Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Hasmona)

Krummacher, Gottfried Daniel - Die Wanderungen Israels durch die Wüste nach Kanaan (Hasmona)

Ein und vierzigste Predigt. Fünf und zwanzigste Lagerstätte: Hasmona.

4. Buch Mosis 33,29.

Diese 25. Lagerstätte heißt: Hasmona, und bedeutet sowohl eine eilfertige Menge als eine übereilte oder eilfertige Rechnung. Wir betrachten diese Lagerstätte sowohl von der einen als von der andern Seite, und reden

  1. Vom Eilen überhaupt;
  2. Von dem eilfertigen oder übereilten Rechnen insbesondere.

Hasmona, die eilfertige Menge. Sie eilte mit besonderer Hast aus der Wüste weg, nach Kanaan. Selbst die Lage dieser Stätte hatte etwas zur Eile reizender; sie lag wie die vorhergehende, nicht weit von der Grenze des versprochenen Landes und dem künftigen Erbteil Judas, vielleicht keine Stunde von da. Kräftiger Ansporn zur Eile, um vollends in ein so nahes Land hinüber zu kommen. Überdas hatten sie des Aufenthalts und Umherziehens in der Wüste satt und genug. Gott selbst beschreibt sie als einen abscheulichen Aufenthalt, wo es heulte, voll Schlangen und Skorpionen. Zudem hatten sie von Mithka bis hieher eine Richtung nehmen müssen, die wieder aufs rote Meer zuging, obschon dasselbe noch in weiter Entfernung war, an dessen äußerstes Ende sie auch wirklich bei der 31sten Lagerstätte zu Ezeon-Gaber anlangten. Grund genug zur Eile, obschon sie freilich nichts half, sondern eher schadete, denn die 40 Jahre mussten nun einmal herum.

Eilen heißt überhaupt: sich bestreben, um das Ziel bald möglichst zu erreichen. Es gibt ein nötiges und nützliches Eilen, aber auch ein unnötiges, ungläubiges und also verkehrtes Eilen. Lasst uns von beiden Arten einiges bemerken.

Ein nötiges und nützliches Eilen drückt David Ps. 119, V. 60 in den Worten aus: ich eile und säume mich nicht zu halten deine Gebote. Es gibt Dinge, die keinen Aufschub leiden und durch denselben verschlimmert werden, die Buße ist ein solches. Sie ist der Anfang der Bekehrung und somit des Lebens. Wie sollte nicht jeglicher damit eilen! Bevor ihr mit dieser notwendigen und wichtigen, aber auch heilbringenden Sache im Reinen seid, solltet ihr billig für nichts anderes Zeit haben; so ist es Christi Gebot gemäß, am ersten nach dem Reiche Gottes und seiner Gerechtigkeit zu trachten. Eilt jemand in dieser Beziehung nicht, gibt er sich ans Aufschieben: so wandelt er auf einem äußerst gefährlichen Wege, und es ist sehr unwahrscheinlich, dass er je davon abkommen wird. Die Schwierigkeiten werden sich nicht mindern, sondern häufen. Es ist ein Strick des Satans, worin er leider gar viele gefangen hält. Hier heißt es aber, wie zu Lot: eile, und errette deine Seele, und stehe in der ganzen Gegend nicht still! Wie übel handelte Felix, dass er, da er über Pauli Predigt erschrak, ihn gehen ließ, bis er ihn zu gelegnerer Zeit wieder würde herrufen lassen - eine Zeit, die nie kam, und wie übel ist es, dass er so viele Nachfolger hat. Es gibt Menschen, welche die Notwendigkeit der Bekehrung nicht leugnen, nur wollen sie nicht zugeben, dass es damit eile, wollen sich nicht entschließen, jetzt gleich Hand ans Werk zu legen, jetzt gleich um den heiligen Geist zu bitten, das hat ihrer unseligen Meinung nach noch Zeit, bis sie erst noch dies Geschäft ausgerichtet, jene Lust genossen haben, und weiter an Jahren vorgerückt sind. Nein, du hast keine Zeit zu verlieren. Auf heute bist du angewiesen; heute verstocke dein Herz nicht, oder es wird dir morgen noch weniger gelingen.

Ein nötiges und nützliches Eilen ist es, baldigst von einer Übereilung, Strauchelung, Abweichung aufzustehn, und ungesäumt wieder ins rechte Geleise zurückzukehren. Hast du's irgendwo versehn, nur schnell dein Abweichen anerkannt, nnr ungesäumt dem Herrn deine Sünde bekannt, so ist er treu und gerecht, dass er uns die Sünde vergibt und reinigt uns von aller Untugend; nur hurtig hungernd und durstend zu Jesu geeilt, und nicht vor ihm geflohen, dem einigen Arzt. Als David in dieser Beziehung nicht eilte, sondern säumte, vertrockneten seine Säfte, wie es im Sommer dürre wird, als er aber sprach: ich will dem Herrn meine Sünde bekennen, da vergab er ihm die Missetat seiner Sünde. Es ist ja ein freier, offener Born da, wider die Sünde und Unreinigkeit, wascht euch in demselben, dass ihr rein werdet, und lasst kein Stäubchen Unrats auf eurem Herzen und Gewissen liegen.

Überhaupt soll man bei jeglichem guten Werk Salomos Anweisung eingedenk sein, wo er sagt: was dir vorhanden kommt zu tun, das tue frisch; und Pauli: seid brünstig im Geist, seid nicht träge, was ihr tun sollt. Ergreift die bequeme Gelegenheit, die sich euch darbietet, ein gutes Wort zu reden, eine gute Handlung zu verrichten. Spürt ihr euch aufgelegt zum Gebet, betet alsdann, und macht's nicht wie jener König, der nur 4mal schlug, da er's 6 bis 7mal hätte tun sollen. Könnt ihr Christo einen Gefallen erweisen, schiebt's nicht auf: kauft die Zeit aus, denn es ist böse Zeit.

Die Trägheit und Säumigkeit ist ein böses Laster schon im Irdischen, wie vielmehr im Geistlichen. Der Träge wird in beider Beziehung nach Salomos Ausdruck zerrissene Kleider tragen, aber eine fleißige Hand ernährt. Wie sieht's im Zeitlichen um die Säumigen aus, die immer Zeit genug haben, und ihre Geschäfte immer verschieben, wie sie ihrem Hauswesen nichts nütze, so sind sie andern lästig. Und wie sieht's im Geistlichen um diejenigen aus, die so träge sind im Gebet, so träge, um ein ärgerndes Auge auszureißen, eine ärgernde Hand abzuhauen, sich selbst zu verleugnen, allem abzusagen und Christo nachzufolgen? Da stehen sie Jahr aus Jahr ein auf dem nämlichen Fleck oder gehn zurück, gereichen dem Christentum zur Unehre, und sind unfruchtbare Bäume, die Gefahr laufen, abgehauen und ins Feuer geworfen zu werden, wie den Reben am Weinstock gedroht ist, welche nicht Frucht bringen.

Was anders ist's um diejenigen, die sich mit Schmerzen kalt und erstorben fühlen, die dies beweinen, die mit David klagen: ich bin wie eine Haut im Rauch; aber auch mit ihm beten: mache mich lebendig durch dein Wort; und mit der Braut: zeuch mich, zeuch mich, so laufen wir. Die Knaben werden müde, und die Jüuglinge fallen, aber die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln, wie Adler, dass sie laufen und nicht matt, wandeln und nicht müde werden. Da der König sich herwandte, gab meine Narde ihren Geruch.

Das Eilen ist also eine nötige und nützliche Sache, das Bestreben, baldigst zum Ziel zu kommen. Soll es das jedoch sein, so muss es nicht nur tätig, sondern auch wohlgeordnet und den evangelischen Regeln angemessen sein. Sie laufen Alle, sagt der Apostel, aber nur Einer erlangt das Kleinod. Lauft nun also, dass ihr's ergreift. Ein Jeglicher aber, der da kämpft, enthält sich alles Dinges, jene, dass sie eine vergängliche Krone empfahen, wir aber eine unvergängliche, 1. Kor. 9. Wer mit seinen, natürlichen Kräften das Ziel zu erreichen meint, muss dies noch anders einsehen lernen, und wen seine Meinung von der Gnade unwirksam lässt, ist auch irre. Ob jemand auch kämpft, so wird er doch nicht gekrönet, er kämpfe denn regelmäßig.

Es gibt also auch ein ungeregeltes, unnützes und nachteiliges Eilen. Davon heißt es, Jes. 28,16: wer glaubt, fleucht nicht, eigentlich: eilt nicht. Der Glaube also eilt nicht, und macht, dass derjenige, der ihn hat und übt, auch nicht eilt, welche Beschreibung uns einen Blick in die wahre Beschaffenheit und Natur des Glaubens tun lässt.

Der Kirche waren zu der Zeit, als der heilige Prophet diese Worte niederschrieb, große Dinge verheißen, namentlich dieses, dass Gott in Zion einen Grundstein, einen bewährten Stein, einen köstlichen Eckstein legen wolle, der recht gegründet sei. Dies war schon damals eine alte Verheißung. Aber welch eine geraume Zeit, und welche Begebenheiten gingen noch darüber hin, ehe sie in Erfüllung ging. Die 70 Jahre währende babylonische Gefangenschaft, die gänzliche Zerstörung Jerusalems, das Aufhören des jüdischen Gottesdienstes, und die Verwüstung des ganzen Landes lag noch dazwischen samt jenen kläglichen Begebenheiten unter den Makkabäern, die uns in den Büchern erzählt werden, die von ihnen den Namen führen. Aber, sagt der heilige Geist: der Glaube eilt nicht. Er hat Zeit, so lange Gott Zeit hat, und weiß, dass die Verheißung gewisslich erfüllt werden wird, ob sie noch so lange verzöge, und ihr noch so bedeutende Schwierigkeiten in den Weg träten. Der Gläubigen Schar sind, nachdem die Grunds, Fundamental- und Hauptverheißung durch die Sendung Christi erfüllt worden ist, auch große Dinge verheißen, z. B. die gänzliche Vernichtung des alten Menschen, eine vollkommene Heiligung, ein vollkommener Trost, die Bekehrung der Heiden usw. Aber wie sieht's doch in der Wirklichkeit durchgängig aus? Geht's im Gnadenleben wie in der Natur, deren Fortschreiten von Tage, zu Tage nachgewiesen werden kann? Nach dem Winter zeigen sich Augen, sie schwellen zu Knospen an, diese brechen auf, und gestalten sich zu Blüten und Blättern, jene fallen ab, und setzen kleine Früchte an, diese nehmen zu, bis sie ihre Größe und Reife erlangt haben. Lässt sich das Gnadenwerk in einer Seele auch so in einer Stufen- und Reihenfolge nachweisen? Das tut's nicht. Seht nur die Namen der Lagerstätten an. Wie sind bittere und süße durcheinander gemengt. Betrachtet ihre Richtung. Harada lag wieder zunächst an Ägypten, da sie zu Ritma an Kanaans Grenze gewesen waren. Von Harada näherten sie sich dem verheißenen Lande wieder, und kamen ihm in Mithka so nahe, wie sie ihm je gewesen, und jetzt entfernen sie sich wieder weiter davon als je. Oder betrachtet die Lebensläufe der Heiligen in der Schrift, namentlich in den Psalmen. Geht das so in geregelter Stufenfolge, erst die Buße, dann die Angst-, darauf die Bet-, sodann die Glaubens-, demnächst die Dank- und Lobspalmen, und endlich das Hallelujah? Kurz, die göttlichen Verheißungen sind allerdings Ja und Amen in Christo. Zwischen ihnen, zwischen der gläubigen Ergreifung und der gänzlichen Erfüllung derselben liegen Wüsten, Berge, Abgründe, Ströme und Seen. Nicht selten häufen sich die Schwierigkeiten, je näher die Zeit der Erfüllung heran rückt, und im Ganzen erfüllt Gott sie so, dass ihm die ganze Ehre davon zufällt, und man bekennen muss, das hat der Herr getan. Es ist also nötig, nicht zu eilen.

Hier aber wird von einer eilenden Menge geredet. Lasst uns denn erst dies Eilen und dann das Gegenteil in etwa erwägen.

Die eilfertige Menge will sehen, haben, besitzen, genießen, und zwar ohne Aufschub alsofort; sie will nicht an der Verheißung halten, sich keinen Aufschub gefallen lassen; befindet sie sich in Leiden: sie will augenblicklich heraus, mögen sie ihren Zweck erreicht haben oder nicht, will sterben, will mit Ungestüm in den Himmel, oder verlangt doch, dass sie mit andern vertauscht werden, die ihr leidlicher dünken. Ist ein Gut zugesagt: so will sie's auf der Stelle haben; entstehn aber Schwierigkeiten, so liegt der Mut da, und sie ist geneigt zu denken, was sie nicht binnen einem bestimmten Zeitraum verwirklicht habe, wird nie geschehen. Von einem armen Leben im Glauben will die eilfertige Menge nicht wissen. Wenn es heißt: so ihr stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und hoffen würdet ihr stark sein, antwortet sie: nein, sondern auf Rossen wollen wir davon fliehen. - Dies verkehrte Eilen hat seinen Grund im Unglauben, der Gott nicht kennt und nicht traut, und meint, so lange eine Sache nur in Gottes und nicht auch zugleich in seinen eigenen Händen sei, stehe es sehr zweifelhaft und ungewiss um sie. Dazu gesellt sich der eigne Wille, der sich unterfängt, Zeit, Maß und Weise zu bestimmen, und die Sonne nach seiner Uhr stellen zu wollen; die eigene Weisheit, die Gottes Gnade, Liebe und Werk nach ihrer fleischlichen Weise beurteilt, und sich vermisst zu sagen: wäre der Herr mit uns, so würde uns das und jenes nicht begegnen, hätte er uns lieb, so würde er's auf solche Weise zeigen, dass er uns dieses schenkte, und vor jenem bewahrte, und dergleichen peinigende Schlüsse mehr, die der Unglaube diktiert.

Es mangelt ihm an einem festen Halt, weil er dens selben nicht in den göttlichen Verheißungen antrifft, die ihm vor ihrer Erfüllung wenig gelten, da er dieselbe nicht abwarten kann, und ihre Verwirklichung in Verdacht zieht. So gerät er in ein unruhiges Treiben und Abmühen, weil seine Seele nicht stille sein kann, zu dem Gott, der da hilft. Kommt er in schwierige Umstände, so wird er ratlos und fällt von einem aufs andere, welches sehr wohl in dem bekannten Liede aus gedrückt wird, wo es heißt:

Man erbittet Christi Kraft,
Und doch find't man im Geschäfte,
Dass man nie was Bessers schafft.
Da, da geht's dann an ein Klagen,
Da geht's an ein ernstlich Tun;
Bald will mans aufs neue wagen,
Bald in Gottes Willen ruhn,
und darauf bald wieder rege
Fort an seinen Frohndienst geh'n.

Kommt eine gehoffte Sache so bald nicht, als mans meinte, stellen sich ihr Schwierigkeiten entgegen, geht sie nicht rasch vorwärts, gerät sie gar in ein scheinbares Stocken: so verliert der im Unglauben Eilende den Mut, wird verzagt oder gar mürrisch, und möchte wohl, wie es Jes. 45 heißt, mit dem Schöpfer hadern, und sagen: was machst du? du beweist deine Hände nicht an deinem Werk.

Der eilfertigen Menge wird Zeit und Weile uns geheuer lang, und es geht ihr wie den Juden beim Amos 8, die da sagten, wann will denn doch der verhasste Sabbat ein Ende haben, gerade als wäre so zu reden kein Ende dran. Will denn der Herr ewiglich vergessen? fragt der Unglaube, wogegen der Glaube sagt: er ist nur ein Augenblick in seinem Zorn. - Sie besorgt das Echlimmste. Ich fürchte, es ist noch mehr dahinten, sagt Hiob. David sprach in seinem Eilen: ich bin von dem Angesicht des Herrn verstoßen; ich werde noch eines Tages in Sauls Hände fallen; und selbst Abraham besorgte einst, sie würden ihn noch eher töten, bevor die ihm gegebene Verheißung erfüllt war. Statt in den Züchtigungen ein Zeichen der väterlichen Liebe Gottes zu entdecken, sieht sie nur Zorn darin, und statt Nutzen davon zu hoffen, besorgt sie nur Verderben. Jakob schrie: mein Weg ist dem Herrn verborgen. Assaph übereilte sich so, dass er's für vergebens hielte, dass sein Herz unsträflich lebte, und wäre beinahe so weit gegangen, die Gottlosen für glücklicher zu preisen als die Frommen. Über mich geht alles, ruft der Erzvater aus, und der nämliche, welcher früher sagte: ich bin viel zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du an deinem Knechte getan hast, scheint dies später in seiner kurzen Lebensgeschichte vergessen zu haben, denn er fasst sie in den Worten zusammen: wenig und bös. Das beste daran war, dass es eine Wallfahrt, eine Heimreise ins Vaterland war. Die eilfertige Menge dürfte wohl mit Hiob sagen: Du bist mir verwandelt in einem Grausamen, und vergisst, dass wir nicht einen Hohenpriester haben, der da nicht könnte Mitleiden haben mit unsrer Schwachheit.

Endlich redet und handelt die eilfertige Menge leicht sehr unbesonnen. Wie unbesonnen war es, wenn David Ps. 116,11 freilich in seinem Zagen sprach: alle Menschen sind Lügner, wobei er sonderlich an Samuel und dasjenige dachte, was er ihm zugesagt. Wie übereilte sich Hiob, wenn er sich äußerte: meine Seele begehrt, erhangen zu sein, und Jonas, wenn er wegen eines verdorrten Kürbisses sagen durfte: billig zürne ich bis an den Tod. War es nicht auch von Moses sehr übereilt, wenn er den Felsen schlug, statt ihn bloß anzureden, und dagegen zu dem Volke sagte: hört, ihr Ungehorsamen, werden wir euch auch Wasser bringen aus diesem Felsen? Wie übereilt war es, wenn Maria Magdalena gleich sagte: er ist gestohlen, da das Grab leer war, oder die andere Maria rief: Herr, er stinkt schon, und die Jünger: wir verderben, da es doch noch weit vom Verderben war. Wie übereilte sich Petrus, als er sagte: wenn sie sich auch alle an dir ärgern, ich nicht: ich will mit dir ins Gefängnis und in den Tod gehen, und als er später mit dem Schwert drein schlug, nachher aber gleich sagte: ich kenne den Menschen nicht. So geht's aber, wenn man nicht in Gott durch den Glauben seinen Halt, und in dem Wort der Verheißung den Anker der Hoffnung hat, der das schwankende Schifflein auf den tanzenden Wellen festhält. Dann gibt's übereilte Schlüsse, Reden, Handlungen.

Lasst uns aber auch Einiges von dem Nichteilen des Glaubens bemerken, wovon der Prophet redet und sagt: wer glaubt, eilt nicht. Was sollte er eilen, so lange Gott nicht eilt. Was er verheißen hat, kann er tun, wird er tun, und wird in rechter Weise, Ordnung, Zeit und Maß tun, denn er sagt's und tut's auch, und was er zusagt, das hält er gewiss. An dieser Verheißung sich haltend, steht der Glaube fest, und sieht der Erfüllung derselben ruhig und zuversichtlich entgegen. Wer glaubt, wie die Schrift sagt, ist der, durch Christum so überschwänglich über allen irgend gegründeten Zweifel erhabenen, nun noch immer durch die Sakramente versiegelten Liebe Gottes gewiss. Er findet kein Bedenken, dafür zu halten, dass derjenige, der seines eigenen Sohnes nicht verschonte, sondern ihn für uns dahingab, uns nun auch ganz gewiss mit ihm alles schenken werde, dies macht seine Seele stille und gelassen, in was für Verhältnisse ihn sein Gott auch zu führen für gut findet. Öffnet sich vor ihm ein glühender Ofen, oder eine Grube grimmiger Löwen, in welche ein Nebukadnezar ihn zu werfen befiehlt: wer glaubt, bleibt gelassen, und weiß, dass Gott ihn wohl erretten kann, sollte er's aber nicht wollen: so hat das auch nichts zu sagen. Soll Leib und Seele verschmachten, dennoch bleibt er an ihm. In finsterm Kerker, in Ketten und Banden, stimmen Paulus und Silas Loblieder an. Sobald das Wort: meine Gnade ist dir genug, und meine Kraft ist in den Schwachen mächtig, im Glauben aufgenommen ist, legt sich das eilende Verlangen, je eher je lieber der Faustschläge Satans überhoben zu sein. Das Herz wird stille und sagt: so will ich mich denn am liebsten meiner Schwachheit rühmen, denn wenn ich schwach bin, bin ich stark. Bloß an Glauben fehlte es den Jüngern, sonst würden sie mitten im Sturm ganz stille und gelassen geblieben sein, und nicht geschrien haben: Meister, Meister, fragst du nichts danach, dass wir verderben?

Zwar weinend ging David vor seinem eigenen Sohne flüchtend den Ölberg hinan, jedoch stillte die Zuversicht sein Herz, dass der Herr, wenn er Wohlgefallen an ihm habe, ihn gewiss zurückführen werde, wenn er auch nicht angeben konnte, wie? und wodurch? Still und gelassen ging sein großer Ahnherr, der Erzvater Abraham, den Moriah hinan, seinen Sohn Isaak auf Gottes Befehl zu opfern. Getrost fasste er das Messer, dessen gewiss, Gott werde seine Verheißung erfüllen, die an den Isaak geknüpft war, und sollte er ihn aus der Asche wieder lebendig machen müssen. Bei solchem Glauben, wie die Schrift sagt, mögen sich die Grundfesten der Erde bewegen, er weiß, an was für einen er glaubt, und ist der Bewahrung seiner Beilage gewiss. Hilft er jetzt nicht, so tut er's künftig. Es ist etwa noch zuvor irgend ein unerkanntes heimliches Selbstvertrauen zu zerstören, irgend ein Spinngewebe eigener Gerechtigkeit wegzufegen, irgend eine Faser des eigenen Lebens auszureißen; vielleicht muss sich der alte Mensch noch mehr verbluten, vielleicht dies und jenes noch genauer erlernt - und eingesehen werden mit einem Wort: der Herr wird seine Hilfe alsdann mit Macht hereinbrechen lassen, wenn der Zeitpunkt derselben der geeignetste ist. Wie? man sollte einem geschickten Arzt einen Patienten, einem fähigen und rechtschaffenen Lehrmeister einen Knaben, ruhig überlassen, und nicht seine Seele getrost Gott, als dem Schöpfer in guten Werken, ohne Furcht und Zweifel anheimgeben? das wäre ja sehr widersinnig.

Wer daher glaubt, eilt nicht, überzeugt, dass sein Heil darin bestehe, die verheißenen Güter dann zu empfangen, wenn Gott nicht wenn er selbst will überzeugt, dass er die Hungrigen eben so gewiss mit seinen Gütern füllt, als er die Vollen leer lässt. Aber freilich war Israel das Mal gelagert in Hasmona und die Menge eilte.

Hasmona heißt auch eine eilfertige oder übereilte Rechnung. Eine eilfertige Rechnung, wenn sie nur richtig ist, ist recht gut, eine übereilte aber ist fehlerhaft. Beides kommt auch im Christentum vor.

Der letztern Art machen sich die unbußfertigen Menschen im schädlichsten Sinne schuldig. Das tun sie dadurch, dass sie ihre Sünden als so unbedeutend anschlagen, ihre Entschuldigungen als so gegründet, ihre guten Eigenschaften, Gesinnungen und Handlungen als so bedeutend, die Güte Gottes als so reichlich, und den Weg der Seligkeit als so breit betrachten: dass sie sich dadurch nur in ihrer Unbußfertigkeit bestärken, und doch meinen, selig zu werden. Das ist eine sehr übereilte und irrige Rechnung, wobei sie die Kosten ihres Turmbaus viel zu niedrig anschlagen und ihn deswegen nicht hinausführen werden. Euer Soll und haben, euer Debit und Kredit, eure Schulden und Ansprüche müssen sich ganz anders in eurer Rechnung gestalten, wenn ihr nicht am Ende den Peinigern übergeben werden wollt. Ihr müßt große, ganz zahlungsunfähige Schuldner in euren eigenen Augen werden, wie ihr's in Gottes Augen seid. Ihr bringt bei eurer übereilten Rechnung die Buße, die Bekehrung, den Glauben nicht gehörig in Anschlag. Verrechnet euch aber nicht, sondern bittet den heiligen Geist, dass er euch eure Bücher richtig nachsehen lehre, damit nicht ein höchst unseliges Fazit herauskomme. - Hierher gehören auch diejenigen, welche ein sehr unheiliges Vertrauen auf das Verdienst Christi, ohne Buße und Glauben setzen, und deswegen selig zu werden sich einbilden, weil ja Christus für uns gestorben, oder die sogar meinen mit Einem: „das Blut Jesu Christi“, sei alles abgemacht, womit ihr euch selbst betrügt. Nur wenn ihr im Licht wandelt, wie Er ein Licht ist, macht euch das Blut Jesu Christi rein von allen Sünden, dies tut ihr aber nicht, und so lange ihr das nicht tut, rechnet ihr verkehrt, und tröstet euch nur zu eurem Verderben.

Bessere Seelen, wie ihr Leichtfertigen, gottergebene Herzen machen auch manchmal übereilte und also irrtümliche Rechnung. Das tut ihr Betrübten und Angefochtenen, die ihr traurig seid in mancherlei Anfechtung. Ihr denkt, ihr kämt wohl nie aus eurem Gewirre, aus eurer Dürre und dergleichen nicht heraus. Ei, warum denn nicht? Ist denn Gottes Arm verkürzt? Warum denkt ihr so Arges in euerm Herzen? Lieber solltet ihr mit der Kirche sagen: freue dich nicht, meine Feindin, dass ich darnieder liege, ich werde wieder aufkommen; und so ich im Finsteren sitze, ist doch der Herr mein Licht. Nun der heilige Geist wird euch in eurer Hasmona seliglich zu Schanden machen, wenn euch Schmuck für Asche, und Freudenöl für Traurigkeit, und schöne Kleider für einen betrübten Geist gegeben werden. Auf eine ganz entgegengesetzte Weise übereilen sich diejenigen in ihrer Rechnung, welche, sei es aus den Wassern der ersten Buße, oder aus den ängstlichen Schlünden der Anfechtung errettet und in einen lieblichen Stand versetzt, glauben, das könne und würde sich nun nie wieder ändern. Seht aber, wie nahe liegt Hasmona, übereilte Rechnung, bei Mithka, Süßigkeit.

Endlich wäre es sehr ratsam, hurtig zu rechnen, wie jener nach Luk. 16 tat: schreibe flugs 50, weil er erkannte, dass er nicht bestehen könne, da sein Herr zu ihm sprach: tue Rechnung von deinem Haushalte. Salomo sagt, Sprüche 4,12: ich will dich den Weg der Weisheit führen, dass dir dein Gang nicht sauer werde. Und wie mancher sauern Stunde würden bußfertige Seelen entgehen, wenn sie hintereinander weg mit wehmütigem und aufrichtigem Herzen ihre ganze Schuld und sich als solche anerkennten, welche wider alle Gebote Gottes schwerlich gesündigt und derselben keins nie gehalten, auch noch immerdar zu allem Bösen geneigt sind, sodann aber auch die heilige Rechenkunst anwendeten, welche Paulus Röm. 6 empfiehlt, wenn er V. 11 sagt: haltet, rechnet euch dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid, und lebt Gott in Christo Jesu. So würde man in sich selbst nichts als Verdammlichkeit, in Christo aber seine Gerechtigkeit erblicken, und durch das eine tief erniedrigt, durch das andere aber hoch erhöht werden.

Klarster Wahrheit Spiegel
Festes Gottes-Siegel,
Leuchte dem Verstand,
Dass der Gottheit Größe
und meines Herzens Blöße
Mir werd' recht bekannt.
Leit' mich in die Gnadentiefen,
Die nie Fleischeswitz begriffen.

Amen.

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autoren/k/krummacher_g.d/predigt_41.txt · Zuletzt geändert: von aj
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