Spurgeon, Charles Haddon - Predigt-Entwürfe - 77. Heilige Erinnerungen.
„Lasst euch Jerusalem im Herzen sein.“ Jer. 51,50.
Den Gefangenen in Babylon wurde es ans Herz gelegt, Jerusalems zu gedenken, weil der Tempel ihres Gottes daselbst war; um sie davon abzuhalten, sich in Babylon festzusehen; damit sie sich nach der heiligen Stadt sehnten und sich bereit hielten, zu derselben zurückzukehren. - Wir haben ebenso gute Gründe, uns des neuen Jerusalems zu erinnern. Wir sind nur zu geneigt, unsres geistlichen Bürgerrechts zu vergessen, und deshalb wollen wir unseren Text nach zwei Seiten hin betrachten.
I. Es gibt ein Jerusalem hier unten, das uns im Herzen sein sollte.
Die Gemeinde des lebendigen Gottes ist unsere heilige Stadt, die Stadt des großen Königs, und wir sollten sie so im Herzen haben:
- Dass wir uns mit ihren Gliedern verbinden; durch öffentliches Bekenntnis des Glaubens an Christum; zu christlicher Liebe und gegenseitiger Hilfe, zur Anbetung, Gemeinschaft rc.
- Dass wir für ihr Wohlergehen beten. Wenn unser Gebetsleben ein gesundes ist, wird die Sache Gottes uns am Herzen liegen. Unser Fenster sollte gleich dem des Daniel nach Jerusalem hin offen stehen.
- Dass wir für ihr Wachstum arbeiten. Wir sollten Jerusalems gedenken bei der Verwendung unsres Geldes, unserer Zeit, unserer Fähigkeiten, bei der Ausübung unsres Einflusses rc.
- Dass wir ihre Vorrechte allem irdischen Gewinn vorziehen. Wir sollten diese Vorrechte in Betracht ziehen bei der Wahl unserer Wohnung, unserer Beschäftigung rc. Bei vielen Bekennern fällt das gar nicht ins Gewicht.
- Dass wir stets in Übereinstimmung mit ihrem heiligen Charakter wandeln. Wir dürfen die Stätte unsres Bürgerrechts nicht entehren. Gottes Volk darf seinen Namen und seine Sache nicht durch ein Leben in der Sünde verunglimpfen.
- Dass wir ihr Zurückgehen und ihre Übertretungen tief beklagen.
Gedenke, wie der Herr über Jerusalem und wie Paulus über die Feinde in der Gemeinde weinte. Lk. 19,41; Phil. 3,18.
O, dass alle Christen ein tieferes Interesse an der Gemeinde Gottes bekundeten!
Es wäre gut, wenn die Sache Gottes mit allen unseren Freuden und Leiden wie ein goldener Faden verwebt wäre. Der ist ein kläglicher Patriot, der seines Vaterlandes vergisst, und der ist kein Christ, der die Gemeinde Gottes nicht auf seinem Herzen trägt.
II. Da ist ein Jerusalem droben, das uns im Herzen sein sollte.
1. Der Gläubige richte sein Gedanken oft dorthin, denn Jesus ist dort, unsere abgeschiedenen Brüder sind dort, unser eigenes Heim ist dort, und dorthin sollten unsere Hoffnungen und Wünsche stets gerichtet sein.
Es sollte in unseren Herzen sein: bei unseren zeitlichen Genüssen, damit wir nicht weltlich werden; in unseren Trübsalen, damit wir nicht verzagt werden; bei unseren Verbindungen, damit wir unsere jetzigen Freundschaften nicht vergöttern; bei unseren Trübsalen, damit wir nicht übermäßig trauern; im Alter, damit wir auf den Heimgang warten; im Sterben, damit herrliche Gesichte unsere letzten Stunden erhellen; zu allen Zeiten, damit unser Wandel im Himmel sei.
2. Der Unbekehrte lasse sich solche Gedanken ins Herz kommen, denn er hat wohl Ursache, sich selbst zu fragen: Wie, wenn ich nie in den Himmel komme? Werde ich meinen gläubigen Verwandten je wieder begegnen? Wohin werde ich dann gehen müssen? Kann ich die Hoffnung hegen, dass mein jetziges Leben mich zum Himmel führen wird? Warum wähle ich nicht den rechten Pfad? Die Ungläubigen werden verloren gehen; warum gehöre ich zu ihnen? Wünsche ich denn, verloren zu gehen? Wie kann ich hoffen, in den Himmel zu kommen, wenn ich nicht einmal darüber und über den Herrn nachdenke, der darin regiert?
Solche Gedanken werden uns ins Herz dringen, wenn wir nur wollen. Soll ich nicht sogleich die Tür des Herzens öffnen und die himmlischen Besucher eingehen lassen und bei mir behalten?
Erinnerer.
Die unsterbliche Liebe der Juden zu ihrem Vaterlande und ihr unauslöschliches Sehnen, dahin zurück zu kehren - beides zeigt sich in rührender Weise an dem Versöhnungsfeste, welches noch bei ihnen gefeiert wird. Der Gottesdienst endet mit dem flehentlichen Rufe: „Möchten wir alle im nächsten Jahre in Jerusalem sein!“ Wir könnten diesen Wunsch zu dem unseren machen, wenn wir gedenken des „Jerusalems, das droben ist.“
-Ich habe mir Mühe gegeben, einige „Aaron und Hur-Vereine“ zu gründen, nämlich kleine Versammlungen von vier bis fünf oder mehreren Personen, welche am Sonntag Morgen vor dem Gottesdienst zusammen kommen, um in einer Gebetsstunde den Segen über Prediger und Versammlungen herabzuflehen. Sie begannen am Neujahrstage, und es schien, als ob wir sofortige Erhörung fanden, denn die Versammlung war ungewöhnlich ernst, und wir haben Grund, zu hoffen, dass das Wort nicht vergeblich verkündigt ist. Dr. Payson.
Die Gemeinde sollte ebenso in unserem Gedächtnis leben, wie unsere Frau oder unsere Mutter. Wenn wir auf die Landkarte irgend eines Landes blicken, sollten wir darüber nachdenken, wie die Sache Gottes auf jenem Gebiet zugenommen hat. Wenn wir ein vorteilhaftes Geschäft abschließen, sollte einer unserer ersten Gedanken sein: „Nun kann ich etwas mehr für das Werk des Herrn tun.“ Wenn die Zeitung gelesen wird, sollte es im Blick auf den Fortschritt des Reiches Gottes geschehen. Diese eine Sache sollte alle anderen Dinge in ihr Netz ziehen. Der Mann von einer Idee sieht das ganze Universum in ihrem Licht, und wer die Gemeinde Gottes liebt von ganzem Herzen, wird dasselbe tun. Wie können wir zu Christo im Himmel sagen: „Herr, gedenke an mich,“ wenn wir nicht seiner Gemeinde auf Erden gedenken. Es mag eine Sünde sein, sich nach dem Tode zu sehnen, aber gewiss ist es keine Sünde, sich nach dem Himmel zu sehnen. Matthew Henry.
Selig sind, die da Heimweh haben, denn sie sollen nach Hause kommen. J. Stilling.
John Eliot war einst bei einem Kaufmann zu Besuch, und als er ihn in seinem Kontor fand, wo er die Geschäftsbücher auf dem Tische liegen und alle seine Andachtsbücher auf dem Regal stehen sah, sagte er zu ihm: „Mein Herr, hier ist die Erde auf dem Tische und der Himmel auf dem Regal. Bitte, gedenken Sie nicht des Tisches so sehr, dass Sie darüber das Regal vergessen.“
„Hier sitze ich den ganzen Tag und habe das Bild der Kirche und die Bibelstelle: Warum wolltest Du die Menschen umsonst erschaffen haben? beständig vor mir. Welche schreckliche Form von Gottes Zorn gibt mir das abscheuliche Reich des römischen Antichristen! Ich verabscheue meine Herzenshärtigkeit, weil ich nicht in Tränen aufgelöst bin und Ströme von Tränen über die Erschlagenen in meinem Volk vergieße. Aber ist denn keiner da, der sich aufmacht und Gott umklammert und sich an diesem Tage seines Zornes zur Mauer für das Haus Israels macht? Gott sei uns gnädig! Du aber sei inzwischen fleißig als Diener des Wortes und befestige die Mauern und Türme Jerusalems, bis sie auch Dich ergreifen werden.“ Luther an Melanchthon, von der Wartburg aus.