Christlieb, Theodor - Der Segen des Herrn - IV. „Denn sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass Ich sie Segne!“

Christlieb, Theodor - Der Segen des Herrn - IV. „Denn sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass Ich sie Segne!“

4 Mos. 6, 27.

„Ich spüre, dass mich der Herr segnet!“

So sagte einst Laban zu Jakob, 1 Mos. 30,27, als unter dessen Hand seine Herden sich reichlich mehrten. Kannst du auch so sagen, wenn der heilige Name Gottes in den Worten des Segens dir aufgelegt wird: ich spüre, dass mich der Herr segnet, dass mir die Vergebung der Sünden aufs Neue bestätigt, dass die Gabe des heiligen Geistes in mir vermehrt wird und ich im Gnadenstand befestigt werde? Wie oft hast du so zu dir sagen können am Schluss der vielen Gottesdienste, die du besuchtest? Ach, ich fürchte, du hast selten und vielleicht nie den vollen Segen dieser Worte an dir verspürt, sie sind meist wirkungslos über dir verhallt! - Ist das recht? Wenn Gott verbietet, seinen Namen vergeblich zu führen, so ist es wohl auch nicht recht, diesen heiligen Namen sich vergeblich auflegen zu lassen, die Nennung dieses Namens vergeblich anzuhören. Oder hat es denn etwa von Seiten Gottes gefehlt? O nein; gleichwie in andern christlichen Kirchen zum Schluss des Gottesdienstes totes Wasser vom Priester über die Gemeinde gesprengt wird, so lässt ja Gott unter uns zum gesegneten Schluss der Andacht immer wieder seinen lebendig machenden Namen „wie eine ausgeschüttete Salbe“ auf die Gemeinde sprengen! Warum hast du den süßen, stärkenden, Leib und Seele erfrischenden Duft davon nicht eingeatmet? Gleich einem vollen Schwamm hat der Herr die reiche Fülle seines Namens über dein Haupt halten lassen, und hat stets „ein voll, gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß von Segen in deinen Schoß geben“ wollen (Luk. 6,38), warum hast du nicht mit der Hand des Glaubens diesen Schwamm auf dich ausgedrückt? Aber da steht man hin unter den Worten des Segens und erwartet oft mit Ungeduld den Schluss des Gottesdienstes, der Einem schon etwas zu lange dauerte. Mancher denkt - wie es ja vielfach die leidige, segenraubende Sitte, besonders in Deutschland, mit sich bringt - an die Besuche, die er gleich nachher machen oder empfangen soll, und hört die heiligen Worte des Segens nur noch mit halbem Herzen an, während die Gedanken schon hinaus auf die Straße und nach Hause eilen! Und wenn man je noch ganz bei der Sache ist, so ist sie Einem so altgewohnt, dass man schon hierdurch leicht zur Gleichgültigkeit versucht wird!

Kann das nicht in den meisten Kirchen von einem größeren Teil der Anwesenden geklagt werden? Wie oft ist es auch bei dir so gewesen! Wie oft hast auch du diese köstliche Gabe Gottes verscherzt! Und wenn es doch bloß das Verscherzen einer Gabe wäre! Aber, liebe Seele, es ist eine gar ernste Sache, Gott und seinen Geist zu betrüben! Er hat dich anfassen wollen bei diesen Worten, Ihn hast du gehindert und betrübt. Das war immer auch eine Schuld, also ein unendlicher Schaden für dich.

Und auch das muss gefragt werden: hat nicht der Mangel am rechten Gebrauch dieser Worte schon oft zu einem gräulichen, abergläubischen Missbrauch derselben geführt? Wie den Einen zur nichtssagenden Redensart, so sind sie Andern oft zu einer zauberisch wirkenden Glaubensformel geworden. Ja beides kann sich nacheinander bei denselben Personen finden. Wer am rechten Ort nicht glaubt und annimmt, fällt leicht am unrechten in Aberglauben und sündhaftes Wegnehmenwollen. Das Zuwenigglauben führt bald zum Zuvielglauben. Ich hoffe, nicht ihr, liebe Freunde, aber wie viele Christen sonst haben diese Worte schon zu einem Zaubersegen missbraucht, als wäre eine übernatürliche Kraftwirkung an diese Worte selbst gebunden, gleichviel wie und zu welchem Zweck man sie immer gebrauchte.

Wie klar tritt der Herr selbst solchem Missbrauch entgegen, wenn Er den Segensworten sofort eine Art von Gebrauchsanweisung für Priester und Volk hinzufügt: „Denn sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass Ich sie segne.“ „Sie“, d. h. Aaron und seine Söhne, die Priester. Also will Gott der Welt seinen Segen zufließen lassen durch gewisse von Ihm bestimmte, nicht von uns selbst gewählte Ordnungen, Werkzeuge und Kanäle. Wohl ist im neuen Bund (1 Petr. 2,9) noch mehr als im alten (2 Mos. 19,6) das ganze Volk priesterlich, und mag darum jeder gläubige Christ mit diesen Worten auf sich und die Seinen Segen herabflehen. Aber in öffentlicher Gemeinde sollen nur die ordnungsmäßig berufenen Diener am Wort den Segen austeilen. „Meinen Namen“, den dreimal heiligen, der darum zu keinem andern als zu heiligen Zwecken gebraucht werden darf. - „Auf die Kinder Israel“, also nicht über Sachen, über äußere Gegenstände oder natürliche Verhältnisse soll sein Name ausgesprochen werden, als könnte man ihnen dadurch eine übernatürliche Straft beimischen, Wasser in Weihwasser verwandeln und dergleichen, sondern über Personen, über die Gemeinde Gottes. Und daher auch nicht über alle Personen ohne Unterschied. Die Heiden sollten nicht damit gesegnet werden, auf dass die Perlen nicht unverstanden in den Kot fielen, sondern nur die Kinder Israel. Und nicht in jeglicher innerer Verfassung sollen diese den Segen erlangen und behalten, wie ihre Geschichte klar zeigt, sondern eben als Israel, als gehorsame, bundestreue, den heiligen Gott Israels kennende, Jehova allein vertrauende, von Ihm alles Heil erwartende, gläubige Gemeine. - Endlich sollen hierbei auch nicht Menschen, die den Segen sprechen, und nicht die Worte an sich, geschweige äußere Dinge und Zeremonien, sondern der Herr selbst soll als alleinige Quelle des Segens erkannt, erfahren und gepriesen werden, „Dass Ich sie segne“. Er will unter dem Wort des Priesters segnen; von seinem Wollen und Wirken soll der Segenszufluss abhängig gedacht werden.

Wie deutlich ist hier von vorne herein ausgesprochen, dass diese Segensworte nicht an sich wirken, sondern nur wenn sie in der rechten Weise, zum rechten, gottgewollten Zwecke gebraucht und in der rechten sittlich religiösen Empfänglichkeit und Hingabe an den Herrn gehört und aufgenommen werden! Wie schwer ist darum das Unrecht, sich dieser Formel zu öffentlichem oder privatem Zweck in magisch zauberhafter Weise unabhängig von Gottes Willen und unsrem sittlichen Verhalten bedienen zu wollen! Jedes Wort unseres Textes weist diesen falschen Gebrauch zurück und auf den allein richtigen hin. Und das Letztere ist es, was sich uns zum Schluss als Hauptfrage aufdrängt.

Wir haben die Auflegung des Namens Gottes selbst und ihre Wirkungen zu Ende betrachtet. Aber je reicher und herrlicher sich diese uns zeigten, je verlangender wir dadurch nach ihnen werden mussten, und je öfter wir sie seither verscherzten, um so mehr erhebt sich die Frage: wie werde und bleibe ich denn des vollen Segens dieser Worte teilhaftig? Was ist von unserer Seite nötig, damit der uns so nahe gebrachte Name des Herrn wirklich unser Eigentum werde? Und eben auch darauf deutet unser Text die Antwort wenigstens an. Der Herr legt in ihn neben seinem Befehl an die Priester und der Verheißung, dass Er selbst segnen wolle, auch eine leise Forderung an die Empfänger: „sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass ich sie segne“. Und dies menschliche Erfordernis wollen wir zum Schluss aus diesen Worten uns vorhalten. Wer ein echtes, wahres Glied des Bundesvolkes ist, sich allezeit, besonders aber so oft er Gott naht, an seine ganze Bundespflicht erinnert, und bei diesen Worten eingedenk bleibt, dass der heilige Name des Herrn es ist, der ihm aufgelegt werden soll, wer sein Herz weit auftut, weil Gott selbst ihn hierbei segnen will, kurz wer mit einem Israelssinn, einer Israelsdemut, einem Israelsglauben sich segnen lässt, dem darf keine aller Gaben des Segens verloren gehen! Auch von dem erwählten Volke selbst sind gewiss bloß diejenigen völlig mit der Kraft des Segens angetan worden, die nicht allein leibliche, sondern auch geistliche Nachkommen jenes Israels waren, der einst am Jabok in seiner bußfertigen Demut so meisterlich mit Gott gerungen und triumphierend gerufen hatte: „ich lasse Dich nicht, Du segnest mich denn“ (1 Mos. 32,26)!

Gewiss, an nichts Anderem, als am Israelssinn, hat es auch bei dir gefehlt, wenn du bis heute noch nicht der vollen Kraft des Segens teilhaftig wurdest. Es hat gefehlt schon an der rechten Erkenntnis der Bedeutung dieser Worte, deren Erklärung nicht bloß in den Katechismen, sondern leider auch oft im Religionsunterricht fehlt, obschon sie zum vollen Verständnis unseres Gottesdienstes unentbehrlich ist. Du hast nicht immer daran gedacht, dass du die Worte mitseufzen sollst als ein brünstiges Gebet, dass du darin eine Bekenntnis deiner Sünde, deiner Schwachheit und Hilflosigkeit ablegst und Gott das Versprechen gibst, seine Gaben in Demut anzunehmen und im Glauben zu gebrauchen. Es hat darum auch gefehlt an der rechten Herzensstellung unter der Austeilung des Segens, am rechten Glauben, an bußfertiger Demut und völliger Hingabe an Gott. Das wäre der rechte Israelssinn gewesen, der auch in dir mit siegreicher Hand Gott gefasst und nicht gelassen hätte, Er segnete dich denn. Empfange mit diesem Sinn den Namen Gottes, so rufe ich dir heute getrost zu: „Wisse, dass du, auch du dazu berufen bist, dass du den Segen erbst“ (1. Petr. 3,9), und du sollst von heute an dabei sagen können: „ich spüre, dass mich der Herr segnet“.

Und damit dir das für die Zukunft leichter werde und die teure Gottesgabe des Segens für dich nie mehr verloren gehe, so befehlen wir uns zum Schluss unserer Betrachtungen in das gnädige Andenken Gottes und bitten Ihn, dass Er noch einmal sein Antlitz über uns leuchten lassen und auf uns erheben möge, damit wir mit dem Beistand seines heiligen Geistes erkennen mögen den Israelssinn, der des göttlichen Segens teilhaftig wird, indem er

  1. im Glauben die Worte des Segens mitseufzt und betet;
  2. in Demut dabei seine Sünde und Hilflosigkeit bekennt;
  3. in völliger Herzenshingabe Annahme und treuen Gebrauch der göttlichen Gaben verspricht.

Dir aber, lieber himmlischer Vater, sagen wir vor Allem unsern herzlichen Dank, dass Du uns nun die Segensfülle, die in Deinem heiligen Namen liegt, den Reichtum Deiner Gnade und Liebe aus den Worten des Segens geoffenbart hast, so weit wir ihn mit unsrem schwachen Auge zu erkennen vermögen; unsern Dank auch für die freundliche Geduld und Langmut, womit Du uns begleitet hast, auch wenn wir ungeschickt und unvollkommen lehrten, und unandächtig und unvollkommen hörten! Wir haben in diesen Worten von ferne einen Blick tun dürfen in Dein Vaterherz, und es ist ein Wunder vor unsren Augen, wie groß Deine Liebe zu uns ist. O hilf, dass wir zum Schluss nun auch einen ernsten Blick tun in unser eigen Herz, und bußfertig die Fehler erkennen, die uns so oft Deinen Segen raubten oder doch schmälerten! Brich Du selbst Deinem heiligen Namen Bahn in unsren Herzen, schenke uns den Israelssinn, den Du allein segnen willst und kannst, und mache uns, o Du menschenfreundlicher Herr, den Sieg nicht zu schwer, wenn wir in großer Schwachheit, aber mit den von Dir selbst uns geschenkten Israelswaffen des Glaubens und der Demut Dich umfassen, mit Dir ringen und rufen: wir lassen Dich nicht, Du segnest uns denn! Amen.

1)

Wenn der Herr den Priestern sagen lässt: „sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass ich sie segne“, so ists Ihm heiliger Ernst, sein Volk zu segnen. Daher die enge Verknüpfung dieser Gebrauchsanweisung und Verheißung mit den Segensworten selbst: „denn“ (eigentlich: und) sie sollen usw., d. h.: und diese Worte sollen für Priester und Volk so wenig eine leere Formel sein, dass vielmehr unter denselben mein heiliger Name mit all seiner Heilskraft sich auf die Kinder Israel legen soll, und Ich selbst dabei mit meinem Segen über sie und in sie kommen will!

Wer des Segens teilhaftig werden will, muss vor Allem dieser feierlichen Zusage Gottes glauben. Und in diesem getrosten Glauben, dass Er jetzt segnen will und kann, sollst auch du die Worte des Segens mitseufzen und beten. Freilich, gleichwie jener nächtliche Kampf Jakobs mit dem Engel des Herrn, seine Umwandlung aus einem Jakob in einen Israel, aus einem „Überlister“ in einen „Gotteskämpfer“, auf geheimnisvolle Weise von der heiligen Schrift berichtet wird, so ist es heute noch ein Geheimnis, ein nur durch die Erfahrung zu begreifendes Wunder der göttlichen Gnade, wenn eine Israelsseele siegreich ihrem Gott den Segen abringt, ein Wunder, wenn das kleine Menschenherz den großen, unendlichen Namen des dreieinigen Gottes, der in den Segensworten seine Schleusen öffnet, ergreift und sich aneignet. Der Mensch weiß nicht, wie ihm dabei geschieht; er spürt nur an der Wonne, an dem seligen Frieden seines Herzens, dass ihm der Sieg gelungen ist und der Herr in ihm Wohnung gemacht hat. Wer wollte sich darum unterfangen, das zu erklären, was nur in der unergründlichen Liebe Gottes seine Erklärung findet? Aber wir können wenigstens die Stücke angeben, die der Herr hier und überall in seinem Wort von einer Seele verlangt, welche seiner köstlichen Gaben, seiner Gnade und seines Friedens teilhaftig werden will, die Stücke, die einst auch Jakob ins Feld stellen musste, ehe er den Sieg erlangte. Und was ist das Erste hiervon?

Der Herr segne dich und behüte dich! und alle Worte des Segens sind im Munde des Menschen zunächst ein Gebet, ein Wunsch, womit auf Befehl des Herrn der göttliche Segen herabgefleht wird auf die Gemeinde. Willst du der Kraft dieses Gebets teilhaftig werden, so musst du vor Allem es gläubig mitseufzen und mitbeten. Dies ist das erste Stück.

Wenn Israel im Vorhof der Stiftshütte und nachher des Tempels versammelt stand, um den Segen zu empfangen, so war allen tieferen religiösen Gemütern doch gewiss so viel klar, dass es gelte, das Herz andächtig zu dem Bundesgott zu erheben und Ihn um Segen zu bitten. Wie viel deutlicher und ernster muss dies denen sein, die nicht mehr im Vorhof, sondern im Heiligtum selbst und darum Gott um so viel näher stehen, wenn sie gesegnet werden, und denen gesagt ist: bittet, so wird euch gegeben! Gebet und Flehen muss den Segen herabziehen. Seufzer sind wohl auch das Erste gewesen, womit dort Jakob den heißen Kampf begann. „Errette mich von der Hand Esau, denn ich fürchte mich vor ihm.“ So mochte er aus der Tiefe seiner Seele flehen und weinen, wie uns Hosea 12,5 berichtet: „er kämpfte mit dem Engel und siegte, denn er weinte und bat ihn“. Das war der rechte Anfang seines Ringens mit Gott; das führte zum Siege. Willst du wie Israel Gott den Segen abringen, lerne erst wie Israel darum seufzen und bitten!

Hat es nicht vielleicht schon daran bei dir gefehlt? Du hast dich so oft segnen lassen; aber hast du denn auch allemal ein rechtes Verlangen nach Segen gehabt? Gott entweiht seine heiligen Gaben nicht, dass Er sie dem nachwürfe, der sie gar nicht begehrt. Er will freilich sättigen, aber nur die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit (Matth. 5,6); „die Hungrigen füllet Er mit Gütern, die Reichen aber, die sich reich dünken und nichts von Ihm begehren, lässt Er leer“ (Luk. 1,53). Glaube doch Niemand, er werde des Segens teilhaftig, wenn er nicht einmal ein herzliches Verlangen darnach hat und ernstlich darum bittet! Pflegst du auch Einem von selbst oder gar mit Gewalt ein Almosen in die Hand zu drücken, wenn er dich gar nicht darum anspricht? Würdest du dich nicht dem aussetzen, dass er es wegwirft? So wird sich Gott wohl auch hüten, dir mit Gaben lästig zu fallen, deren du gar nicht begehrst, oder um die du nur äußerlich mit dem Munde in mechanischer Gewohnheit, nicht aber aus Herzensgrund in wahrer Sehnsucht bittest. Daran sieht Er ja klar und deutlich, dass du seine Gaben gering achtest, und müsste fürchten, dass du sie wegwürfest oder doch unbenützt liegen ließest, wenn Er sie dir dennoch gäbe. Nein, ohne Seufzen keine Antwort, ohne Bitten, Suchen, Anklopfen keine Gabe!

Aber sollte es dir denn so schwer fallen, ein herzliches Verlangen nach diesen Gaben zu haben? Ach, wie es dem Herrn Jesus oft geht bei seinem Abendmahl, dass Er ein weit größeres Verlangen trägt, sich mit uns darin zu vereinen, als wir uns sehnen, mit Ihm wieder fester verbunden zu werden, dass zwar Er allezeit sagen kann: „mich hat herzlich verlanget, dies Osterlamm mit euch zu essen“ (Luk. 22,15), aber wir nicht ebenso unsererseits, so geht es Gott nur zu oft mit seinem Segen. Ihn verlangt es, seine Kinder zu segnen; Er muss seinem überwallenden Vaterherzen ein Genüge tun, und gibt darum seinen Dienern als Befehl auf: „sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass Ich sie segne“, damit von seiner Seite Alles geschehe, was seinen Kindern zu Glück und Heil verhelfen könnte, - aber wir? O wie stehen unsre trägen, kalten Herzen beschämt da vor der warmen Liebe Gottes zu uns! Sollte nicht schon dieser Gedanke ein Verlangen in dir erwecken? nicht einmal jetzt, da du die Größe und Wichtigkeit dieser Segensgaben zu erkennen angefangen hast?

Es hat ein armes Kind nackt und barfuß durch ein weites, unbekanntes Land zu ziehen. Sein Weg ist voll Dornen und Steine, und wimmelt von giftigen Tieren und Feinden aller Art. Es hat schon eine Strecke zurückgelegt und will eben wieder schwach und elend, aus vielen Wunden blutend, den müden Fuß weiter setzen. Sein Vater ist ihm in einiger Entfernung gefolgt und hat sein Elend gesehen. Das Herz bricht ihm vor Mitleid, er holt es ein und ruft ihm zu: „Liebes Kind, da sind Kleider für deine Blöße und Schuhe für deine Füße, dass du dich nicht mehr verletzt! o, armes Kind, du bist ja schon krank, da ist auch ein heilsamer Trank für deinen Schaden und Öl für deine Wunden! ich rate dir, ich bitte dich, dass du das mitnehmest auf deinen Weg!“

Was würdest du von einem solchen Kind denken, wenn es dem Vater den Rücken kehrte und sagte: ich brauche das nicht? - Und was muss dein himmlischer Vater von dir denken, wenn du seine Gaben nicht von Herzen begehrst? - Siehe doch zu, aus wie vielen Wunden du schon blutest, wenn du eine große Strecke Weges zurücklegtest, ohne den vollen Segen und Schutz deines Vaters mitgenommen zu haben! Und hätte Er es auch nie vorher getan, so würde dein Vater doch jetzt, da du nun die Größe seines Segens ahnen lerntest, dir ein Halt! zurufen. In dieser Stunde des heutigen Tages hat Er dich wieder eingeholt auf deinem Weg, jetzt eben tritt Er von Mitleid bewegt vor dich hin, um dir zu sagen: „Armes Kind, was sehe ich denn deine Füße so wund, deinen Gang so zitternd? Habe Ich dir nicht die Behütung durch meinen Namen als schützende Decke mitgeben wollen? Warum hast du sie denn nicht angenommen? Was sehe ich denn dein Antlitz so entstellt, dein Herz so krank und matt? Habe ich dich nicht in deinem Todesverderben als Quelle des Lebens segnen, dir als Leuchte in deiner Finsternis aufgehen, dich mit Gnade krönen und in ihr einen heilenden Balsam dir mitgeben wollen? Was höre Ich denn fortwährend Seufzer und Klagen aus deinem Mund? Was sehe Ich deinen ganzen Weg genetzt mit tausend Tränen, den bitteren Früchten deiner Sorge, deines Leids, deiner Unruhe und Furcht? Habe ich dir nicht meinen Frieden mitgeben wollen, als überschwänglichen Trost auf deiner Wallfahrt? Warum hast du es nicht angenommen? nimm es doch jetzt an! Ich biete dir alle diese Gaben heute von Neuem an, nimm sie mit für den Rest deines Weges, du weißt nicht, wie bald er endet!“

Liebe Seele, willst du noch länger den Reichtum göttlicher Güte und Geduld verachten? Hat dich nicht einmal dein Schaden klug machen können? lerne doch in herzlichem Verlangen die Hand ausstrecken nach den so freundlich dargebotenen Gaben! Sie sind das, was du brauchst für Zeit und Ewigkeit; du kannst um nichts Größeres bitten! Du solltest unablässig darum seufzen, solltest die Worte des Segens, so oft du sie hörst, so brünstig mitseufzen und mitbeten, als hätte der, der den Segen spricht, dir deine tiefsten Bedürfnisse vom Herzen weggelesen, dir deine größten Bitten vom Mund weggenommen! Und das hat er ja in der Tat, nämlich nicht der Mensch, der spricht, wohl aber der, der dort jenen Wüstenpilgern und heute noch allem durchs Tränental pilgernden Bundesvolk seinen Namen auflegen lässt, damit Er selbst es segne, der Herzenskündiger, der auch dir sagen lässt: der Herr segne dich, um dich zu versichern, dass Er dich besonders dabei ansehe und deiner besonderen Bedürfnisse gedenke! Sieh doch, wie freundlich will Er dir damit das herzliche Verlangen, das zutrauen, den Glauben an Ihn erleichtern, und dich einladen, für alle deine Bedürfnisse Befriedigung zu holen! Ach so tue es denn und seufze darum! Wie das Himmelreich nur die an sich reißen, die Gewalt tun (Matth. 11,12), so gleitet der aufgelegte Name Gottes an tausend harten, gleichgültigen Herzen ab, aber ein sehnsüchtiges, weiches, offenes Herz, das ihn mit brünstigem Flehen herbeizieht, das reißt ihn zu sich, auf dem muss er ruhen bleiben.

O es ist wunderbar, welch eine Anziehungskraft ein weiches, gebrochenes, seufzendes Herz auf Gott ausübt, dass Er ihm nahe sein muss (Ps. 34,19). Was die Welt abstößt, Seufzer und Tränen, das zieht Gott an. Der unmittelbare, nicht lang in bewusste Begriffe umgesetzte, nicht erst durch die Wortform abgekühlte und mehr als Worte ausdrückende Erguss einer Seele, die heiße Sprache des Herzens in Seufzern, in der der heilige Geist in uns redet, um uns zu vertreten (Röm. 8,26), der Notruf einer bekümmerten Seele, wofür die Welt kein Ohr hat, übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf Gott aus, wie das Wimmern eines Säuglings auf die Mutter. Da muss Er eiligst kommen und ihr beispringen; Er sieht einen Edelstein im Herzen funkeln, dem Er ans Licht zu helfen, den Er zu reinigen hat; ja da findet Er das Herz wahrhaft schön, liebenswürdig im heiligsten Sinne des Worts, da muss Er kommen und sich freuen über den Sieg, der dem Herzen gelungen ist, muss ihm seine Liebe entgegen bringen und antworten, noch ehe es ruft, ehe seine Seufzer in Worte übergegangen sind.

Seufze denn um alle Gaben des Segens, das ist der kräftigste Anfang der Aneignung desselben; aber seufze und bitte im Glauben! - Wie ist Israel einst durch den bloßen dreimaligen Namen „Jehova“ in diesem Segen an seine großen Bundesvorrechte gemahnt und zum Glauben an den ewig Treuen und die Erfüllung seiner Segensverheißung ermuntert worden! Wie vertrauensvoll alles Gute für Leib und Seele erwartend konnte es zu dem aufblicken, der es zu seinem Volk erwählt, mit ihm einen feierlichen Bund geschlossen und von seiner Macht zu helfen schon so viele gewaltige Proben gegeben hatte! Solchem Gott gegenüber war das gläubige Bitten um Segen nicht allzu schwer.

Aber wie viel leichter sollte dies uns heute werden, liebe Freunde! Wir sehen schon an Israel, wie der Herr sein Wort allezeit wahr machte und auch sein Segenswort pünktlich erfüllte, soweit der Menschen Undank und Untreue es Ihm irgend zuließ, ja wie auch durch die menschliche Untreue hindurch die Kraft seiner Treue, über alle menschliche Sünde die Macht seiner Gnade und Weisheit siegte. Wie hat Er Israel gesegnet, leiblich und geistlich, und so treu behütet, dass auch in den trübsten Zeiten der Same des echten Bundesvolkes nicht ganz aussterben durfte bis auf die Zeit der Erfüllung! Wie hat Er Israel allemal sein Antlitz wieder leuchten lassen und sich gnädig zu ihm geneigt, so oft es auch in großer und grober Schuld, nach langer Untreue sich bußfertig Ihm nahte und sein Antlitz wieder suchte, bis ihm im eingebornen Sohne die Herrlichkeit des Vaters voll Gnade und Wahrheit ins Auge leuchtete! Wie hat Er sein Angesicht auf fromme Israeliten erhoben und in ihre Herzen hineingetragen, sie zu reinigen, zu erneuern und mit seinem Frieden und Trost zu erfüllen, dass ihr Mund oft überfloss von der seligen Gewissheit ihrer Gemeinschaft mit Gott, bis Er im Tröster bleibend in den Seinen Wohnung machte und sein Gesetz in ihre Herzen schrieb (Jer. 31,33). - Wie treu hat Er in allem dem den schon Abraham verheißenen Segen erfüllt, also dass auch unter den schwersten Züchtigungen das letzte Band des einmal mit diesem Volk geschlossenen Bundes nicht zerreißen durfte! Ja wie treu lässt Er jenes allererste Segenswort über die Menschen, dass sie die Erde füllen und sich untertan machen sollen, bis auf diese Stunde fortwirken in der steten Vermehrung des Menschengeschlechts und der fortschreitenden Beherrschung der Naturkräfte durch den Menschengeist! O, wem sollte es schwer fallen, von diesem allezeit treuen Gott im Glauben Segen zu erflehen?

Und dein eigenes Leben, liebe Seele, ist es denn nicht ein steter Zeuge seiner Treue, seiner Hilfe, seiner Geduld und darum voll von Glaubensermunterungen? Ist nicht der Herr, dessen Name dir im Segen aufgelegt wird, derselbe, der dir schon in der Taufe versprach, dein gnädiger Gott und Vater zu sein, und hat Er diesen Bund in Christo trotz aller deiner Untreue nicht in zahllosen Beweisen leiblicher und geistlicher Fürsorge für dich bis heute betätigt? Ist's nicht auch aus deiner Erfahrung herausgesungen:

Ach ja, wenn ich überlege,
Mit was Lieb und Gütigkeit
Du durch so viel Wunderwege
Mich geführt die Lebenszeit,
So weiß ich kein Ziel zu finden,
Noch die Tiefen zu ergründen.
Tausend, tausendmal sei Dir,
Großer König Dank dafür!

Hat Er nicht durch alles, was Er sandte, auch durch Leiden und Heimsuchungen, dich segnen wollen? Und lässt Er jetzt nicht seine Segensworte selbst dir nur dazu näher erklären, damit du um so reicheren Segen daraus ziehen lerntest? Und da sollte es schwer sein im Glauben um Segen zu bitten? - , Alles, was ihr bittet im Gebet, so ihr glaubet, so werdet ihr's empfahen“ (Matth. 21,22). Du weißt, dass bei allen Bitten dem Glauben allein Erhörung zu Teil wird; wie viel mehr wird dies gelten von der größten Bitte, von der Bitte um Auflegung des göttlichen Namens! Auch dort beim Gebet Jakobs hat der Glaube neben dem herzlichen Verlangen nicht fehlen dürfen. Es war ein Trieb des Glaubens und Vertrauens, Gott bei seiner Verheißung zu fassen, wie Jakob es tat in den Worten: „Du hast gesagt: Ich will dir wohl tun und deinen Samen machen wie den Sand am Meer“ (1 Mos. 32,12); da ist Dein Wort, darauf verlasse ich mich!

So mache es auch; wirf dich im Glauben, voll kindlichen Zutrauens vor, ja in den Schoß des Vaters und sprich: Abba, es ist mir wohl ganz unfasslich, dass Du, der Heilige, Wohnung bei mir machen willst, und ich weiß noch gar nicht, wie ich Dich beherbergen soll! Es wäre mir wohl nie in den Sinn gekommen, ich wäre nie so dreist gewesen, um die Auflegung Deines allerheiligsten Namens, um Dich selbst zu bitten, aber, lieber Vater, Du selbst hast gesagt: „sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass Ich sie segne;“ Du selbst willst segnen; hier ist Dein Wort, nicht nur Deine Verheißung, sondern Dein Befehl, uns Deinen Namen aufzulegen, auch mich hast Du hierzu vor Dich gerufen, siehe, hie bin ich; „Herr, ich warte auf Dein Heil“ (1 Mos. 49,18), „mir geschehe, wie Du gesagt hast“ (Luk. 1,38)! In diesem Glauben, diesem festen Vertrauen auf die Zusage Gottes bitte und sprich zur Bekräftigung und Zuneigung das Amen!1), so stoßest du den Riegel auf, der die Schleusen des Segensstroms über dir verhielt.

Und zu diesem gläubigen Verlangen, das die Grundlage der Aneignung des Segens bildet, kann wohl dein Herz leichter gebracht werden, wenn du dir vergegenwärtigst, wie die Worte des Segens, indem du sie mitseufzest und betest, in deinem Munde auch

2)

ein Bekenntnis deiner Sünde und deines Elends vor Gott sind. Zu dem Israelssinn, den der Herr segnen will, gehört auch das demütige Bekenntnis der eigenen Sünde und Hilflosigkeit.

Schon der eine Name „Jehova“ erinnerte Israel wie an seine großen Bundesvorrechte so an seine heiligen Bundesverpflichtungen. Er war eine laute Frage nach der gelobten Bundestreue, also auch eine Aufforderung an das Volk zur Erkenntnis und zum Bekenntnis der eigenen mannigfachen Untreue. - Und wenn der Herr in unserm Text Grund, Inhalt und Kraft aller Segensworte dahin zusammenfasst: „denn sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen, dass Ich sie segne“, so erinnert Er noch einmal nachdrücklich daran, dass Er und sein heiliger Name die alleinige Quelle alles Segens und Schutzes, aller Erleuchtung und Gnade, aller Heiligung und Befriedigung sei. Wer sich also von Gott segnen, vollends wie Israel sich tagtäglich den heiligen Namen Gottes auflegen lässt, der bekennt damit einmal die eigene Unzulänglichkeit, sich selbst zu helfen, seine beständige Abhängigkeit von Gottes Schutz und Segen für all sein Tun. Sodann wenn Er so feierlich über sich sagen lässt: der Herr sei dir gnädig, Er gebe dir Frieden, so bekennt er zugleich seine Gnadenbedürftigkeit, seine Sünde, seinen natürlichen Unfrieden. Und weil Gott ihm das alles schenken soll, was sein Name enthält und verheißt, so verzichtet er darauf, es sich selbst zu verschaffen.

In dieser demütigen Erkenntnis sollst auch du dich segnen lassen. Du sollst nicht bloß glauben, dass es Gott heiliger Ernst ist, dich zu segnen, sondern auch dir soll es voller Ernst sein mit Erkenntnis deines Zustands, der solche Segensgaben notwendig macht, mit dem demütigen Bekenntnis deiner eigenen Sünde und Hilflosigkeit. Anders kann dich Gott nicht völlig und bleibend segnen.

Auch bei jenem Gesegneten, nach dem sich die Kinder Israel nannten, hat ein solches Bekenntnis dem Segen vorausgehen müssen. Ich bin zu geringe aller Barmherzigkeit und aller Treue, die du an deinem Knechte getan hast“ (1 Mos. 32,10)! Wie demütig bekennt hier das zerschlagene Herz Jakobs seine Sünde und Unwürdigkeit, ehe denn es gesegnet wird. Ein Leben voll bedenklicher Flecken von Lug und Trug, von Selbstsucht und Selbsthilfe, womit er Gottes gütigen Absichten vorgegriffen und sie in den Schmutz seiner Ränke hineingezogen hatte, lag hinter ihm. Er ist im Begriff, das verheißene Land zu betreten, und fühlt, dass Gottes heiliger Zorn ihm drohend entgegen tritt; „seine Sünden gehen ihm über das Haupt, wie eine schwere Last sind sie ihm zu schwer worden“ (Ps. 38,5): da beugt er sich demütig, bekennt seine Unwürdigkeit, mitten in seinem Reichtum, und seiner Macht seine Hilflosigkeit, seine Angst, sein Elend: „errette mich von der Hand meines Bruders, von der Hand Esau, denn ich fürchte mich vor ihm“ (V. 11); bekennt mit seinem Namen auch die Unart seines Herzens, V. 27: ich heiße Jakob, ich bin ein Fersenhalter und Überlister, und siehe da! in diesem Bekenntnis kämpft er mit den rechten Waffen, da trifft er seinen Gegner ins Herz und zwingt ihn zum Mitleid, er wird begnadigt und gesegnet. So lerne auch das demütige Bekenntnis von Israel, wenn du mit Gott ringst um seinen Segen!

Lass die Worte: der Herr segne dich! in dir begleitet sein von dem stillen Bekenntnis: ich bin zu geringe aller Barmherzigkeit, die Du an Deinem Knechte getan hast! zu gering alles Segens, den Du seither auf mir hast ruhen lassen! aber segne mich auch ferner, denn ich bin und werde nichts ohne Deinen Segen, meine Arbeit ist nichts, meine Sorge ist nichts, mein Glauben ist nichts, mein Beten ist nichts, das Leben, die ganze Erde ist mir nichts, ich bin elend und hilflos im Leben und Sterben ohne Deinen Segen! – Der Herr behüte dich! Sprich diese Worte mit in der Israelsdemut, die bekennt: ich bin zu gering aller Treue, womit Du, Herr, von Kindesbeinen an mich getragen und behütet hast bis auf diese Stunde! Bete sie mit der Israelsfurcht, die, obschon zwei Heere da sind (V. 10), um Schutz und Rettung durch Gottes Hand bittet, und bekenne: ach Herr, ich kann mich selbst nicht behüten, behüte Du mich! ob ich noch so viel habe, so bin ich doch nicht geschützt, wenn Du Deine Hand von mir abziehst! ob ich noch so renne und laufe, so liegt Alles doch nur an Deinem Erbarmen (Röm. 9,16); ob ich mir noch so oft vornehme, über mich zu wachen und mich vor Sünden zu hüten, so strauchle ich doch bei jedem Schritt, wenn nicht Du mich behütest! - „Ich hatte nicht mehr, denn diesen Stab, da ich über diesen Jordan ging, und nun bin ich zwei Heere worden!“ Willst du nicht zugleich zum Lobe Gottes auch ein Bekenntnis von dem ablegen, was Er bisher an dir tat, wenn seine Vaterhand sich aufs Neue über dir zum Segen auftun soll? Wie würde es Ihn freuen, wenn du da Alles, was du bist und hast, als von Ihm empfangen Ihm demütig zu Füßen legtest, um es aus seiner Hand aufs Neue zu empfangen! Er will gepriesen sein für das, was Er an jeder Seele tut. Nun so trage auch du dein Scherflein zum Lobe Gottes bei und bekenne: ich war nichts als ein nacktes Würmlein, da ich ins Leben trat, vom Tod umfangen, und nun bin ich Dein Kind, das keinen Mangel haben darf an irgend einem Gut (Ps. 34,11), und Erbe des Landes der Verheißung! „Wie soll ich dem Herrn vergelten alle seine Wohltat, die Er an mir tut?“ (Ps. 116,12.)

Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig! Bei diesem Stück des göttlichen Namens kannst du vollends einem demütigen Bekenntnis nicht mehr ausweichen. Du bittest um Erleuchtung und bekennst damit: ich ging in der Irre wie ein Schaf, sah nur auf meinen Weg (Jes. 53,6) und kann den Weg des Friedens nicht selbst finden; o „sende Du Dein Licht und Deine Wahrheit, dass sie mich leiten“ (Ps. 43,3)! Du bittest um Gnade und bekennst damit Alles, was der Gnade bedürftig, um dich nicht ins ewige Verderben zu ziehen. Und hier ist der Punkt, liebe Seele, an dem es sich entscheidet, ob du wahrhaft gesegnet wirst oder nicht. Herr, sei mir gnädig! das kann doch nur eine Seele seufzen, die ihre Sündenlast fühlt und sie Gott aufdeckt. Sprichst du das mit ohne bußfertige Selbstprüfung, so kalt und gleichgültig, wie du wohl oft die fünfte Bitte des Vaterunsers betetest, so stehst du vor Gott als ein Heuchler, dessen Lippen anders reden, als das Herz es meint; und daran sieht Er, dass es dir auch um die andern Gaben seines Segens nicht sehr zu tun ist. Nicht also! Lass bei diesen Worten vor dir auftauchen die Sünden deiner Jugend und deines Alters!

Der Name Gottes, der dir aufgelegt wird, erinnert dich auch an deinen Namen, und dieser - wie einst der Jakobs - an viele Schuld. Du hast ihn in der Taufe empfangen. Wie bist du mit der Taufgnade umgegangen? wie hast du deinen Taufbund bewahrt? O lass vor deinem Blick vorüberziehen Alles, was der Gnade des Herrn bedarf, deine Fehler und Unarten, deine Versuchungen und Schwachheiten, deine Sünden und Versäumnisse, ja auch dein Kreuz und Leiden, deine Strafen und Züchtigungen, und einst deine Todesnot! Lass dein Herz tiefer und tiefer sich beugen unter der wachsenden Last der auftauchenden Schulden, bis deine Augen den Boden suchen und du wie jener Zöllner an deine Brust schlägst: Gott sei mir Sünder gnädig! Ich bin zu gering meine Augen zu Dir zu erheben, Dir ins Antlitz zu schauen, der Unreine dem Heiligen, schaue Du mich an, siehe mein Elend erbarmend an und lass Dein Angesicht über mir leuchten, ich begehre von Herzen Gnade in Christo Jesu! - Wohl dem Israelssinn, der so zerschlagen seine Schuld bekennt! Wahrlich, ich sage euch, er geht hinab gerechtfertigt in sein Haus (Luk. 18, 14)! Die sanfte Hand, die unter diesen Segensworten über die bußfertigen Herzen der Kinder Gottes gleitet und sie aller Last entbindet, sie geht an einer solchen Seele nicht vorüber!

Der Herr hebe sein Angesicht auf dich und gebe dir Frieden! Du weißt doch noch, dass der Herr bei diesen Worten in dich eindringen und dich erfüllen will mit seinem Geiste? O so bekenne dem Allwissenden dabei deine Unwürdigkeit: ich bin nicht wert, dass Du unter mein Dach gehest (Matth. 8,8)! Seufze Ihm entgegen: Herr, „was ist der Mensch, dass Du sein gedenkest und des Menschen Kind, dass Du Dich seiner annimmst“ (Ps. 8,5)? Aber komm doch, Du werter Gast, ich bin hilflos ohne Dich! Ich kann mich nicht selbst reinigen und heiligen, schenke Du mir die Kraft dazu! O siehe an alle die Hindernisse, die mir den Eintritt in die volle Gnade so schwer machen; da liegen sie in meinem Herzen, die bösen Feinde, die mir so oft den Segen stehlen, die Zerstreutheit, die Trägheit, die Lauheit, die Halbheit; da ist der Neid und Hader mit den Nächsten, der für Haus und Beruf beständig dem volleren Segensstrom Riegel vorschiebt, weil dieser nur über einträchtige Brüder sich ergießen kann (Ps. 133); da ragt er immer noch hoch, der Berg der Fleisches- und Weltliebe, o mache endlich dem Erlöser eine ebene Bahn in mir! Du musst Alles schenken, Wolken und Vollbringen, Buße und Glauben, Neugeburt und Heiligung, o so mache endlich meinem Elend ein Ende, befestige mein Herz in der Gnade, beuge und strafe, richte auf und tröste, vollbereite und vollende mich, wie ich es nötig habe, und schenke und erhalte mir durch das Alles Deinen Frieden!

Siehe hier den Israelssinn, der in seine seufzende Bitte zugleich ein demütiges Bekenntnis seiner Unwürdigkeit und Hilflosigkeit legt, und dabei festhält an dem Glauben: „uns, Herr, wirst Du Friede schaffen“ (Jes. 26,12)! Wohlan, so trete auch du mit deiner Bitte um den Segen nicht anders vor Gottes Thron, als in der geistlichen Armut, die weiß, dass sie nichts hat und darum Alles braucht, Alles sich schenken lassen muss, so soll hier schon das Himmelreich dein werden im Segen, in der Gnade, im Frieden Gottes!

3)

Aber zu diesem zweiten Stück des Israelssinnes, der des Segens teilhaftig wird, muss endlich noch ein drittes kommen.

Nicht bloß die Quelle und innere Kraft, auch die Wirkung und den Zweck der Segensworte fasst der Herr in dem Befehl zusammen: „sie sollen meinen Namen auf die Kinder Israel legen“, nicht damit er da unbenutzt liegen bleibe, sondern damit sie sich ihn wahrhaft aneigneten. Er soll ihnen aufgelegt werden, damit er bleibend auf ihnen ruhe; und das kann er nur, wenn er von ihnen recht gebraucht wird. Unbenutzte Gnadengaben muss Gott bald wieder zurückziehen. Daher gehört zu dem Israelssinn, der des Segens teilhaftig wird und bleibt, neben dem gläubigen Bitten und demütigen Bekennen noch das, dass man die dargereichten Güter in dankbarer, völliger Herzenshingabe annimmt und sie treulich zu gebrauchen verspricht. Ich sage: die dargereichten. Denn wenn der Herr jenem Befehl hinzufügt: „Dass Ich sie segne“, so will Er selbst, wie wir schon zu Anfang sahen, unter den Worten des Priesters sein Volk segnen. Und dann sind diese nicht bloß ein Gebet, worin der Diener am Wort Segen wünscht, ihn auf die Gemeinde herabfleht, sondern zugleich ein unmittelbares Darreichen und Austeilen des Segensinhalts im Namen Gottes. O dass alle, die den Segen erteilen, dies nie vergäßen! Aber wie eilfertig, wie kalt, wie wenig feierlich werden die Worte oft gesprochen, dass es in der Tat der armen Gemeinde schwer werden muss, sich dabei zu tieferer Andacht zu sammeln und die volle Kraft der Worte sich anzueignen! Wie traurig, wenn das erste Hindernis tieferer Segnung im Priester selbst liegt! Wenn doch der Herr selbst durch unsre Worte sein Volk segnen will, wie sollten wir allezeit in voller Sammlung des Geistes, mit heiligem Ernst die Worte wie Lichtgarben über die Gemeinde sprechen und sprühen! - „Der Priester, der da segnet, pflegten die Juden später zu sagen, ist wie eine Posaune.“ Nicht diese gibt den Schall, sondern der sie bläst. So gibt der Herr selbst den Segen durch den Mund des Priesters. Was Er aber darreicht, das will recht gebraucht sein.

Die feierliche Auflegung des Namens Jehovas war für Israel wie eine stete Bundeserneuerung. Dieser Name erinnerte es an alle seine heiligen Bundesrechte und Verpflichtungen, nicht bloß damit es dabei in Demut seine eigene Untreue erkenne und bekenne, sondern auch damit es fortan neue und bessere Treue aufrichtig gelobe. - So ist auch für dich die Segnung im Gottesdienst eine stete Rückerinnerung an deinen Taufbund, eine stete Erneuerung deines Konfirmationssegens. Da gilt es, nicht bloß demütig der bisherigen Versäumnisse und Untreue zu gedenken, sondern auch in aufrichtiger Herzenshingabe an den Herrn neuen und besseren Gebrauch all des Segens der Bundesgemeinschaft mit Ihm versprechen.

Wenn du einem Kind eine schöne Gabe geben willst, so siehst du es an, und richtest in dem Blick eine leise Bitte und Frage an dasselbe: aber was wirst du denn damit tun? Und wenn das Kind deinen Wunsch versteht und antwortet: ich will es fleißig gebrauchen und sorgsam bewahren, dann gibst du ihm die Gabe gerne. Dein Vater im Himmel macht es nicht anders mit seinen Kindern auf Erden. Bei den Worten des Segens tritt Er gleichsam mit vollen Händen vor dich hin und hält dir seine Gaben dar. Es freut Ihn herzlich, wenn du in rechtem Verlangen die Hände darnach ausstreckst. Aber ehe Er dir die Gaben in den Schoß wirft, sieht Er dich prüfend an und richtet in diesem Blick eine bittende Frage an dich, ob du denn seine Gaben auch fleißig gebrauchen und sorgsam behüten wollest? Auf diese Bitte sollst du antworten mit einem Versprechen. Lass es dich darum nicht befremden, wenn ich sage, dass der Segen auch ein Versprechen von deiner Seite voraussetze. Wie der Herr Jesus auf Erden oft eine seine Bitte in seine Worte legen konnte, z. B. da Er fragen ließ: Wo ist die Herberge, darinnen ich das Osterlamm essen möge (Luk. 22,11)? so verbirgt Gott oft auf seine Weise seine Bitten, aber zartfühlende Kinder können und sollen sie doch merken, und sollen Ihn gar nicht zu Wort kommen lassen, sondern die Bitte gleich erfüllen. Wenn du Gott bittest, bittet Er dich immer auch um etwas, nämlich um mehr Liebe, mehr Treue, mehr Gehorsam; und wenn du so kühn bist, dass du Gott Alles abverlangst, nämlich seinen ganzen heiligen Namen, so bittet Er dich auch um Alles, nämlich um völlige, ungeteilte Hingabe deines Herzens. Die sollst du Ihm erst aufrichtig und für immer versprechen, dann will Er dir Alles geben, auch wenn du ihn nicht bloß um die Hälfte was auch ein Herodes erlaubte (Mark. 6,23), sondern um sein ganzes Reich, ja um Ihn selbst bitten wolltest.

Und was wird denn Gottes Bitte sein bei den Worten des Segens? Er bittet: liebes Kind, wolle doch Segen und Behütung, Gnade und Frieden nirgends suchen als bei Mir, wolle die Kraft meines Namens den Ich jetzt auf dich lege, auch annehmen und bewahren, dich unter sie beugen und dich von ihr völlig durchdringen lassen! Und du, indem du dich segnen lässt, antwortest auf diese Bitte: Ja, Vater, ich will nicht reich, will nicht gesegnet werden, als nur durch Dich; ich will mein Herz behüten mit allem Fleiß (Spr. 4,23), aber die Kraft der Behütung allezeit von Dir erflehen!

Ich will nicht meine eigenen Wege gehen, Du sollst mich führen und leiten, Deiner Stimme will ich folgen! Lass nur Dein Angesicht über mir leuchten, dass ich den Weg des Lebens erkenne; denn ich verspreche Dir: ich will von nun an das Licht mehr lieben als die Finsternis; ich will seinem Strahl folgen, wohin er mich führt, auch wenn es durch Wüsten gehen sollte, will nicht träg liegen bleiben, wenn er mich gehen, nicht ungeduldig fortlaufen, wenn er mich stille harren heißt, will ihn nicht aus den Augen verlieren, damit Er mich dahin bringe, wo ich meiner Sünden los werde! Und sei mir gnädig! O, ich habe die Sünde nun hassen gelernt, und, will sie immer gründlicher hassen! ich habe erfahren, wie viel Tränen und Angst, wie viel Elend Leibes und der Seele sie mich kostet, und will sie darum fliehen als meinen Todfeind, will die Gnade mit allem Fleiß zu bewahren suchen als mein kostbarstes Gut! Erhebe nur hierzu Dein Angesicht auf mich und erfülle mich mit göttlicher Kraft! Komm Du, heiliger Geist, und durchdringe mich, denn ich verspreche: ich will mich Dir nicht länger verschließen, will Dir nicht mehr widerstreben, will Dich nie mehr betrüben, will Dich ungehindert in mir schalten und walten lassen, will mich Dir völlig hingeben, damit Du mich ganz heilst und heiligst, und will mit meinem Pfund wuchern, so viel ich kann! Und gib mir Frieden als Frucht und Unterpfand der Gnade, als das starke Band meiner Gemeinschaft mit Dir, als die Kraft, die mir allein Herz und Sinn in Christo Jesu bewahren, die auch das heute gehörte Wort in mir befestigen und Wurzel schlagen lassen kann! O ich habe Alles für Schaden achten gelernt, auf dass ich Dich und Deinen Frieden gewinne; es soll Alles fern bleiben, was mir ihn wieder rauben könnte, ich will ihn bewahren als die Freude und Krone meines Lebens!

Seht hier, liebe Freunde, wie ihr beim Segen zugleich versprechet, ihn in völliger Herzenshingabe anzunehmen, zu bewahren und zu gebrauchen. Denkt doch daran, was wäre das für ein gräulicher Hohn gegen Gott, Ihn im Segen zu bitten, Er möge sein Angesicht auf euch zu und in euch hinein tragen, und wenn Er dann kommt, Ihn die Türe geschlossen finden zu lassen! Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten! Wer sich segnen lässt, bei dem gilt es: Das Herz auf! der Herr will einziehen! Je weiter du es auftust, je mehr du dich entleerst, desto mehr kann Er dich füllen! Gib Ihm Alles, so bekommst du Alles! Wenn die Obrigkeit ihren Namen auf etwas legt, so soll es nach ihrem Befehl, unter ihrem Siegel geschehen. Nun kommst du beim Segen und bittest Gott, Er möchte seinen heiligen Namen auf dich legen; zu was Anderem verpflichtest du dich, was Anders gelobst du da, als dass du nun diesen Namen tragen, Ihn nie verleugnen, Ihm nie Schande machen, dich ganz in den Gehorsam Christi gefangen geben und das Siegel des göttlichen Geistes, des göttlichen Friedens im Leben bewahren und bewähren wollest bis an dein Ende? Darum, wie dein himmlischer Vater sein Taufversprechen, so erneuerst du im Segen dein großes, heiliges Tauf- und Konfirmationsgelöbnis: „Herr Jesu, Dir leb ich, Dir leid ich, Dir sterb ich, Dein Name ist von nun an der Meine, Deine Gerechtigkeit die Meine, Dein Wille der Meine, Dein Geist der Meine, Dein Reich das Meine, Dein bin ich tot und lebendig, mach mich, o Jesu, ewig selig!“

In diesem Israelssinn, mit diesem Glauben, mit dieser völligen Herzenshingabe an Gott, mit diesem heiligen Versprechen sprich das Amen! so ist Er dein, der Segen des dreieinigen Gottes, so rauscht er, wenn nicht im Sturm, wie der Geist beim ersten Pfingstfest, doch in stillem, sanftem, unhörbarem, aber wohl fühlbarem Säuseln auf dich nieder und in dich hinein, der Name, der große, überschwängliche Name des lebendigen Gottes, und du vernimmst eine Stimme, die dir bezeugt: Dir ist Barmherzigkeit widerfahren, gehe hin im Frieden!

Nun denn, Geliebte, mein Mund hat sich aufgetan, zu euch zu reden über den oft so wenig geschätzten Segen Gottes. Wie wünschte ich, durch das Gesagte euch angeregt zu haben, selbst weiter nachzusinnen und durch eigenes Forschen einzudringen in die unergründliche Tiefe und den unerschöpflichen Reichtum dieser Worte, von denen ich gern bekenne, dass ich noch mein Lebtag daran zu lernen haben werde. Was sie enthalten, ist nichts Geringeres, als das gesamte Heil, die Grundzüge der ganzen Offenbarung und des ganzen Gnadenreichtums Gottes, dessen die Seele vom Anfang bis zum ewigen Schluss ihres Heilslebens bedarf. Darum, wenn die heilige Schrift dir sonst das, was Gott von dir fordert, was dir zur Seligkeit nötig ist, bald auf diese, bald auf jene Weise ans Herz zu legen sucht, so lass mich dir heute das Eine, was Not tut, von der freundlichsten, einladendsten, leichtesten Seite her vor Augen stellen, und deine ganze Aufgabe, alle Gebote und Befehle Gottes und Christi in der Einen Bitte zusammenfassen: nimm den Segen Gottes bußfertig, heilsbegierig, gläubig an, dann hast und bist du Alles, was du haben und sein sollst, um ewig selig zu werden! Es gibt wohl kein Mittel, keine Gelegenheit, worin es dir Gott leichter machte, deine Seele zu retten, als die Austeilung seines Segens. Da will Er dir Alles in den Schoß schütten, was deiner Seele Not tut, wenn du nur dein Herz öffnest, und seine Gaben demütig annimmst und treu bewahrst. Wie Jakob mit verrenkter Hüfte, aber als gesegneter Israel aus dem Kampf hervorging, so sollst du gebrochenen Herzens, der Sünde abgestorben, aber auch als begnadigtes, oder in der Gnade und im Frieden befestigtes Kind Gottes, als neue, vom heiligen Geist zum ewigen Leben versiegelte Kreatur aus der Auflegung des göttlichen Namens hervorgehen. Kann Gott dir das Heil freundlicher nahe bringen?

Aber, liebe Seele, bedenke es wohl, je leichter und gnädiger die Art ist, worin sich das Heil dir anbietet, desto schwerer ist deine Verantwortung, so du es nicht annimmst. Die Worte Gottes sind eine lebendige Kraft, und seine Botschaft wird ein Geruch, sei es zum Leben oder zum Tode (2 Kor. 2,14-16). So auch die Segensworte. Sie treiben den, der sie vernimmt, vorwärts, sei es ins Heil oder endlich in die Verstockung. Wer sein Herz verschließt und vom Segen Gottes nichts annehmen will, der betrübt Gott und seinen Geist. Und wer den heiligen Geist fort und fort betrübt, der ist auf dem Weg, jene Sünde zu tun, die nicht vergeben werden soll! Wo eine Seele, welche die Worte des Segens vernommen hat, verloren geht, da kann der Herr ihr einst sagen: Ich habe die ganze Kraft meines Wesens, Ich habe meinen heiligen Namen auf dich legen, Ich habe dir die Ergreifung des Heils so leicht machen wollen, dass ich es dir als Geschenk anbot, das du nur anzunehmen gehabt hättest, aber du hast nicht gewollt! Und euch, Geliebte, Hörer und Leser, ist der Segen Gottes nicht allein verkündigt, sondern nun auch einigermaßen erklärt, euch ist der Reichtum der Gnade und Herablassung Gottes nun vor Augen gelegt worden. O verleihe der Herr in Gnaden, dass das Wort, das ihr gehört habt, dass auch diese Predigten nicht dereinst wider euch zeugen und euch richten müssen!

O dass der Herr einen Hunger ins Land schicken möchte, wie nach seinem Wort (Amos 8,11), so auch nach seinem Segen! Es ist die herrliche Sitte des Segnens jetzt so kläglich abgekommen; und doch wird der himmlische Vater nicht müde, fort und fort seine Kinder zu segnen! Sollten Väter und Mütter Ihn nicht auch hierin zum Vorbild nehmen? Du bist vielleicht noch nie in deinem Leben von Vater oder Mutter gesegnet worden. Ja vielleicht hast du keinen irdischen Vater mehr, der einst die Hände segnend über dich ausbreiten könnte? Armes Kind, wer soll dann dich segnen? - O blicke auf zum Himmel! Da droben ist Einer bereit, dich allezeit zu segnen und deinen etwa verscherzten irdischen Segen reichlich zu vergüten! Ach, diesem Vater laufen so viele Kinder davon, wenn Er seine Hände aufhebt, sie zu segnen, und verspotten Ihn; bleib du stehen und nimm Alles dankbar an; sein Segen bauet dir nicht nur Häuser (Sir. 3,11), sondern macht dir die Erde zum Paradies und den Himmel zu deinem Erbe! Dein irdischer Vater hat dir den Namen gegeben, dein himmlischer will dir den Geist und die Kraft seines Namens auflegen, damit du, wie du etwa deinen leiblichen Eltern äußerlich ähnlich siehst, so durch dein ganzes Wesen, durch alle deine Worte und Werke verrietest, du seiest ein Kind Gottes, und Jedermann erkennen müsste, dass du Christo ähnlich wirst, dass Christi Geist aus dir spricht. - Kann Er mehr für dich tun? Kann es größere Ehre für dich geben?

So tritt denn, du Israelsseele, der der Segen Gottes als die köstlichste Mitgabe fürs Leben und Sterben lieb und teuer geworden ist, herzu in demütigem Glauben, aber auch in seliger Freude. Wie der Bettler, der in seiner Blöße vor einem Königspalast steht, vor Freude erhebt, wenn der König heraustritt und seinen Purpur um ihn schlägt, so lass es auch dich mit einem Schauer heiliger, dankbarer Freude erfüllen, wenn dir der Name Gottes aufgelegt wird. Der König aller Könige schlägt da seinen Purpur um dich, steckt dir seinen Ring an den Finger, setzt dir seine Krone aufs Haupt, auf dass auch du gehörest zu dem auserwählten Geschlecht, zu dem königlichen Priestertum, zu dem heiligen Volk, dem Volk des Eigentums! (1 Petr. 2,9). Gehe hin mit diesen Reichskleinodien des Himmels, mit Gnade und Frieden, behüte sie wie deinen Augapfel, mache sie je länger, je völliger dir zu eigen, und lass die heilige Majestät des auf dich gelegten Namens immer vollkommener in deinem Herzen und Leben sich abspiegeln, damit auch von dir das Wort des Propheten gelte: „wer sie sehen wird, soll sie kennen, dass sie ein Samen sind, gesegnet vom Herrn!“ (Jes. 61,9.) Amen.

1)
Dasselbe sollte richtiger von der Gemeinde zusammen gesprochen werden (1 Kor. 14,16), wie sie es auch am Schluss der Liturgie singt.
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