Thomas von Kempen - Buch 4 - Kapitel 13
Daß die gläubige Seele mit allem Eifer nach der Vereinigung mit Christus im Sakramente verlangen soll.
Stimme des Jüngers.
1. Wer mag mir geben, o Herr, daß ich dich allein finde, und dir mein ganzes Herz öffne und dich genieße, wie meine Seele verlangt; und daß Niemand mehr auf mich herabsehe, noch irgend eine Kreatur mich störe oder Eindruck auf mich mache, sondern daß du allein mit mir redest und ich mit dir, wie der Liebende mit dem Geliebten zu sprechen, und der Freund mit dem Freunde umzugehen pflegt.
Das bitte ich, das wünsche ich, daß ich ganz mit dir vereiniget werde, und mein Herz von allen erschaffenen Dingen abziehe und durch die heilige Kommunion und die oftmalige Meßfeier am Himmlischen und Ewigen mehr Geschmack finden lerne.
Ach, Herr Gott! wann werde ich ganz mit dir vereinigt und in dich verschlungen sein, und meiner gänzlich vergessen?
Du in mir, und ich in dir: so laß uns beide mit einander Eins sein und bleiben!
2. Du bist in Wahrheit mein Geliebter, auserwählt aus Tausenden, in welchem meiner Seele gefällt zu wohnen alle Tage ihres Lebens.
Du bist in Wahrheit mein Friedensfürst, in dem der höchste Friede und die wahre Ruhe, außer dem Mühe und Schmerz und grenzenloses Elend ist.
Du bist in Wahrheit ein verborgener Gott und dein Rath ist nicht mit den Gottlosen; aber mit den Demüthigen und Einfältigen verkehrst du.
O wie lieblich, Herr, ist dein Geist, der du, um deine Freundlichkeit deinen Kindern zu zeigen, mit dem lieblichsten Brote, das vom Himmel kommt, dieselben zu erquicken dich würdigest.
Wahrlich, kein anderes Volk ist so erhaben, daß es Götter hätte, die sich ihm naheten, wie du, unser Gott, nahe bist allen deinen Gläubigen, denen du, um sie täglich zu trösten und ihr Herz zum Himmel zu erheben, dich selbst zur Speise und zum Genusse mittheilst.
3. Denn welch anderes Volk ist so herrlich, wie das Christenvolk?
Oder welche Kreatur unter dem Himmel ist so geliebt, wie eine andächtige Seele, bei welcher Gott einkehrt, um sie mit seinem herrlichen Fleische zu nähren?
O unaussprechliche Gnade! O bewunderungswürdige Herablassung! O unermeßliche Liebe, dem Menschen so besonders zugewandt!
Aber was soll ich dem Herrn darbringen für diese Gnade, für so ausgezeichnete Liebe?
Es gibt keine andere, ihm wohlgefälligere Gabe, die ich bieten könnte, als daß ich mein Herz meinem Gott gänzlich hingebe und innigst mit ihm verbinde.
Dann wird frohlocken all mein Innerstes, wenn meine Seele vollkommen mit Gott vereinigt sein wird.
Dann wird er zu mir sagen: Wenn du willst mit mir sein, so will ich mit dir sein. Und ich werde ihm antworten: Würdige dich, Herr, bei mir zu bleiben, ich will gerne bei dir sein!
Das ist mein einziges Verlangen, daß mein Herz mit dir vereinigt sei.