Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Der Brief des Jakobus.

Schlatter, Adolf - Einleitung in die Bibel - Der Brief des Jakobus.

In der jüdischen Christenheit war neben Petrus und Johannes Jakobus, Jesu Bruder, der leitende Mann. Er hatte in den Ostertagen eine besondere Erscheinung des Auferstandenen empfangen, nachdem er sich mit den andern Brüdern vor dem Ende Jesu an seinem Gang geärgert hatte. Er nahm in der Gemeinde auch neben Petrus eine besondere Stellung ein und war der Führer derjenigen, welche die Ordnungen des Gesetzes mit allem Fleiß bewahrten und vor jeder Übertretung derselben erschraken1). Er hat sich an der Missionsarbeit nicht beteiligt, sondern harrte in Jerusalem aus und hat daselbst noch vor Paulus den Märtyrertod erlitten. Nach dem Tode des Statthalters Festus ließ ihn der jüngere Hannas, der Sohn jenes alten Hannas, der am gefangenen Jesus seine Lust gehabt hat, steinigen, ehe der neue Statthalter im Lande war. Sein Andenken wurde von den jüdischen Christen in hohen Ehren gehalten und legendenhaft ausgeschmückt. Er galt ihnen als der große Beter für Israel, Gott geweiht vom Mutterschoße an, von der ganzen Judenschaft als Muster der Gerechtigkeit bewundert und der Zeuge Jesu an dieselbe in seinem Tod.

Die Überschrift und Art des Briefes paßt sehr wohl zu dem, was wir durch Paulus über Jakobus erfahren. Sein Brief wächst nicht aus einem besonderen Anlaß hervor und hat darum auch kein umgrenztes Ziel. Jakobus sendet ihn in die weite Welt hinaus, an Israel in der Zerstreuung, und diese erstreckte sich vom Innern Asiens bis in den Westen Europas. Sein Brief soll sein Werk ausrichten, wo immer es Juden gibt, die ihn, den Knecht Christi, hören mögen. Das weist auf einen Mann, der weithin bekannt und angesehen war, und es für seinen Beruf achten konnte, ganz Israel um sein Wort zu sammeln. Auf die Christenheit aus den Heiden nimmt er keine Rücksicht.

Beides, daß er weder an die Judenschaft in Judäa denkt, noch an die Heidenchristen, ist bei Jakobus leicht verständlich. Die Juden in Judäa kannten ihn; er diente denen unter ihnen, die ihn hören wollten, allezeit mit seinem Wort. Aber die Juden draußen in der Ferne konnte er nur durch einen Brief erreichen. Und wie er in Jerusalem mit ausharrender Treue Israel unterwies, so wandte er sich auch schreibend nur an die Judenschaft. Er blieb auch jetzt in den Grenzen seines Berufs, wie er es einst Paulus erklärt hatte: gehe du zu den Heiden! wir bleiben bei den Beschnittenen. Gal. 2,9.

Während er sich selbst als einen Christen bezeichnet, der seine Unterthänigkeit unter Gott dadurch beweist, daß er Jesu dient, genügt es ihm, die Leser daran zu erinnern, daß sie Israel nach der göttlich geordneten Zwölfzahl seiner Stämme angehören und Glieder des heiligen Volkes sind. Über den Unterschied zwischen Israel und der Christenheit sieht er ganz hinweg. Wir würden das nicht anders erwarten, wenn der Brief einer missionierenden Absicht diente und denen, welche Jesus noch nicht kennen, sein Bild vorhielte, um sie zum Glauben zu bewegen. Aber der Brief arbeitet nicht am Anfang und Aufbau, sondern an der Erhaltung und Reinigung des christlichen Gemeindelebens. Er zeigt nicht, wie man gläubig wird, sondern wie man's in rechter Weise ist, vgl. 2,1. ff. 14 ff. Wir werden in dieser Adresse den starken Glauben eines echten Israeliten zu erkennen haben, welchem die Mitgliedschaft in Israel auch als Berufung zu Christo gilt. Gott hat die zwölf Stämme dazu erwählt und geschaffen, damit sie Christi Reich seien und seine Gemeinde werden. Die zwölf Stämme sind ihm die von Gott präparierte Christenheit. Darum sagt er: wenn ihr Israeliten seid, so hört auf mich, den Knecht Christi; mein Wort gilt euch eben darum, weil ihr zu den zwölf Stämmen gehört. Diese Sinnesweise, welche keinen Riß und Unterschied zwischen der Christenheit und Israel zulassen will, sondern spricht: eben darum, weil ich ein Jude bin, bin ich ein Christ, macht auch nach dem Galaterbrief die besondere Stellung des Jakobus im Apostelkreise aus.

Er stellt sich nicht als Jesu Bruder vor die Leser hin, sondern als Gottes und des Herrn Jesu Christi Knecht. Er prunkt nicht mit seiner Verwandtschaft mit Jesus. Nicht diese soll seinem Brief das offene Ohr verschaffen, sondern dies, daß er als Gottes und Christi Knecht redet. Er trat damit auf den Weg, den Jesus selbst ihm gewiesen hat. Es war der apostolischen Christenheit sehr bestimmt gegenwärtig, daß Jesus seinen Brüdern keinerlei Vorzug im Himmelreich um ihrer Verwandtschaft willen zugestanden hat, Mt. 12,50.

Das Ziel des Briefes ist ein energischer Kampf gegen alle religiöse Unwahrhaftigkeit und bloßen frommen Schein, gegen die falsche Beruhigung im Hören, Glauben, Wissen, Reden, welche das Widerstreben gegen Gott im Kern der Person ungebessert läßt. Er ringt mit dem frommen Übermut, der sich nicht Gott unterwirft und doch jeglichen Anspruch an Gott erhebt. Statt dessen will er zeigen, was einen wahrhaftigen, völligen und ganzen Christenstand ergibt. Überall spricht der in der Seelsorge bewährte Mann, der die Frömmigkeit um ihn her mit scharfem Blick durchschaut und was daran Schein und krumme, unredliche Ausflucht ist, zerstört.

Mit diesem Verlangen, aus dem der ganze Brief entsteht, hängt auch dessen eigentümliche Form zusammen. Hier herrscht wieder wie in den Reden Jesu die Sentenz vor, der kurzgefaßte Spruch, der wie ein Blitz in weite Gebiete des menschlichen Sinnens und Trachtens hineinzündet und dann rasch zu einem andern Gegenstande übergeht, ohne sich in eine zusammenhängende ausführliche Erklärung und Beweisführung auszubreiten. Er will uns nicht in weitverzweigte und hoch emporstrebende Gedanken führen. Nein! zu einem redlichen und ernsten Willen möchte er uns bringen, damit wir thun, was einem Christen ziemt2). Und doch ist der Brief keineswegs nur eine lose aneinandergereihte Spruchsammlung etwa in der Art der Salomonischen Sprüche oder derjenigen des Jesus Sirach, sondern die einzelnen Kernworte wachsen auseinander hervor und greifen ineinander ein und dienen einem einheitlichen Ziel. Darum ist dieser Brief, so einfach er scheint, zum Verständnis keineswegs der leichteste. Jakobus hat uns zugemutet, daß wir mit ernstem Nachdenken selbst wahrnehmen, wie seine Worte innerlich zusammenhängen und in eine helle einige Wahrheit sich zusammenfügen.

Jakobus beginnt mit dem, was aufs tiefste ins Leben der Gemeinden eingegriffen hat, mit der Anfechtung.

Der Sieg in der Anfechtung. 1,2-18.

Werden wir angefochten, so sollen wir uns dessen freuen. Denn das führt in ein ganzes rechtschaffenes Wesen. Die Weisheit, die wir bei solchem Streit von innen und außen freilich bedürfen, ist uns nicht fern. Denn wer bittet, empfängt, wofern nur die Bitte sich nicht selbst in innerer Zerspaltung aufhebt, sondern Glauben in sich hat. Die irdische Erhebung und Erniedrigung, um die wir uns kümmern, ist das volle Gegenteil von dem, was sie scheint: Niedrigkeit ist ein Ruhm und der Glanz des Reichtums nichtig. Über der bestandenen Anfechtung steht dagegen der Kranz des Lebens. Allerdings ist die Anfechtung gefährlich wegen des versuchlichen Reizes und des Antriebs zur Sünde, der in ihr liegt. Das stammt aber lediglich aus unserer eigenen Begier. Gottes Gaben sind gut, und er hat uns das allerhöchste gewährt, die Geburt aus Gott durch das Wort der Wahrheit. Damit sind wir zum Fundament und zur Wurzel der Gemeinde geführt, zum Wort. Aber was machen wir mit dem Wort? Das führt ihn zum Grundschaden Israels in und außer der christlichen Gemeinde.

Das schlechte Hören, Glauben, Reden und Wissen. 1,19-3,18.

Wir sollen das Wort freilich hören, aber nicht bloß Hören. Nur der Thäter des Werks ist der rechte Hörer des Worts und nur das ergibt einen wirklichen Gottesdienst. 1,19-27.

Wie arg und schlimm oft Widersprüche und Unwahrhaftigkeit unsere Frömmigkeit entstellen, wird an einem einzelnen, aber tiefgreifenden Punkt gezeigt:

Trotz ihres Glaubens an die Herrlichkeit Jesu kriechen die Leser doch vor dem goldenen Schmuck und glänzenden Gewand des Reichen und verachten den Armen. So gilt ihnen die Herrlichkeit Jesu in Wahrheit nichts, und wenn sie ihre schmeichelnde Ungerechtigkeit mit dem Gebot der Schrift beschönigen, das ja Liebe für den Nächsten fordert, so sollen sie wissen, daß sie mit ihrer Ungerechtigkeit das ganze Gesetz gebrochen haben, das eine unteilbare Einheit bildet und nicht gleichzeitig an der einen Stelle erfüllt, an der andern gebrochen werden kann. In Gottes Gericht besteht nur die Barmherzigkeit. 2,1-13.

Die Gemeinde rühmt und tröstet sich mit vollem Mund ihres Glaubens, als brächte er ihr die Seligkeit. Das vermag der Glaube für sich allein nimmermehr. Er ist uns gegeben als unsere Kraft zum Wert, das Gott gehorcht und den Brüdern dient, und nur aus unserem Werk empfangen wir mit Abraham Rechtfertigung. 2,14-26.

Das Wort wuchert üppig in der Gemeinde und jedermann will Lehrer sein. Als könnten sie reden! als wüßten sie ihre Zunge zu regieren, aus der doch beständig ein verheerendes Feuer hervorbricht, so daß sich das Wort der Segnung und des Fluches immer wieder mit einander mischen. 3,1-12.

Sie dünken sich weise und rühmen sich ihrer Erkenntnis. Aber nicht alle Weisheit stammt von oben. Die, welche von oben kommt, hat ihr Siegel in ihrer reinen, friedsamen, zum Werk hinleitenden Art. 3,13-18.

Gegen den frommen Übermut. 4,1-5,12.

Vom Zank und Eifer um die Weisheit und Lehre geht er zum bittern Krieg, der in ihren persönlichen Beziehungen sich immer wieder entzündet. Sie sind untereinander in Streit, weil sie mit Gott streiten. Darum ist ihr Gebet vergeblich, weil die sündige Begier dasselbe beseelt. Sie halten Gott keine ganze Treue, sondern wollen die Freundschaft Gottes und die der Welt zugleich genießen. Nur ganze Beugung vor Gott in ernster Buße bringt Erhöhung. 4,1-10.

Er zeichnet den Übermut noch in einigen andern seiner Äußerungen, wie sie einander richten, unbekümmert darum, daß sie dadurch das Gesetz selbst meistern und sich an des Gesetzgebers Stelle setzen, wie sie keck ihre gewinnsüchtigen Pläne auf Jahre hin machen, als wären sie ihres Lebens gewiß, während sie da, wo sie wissen Gutes zu thun, dasselbe träge und schlaff unterlassen. Den übermütigen Reichen, die in der Hoffart des Geldstolzes alles wagen, und an dem Gerechten zum Verfolger werden, droht er mit dem Gericht. Der Bedrängte dagegen warte auf Christus in Geduld. Auch die Mahnung. sich nicht durch Schwören an der Majestät des göttlichen Namens zu vergreifen, zielt auf die Beugung vor Gott. 4,11-5,12.

Das Schlußwort ist wieder aufrichtender Art. Es spricht von der

Kraft des gläubigen Gebets. 5,13-20.

Die rechte Anrufung Gottes ist das Gebet und der Psalm, und im Dienste der fürbittenden Liebe ist dasselbe eine Macht in innerer und äußerer Not, und wer einem Bruder von seiner Verirrung hilft, dem wird Errettung und Vergebung zu teil.

Überall begegnen wir in diesem Brief Anklängen an Jesu eigenes Gebot. Selig seid ihr, wenn ihr verfolgt werdet. Bittet, so wird euch gegeben. Bittet und zweifelt nicht. Der Reiche vergeht wie des Grases Blume. Nicht der Hörer, sondern der Thäter des Worts ist der kluge Mann. Nach den Witwen und Waisen sehen ist Gottesdienst. Das königliche Gebot lautet: liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Nur der Barmherzige wird Barmherzigkeit empfangen. Ein Feigenbaum bringt nicht Oliven. Selig sind die Friedfertigen. Niemand ist Gottes und der Welt Freund zugleich. Wer sich erniedrigt, wird er: höht. Richtet nicht. Der Schatz auf Erden wird von den Motten gefressen. Betet nicht wider einander. Seht auf die Geduld der Propheten. Schwört nicht. Alle diese Sternworte in unserem Brief wiederholen Sprüche aus Jesu eigenem Mund.3) Wir werden es nicht anders erwarten von einem Bruder Jesu, der den Herrn oft selbst hat reden hören, und von einem Leiter der Gemeinde in Jerusalem, für deren Fleiß und Treue in der Bewahrung der Worte Jesu unsere Evangelien die Zeugen sind.

Schon das Zusammentreffen des Briefs mit Jesu Worten muß ihn vor aller Geringschätzung schützen. Soll denn aber, hat man gefragt, eine solche Bußpredigt in die apostolische Gemeinde passen? Wie schwarz malt Jakobus seine Leser! Führt uns das nicht in eine spätere Zeit, wo die Kirche bereits zu bittern Klagen Anlaß gab? Jakobus sieht Leute vor sich, deren Herz dem Gewoge des Meeres gleicht, so daß sie Gott nicht aufrichtig um Weisheit zu bitten vermögen, wenn sie ihnen fehlt, Leute, die eifrig in den Spiegel des Wortes sehen und stets wieder vergessen, was sie sind, Leute, die sagen, daß sie an die Auferstehung Jesu glauben, also die Herrlichkeit kennen, welche Gott gibt, und doch zugleich ganz andre Dinge als Herrlichkeit verehren, Leute, die gern durch Glauben selig werden möchten, weil sie nicht willig sind für Gott etwas zu thun, Leute, deren Zunge immer wieder heillosen Schaden stiftet und deren Weisheit sie nicht vor Ehrgeiz und Eifersucht schützt, die gern alles hätten, Gottes und der Welt Liebe und Genuß zugleich mit einem Wort: halbe Leute, die sich in allem spalten, Hören und Thun, Glauben und Handeln auseinanderreißen, deren Gebet halb ja ist und halb nein, die ihr Gesetz halb erfüllen und halb übertreten, ihr Wort halb zum Fluch und halb zum Segen machen, deren Liebe halb nach oben, halb nach unten geht. Ich frage: wo ist jetzt die Christenheit, die dieser Mahnung nicht bedarf? Wer die Mahnungen des Jakobus ablehnt, als stünde er für sie zu hoch, dem ist rundweg zu sagen, daß er sich selbst in Heuchelei betrügt. Wir müssen alle das starke Verlangen des Jakobus verstehen lernen nach einem ganzen und geeinigten Wesen, welches nicht im bloßen Wünschen und Denken und Reden hängen bleibt, sondern jenen Zwiespalt in uns überwunden hat, der unsre Frömmigkeit vom Handeln und Leben ferne hält. Die Leute, die Jakobus unterweist, kamen aus der Synagoge und haben zuerst den Rabbi und Pharisäer als das Muster der Heiligkeit verehrt. Sie waren somit von Haus aus zu einer Frömmigkeit erzogen und angeleitet, die in überkommenem Brauch, angelerntem Bekenntnis, nachgeahmter Farbe und Form bestand. Sie lebten und atmeten beständig in einer Atmosphäre frommen Übermuts, der sich mit seinem Hören und Wissen, Glauben und Bekennen brüstete und meinte, das Himmelreich könne ihm deswegen unmöglich entgehen. All die Schäden, die der Brief zeichnet, sind Israels Bild, das uns auch Jesus und Paulus nicht anders beschrieben haben.4) Das waren Erbsünden, welche die Gemeinde belasteten von ihrem heimatlichen Boden her. Darin besteht aber die Größe der apostolischen Gemeinde, daß sie dieselben so männlich in's Auge faßte und mit ernstem Bußwort die lügenhaften Einbildungen zerstörte und vor Gott sich demütigte und es begriff, daß unsre Liebe zu Gott notwendig zur Reue wird.

Merkwürdig ist an unserm Brief, wie wenig er von Jesus spricht. Und doch sagt Jakobus genug von ihm, um uns zu zeigen, wie tief und kräftig Jesus sein ganzes Leben erfüllt und regiert.

Er nennt sich Gottes Knecht, darum weil er Jesus dient, 1,1; er sagt uns, wer an Jesus als den Christus der Herrlichkeit rechtschaffen glaube, der sei von der Tyrannei des Reichtums befreit und über die Verachtung des Armen hinaus gehoben, 2,1, und er heißt uns endlich auf Jesus warten in Geduld, weil mit seiner Erscheinung unsre Saat zur Ernte werden wird, 5,7-9. Wenn uns Jesus zum Maßstab wird, an dem wir alles irdische Glück und Gut messen, und zum gewissen Grund der Hoffnung, so daß auf seinen richterlichen Spruch all unser Handeln zielt, so ist das wahrlich kein schattenhafter, leerer Glaube; dann ist unser Sinnen und Trachten von Jesus geleitet und erfüllt. Wenn unser Brief ausschließlich auf die Herrlichkeit und königliche Macht Jesu zeigt, und nicht auf seinen Wandel auf Erden, sein Sterben und Auferstehen, so liegt ihm eben dort in der Zukunft, in der neuen, verklärten Gegenwart Christi, das Gut, welches er begehrt. Jenes Schweigen ist beredt. Er will nicht reden von dem, was dereinst war, noch von dem, was jetzt im Himmel verborgen ist, aber an das, was sein wird, erinnert er uns. Auf's Ziel heißt er uns sehen, und dies dazu, damit wir uns dazu rüsten und bereiten, und dies geschieht dadurch, daß wir uns selbst prüfen, alle Unlauterkeit abthun und uns aufmachen zum redlichen Werk.

In der Lehrformel kreuzen sich Jakobus und Paulus direkt. Paulus sagt: wir werden durch Glauben gerecht. Jakobus sagt: auch die Teufel glauben. Paulus sagt: kein Fleisch wird aus Werken des Gesetzes gerecht gesprochen werden. Jakobus sagt: aus Werken wird ein Mensch gerecht gesprochen werden. Paulus sagt: das Gesetz macht euch zu Knechten der Sünde und des Todes; steht in der Freiheit vom Gesetz. Jakobus sagt: das Gesetz macht euch frei; schaut in dasselbe hinein! Nun weiß aber jeder, der in seinem Herzen erlebt hat, was glauben heißt, daß die Zuversicht, die wir auf Gott stellen, und der Glaube, mit dem wir Jesus ergreifen, daß er allein unsre Gerechtigkeit und unser Leben sei, uns nicht unlustig und träg zum Handeln macht, vielmehr Trieb, Mut und Kraft ist zum Dienste Gottes nach seinem gütigen Willen und heiligen Gesetz, und daß der warme Ernst und Eifer, mit dem wir nach Gottes Gebot handeln, uns nicht unfähig und unwillig zum Glauben macht, vielmehr uns zur Freudigkeit und Fähigkeit wird, Gottes Gnade mit festem Griff zu erfassen und im Namen Jesu seiner ewigen Gabe gewiß zu sein. Jeder Gläubige trägt also beide Wahrheiten in sich, wie sie auch beide bei jedem Apostel stehen. Wenn uns Paulus sagt, daß wir auf den Geist säen müssen, wenn wir von ihm das ewige Leben ernten wollen, daß wir sterben werden, wenn wir des Fleisches Geschäfte nicht töten u. s. w., so ist das die Predigt des Jakobus, und wenn uns Jakobus sagt, daß alle gute Gabe von Gott kommt, daß Gott uns geboren hat und wahrlich nicht wir selbst, daß das Wort uns selig macht, daß wir, ob wir auch in der Welt arm sind, dennoch reich und Erben des Himmelreichs sind durch Glauben, so ist das des Paulus Evangelium. Sehen wir nach oben und fragen: was bist und thust du, o Gott, für uns? Dann kann die Antwort nur lauten: alles! ich kann nur empfangen, danken, dir glauben, und im Glauben ist durch deine Güte alles mein! wie's uns Paulus sagt. Sehn wir auf uns selbst und fragen wir: was will ich thun für Gott? dann kann die Antwort nur lauten: nimmermehr nur glauben! nein! Seele und Leib, Wille und That soll ihm dahingegeben sein! wie es uns Jakobus sagt. Das ist die Doppelbewegung des von Gott gegebenen Geistes, der von der eignen Person weg sieht und in der Gnade Gottes ruht und wiederum in sich selbst einkehrt und hier alle Kräfte für Gott thätig macht. Daß beide Seiten am Christenleben im Kreise der Apostel so scharf erkannt und ausgesprochen worden sind, das ist nicht ein Zeichen seiner Schwäche und Uneinigkeit, vielmehr seiner geistlichen Kraft und Größe und macht nicht eine Unvollkommenheit, sondern die Wahrheit und Heilsamkeit der Bibel aus.

Da der Brief schwerlich lange nach oder vor dem Römerbrief geschrieben ist, also in die Zeit fällt, wo man im Zusammenhang mit der Gründung der Heidenkirche überall von Gesetz, Werk und Glaube vieles disputierte, so ist es möglich, daß Jakobus diese Verhandlungen im Auge hat und vor Mißbrauch der Paulinischen Glaubenspredigt warnen will. Doch führt hierauf kein bestimmtes Anzeichen in den Worten selbst. Und es ist nicht zu übersehen, daß der unwahre, bösartige Glaubensstolz, der sich um des Glaubens willen das Werk ersparen möchte, die beständige Gefahr bei aller Predigt des Evangeliums ist, so daß jener Abschnitt des Briefs ebenso wenig einer besondern Veranlassung bedarf als die Warnung vor unfruchtbarem Hören oder vor der bösen Zügellosigkeit der Zunge oder vor dem ehebrecherischen Herz, das Gottes und der Welt Freundschaft mit einander mischen will.

1)
Vgl. über Jakobus Gal. 1,19. 2,9.12. 1 Kor. 15,7. Ap. 1,14, 12,17. 15,13 ff. 21,18. Mt. 13,55.57. 12,46 ff. Joh. 2,12. 7,3. Die Vermengung der Brüder Jesu mit seinen Vettern stammt aus dem falschen Bestreben, der Maria bleibende Jungfräulichkeit beizulegen, und hat im Vorkommen derselben Namen Jakob, Simon, Joses keine Stütze. Die Namen der Patriarchen kamen in den jüdischen Familien häufig vor.
2)
Neben diesem innerlichen Grund ist die Form des Briefes zugleich von der jüdischen Art des Denkens und Lehrens abhängig. Sie faßten in Israel ihre Weisheit lieber in einen kurzen Spruch als in ein dickes Buch.
3)
Vgl. Jak. 1,2 mit Mt. 5,10-12; 1,5 mit Mt. 7,77 ff: 1.6 mit Mt. 21,21; 1,11 mit Luk. 12,20; 1,25 mit Mt. 7,24 ff. 1,26 f. mit Mark. 12,40. Mt. 25,35 ff; 2,8 mit Mt. 22,39. 7,12; 2,13 mit Mt. 5,7; 3,12 mit Mt. 7,16 ff. 12,33; 3,18 mit Mt. 5,9; 4,4 mit Mt. 6,24; 4,10 mit Mt. 23,12. Luk. 18,14; 4,11 mit Mt. 7,1 ff; 5,2 mit Mt. 6,19; 5,9 mit Mark. 11,25; 5,10 mit Mt. 5,12; 5,12 mit Mt. 5,34 ff.
4)
Auch die Erzählung von Ananias steht nicht umsonst in der Ap.
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