unser Stündlein kommt, ein seliges Ende bescheere und uns mit Gnaden aus diesem Jammerthal zu sich nehme in den Himmel. Dort werden abgetrocknet alle unsere Thränen; dort ist nicht mehr Klage und Jammergeschrei, denn mit der Sünde hört aller Jammer dieser Erde auf und wird in ewige Wonne verschlungen. Hier Leid, dort Lohn, hier Kampf, dort Kron'. O selige Hoffnung, daß ich einst eingehen darf in die Ruhe, welche noch vorhanden ist dem Volke Gottes!

Darum laß mich, o Herr, die Sünde, die Ursache alles Uebels, scheuen und meiden, alle Trübsal, die um ihretwillen über mich kommt, zu meinem Heil anwenden, und mich, so lange ich hier noch walle, auf einen seligen Heimgang bereiten, damit ich, wenn das letzte Stündlein erscheint, getrost abscheiden könne in dem seligen Bewußtsein, einen guten Kampf gekämpfet, den Lauf vollendet und Glauben gehalten zu haben.

Mein Gott und Herr, weich' nicht von mir; Nimm mich in deine Hände. O wahrer Gott, aus aller Noth Hilf mir am letzten. Ende!

Am 18. Januar.

Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Du bist der Herr und König des Reichs, um dessen Fortgang und Verherrlichung wir bitten, unsere Sache ist deine eigene Sache: Du mußt erhören! Du kannst Alles thun, was du willst, im Himmel und auf Erden, im Meer und allen Tiefen, kein Feind ist dir zu stark, keine Noth zu groß und keine Last zu schwer: Du kannst erhören! Du hast bisher den Ruhm in aller Welt erhalten, daß du das Gebet deiner Kinder nicht verschmähest: Du wirst auch ferner solche Ehre deines Namens bewahren, du wirst erhören. Dein Reich, deine Kraft, deine Herrlichkeit dauert und währet ohn' alles Ende und Aufhören, darum ruhet die Erhörung unserer Bitten auf einem unvergänglichen Grunde, und wir können uns derselben allezeit getrösten. Und mit dem Amen eines ungezweifelten Glaubens, im Namen dessen, der uns beten lehrte und uns die Verheißung der Erhörung gab, in dem hochgelobten Namen, worin wir Tag an Tag, und Gebet an Gebet, und Werk an Werk knüpfen sollen, schließen wir unser Gebet: Amen, in Jesu Namen Amen.

Gott, du erhörst, das Reich ist dein; Ja, ja es soll geschehen. Als Herr hörst du der Raben Schrei'n, Als Vater unser Flehen. Darum kommt alles Fleisch zu dir, Und wie die Kinder beten wir Zum Vater in dem Sohne.

Gott, du erhörst, dein ist die Kraft, Ja, ja, es kann geschehen. Du bist's, der alle Hülfe schafft Und mehr, als wir verstehen. Was aller Welt unmöglich ist, Da hilfst du uns durch Jesum Christ Von Sünden, Tod und Hölle.

Gott, dein ist auch die Herrlichkeit; Ja, ja, es wird geschehen. Du hast dir selbst ein Lob bereit't, Daß wir Erhörung sehen. Hier dankt man dir in Schwachheit schon, Dort wird dein Ruhm vor deinem Thron Recht groß und herrlich werden.

Am 19. Januar.

Jesu, mein Erlöser, wer kann dich würdig preisen, du unaussprechliche Macht und Weisheit des Vaters? O wie gern möchte ich ganz in deinem Lobe aufgehen! Aber, weil ich solches nicht kann, soll ich darum schweigen? Wehe denen, die von dir schweigen, der du den Mund der Stummen öffnest und Rinderzungen beredt machst! Wehe denen, die von dir schweigen; denn bei all ihrem Geschwätz sind sie stumm, wenn sie dein Lob nicht verkündigen. Unendlich bist du, o Herr, und unendliche Liebe sind wir dir schuldig, die du durch dein theures Blut erkauft hast. Denn wenn ein Mensch den andern also liebt, daß er kaum ohne ihn sein kann, wenn die Braut dem Bräutigam so innig zugethan ist, daß sie nimmer Ruhe hat, wenn ihr Freund nicht bei ihr ist; mit welcher Liebe, mit welcher Inbrunst muß dich die dir im Glauben vertraute Seele lieben, ihren waren Gott und Bräutigam, der du so Vieles und so Großes für uns gethan hast! Und überdies ist deine Liebe so süß und so ruhevoll. Auch die Welt hat zwar ihre Lust und Ergötzlichkeiten, aber die Seelen, welche sich ihr hingeben, können nicht still sein; von Argwohn, Unruhe und mannigfachen Befürchtungen werden sie umgetrieben. Bei dir hingegen ist ein ungestörtes Leben. Wer zu dir kommt, lieber Herr, der geht ein zur Freude seines Herrn, der kann sprechen: Der Herr ist mein Hirt, mir wird nichts mangeln; er weidet mich auf einer grünen Aue. Amen!

Am 20. Januar.

„Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege,“ spricht der Herr; „sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher, denn eure Wege, und meine Gedanken, denn eure Gedanken.“ Jes. 55, 8 und 9. Gottes Gedanken sind sehr tief, doch allzeit heilig und gut. Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte, und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt, oder wer ist sein Rathgeber gewesen? Durch Armuth macht er uns reich, durch Schmach bringt er uns zu Ehren, durch Trübsal schaffet er Fröhlichkeit, durch das Kreuz führt er zur Herrlichkeit, durch den Tod zum Leben.

Wer über Gottes Werke urtheilen will, müßte nicht allein den Anfang, sondern auch das Ende derselben sehen. Und welches menschliche Auge könnte das! Unser Wissen ist Stückwerk, unser Leben so kurz, unsere Kraft so gebrechlich. Das Höchste und Heiligste wandelt oft in der Verborgenheit und nur die. Ewigkeit macht es klar. Darum will ich meinem Gott nicht vorschreiben, welchen Weg er mit mir gehen soll, er wird wohl wissen, welcher der beste ist und am sichersten zum Ziele führt. Fängt er es auch seltsam und wunderbar mit mir an, so führt er es doch herrlich hinaus. Wie trübe es sich auch ansehen läßt im Anfang, so ist der Ausgang doch licht und klar und selig. Ich habe es erfahren und ihm auch für die Leiden danken müssen, die er mir auferlegt hat. Fürwahr, du bist ein verborgner Gott; deine Wege gehen sehr hoch und deine Gedanken sind sehr tief. Und doch fühlen wir dich in jedem Pulsschlag unseres Lebens und tragen dich im Innersten unseres Herzens. So weit erhaben über aller Himmel und uns doch so nahe in deinem eingebogen Sohn. Ja, ich erkenne dich in ihm, dem Abglanz deiner Herrlichkeit, der auch mich leitet wie ein treuer Hirt sein Schäflein. Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich auf rechter Straße. Und ob ich schon wanderte im finstern Thal, fürchte ich kein Unglück; er ist bei mir, sein Stecken und Stab trösten mich. O du treuer Heiland, sei auch heute mein Führer und Herr, wache über mein Herz und Leben. Amen.

Wie herrlich ist's, ein Schäflein Christi werden, Und in dem Schutz des treu'sten Hirten steh'n! Kein höh'rer Stand ist auf der ganzen Erden, Als unverrückt dem Heiland nachzugeh'n. Was alle Welt nicht geben kann. Das trifft das Schäflein bei dem Hirten an.

Hier findet es die angenehmsten Auen; Hier wird ihm stets ein frischer Quell entdeckt. Kein Auge kann die Gnade überschauen, Die es allhier in mancher Fülle schmeckt. Hier wird ein Leben mitgetheilt, Das reich an Freude ist, und nie vorübereilt.

Am 21. Januar.

„Wahrlich, ich sage euch, es sei denn, daß ihr euch umkehret und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich kommen.“ Matth. 18, 3.

Die Jünger traten einst zu Jesu und sprachen: Wer ist doch der Größeste im Himmelreiche? Statt der Antwort auf diese Hochmuthsfrage ruft der Herr ein kleines Kind zu sich und stellt es mitten unter sie. Ihre Hoffarth will er demüthigen, an dem Kinde sollen sie lernen, was sie sein müßten und nicht sind. Denn obwohl alle Kinder von Adam her die Sünde mit auf die Welt bringen und von Natur verloren sind, so sind sie doch in gewisser Hinsicht unschuldig, so lange sie noch nicht zu den Jahren gekommen sind, wo sie Gutes und Böses unterscheiden können. Auf ihren blühenden Wangen liegt noch etwas vom Morgenduft des Paradieses und aus ihren hellen Augen strahlt noch etwas vom Adel des göttlichen Ebenbildes. Das kleine Kind weiß nichts von dem glühenden Ehrgeize des Erwachsenen, so lange es von demselben noch nicht in die Schule der Hoffarth gebracht ist. Es treibt seine kindlichen Spiele und hat seine Freude an geringen Dingen. Es fragt nichts danach, was man im Nachbarhause von ihm sagt, oder ob man es auf den Gassen ehrerbietig grüßt. Es will nur sein, was es ist, und hat seine Freude daran, nichts anders zu sein. Wie beschämend ist das für uns Erwachsene, die wir so gern noch einige Fuß höher sein wollen, als wir wirklich sind. Wir jagen nach vergänglichen Schatten und werden dessen nicht froh, was wir besitzen. Darüber verlieren wir das Reich Gottes ganz aus dem Auge und machen uns selbst ungeschickt, in dasselbe einzugehen. Denn was, hoch ist in der Welt, das ist ein Greuel vor Gott. Keinem Laster ist der Herr so feind, als dem Hochmuth. „Denn also spricht der Hohe und Erhabene, der ewiglich wohnet, deß Name heilig ist, der ich in der Höhe und im Heiligthum wohne, und bei denen, so zerschlagenen und demüthigen Geistes sind, auf daß ich erquicke den Geist der Gedemüthigten und das Herz der Zerschlagenen.“ (Jes. 57, 15.)

Ein Kind ist einfältig und aufrichtig, es weiß nichts von Verstellung und Heuchelkünsten. Und wie oft geben wir uns anders, als wir sind, sprechen anders, als wir's meinen. Ein Kind glaubt ohne Bedenken und Mißtrauen, was ihm die Eltern und Lehrer sagen; aber unserem zweifelsüchtigen Geschlecht ist alles das ein Aergerniß und eine Thorheit, was es mit seiner Hand nicht greifen und mit seinen Gedanken nicht fassen kann. Ein Kind weiß nichts von dem Gifte des Hasses, nichts von der Galle der Rachsucht, nichts von dem Schmutze des Eigennutzes, womit wir behaftet sind; mit offenen Augen der Liebe schaut es in die Welt, wer von ihm fordert, dem theilt es mit, wer ihm nahet, den betrachtet es als seinen Freund. Ein Kindlein sorgt nichts, sondern läßt die Eltern sorgen. Die Erde ist ihm noch ein Paradies, das Leben ist ihm noch ein Fest.

O süße Unschuld! Kinderwesen!
Die Weisheit hab' ich mir erlesen.
Wer dich besitzt, ist hochgelehrt,
Ist in des Höchsten Augen werth!

Am 22. Januar.

„In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Joh. 16, 33. Wie erhebend ist der Anblick unseres Herrn und Heilandes im Kampfe mit der feindseligen Welt! Er, der sich nicht schämte, menschlich zu fühlen, zu klagen, zu weinen, Er, der auch die Freude nicht verbirgt, wenn ihm sein Heilandswerk an einer Seele gelingt, erscheint immer ruhig und besonnen, immer gerüstet mit Muth, unerschrocken und freudig sein Tagewerk treibend, auch bei Gefahren und Anfechtungen, auch bei Verfolgungen und in der Todesnoth. Dieser freudige Muth wurde auch Denen zu Theil, die sich ihm mit Leib und Seele ergaben und das Reich Gottes nach dem Hingange ihres Herrn ausbreiteten auf Erden. Wir haben - das ist ihr eigenes Bekenntniß - wir haben allenthalben Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber sind nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir gehen durch Ehre und Schande, durch böse Gerüchte und gute Gerüchte; als die Verführer, und doch wahrhaftig; als die Unbekannten und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe! wir leben; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch Viele reich machen; als die nichts inne haben und doch Alles haben. 2. Cor. 4, 8-10; 6, 8-10.)

Welche Glaubenskraft, welche Liebesgluth zu ihrem Herrn und Meister! Kann sich die Unabhängigkeit der Gläubigen von dem Wechsel des äußeren Gebens herrlicher offenbaren? O, daß ich zu ähnlicher Erhabenheit der Seele über der Welt Haß und Zwiespalt gelangen, an solchen Beispielen meinen Muth stärken und alle meine Wege Gott befehlen möchte! Erhalte mich, o Herr, mäßig im Glück und getrost im Unglück; mach' mich stark im Glauben, fröhlich in der Hoffnung, geduldig in Trübsal, unüberwindlich im Vertrauen. So heute und immerdar, und bis zu meinem, gieb Herr! seligen Ende. Amen.

Am 23. Januar.

„Dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinen Wegen.“ Ps. 119, 105.

Noch ist es Nacht auf Erden,
Noch herrscht die Dunkelheit;
Spät, will es lichte werden
In dieser kalten Zeit.

Entzünde, Herr, mein Licht!
Mit deinem Glanz der Güte
Mir Strahlen im Gemüthe,
Im Dunkeln laß mich nicht.

Aus Finsterniß und Grauen
Errette mir den Geist;
Laß heller stets mich schauen,
Was mich zum Himmel weis't.

Laß aus der bangen Nacht,
In der wir irrig gehen,
Mich stets nach oben sehen,
Woher der Morgen lacht.

Laß deine Strahlen fallen
In meinen dunkeln Sinn:
Lehr' selbst den Weg mich wallen
Hu himmlischem Gewinn.

Herr, ohne deinen Strahl
Muß Dunkel mich verwirren,
Und immer müßt' ich irren
Im düstern Schattenthal.

O leite selbst den Blinden,
Dem eigner Glanz gebricht;
Und laß ihn Wahrheit finden
Und Wesenheit und Licht.

Senk' deinen Himmelsschein
Stets tiefer in die Herzen,
Dann werden Furcht und Schmerzen
Bald überstrahlet sein.

Dafür will ich dich preisen
In alle Ewigkeit
Mit immer höhern Weisen,
Du Glanz der Herrlichkeit.

Entflamme mir den Muth,
Und laß in Jesu Lehren
Mein inn'res Licht sich mehren
Zu frommer Lebensgluth.

Hilf Allen, die befangen
In eigner Sorge Grau'n
Nur schwanken, irren, bangen
Und doch auf sich vertrau'n;

Hilf uns aus unsrer Nacht.
Laß Allen, die da weinen,
Die Freudensonne scheinen,
Die Alles selig macht.

Am 24. Januar.

„Der Herr giebt Schnee wie Wolle, er streut Reif wie Asche. Er wirft seine Schlossen wie Bissen; wer kann bleiben vor seinem Frost?“ Ps. 147, 16 und 17.

Ein eisiger Hauch durchziehet die Luft und bringt Erstarrung Im die ganze Natur. Der Sturm brauset über das öde Land hin. Still liegen die Felder da unter dem Grabtuche des Schnees. Traurig stehen die entlaubten Bäume mit ihren kahlen, starren Aesten. Die Lieder der Vögel sind längst verstummt und die Blumen verwelkt. Die Quelle ist zugefroren und der Schooß der Erde verschlossen. Kein Hälmchen grünt und alles Lebendige sucht Schutz vor dem Frost. Auch die Erde verkündigt uns den Herrn, denn sie ist des Herrn Werk und der Schauplatz seiner Gnade und Herrlichkeit. In ihrem Frühlingsschmuck ruft sie uns zu: „Alles Fleisch ist Gras und alle Herrlichkeit des Menschen ist wie des Grases Blume.“ In der Gluthzeit des Sommers mahnt sie uns: „Ihr Lieben, lasset euch die Hitze, so euch begegnet, nicht befremden.“ In dem Erntesegen des Herbstes predigt sie uns: „Was der Mensch säet, das wird er ernten.“ Sollte nun der ernste, strenge Winter nicht auch ein Wort der Mahnung an unsere Herzen haben? Ja, er predigt vor Allem: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist!“ Der Winter ist für Viele eine harte Zeit, eine Zeit des Mangel. Er mehret die irdischen Bedürfnisse, vergrößert die häusliche Noth, verdoppelt den Jammer der Armuth. Da gilt es, einander beizustehen, einander beizustehen nach Vermögen. Da können wir manche Thräne trocknen, manchen Seufzer stillen, manche Noch lindern. Da heißt es: „Brich dem Hungrigen dein Brod, und die, so im Elend sind, führe in's Haus; so du Einen nackend siehest, so kleide ihn, und entzeuch dich nicht von deinem Fleisch.“ Daran will ja der Herr erkennen, daß wir seine Jünger sind, so wir Liebe unter einander haben. In den armen und nothleidenden Brüdern streckt er uns die Hände entgegen, daß wir sie ihm füllen sollen. In jedem hungrigen und durstigen Gaste steht Der vor unserer Thür, der, auch den Bissen Brodes und den Trunk Wassers nicht will unvergolten lassen. Wer sich des Armen erbarmet, der leihet dem Herrn; der wird ihm wieder Gutes vergelten. Wie klein auch die Gabe sei, welche dem täglichen Bedarf abgespart und der Armuth dargereicht wird, wenn sie mit freundlichem Herzen und aus Liebe zum Herrn gegeben wird, so thut sie wohl und bringet Segen.

So will ich denn in diesen harten Tagen des Winters als ein fröhlicher Geber in die Hütten der Armen gehen, die Kranken und Nothleidenden aufsuchen und im Wohlthun meine Freude finden. Der Herr stellt uns als seine Engel an den Weg des Lebens, auf daß wir uns der Unglücklichen, die vorübergehen, annehmen und sie in die sichere Herberge bringen. Dazu laß auch mich, o Herr, immer fertig und bereit sein. Amen.

Christ! wenn die Armen manchesmal.
Vor deiner Thüre stehn,
Merk auf, ob nicht in ihrer Zahl
Der Herr sei ungesehn!
Auch wenn ihr Ruf so weh und bang
Erschallt zu dir hinein..
Horch auf, ob seiner Stimme Klang
Nicht möchte drunter sein.

O nicht so fest und eng verschließ
Die Thüren und das Herz.
Ach, wer den Heiland von sich stieß.
Was träfe den für Schmerz!

Am 25. Januar.

„Ich liebe, die mich lieben, und die mich frühe suchen, finden mich.“ Sprüch. Sal. 8, 17. Der Herr fordert nicht große, schwere Werke von uns, nur eins - Liebe. Und wie leicht hat er uns das Lieben gemacht. Er hat uns zuerst geliebt. Wir sind Denkmäler seiner Liebe, die unser von Ewigkeit gedacht hat. Er kam für uns auf die Erde, litt für uns Armuth und Verachtung, Spott und Hohn, Speichel und Geißel, Marter und Kreuzestod. Er ist für uns auferstanden am dritten Tage. Bedenke, o Seele, wie er nichts mehr sucht und will, als deine Seligkeit, deine Erlösung von den Banden der Sünde, von den Schrecken des Todes. Bedenke, wie er so oft cm die Thüre deines Herzens angeklopft und Einlaß begehrt hat. Wie gnädig trug er, wie treulich versorgte er dich? Was ist nun wohl natürlicher, als daß du ihn wieder liebest? Geben kannst du dem Herrn nichts: er wird nicht reicher durch deine Opfer, nicht herrlicher durch deinen Dienst, nicht seliger durch dein Lob. Aber lieben kannst du den Herrn, das ist dein einziges, dein bestes Opfer vor ihm; lieben darfst du den Herrn, das ist dein seliges Kindesrecht; lieben mußt du den Herrn, das ist deine heiligste Dankespflicht. Und es ist nicht genug, daß du keine Abneigung wider den Herrn hast, oder an den Tag legest; nicht genug, daß du es anerkennest, womit er dich gesegnet von Kindesbeinen, daß du in guten Stunden ihm dankest und seinen Namen preisest. Die Liebe zum Herrn schließt viel mehr in sich. Sie ist eine Kraft, welche uns dringet, und treibet, ihm das ganze Herz, die ganze Seele und das ganze Gemüth zu übergeben. Nichts auf der Welt, kein Wunsch und kein Genuß, kein Gut und kein Mensch darf sich theilen in den Besitz unseres Herzens.

Gleichwie Noahs erste Taube auf den Wassern nicht fand, da ihr Fuß ruhen konnte: also kann auch unser Herz in der ganzen Zahl der Dinge, die unter der Sonne sind, nichts finden, was seine Sehnsucht stillt, weil sie alle so vergänglich und zerbrechlich sind. Haben wir dem Herrn das Herz gegeben, dann wird uns alles Irdische klein und gering vorkommen, daß wir gern Alles zu des Herrn Füßen legen und Alles um seinetwillen meiden und leiden möchten. Dann wird uns das Schwere leicht und das Bittere süß, und werden uns laben mit dem Vorgenuß des Himmels. In solcher Liebe zu Gott fühlen wir uns nie allein, nie vergessen, nie leer. Diese Liebe ist unser Jubel in den sonnigen Tagen des Glücks, unsre Zuflucht in den dunklen Tagen des Leids. „Herr, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele verschmachtet, so bist du doch, Gott, allezeit meines Herzens Trost und mein Theil.“ Amen!

Am 26. Januar.

Heil denen, die in dieser Welt als Fremdlinge und Pilgrime wandeln. Ein Fremder geht den kürzesten Weg. Nach dem Vaterlande verlangt und strebt er; hat er Nahrung und Kleider, so läßt er sich begnügen, und will sich nicht mit andern Dingen beschweren. Noch höher jedoch stehen die, von denen der Apostel sagt: Ihr seid gestorben, und euer Leben ist verborgen mit Christo in Gott! Der Fremdling wird oft durch Allerlei, was er sieht und hört, länger, als er sollte, aufgehalten; der Todte fühlt es nicht einmal, wenn ihm das Begräbniß fehlt. Er vernimmt weder Tadel nach Lob, weder Schmeichelei noch Verleumdung. Ein glücklicher Tod, der den Menschen so unbefleckt erhält, ja ganz entfremdet von der Welt! Wer nicht mehr in sich lebt, in dem muß ja Christus leben. Denn obwohl ein solcher für alles Andere todt ist, nichts davon fühlt, nicht darauf achtet, nicht dafür sorgt; so findet ihn doch das, was Christum angeht, immerdar lebendig und bereit. Aber vielleicht kann ein noch erhabnerer Standpunkt gefunden werden, und bei wem sollen wir ihn anders suchen, als bei ihm, der bis in den dritten Himmel entzückt ward? Höre den Paulus, wie er von einer solchen Höhe herab spricht: Es sei fern von mir, zu rühmen, denn allein von dem Kreuz unsers Herrn Jesu Christi, durch welchen nur die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt. Nicht allein „gestorben,“ sondern „gekreuzigt der Welt,“ sagt er. Ich jener, sie mir. Alles, was die Welt liebet, ist mir ein Kreuz: Fleischesluft, hohe Aemter, Reichthümer, eitles Menschenlob; was aber die Welt für Kreuz hält, dem hange ich an, dem hafte ich an, dem bin ich zugethan- mit ganzer Seele, Ist diese Stufe nicht noch höher, als die erste und zweite?

Am 27. Januar.

„Gott hat seinen Sohn nicht gesandt in die Welt, daß er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn selig werde.“ Joh. 3, 17.

Gott hat von seinem Gnadenthron
Nicht zum Gericht gesandt de n Sohn,
Er gab ihn in die Welt hinein,
Damit wir „sollen selig sein.

Wer an ihn glaubt, erleidet nicht
Des heil'gen Gottes Zorngericht;
Doch wer nicht glaubt an Gottes Sohn,
Ist durch das Wort gerichtet schon.

Und darin stehet das Gericht,
Daß zu uns kommen ist das Licht;
Doch wendet sich von ihm die Welt,
Weil es ihr böses Thun erhellt.

Es haßt des Lichtes heil'ge Gluth
Wer Böses sinnt und Arges thut,
Und sucht der Strafe zu entfliehn,
Sein Werk dem Lichte zu entziehn.

Doch wer die Wahrheit liebt und ehrt,
Freut sich, daß ihm das Licht bescheert;
Er kommt heran und macht ihm Bahn,
Weil all sein Thun in Gott gethan.

Wir bitten, geh' vorüber nicht
An uns, du liebes Himmelslicht,
Wirf deinen gnadenvollen Schein
In unser dunkles Herz hinein.

Durchleucht' uns hell mit deinem Glanz
Und mach' uns dir zu eigen ganz,
Damit wir nicht verloren gehn
Und einst den Himmel offen sehn.

Denn nur von deinem Licht erfüllt,
Du, deines Vaters Ebenbild,
Sind wir den Kindern - Gottes gleich
Und kommen in das Himmelreich.

Am 28. Januar.

Wandelt wie die Kinder des Lichts.
Eph. 5, 9.

Die Sonne ist das Herrlichste in der sichtbaren Schöpfung. Sie weckt den Tag aus dem Schooße der Nacht, verscheucht die Nebel, bringt Licht, Wärme und Leben in die ganze Natur. So auch die Sonne der Offenbarung, die uns in Christo Jesu aufgegangen ist. Auch er ruft uns aus der Nacht des Wahns und des Unglaubens an den lichten Tag der Wahrheit, vertreibet die Nebel des Irrthums und der Sünde und bringt über unser ganzes Leben Trost, Friede und Freude. Und diese Sonne, wie sie aus dem Schooße des Einigen hervorgegangen, ist herrlicher und köstlicher, als die Sonne der Erde, denn sie gehet nicht unter. In ihrem Schein leuchtet uns die Nacht wie der helle Tag. Ihre schöpferischen Strahlen dringen in die Tiefe des Herzens, erwecken ein heiliges Leben und stellen es in immer erneuter Herrlichkeit dar. Du sitzest im Schatten des Todes und kommst nicht an das Licht; du wandelst in der dunkeln Nacht des Unglaubens, der Angst und Unruhe, und kommst nie zu dem Lichte und der Freude des Tages. „Ich bin das Licht der Welt,“ das ist des Herrn liebliche Rede, „wer mir nachfolget, der wird nicht wandeln in Finsterniß, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Joh. 8, 12. Er ist die Quelle alles Lebens, aller Hoffnung und aller Seligkeit. Mit ihm kommt der Vater in unser Herz; in seinem Lichte sehen wir das Licht. So erfülle mich denn mit deinem Lichte, mein Herr und Heiland, erquicke mich mit deinem Troste und scheine mir Frieden und Freude ins Herz. Ich will in deinem Lichte wandeln, um einst zum Schauen deiner Herrlichkeit zu kommen. Amen!

Mir nach, spricht Christus, unser Held,
Mir nach, ihr Christen alle!
Verleugnet euch, verlaßt die Welt,
Folgt meinem Ruf und Schalle;
Nehmt euer Kreuz und Ungemach
Auf euch, folgt meinem Wandel nach.

Ich bin das Licht, ich leucht' euch für
Mit heil'gem Tugendleben;
Wer zu mir kommt und folget mir,
Wird nicht im Finstern schweben;
Ich bin der Weg, ich weise wohl,
Wie man wahrhaftig wandeln soll.

Am 29. Januar.

Was der Mensch säet, das wird er erndten.
Gal. 6, 7.

Ohne Aussaat keine Erndte! so gewiß das im Zeitlichen gilt, so gewiß gilt es auch von dem, was unserer Seelen Seligkeit anlanget; ohne Aussaat hier auf Erden keine Erndte für uns dort in der Ewigkeit. Und wie es nicht minder im Irdischen gilt: „Wie die Aussaat, so die Erndte,“ so gilt auch das eben so gewiß von dem Ewigen: „Was der Mensch säet, das wird er erndten.“ Auf ein doppeltes Saat- und auf ein doppeltes Erndtefeld weist uns der Apostel hin. Unter dem Säen versteht er nichts Anderes, als unser Denken und Reden, unser Werk und Thun, unser Dichten und Schaffen hier auf Erden in dieser unsrer Gnadenzeit. Auf das Fleisch also säet der, der mit seinem Sinnen und Denken, mit seinem Sorgen und Trachten auf das Fleisch, das ist auf das Zeitliche und Irdische gerichtet ist, der auf dem Felde sinnlichen Lebens und Treibens seine Lust sucht, der an die Güter und Freuden dieser Welt seine Zeit und seine Kraft verwendet. Auf den Geist aber säet der, dem es, bei aller Treue in dem zeitlichen Berufe und Stande, darein der Herr ihn gewiesen, doch immerdar in seinem Leben das Eine, was allein Noch thut, wahrhaft am Herzen liegt, daß er möge seiner Seelen Seligkeit schaffen, Gott dem Herrn zum Wohlgefallen leben und das Reich Gottes bauen im eigenen Herzen und in Wen, die um und mit ihm leben. Das sind die Seelen, die im Getriebe und Gedränge der weltlichen Amts- und Nahrungssorgen noch einen Sinn haben für das Geistliche, die über den Marthageschäften das Mariatheil nicht vergessen. - Das Fleisch selber trägt das Verderben in sich und ist dem Fluch der Vergänglichkeit unterworfen; wer dem Fleische dient, erndtet hier schon unendlichen Jammer“ des Herzens und geheime Vorwürfe des Gewissens, und dort, am Tage der Rechenschaft, die ewige Pein der Verdammten. Der aber auf den Geist gesäet, dem reifet durch Gottes Gnade eine Freudenerndte ohne Aufhören dort, wo erst das rechte Leben im Geiste beginnt. Ach hilf mir, du treuer Gott und Heiland, in meiner großen Schwachheit, mache mich treu in meinem himmlischen Berufe, daß ich reichlich Frucht bringe, die da bleibet und Werke thue, die mir nachfolgen in das ewige, selige Leben. Ach mache Herz und Sinnen, O Gott! von Allem frei. Und gieb, daß mein Beginnen Aufwärts gerichtet sei. Die Welt kann doch nichts geben, Das wahre Ruhe brächt', Wer dich zur Ruh und Leben Erwählet, der trifft's recht.

Am 30. Januar.

„Der Herr ist Gott, der uns erleuchtet.“ Ps. 118, 27.

Erhebe dich, o meine Seel'! die Finsterniß vergehet;
Der Herr erscheint in Israel, sein Licht am Himmel stehet.
Erhebe dich aus deinem Schlaf,
Daß er was Gutes an dir schaff',
Indem er dich erleuchtet.

Im Licht muß Alles rege sein und sich zur Arbeit wenden;
Im Licht singt früh das Vögelein, im Licht will es vollenden.
So soll der Mensch in Gottes Licht
Aufheben billig sein Gesicht'
Zu dem, der ihn erleuchtet.

Laßt uns an uns're Arbeit gehn, den Herren zu erheben;
Laßt uns, indem wir auferstehn, beweisen, daß wir leben;
Laßt uns in diesem Gnadenschein
Nicht eine Stunde müßig sein;
Gott ist's, der uns erleuchtet.

Ein Tag geht nach dem andern fort, und unser Werk bleibt liegen.
Ach hilf uns, Herr, du treu'ster Hort, daß wir uns nicht betrügen.
Gieb, daß wir greifen an das Werk,
Gieb Gnade, Segen, Kunst und Stärk'
Im Licht, das uns erleuchtet.

Du zeigst, was zu verrichten sei auf unsern Glaubenswegen;
So hilf uns nun und steh' uns bei, verleihe deinen Segen,
Daß das Geschäft von deiner Hand
Vollführet werd' in alle Land,
Wozu du uns erleuchtet.

Ich flehe, Herr, mach' uns bereit zu dem, was dir gefällig.
Daß ich recht brauch' die Gnadenzeit; so flehen auch einhellig
Die Kinder, die im Geist gebor'n,
Und die sich fürchten vor dem Zorn,
Nachdem du sie erleuchtet.

Das Licht des Glaubens sei in mir ein Licht der Kraft und Stärke;
Es sei die Demuth meine Zier, die Lieb' das Werk der Werke.
Die Weisheit fließt in diesem Grund
Und öffnet beides, Herz und Mund,
Dieweil die Seel' erleuchtet.

Herr, bleib bei mir, du ew'ges Licht! daß ich stets gehe richtig;
Erfreu' mich durch dein Angesicht, mach' mich zum Guten tüchtig,
Bis ich erreich' die güldne Stadt,
Die deine Gnad' gegründet hat
Und ewiglich erleuchtet.

Am 31. Januar.

So ihr solches wisset, selig seid ihr, so ihr es thut.
Joh. 13. 17.

Die wahre Gemeinschaft mit Gott quillt aus der Verkündigung der Lehre, lebt im Herzen als selige Erfahrung und offenbart sich in ihren Werken. Wäre die Religion blos Lehre, so bliebe es Menschenwerk, als Gegenstand des Forschens, Prüfens und Erkennens; es dränge nicht in die Tiefe des Herzens und trüge keine Frucht für's Leben. Wäre sie blos Erfahrung, so führte sie zur Schwärmerei, hinein in die Sinnenwelt und wäre ein Kind der Eitelkeit. Wäre sie bloße Werkthätigkeit, so führte sie zum Dünkel, zur Scheinheiligkeit, zum Selbstbetrug. Wollen wir wahrhaftige Bekenner des Herrn Jesu sein, so muß sich alles Drei in uns vereinigt finden, wie bei dem Herrn selbst und keine Trennung das schöne Leben in Christo zerstören.

Man kann Gott nicht erkennen, ohne ihn zu lieben, vor seinen Augen zu wandeln und in der Liebe zu Gott den Nächsten liebend zu umfassen. Man kann an Christum nicht glauben, ohne in Allem gesinnt zu sein, wie Jesus Christus auch war. Man kann des ewigen Lebens nicht gewiß sein, ohne nicht auch mit allem Eifer zu trachten nach dem, was droben ist. Der verborgene Gott ist offenbar worden in der Herrlichkeit Christi und bahnet sich durch des heiligen Geistes Kraft den Eingang in die Herzen der Gläubigen.

Christus gewinnt Gestalt in uns, also daß wir sagen können: „So lebe ich denn nun, doch nicht ich, sondern Christus lebet in mir.“ Christus, der einige Mittler, hat uns als Prophet durch Lehre und Leben, als Hoherpriester durch sein bitteres Leiden und Sterben, als König durch seine glorreiche Auferstehung und Himmelfahrt mit Gott, seinem himmlischen Vater, vereinet. Wer will uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist? Trübsal oder Angst, oder Verfolgung, oder Hunger, oder Blöße, oder Fährlichkeit oder Schwert? In dem Allen überwinden wir weit, um Deß willen, der uns geliebet hat; denn ich bin gewiß, daß weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstenthum oder Gewalt, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes, noch keine andere Creatur mag uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Christo Jesu ist, unserm Herrn. Röm. 8, 35. f. So erhalte mich denn, o Herr, in fester Gemeinschaft mit dir durch deinen lieben Sohn Jesum Christum. Thue das auch heute nach deiner Barmherzigkeit. Amen.

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