Kapff, Sixtus Carl von - Am Pfingstfeste.
Text: Apostelgesch. 2,1-13.
Und als der Tag der Pfingsten erfüllt war, waren sie alle einmütig bei einander. Und es geschah schnell ein Brausen vom Himmel, als eines gewaltigen Windes, und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen. Und man sah an ihnen (die) Zungen zerteilt, als wären sie feurig. Und er setzte sich auf einen Jeglichen unter ihnen; und wurden alle voll des heiligen Geistes, und fingen an zu predigen mit anderen Zungen, nachdem der Geist ihnen gab auszusprechen. Es waren aber Juden zu Jerusalem wohnend, die waren gottesfürchtige Männer aus allerlei Volk, das unter dem Himmel ist. Da nun diese Stimme geschah, kam die Menge zusammen und wurden bestürzt; denn es hörte ein Jeglicher, dass sie mit seiner Sprache redeten. Sie entsetzten sich aber alle, verwunderten sich und sprachen unter einander: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn ein Jeglicher seine Sprache, darinnen wir geboren sind? Parther, und Meder, und Elamiter, und die wir wohnen in Mesopotamien, und in Judäa, und Cappadocien, Pontus und Asien. Phrygien und Pamphilien, Ägypten, und an den Enden der Lybien bei Kyrene, und Ausländer von Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie mit unseren Zungen die großen Taten GOttes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden irre, und sprachen einer zu dem anderen: Was will das werden? Die anderen aber hatten es ihren Spott, und sprachen: Sie sind voll süßen Weins.
„Singt GOtt, lobsingt seinem Namen! Macht Bahn dem, der da sanft herfährt; Er heißt HErr, und freut euch vor Ihm.“ Der heutige Tag ist ein hoher Freudentag. Er war es schon im Alten Bund als das Fest der Gesetzesfreude und als Dankfest für die Segnungen der Ernte. Aber mehr als das Gesetz des Sinai ist die Gabe des heiligen Geistes, und mehr als die freudenreichste Ernte ist das neue Leben, das der Geist wirkt in den Herzen. Durch Ihn wird die Verheißung erfüllt: „Siehe, ich will ein Neues machen; jetzt soll es aufwachsen, dass ihr erfahren werdet, dass ich Weg in der Wüste mache und Wasserströme in der Einöde, dass mich das Tier auf dem Felde preise, die Drachen und Straußen. Denn, ich will Wasser in der Wüste und Ströme in der Einöde geben, zu tränken mein Volk, meine Auserwählten.“ Die Wüste und Einöde ist die Menschheit ohne den Geist des HErrn, in verschmachtender Dürre des sündlichen Verderbens; die Ströme des lebendigen Wassers sind die neuen Lebensregungen, durch die der heilige Geist aus ewig verlorenen und verdammten Menschen selige und heilige GOtteskinder und Himmelserben bildet.
Am auffallendsten zeigte sich diese geistige Schöpfungskraft an den Seelen, von denen unser Text erzählt. Arme, verzagte, mit allerlei Vorurteilen erfüllte Fischer, Zöllner und schwache Schüler, die noch das Wenigste von ihrem göttlichen Meister verstanden, solche Leute waren die Apostel: aber als der Geist über sie gekommen war, da stunden sie da als Felsen im wogenden Weltmeer, als Lichter in der Finsternis, als vollendete Zeugen der ganzen Wahrheit und mächtig eindringende Prediger der Gerechtigkeit.
Wie über sie und über so viele Tausende, die ihnen nachfolgten, so will der HErr auch über uns seinen Geist ausgießen, wenn gleich nicht im Brausen des Windes und nicht in Flammen des Feuers. Solch wunderbarer Geistesfülle bedurften die Grundpfeiler der Kirche, die in das Reich des Satans das Reich GOttes hineinbauen und eine Welt voll Totengebeine zum Leben bringen sollten. Bei uns geschehen die Wirkungen des Geistes mehr in der Stille, wie GOtt auch in der Natur keine Wunder tut, wo dem Glauben das Feld einmal bereitet ist. Aber die Verheißung ist gegeben: „Ich will meinen Geist ausgießen über alles Fleisch, über Söhne und Töchter, Älteste und Jünglinge, Knechte und Mägde.“ Wie der HErr das an den drei Tausenden am ersten Pfingstfest erfüllte, unter denen gewiss Viele im Geistlichen sehr weit zurück waren, so will Er auch uns - ja ein Jedes von uns - durch seinen Geist erneuern, heiligen, mit sich vereinen. Bedenken wir, dass wir ohne den Geist GOttes in der traurigsten Finsternis. in Sündenketten und im ewigen Tode versinken, so muss unser Aller höchster Wunsch sein, heute - ja gleich heute mit dem Pfingstgeist reichlich getauft zu werden. Dazu uns zu ermuntern, wollen wir unter dem Segen des HErrn nachdenken über
Die Wirkungen des heiligen Geistes,
- wie diese Wirkungen geschehen,
- was durch sie geschehe.
Barmherziger GOtt und Heiland! Hier steht eine große Pfingstgemeine, die, wie das dürre Erdreich nach Regen, sich sehnt nach reichlicher Ausgießung Deines heiligen Geistes. Ach, HErr! fahre herab von Deiner heiligen Höhe, durchbrich alle Wolken, die Dich und uns noch scheiden, mache selbst Dir Bahn in unsere Herzen und erfülle uns mit einem reichen Maß Deines heiligen Geistes, durch den Du selbst, o GOtt und Heiland, Wohnung machen wollest in uns, dass wir Eins seien mit Dir und Deine Herrlichkeit sich in uns verkläre. Amen.
I.
Die Art, wie die Wirkungen des heiligen Geistes geschehen, ist für uns von großer Wichtigkeit, weil wir durch ihre Einsicht das ganze Werk des Geistes, die bedeutendsten Erfahrungen des Geisteslebens und unseren eigenen Stand besser verstehen. Wenn wir die Geschichte unseres Textes betrachten und dazu die Erfahrungen unseres Lebens vergleichen, so können wir unterscheiden zwischen außerordentlichen und ordentlichen, zwischen offenbar wunderbaren und stillverborgenen Wirkungen des heiligen Geistes. Außerordentlich und wunderbar war die erste Geistesausgießung. Plötzlich geschah da ein Brausen vom Himmel, als eines gewaltigen Windes und erfüllte das ganze Haus, da sie saßen. Das verwaiste Häuflein der Apostel und der anderen nächsten Freunde und Freundinnen JEsu saß einmütig in zarter Liebe verbunden, - zur Zeit des Morgenopfers um 9 Uhr in einem der Tempelsäle, wo sie mit Gebet und Gesprächen über den gen Himmel gefahrenen Freund ihrer Seelen sich stärkten im Warten auf das, was Er ihnen verheißen hatte. Wie mögen sie erschrocken sein, als plötzlich das ganze Haus erschüttert wurde und ein wunderbares Brausen vom Himmel herab ihre Ohren erfüllte! Unter dem Wehen des gewaltigen Windes erschienen ihnen wie zerteilte Zungen Feuer, d. h. Flammen in der Gestalt von Zungen, und solch heilig Feuer setzte sich auf einen Jeden unter ihnen und wurden Alle voll des heiligen Geistes und fingen alsbald an zu reden mit fremden Sprachen, die sie in ihrem Leben nie gelernt hatten, und predigten, was der Geist ihnen gab auszusprechen. Und so wunderbar war die Wirkung dieser Predigt, dass die Leute aus den verschiedensten Gegenden der Erde, die gerade im Tempel zum Opfer versammelt waren, jeder in der Sprache seines Landes das Zeugnis von Christo vernahm. Da sehen wir ein ganz außerordentliches Wehen des Geistes, durch das in einem Augenblick den Aposteln Kräfte und Kenntnisse mitgeteilt wurden, die wir bei eifrigem Lernen in vielen Jahren nicht so, wie sie, erlangen.
Schon weniger wunderbar, doch immer noch außerordentlich war die Wirkung des Geistes an den drei Tausenden, die sich gleich auf die erste Predigt des eben mit dem Geist getauften Petrus bekehrten. Wie viele falsche Ansichten, wie viel Hass gegen Christum, wie viel Weltlichkeit und Sünde mag in diesen dreitausend Menschen gewesen sein! Sie heißen zwar gottesfürchtige oder religiös gesinnte Männer, aber doch waren sie eben Juden und Heidenjuden, im alten Wesen ihrer fleischlich gesinnten Natur. Und diese Männer wurden unter des Petrus Rede so mächtig vom Geiste ergriffen, oder wie es nach dem Grundtext heißt: ihre Herzen wurden so durchstochen, dass sie alle ihre bisherigen Ansichten und Ansprüche aufgaben und mit bußfertiger Heilsbegierde sich JEsu zu Füßen warfen.
Solche Bekehrung von dreitausend Seelen in Einer Stunde ist wohl etwas Außerordentliches. Es kam aber in der ersten Kirche manches Wunder der Art vor. Auch im Haus des Heiden Cornelius fiel auf einmal der heilige Geist auf Alle, die dem Wort des Petrus mit Geistesverlangen zuhörten. Und auch sie redeten alsbald mit fremden Sprachen. Solches wirkte der Geist bei Vielen in der ersten Kirche, wie er auch die Gabe der Wunderheilung, Weissagung und andere Gnadenkräfte austeilte. Von solchen außerordentlichen Wirkungen des Geistes sehen wir Vorbilder im Alten Bunde an Josephs Traumerklärungen, an Moses und der siebzig Ältesten Weissagen, an allen Propheten, die vom Geist GOttes oft plötzlich wie von Sturmesgewalt ergriffen wurden, in deren Schulen selbst ein Saul zu weissagen und höhere Geistesworte zu reden anfing. Jeremia beschreibt (Kap. 24.) diese innere Geisteswirkung mit den Worten: „HErr, Du hast mich überredet und ich habe mich überreden lassen, Du bist mir zu stark gewesen und hast gewonnen; ich wollte nicht mehr predigen, aber es ward in meinem Herzen wie ein brennendes Feuer in meinen Gebeinen verschlossen, dass ich es nicht leiden konnte und wäre schier vergangen.“
Wie hier Jeremias die innere Macht der Geisteswirkung schildert, so zeigte sie sich oft auch in den ordentlichen, mehr still verborgenen Wirkungen, in denen ohne äußere Stimmen und Zeichen, ohne wunderbare und augenblickliche Steigerung der geistigen Kräfte doch auch eine ans Wunderbare grenzende Umstimmung des Gemütes und der Gedanken geschieht. Die Art, wie der heilige Geist wirkt, ist im Allgemeinen immer die, dass Er Gedanken, Gefühle und Willensbewegungen in uns weckt und belebt, die wir aus uns selbst nicht oder doch nur sehr schwach und unwirksam gehabt hätten. Geister wirken auf einander. Schon im menschlichen Umgang kann oft eine Seele ohne Worte auf eine andere Seele so wirken, dass in ihr gewisse Gedanken und Gefühle rege werden. Noch viel mehr kann der höchste Geist, unseres Geistes Ursprung und Element, in unserem Geist Gedanken wirken, die wir von selbst nicht gehabt hätten.
Unsere Gedanken sind durch das Fleisch verunreinigt, sie flattern umher auf den irdischen Dingen, sie drehen sich immer um das Ich in engem Kreise herum, und selbst unsere besten, eigenen Gedanken sind durch Selbstsucht verdunkelt. Als von GOtt abgefallen und in der Sünde, d. h. in der Selbst- und Weltliebe gefangen, können wir zwar nach GOtt ein schwaches Sehnen haben, weil Nichts außer GOtt Frieden gibt: aber wirklich GOtt finden, GOtt lieben, mit GOtt in Gedanken umgehen, in GOtt sein, das kann kein Mensch aus sich selbst. Ohne GOttes eigene Offenbarung besonders in Christo wüssten wir nichts von Ihm. Christum aber haben wir nur, wenn wir aus dem Verderben der Sünde uns durch Ihn erlösen und so zum Vater führen lassen. Aber dazu gehören Gedanken in uns und Gefühls- und Willensbewegungen, die unseren eigenen Gedanken ganz entgegengesetzt sind. Denn um GOtt in Christo, als dem einigen Versöhner, zu finden, müssen wir all unser eigenes Wesen als unwürdig und sündig vor GOtt, als Nichts erkennen, müssen die ganze Welt als eitel und als Schaden für einen GOtt verlangenden Geist betrachten, müssen also von dem Liebsten außer uns und in uns scheiden und einen Tod sterben, vor dem unsere Natur zurückbebt. Solche Gedanken und Vorsätze nun, die wir selbst völlig verwerfen, werden durch den Geist GOttes in unseren Herzen gewirkt, so wie Er am Pfingstfest in den Aposteln Gedanken wirkte, die sie vorher nie hatten und Sprachen, die sie nie gelernt hatten, und wie Er in den drei tausend Seelen eine völlige Umstimmung bewirkte, dass es ihnen auf einmal völlig anders war, als je in ihrem Leben. Was hier der Geist schnell und wunderbar tat, das tut er jetzt oft noch eben so gewaltig, wenn auch nicht so plötzlich und nicht so äußerlich auffallend.
Wie der HErr an die Herzen kommt, sehen wir aus der Geschichte des Elias. Als GOtt ihm auf dem Berg Sinai eine Offenbarung gab, da ging der HErr vorüber und ein großer starker Wind, der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach, vor dem HErrn her; der HErr aber war nicht im Winde. Nach dem Winde kam ein Erdbeben, aber der HErr war nicht im Erdbeben. Nach dem Erdbeben kam ein Feuer, aber der HErr war nicht im Feuer. Nach dem Feuer kam ein stilles sanftes Sausen, wie die Stimme eines zarten Flüsterns: da verhüllte Elias sein Antlitz mit seinem Mantel und da kam im stillen Sausen die Stimme des HErrn zu ihm (l Kön. 19.). GOtt wollte so sanft mit ihm reden, um auch ihn mehr Sanftmut zu lehren. Aber GOtt hätte eben so gut im Feuer und im Erdbeben und im Sturm mit ihm reden können. Und heute noch kommt der Geist an die Herzen entweder in Sturm- und Erd- und Herzbeben, oder mit stillem sanftem Sausen innerlicher Einsprache.
Im Sturm und Erdbeben redet der Geist mit den Herzen, wenn er, wie in Philippi, die Grundfesten der Gefängnisse erbeben und die Ketten und Bande der Sündensklaverei zerspringen macht. Das geschieht jetzt durch große Trübsal, schwere Krankheiten, heftige Schläge, Unglücksfälle, Nöte und Verlegenheiten aller Art, die wir selbst oder mit Anderen zu tragen haben. Solche Trübsalswinde sind wie die Winde des Tauwetters, die den Schnee oft in einer Nacht vertreiben und selbst das härteste Eis schmelzen. Im Kreuz lernt man Alles anders ansehen, als im Übermut des Glücks. Da wird der stolze Sinn gebrochen, der sich so viel Kraft und Verstand zutraute; da wird die Welt, in der er so viel suchte, ihm klein und schal und arm; da wacht der Geist auf aus der Betäubung durch das Fleisch und da kann nur Ein Trost die inneren Wunden heilen: das ist GOtt und der Himmel. Je länger ein Geist unter dem Eis des Fleisches geschlafen hat, desto stärkere Schläge tut der heilige Geist, ihn aufzuwecken. Alles Kreuz ist aber lauter Liebe, denn es ist der Ruf des Geistes zum Leben; es ist wie das Gewitter und wie der Sturm, wodurch die Luft von schweren, unreinen Dünsten gereinigt wird. So war bei Paulus seine dreitägige Blindheit und Schwermut der Weg zum Licht der freudigsten Bekehrung.
Manchmal aber wirkt der Geist ohne Sturm und Erdbeben, ohne äußere Leiden und Bewegungen, mehr wie im Feuer, durch sehr starke innere Bewegungen, durch mächtige Umstimmung des Gemüts, da ein leichtsinniger Mensch auf einmal ernst und über sich selbst traurig wird, ein satter Geist mit sich unzufrieden und arm und bloß; ein Zweifler und Ungläubiger fühlt seine Leere mit Schmerzen und Schrecken; ein Dienerndes Mammons oder des Bauches hat an dem, was seine Lust war, keine Freude mehr; der Säufer wirft erschrocken das Glas aus der Hand, der Spieler die Karten, der Betrüger das falsche Gewicht; ein leichtsinniger Spielmann schlägt seine Geige in Stücke; eine eitle Weltdame verschenkt ihr Gold und ihre Perlen, und. der Selbstgerechte erkennt seine Sünde und sehnt sich nach der Gerechtigkeit, die vor GOtt gilt.
In dem Allem zeigen sich Umstimmungen des Herzens durch starke innerliche Wirkungen, da der heilige Geist eine Sehnsucht nach einem wahren, bleibenden Gut und nach innerem Frieden in das Herz wirft und die Welt mit ihren Lüsten und Ehren entleidet, dass das Herz sich wie mit unwiderstehlicher Gewalt aufwärts gezogen fühlt und ein Heimweh nach GOtt und nach dem Himmel hat, das zur Bekehrung ebenso treibt, wie Kinder durch irdisches Heimweh sich nach Hause gezogen fühlen. Wie in solcher Heimwehstimmung Kinder Alles anders ansehen, als vorher, wie sie Vater und Mutter viel mehr als je schätzen und lieben und Alles in der Fremde ihnen nicht so gefallen will, wie die Heimat, so bewirkt das himmlische Heimweh, das der heilige Geist in den Seelen wirkt, eine ganz andere Welt- und Lebensanschauung, bei der das, was bisher groß schien, klein, was bisher klein und verachtet war, groß und teuer wird. Deswegen heißt es von GOtt: Er wendet die Gedanken der Völker, kehrt das Innere der Menschen um, wie einmal der Sturm in der Schweiz ein Haus so umwendete, dass der Teil, der vorher gegen Mitternacht sähe, jetzt gegen Mittag schaute. So wendet der heilige Geist die Gedanken, dass sie nicht mehr in die Mitternacht des Welt- und Selbstlebens, sondern in den hellen Mittag der ewigen Liebe hineinschauen.
Solche Umstimmung der innersten Gedanken wirkt der Geist bald mehr wie im Feuer, das mit starker innerer Macht alles Widerstrebende verbrennt, bald aber mehr in stillem sanftem Sausen, durch stillere Wirkungen. So besonders hei Seelen, die von früher Jugend auf dem Geiste Gehör gaben und daher nie aus dem Umgang mit GOtt fielen. Je mehr so die Ohren geöffnet sind für die Züchtigungen des Geistes, desto mehr kann er schon mit leiser innerer Einsprache ausrichten, und wo das Herz täglich im Gebet auch die kleinste Verfehlung sich aufdecken lässt, da ist Erdbeben, Sturm und Feuer nicht nötig, obwohl sie auch da vorkommen in Zeiten, wo ein sonst GOtt ergebenes Herz sich hat einschläfern und zerstreuen lassen.
So wirkt der Geist auf die mannigfache Weise bald durch Liebe, bald durch Leiden, bald durch Strafe von außen und Züchtigung von innen, bald durch selige Gefühle der Nähe GOttes, der Liebe, womit JEsus uns geliebt und der Herrlichkeit der zukünftigen Welt, nach der uns sehnend wir verleugnen und verlassen können, was uns aufhält.
Nun möchte ich Jedes bitten, sich selbst zu fragen: hast du auch schon etwas von solchen Wirkungen des Geistes in dir erfahren? Ist es dir schon anders geworden, als vorher, ernster, göttlicher, himmlischer? Hast du auch schon ein Heimweh nach dem Himmel gehabt, in dem die Welt mit allem Irdischen dir klein wurde? Hast du schon Zeiten gehabt, in denen du nichts Gutes an dir fandest, über dein Sündenverderben weintest, der Hölle dich schuldig gabst und die Barmherzigkeit JEsu als Wunder unbegreiflicher Gnade erkanntest, so dass dir Nichts größer erschien, als dass der Sohn GOttes für dich sein Leben gelassen hat! Nur wem es so durch die Wirkungen des Geistes anders geworden ist, als im Naturleben, nur der wird
II.
auch das erfahren, was durch die Wirkungen des Geistes zu Stande gebracht wird. Das sehen wir aus unserem Texte. Die Männer, die vorher nur die verachtete Sprache Galiläas redeten, konnten von der Geistesmitteilung an wie die größten Gelehrten in vielen Sprachen reden; die Verzagten, die alle JEsum verlassen hatten, hatten jetzt im Angesicht des ganzen Volkes keine Furcht; der Petrus, der vor einer Magd seinen HErrn verleugnet hatte, der war jetzt der Erste, der in gewaltiger Predigt am öffentlichsten Ort der Stadt vor allem Volk JEsum bekannte; die engen, schwachen Schüler, die noch so wenig von den Wahrheiten JEsu verstanden, waren jetzt in alle Wahrheit geleitet und erkannten den ganzen Ratschluss Gottes und die Höhe, Breite und Tiefe des Erlösungswerkes JEsu, und endlich die Männer, die noch mannigfach am Irdischen gehangen waren, von deren Fehlern und Ungeschicklichkeiten viel zu fürchten war, die waren Siegeshelden geworden, die in reiner Heiligkeit und göttlich weisem himmlischem Sinn ihrem JEsu die höchste Ehre machten und selbst ihr Leben nicht lieb hatten bis in den Tod.
Ähnliche Wirkungen des Geistes sehen wir auch an den drei Tausenden. Allen ihren jüdischen und heidnischen Sauerteig warfen sie auf einmal weg und bekehrten sich zu dem verachteten Nazarener, dessen Kreuz doch den Juden ein so großes Ärgernis war. Die Gläubigen blieben beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Gebet, hielten alle Dinge gemein, verkauften alle ihre Güter und Habe und teilten aus, nachdem Jedermann Not war, waren täglich und stets bei einander einmütig im Tempel und lobten GOtt mit Freuden und hatten Gnade beim ganzen Volk. Täglich tat der HErr hinzu zu der Gemeine, die da selig wurden und die Menge der Gläubigen war Ein Herz und Eine Seele. Welch herrliches Bild einer Gemeine GOttes! Ach, dass es bei uns auch so wäre! Ach, dass diese erste Liebe ewig bliebe!'
Doch es liegt nur an uns. Was der Geist damals wirkte, das will er, wenn auch in anderer Form, doch dem Wesen nach auch an uns wirken. Denn nicht bloß etliche dürre Bäume sollen blühen, sondern die ganze Wüste hat die Verheißung, dass Ströme des lebendigen Wassers in ihr fließen sollen, dass die Wüste und Einöde lustig sei und das Gefilde fröhlich stehe und blühe, wie die Lilien in aller Lust und Freude. Die Herrlichkeit Libanons soll der Wüste gegeben werden, der Schmuck Carmels und Sarons, ja der Schmuck unseres GOttes. Darum sagt den verzagten Herzen: seid getrost, fürchtet euch nicht. Der Blinden - geistlich Blinden - Augen sollen aufgetan und der Tauben Ohren geöffnet werden; die Lahmen werden hüpfen wie ein Hirsch und der Stummen Zunge wird Lob sagen; wo es trocken gewesen ist, sollen Teiche stehen und wo es dürre gewesen ist sollen Brunnquellen sein. Das wird leiblich und geistlich erfüllt durch den heiligen Geist. Er bereitet auch den Weg, der der heilige Weg heißt, auf dem kein Unreiner gehen wird, auf dem aber auch die Toren nicht irren und sicher zum Himmel gelangen.
In diesen Verheißungen (Jes. 35.) sind die Wirkungen des heiligen Geistes geschildert. Wie die Schöpferkraft GOttes die Gestalt der Erde erneuert, dass kahle Bäume mit lieblichen Blüten und grünem Schmuck belaubt prangen, dass das dürre, graue Erdreich wie eine Smaragd- und Saphir-Fläche wird und überall das Auge Lust und Leben und tausend Wunder GOttes steht, so erneuert der Geist die Gestalt der Herzen. Zuerst freilich muss das Samenkorn in der Erde ersterben; durch den Schmerz der Buße über so viele Sünde und durch den Tod des alten Menschen, der der Welt den Abschied gibt, ja durch die Tiefe der Selbstvernichtigung führt der Geist zum neuen Leben, wie Ezechiel sah, dass die Totenbeine, die ein weites Feld erfüllten, durch GOttes Wort zusammenrauschten und mit Adern und Fleisch und Haut überzogen und dann durch den Odem GOttes lebendig wurden und sich auf ihre Füße richteten.
Solches Leben bringt der Geist in unsere von Natur toten Herzen, indem er Christum in uns verklärt und Alles, was JEsus für uns getan und gelitten, innerlich und lebendig in uns macht, dass wir in und mit Christo neugeboren werden, mit Christo täglich der Sünde absterben, aber auch täglich zu neuem Leben auferweckt werden und in Ihm geistlich, einst aber auch leiblich gen Himmel fahren. Das tut der Geist in den Herzen, die in sich nichts mehr, sondern Alles in JEsu sein wollen, die mit gebeugter Heilsbegierde JEsum als ihren Versöhner ergreifen und ihr Herz und Leben Ihm ergeben. Bei solchen Seelen bleibt es nicht bloß bei den vorbereitenden Einwirkungen des Geistes, durch die er zur Buße und zum Glauben erweckt; die Einwirkung wird zur Einwohnung des Geistes, wo ein wesentlich göttliches Leben der Seele mitgeteilt wird und so die Kindschaft GOttes nicht mehr bloße Annahme an Kindes Statt ist, sondern wesentliches Gezeugtsein aus GOtt Geburt aus GOtt und Sein in GOtt.
Für diese Höhe des geistlichen Lebens hat JEsus die Verheißung gegeben: „der Geist wird euch in alle Wahrheit leiten, der Geist wird mich in euch verklären und in mir den Vater.“ Wer mag mit Worten beschreiben, was in solchen Herzen vorgeht; welch' selige Freude ohne alle Furcht, weil Alles vergeben ist; welch' himmlische Kräfte im Umgang mit GOtt, da im Gebet unser Geist wie im Himmel ist und JEsum oft wie zu sehen glaubt; welche Freudigkeit, Christo auch das Kreuz nachzutragen und in der Leidensnachfolge Ihm ähnlicher zu werden; welcher Mut, die Welt zu überwinden mit ihren Versuchungen und Anfechtungen! Geht es auch dabei oft noch gar schwach, dass wir manchmal zweifeln möchten, ob doch ein Leben des Geistes in uns sei, so ist doch ein Unterpfand seiner immer mehr wirkenden Gnade schon darin, wenn wir innerlich über die kleinste Abweichung bestraft, von der Welt weg - und zu GOtt hin - gezogen werden. Da dürfen wir glauben, dass der das gute Werk in uns angefangen, der wird es auch bestätigen und vollenden.
Wo nur der Geist wirkt, da erweist er sich als Geist der Gnade und des Gebetes, als Geist der Wahrheit und Weisheit, der unsere Gedanken immer mehr erleuchtet und heiligt, als Geist der Kraft und Stärke, der auch das Schwächste neu belebt, als Geist der Liebe, der durch die Liebe JEsu uns treibt und in uns wirkt, was keine Kraft der Natur zu wirken vermöchte. Durch den Geist sollen wir Tempel des lebendigen GOttes werden, an denen erfüllt wird, was JEsus im heutigen Evangelio sagt: „wer mich liebt, der wird mein Wort halten und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu Ihm kommen und Wohnung bei Ihm machen.“ Wenn der Vater und der Sohn in einem Herzen wohnt, da ist seliges, heiliges, himmlisches Leben!
Ach, Geliebte! wer sehnt sich nicht, so ein Tempel des heiligen Geistes zu sein, so in GOtt verklärt, so jetzt schon im Himmel! Wie viel will GOtt an uns tun durch seinen Geist! Wie schrecklich wäre es, wenn wir solcher Seligkeit uns selbst verlustig machten durch einen Sinn, der dem Geist den Zugang zu uns verwehrt, durch enge Selbst- und Weltliebe, durch Fleischeslust, Augenlust und hoffärtiges Wesen, durch Zorn, Neid und anderes, was gegen die Liebe ist, die wir Jedermann schuldig sind, oder auch durch zweifelnden, verzagten Unglauben, der GOtt nicht Alles zutraut. Nein! solche ungöttlichen Gesinnungen sollen uns nicht um den Segen betrügen, den der HErr durch seinen Geist auch heute uns zugedacht hat. GOttes Tempel wollen wir werden, an denen alle Tore offen stehen sollen, dass des Geistes Licht und Leben uns durchdringen und in GOtt uns verklären könne.
So wird dann der Geist einst auch unsere nichtigen Leiber verklären, dass sie in der Herrlichkeit des verklärten Leibes JEsu leuchten wie die Sonne, dort wo kein Tod mehr ist und kein Leid und kein Schmerz und kein Geschrei, dort wo GOtt abwischt alle Tränen von allen Angesichtern.
Auf diese Vollendung des Geisteswerkes blicken wir auch heute sehnsuchtsvoll hinaus und nicht für uns allein, sondern für Alles, was jetzt noch als Wüste und Einöde uns mit Schmerz erfüllt. Soll doch das Wasser des Lebens, das vom Throne GOttes in die Wüste ausgeht, so tief werden, dass man es nicht gründen kann und sollen doch selbst die toten Wasser Sodoms dadurch gesund und frische Lebenswasser werden (Ezech. 47.). Ja die ganze Erde soll noch vom Erkenntnis und der Ehre des HErrn wie mit Wellen des Meeres bedeckt werden; über alles Fleisch will der HErr seinen Geist ausgießen, damit Alles, was in Adam ins Fleisch und in den Tod gesunken, durch Christum wiedergebracht und in Geist und Leben erhöht werde.
O Ursprung des Lebens, O ewiges Licht!
Da Niemand vergebens Sucht, was ihm gebricht;
Lebendige Quelle, Die lauter und helle
Zum ew'gen Genusse für uns sich ergießt
Und in die begierigen Seelen einfließt;
Ach, gib mir zu trinken, Wie dein Wort verheißt.
Lass gänzlich versinken Den sehnenden Geist
Im Meer deiner Liebe, Lass heilige Triebe
Mich immerdar treiben zum Himmlischen hin;
Es werde mein Herze ganz trunken darin. Amen.