Müller, Georg - Vom Gott gefälligen Geben
Wer da kärglich säet, der wird auch kärglich ernten, und wer da säet im Segen, der wird auch ernten im Segen.
2.Kor. 9,6
Im Herrn geliebte Brüder! Laßt uns so wandeln, daß der Herr uns nicht als Züchtigung einen Teil unseres irdischen Besitzes durch Krankheiten oder Verluste im Geschäft wegnehmen müßte, weil wir unsere Stellung als Haushalter nicht anerkennen, sondern als Eigentümer handeln und für uns selbst die Mittel behalten wollen, welche der Herr uns anvertraut hatte, nicht zur Befriedigung unseres fleischlichen Sinnes, sondern, um sie in seinem Dienst und zu seiner Ehre zu verwenden. - Ein Bruder, dessen Einkünfte klein sind, möchte sagen: Sollte auch ich noch von meinem Verdienst geben? Er ist schon so gering, daß er nur mit der größten Mühe für meine Familie ausreicht! - Meine Antwort ist die: Hast du, lieber Bruder, je bedacht, daß gerade der Grund, warum der Herr deinen Verdienst so klein sein läßt, der sein könnte, daß du alles für dich selbst brauchst, und daß, wenn er dir mehr gäbe, du es nur dazu verwenden würdest, es dir und deiner Familie behaglicher zu machen, statt dich umzusehen, wer unter deinen Brüdern krank oder arbeitslos sei, um ihnen zu helfen oder das Werk Gottes zu unterstützen? - Es ist eine große Versuchung für einen Bruder, der wenig verdient, die Verpflichtung von sich abzuwälzen, den Armen und Kranken zu helfen oder zum Werk Gottes beizutragen; er ist leicht versucht, das Geben den reichen Brüdern und Schwestern, mit denen er in Gemeinschaft verbunden ist, aufzubürden und auf diese Weise sich selbst eines Segens für sein Herz und Haus zu berauben.
Man könnte weiter fragen: Wieviel von meinem Einkommen soll ich denn geben, den zehnten, fünften oder dritten Teil? - Ich erwidere: Gott hat darüber keine Regel festgesetzt; was wir tun, sollen wir „fröhlich“ - nicht gezwungen tun. Allein, wenn selbst Jakob, als ihm zum erstenmal ein Licht im Inneren aufging (1.Mose 28,22), Gott den Zehnten von allem, was er ihm geben würde, gelobte, wieviel mehr sollten wir es, die wir an den Herrn Jesus glauben, für ihn tun; wir, deren Beruf ein himmlischer ist und die wir das Zeugnis haben, daß wir Gottes Kinder und Miterben des Herrn Jesu sind! - Gäben nun alle Kinder Gottes den zehnten Teil von allem, was der Herr ihnen schenkt, so machte das vier Franken für den Bruder, der wöchentlich vierzig Franken, und vierzig für den, der wöchentlich 400 Franken einnimmt.
Wir Kinder Gottes sind in Jesu so reich gesegnet, daß wir keinen besonderen Antrieb zu guten Werken nötig haben sollten. Die Vergebung unserer Sünden, die Kindschaft bei Gott und die Aussicht auf eine Heimat im Vaterhause, alle diese Segnungen sollten genügende Beweggründe sein, aus Liebe und Dankbarkeit alle Tage unseres Lebens im Dienste Gottes zu verwenden und freudig das hinzugeben, was er uns an irdischen Gütern anvertraut hat, sobald er es von uns fordert. Sollte also ein Bruder erfunden werden, als der in seinem Berufe sich nicht für einen „Haushalter“ des Herrn angesehen und die Mahnung des Heiligen Geistes, mitzuteilen dem Bedürftigen, oder am Werk Gottes zu helfen, nicht beachtet hätte: kann ein solcher sich wundern, daß er auf große Schwierigkeiten in seinem Beruf stößt und daß er nicht weiterkommt? - Es ist dies eben, nach Gottes Wort: „Er säet kärglich und erntet kärglich.“ Würde aber die Liebe Christi einen Bruder treiben, von seinem Erwerb reichlich zu säen, so würde er schon in diesem Leben reichlich ernten, sowohl an Segen für sein Herz als auch an zeitlichen Dingen. Betrachte in Verbindung mit dieser auch die folgende Stelle aus den Sprüchen Salomos, die nicht nur für die Juden, sondern genauso für die Gläubigen des Neuen Bundes Wahrheit ist: „Einer teilt aus und hat immer mehr; ein anderer karget, da er nicht soll und wird doch ärmer. Die Seele, die reichlich segnet, wird fett, und wer andere kränkt, wird auch gekränkt werden.“ (Spr. 11,24.25) Daher gehört auch die Verheißung in Lukas 6,38: „Gebet, so wird euch gegeben: ein voll gedrückt, gerüttelt und überflüssig Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, damit ihr messet, wird man euch wieder messen.“ Dies bezieht sich augenscheinlich auf die gegenwärtige Zeit, und zwar im einfachsten Sinn zunächst auf zeitliche Dinge. Wenn nun jemand von Christi Liebe getrieben so handelt und je nach dem Segen, den der Herr ihm geschenkt, mitteilt, der wird sehen, daß der Herr auch sein Wort halten wird. Treibt uns freilich Hochmut zum Wohltun, macht Selbstgerechtigkeit uns freigebig, bewegt uns bloß das natürliche Gefühl, oder geben wir nur, um wieder zu empfangen, dann dürfen wir die Erfüllung dieser Verheißung nicht erwarten; treibt uns aber in Wahrheit die Liebe Christi, nach Vermögen mitzuteilen, so wird der verheißene Lohn nicht ausbleiben.