Magnus, Albertus - Das Anhangen an Gott - Das 1. Capitel.
Wie man Gott von ganzer Seelen und Gemüth anhangen müsse, um zur Vollkommenheit zu gelangen.
Ich habe mir vorgenommen eine kurze einfältige und deutliche Vorstellung zu machen von der völligen und möglichen Abziehung unsers Herzens von allen Creaturen, (Sachen,), um desto freyer und blosser an Gott zu kleben. Das Ziel der geistlichen Vollkommenheit ist die Liebe Gottes, und zu der liebreichen Anklebung an Gott ist der Mensch bey Verlust der Seeligkeit verbunden; sie wird aber erwiesen in Haltung der Gebote, und Gleichförmigkeit mit dem Willen Gottes, um alles auszuschliessen und abzusagen, was nur dem Wesen und der Natur der Liebe zuwider ist. Da nun die Sünde solche Scheidung zwischen Gott und Menschen machet: So sollen, wie alle Menschen, sonderlich die sich zum geistlichen Leben widmen wollen, an den Rath des Evangelii verbunden seyn, andern zum Beyspiel, desto ernstlicher und eiligter zu solchem Ziel zu gelangen, mit Ausschliessung und Absagung alles dessen, was solcher Liebe Uebung verhindern will. Werden wir uns durch solche wahre Verläugnung aller Creatur zu Gott allein aufschwingen: so können wir ihn alsdann recht im Geist und in der Wahrheit anbeten; wir können zu dem Herrn in das innerste Kämmerlein des Herzens gehen zu solcher Anbetung; aber es muß geschehen mit reinem Herzen und gutem Gewissen, nicht aber mit erdichtetem Glauben. Kurz, der Mensch muß allen andern Sachen ganz sich entziehen, entfremden, vergessen, hingegen seine brünstige Geistes-Begierde mit stillem Mund, aber starker Zuversicht, Gott entdecken, ja die ganze Liebes-Neigung mit allen Kräften auf das aufrichtigste und vollkommenste ausgiessen, versenken, erweitern, entzünden und zerschmelzen.