Ihm antwortete da der ehrenfeste Jünger,
Simon Petrus, und bat ihm zu sagen
Den lieben Herrn: „Was soll unser Lohn sein
Einst zur Vergeltung, daß wir um dein Jüngerthum
Eigen und Erbe und Alles verließen,
Haus und Hof, und dich zum Herrn erkoren,
Deiner Fährte folgten: was soll uns das frommen
Zu langem Lohne?“ Der Leute Fürst
Sprach da zu Simon: „Wenn ich zu sitzen komme
In erhabener Macht an dem herrlichen Tage,
Wo ich über alle Erdenvölker
Das Urtheil spreche, so sollt Ihr euerm Herrn
Zur Seite sitzen und der Sache walten,
Sollt über Israels Edelvölker
Nach ihren Thaten urtheilen: der Preis wird euch zu Theil.
Und wißt in Wahrheit, wer in dieser Welt
Um meine Minne sein mütterlich Erbe,
Das liebe, verläßt, deß Lohn ist schon hier
Ein hundertfältiger, falls er es treulich thut,
Mit lauterm Herzen: dazu wird ihm des Himmels Licht,
Das ewige Leben.“

Darauf begann
Der Gebornen Bester ein Bild zu sagen.
Wie ein vornehmer Mann in frühern Zeiten
Unter den Leuten lebte, der hatte lustsames Gut
Und Schätze gesammelt; auch sah man ihn stäts
In Gold gekleidet und köstlich Gewebe,
In prächtigen Schmuck; er prangt' im Hause
Mit überschwenglichem Gut; mochte sich gütlich beim Schmaus
Einen Tag wie den andern thun, sich trefflich pflegen,
Schwelgen und schlemmen. Da schwankt' auch ein Bettler,
Der am Leibe litt, Lazarus geheißen:
Der lag alle Tage vor der Thüre draußen,
Wo er den vermöglichen Mann in den Gemächern wuste,
Im festlichen Saale des Mals sich erfreun
Und beim Gelage liegen, dieweil hungernd harrte
Der Verarmte draußen. Hinein durft er nie,
Auch erbat es der Bettler nicht, daß man des Brotes hinaus
Ein Theil ihm trüge, das vom Tische nieder
Unter ihre Füße fiel. Er empfieng keine Gabe
Von dem Herrn des Hauses; nur seine Hunde kamen
Seine Leibwunden lecken, wo er da lag und litt
So heftigen Hunger, ohne daß ihm Hülfe ward
Von dem reichen Manne. Da erfuhr ich, daß Gottes Rathschluß
Dem armen Manne seinen Endetag sandte:
Eine Seuche mahnt' ihn der Menschen Traum
Aufzugeben. Gottes Engel
Empfiengen seine Seele und führten sie fort,
Bis sie in Abrahams Schooß des armen Mannes
Seele setzten, wo er immer sollte
In Wonne weilen. Da sandte das waltende Geschick
Auch dem reichen Manne die Endestunde,
Daß er dieß Licht verließ. Leidige Wichte
Versenkten seine Seele in die schwarze Hölle,
In den finstern Abgrund, den Feinden zur Lust,
Begruben ihn bei den grimmen. Da mocht er zu dem guten
Abraham aufschaun, den er da oben sah
In des Lebens Lusten, und Lazarus saß ihm
Selig im Schooße: süßen Lohn empfieng er
Für all die Armut. Aber der Reiche lag
In der heißen Hölle: In die Höhe rief er da:
„Vater Abraham! mir ist ängstlich Noth,
Daß du mir im Gemüthe milde werdest,
Lind in dieser Lohe: sende mir Lazarus her,
Daß er einen Tropfen mir trage in diese Tiefe
Lauen Waßers zur Labe, denn lebend brenn ich
Heiß in dieser Hölle. Deiner Hülfe bedarf ich,
Nur daß er mir kühle mit dem kleinen Finger
Der Zunge Brand, die nun gezüchtigt wird
Mit Elend und arger Qual für übeln Rath
Und leidige Rede: das lohnt sich mir nun alles.“ Da gab ihm Abraham Antwort, der Altvater:
„Beherzige nun, was hattest du einst
Wohlleben in der Welt! All die Wonne verbrauchtest du
Da gar an den Gütern, die dir jemals sollte
Vom Schicksal bescheert sein. Aber Schweres erduldete
In jenem Lichte Lazarus: des Leides hatt er viel,
Des Wehs in der Welt. Dafür wird ihm nun Wohl:
Er mag in Lusten leben, dieweil du Lohe duldest,
Lodernde Glut. Keine Linderung kommt dir
Von hier zur Hölle: sie hat der heilige Gott
So gefernt und befestigt, es fährt von hinnen Niemand
Durch die Düsterniss, die so dicht ist unter uns.“

Da sprach zu Abraham abermals der Reiche
Aus der heißen Hölle, und heischte von ihm,
Daß er den Lazarus doch in der Lebenden Mitte
Senden sollte, damit er dort sage
„Meinen Brüdern Botschaft wie ich hier brennend
Die Folter fühle. Ihrer fünfe leben mir
Noch fort im Volke: drum bin ich in Furcht,
Daß sie sich verwürken und auch in dieß Weh müßen,
In so gefräßig Feuer.“ Sofort entgegnete
Altvater Abraham: „Sie haben alle das Gesetz
Gottes im Lande, soviel der Leute sind:
Die Gebote Moses und dabei so mancher
Weißager Wort: wenn sie willig sind
Das zu halten, so müßen sie in die Hölle nicht,
In das Feuer fahren, wenn sie dem nur folgen
Was die gebieten, welche die Bücher lesen
Die Leute zu lehren, Wenn sie es nicht leisten wollen,
So hören sie auch nicht, wenn von hier erstehend
Ein Mann sie mahnt. Laß in ihrem Gemüthe
Sie selber wählen was sie süßer dünke
Zu thun und zu laßen, so lange sie am Leben sind,
Daß sie Uebles oder Gutes dereinst erlangen.“