Heliand - 31 - Die Speisung der Fünftausend

Heliand - 31 - Die Speisung der Fünftausend

Da fuhr das Gerücht
Ueber die Landschaft, wie der Lehrer Bester
Sich Anhang sammle in der öden Wildniss:
Das Volk fuhr hinzu, der Begierde voll
Nach den weisen Worten. Das war auch der Wunsch allein
Des Sohnes Gottes, daß er solch Gesinde
In das Licht Gottes laden dürfe,
Sich willig gewinnen. Der Waltende lehrte
All den langen Tag die Leute männiglich,
Der Auswärtigen viel bis daß am Abend
Die Sonne zum Sedel gieng. Seine zwölf Gesellen
Giengen zu dem Gottessohn und sagten dem guten,
Wie die Leute Noth litten, der Labe bedürftig
In der wüsten Wildniss: sie wüsten sich nicht zu fristen,
Die Helden, vor des Hungers Zwang. „Nun laß, guter Herr, sie ziehn
Wo sich Wohnungen finden. Nah sind bewohnte Burgen,
Vielbevölkerte, da finden sie Mundvorrath
In Weilern und Flecken.“ Da sprach der waltende Christ,
Der Fürst der Völker: „Ferne sei doch,
Daß sie der Speise wegen verlaßen sollten
Meine liebliche Lehre. Gebt den Leuten genug
Und gewinnt sie zu weilen.“ Da hielt sein Wort bereit
Philipp, der erfahrne Mann: „Zu Viele sind, zu groß ist
Der Menschen Menge. Und hätten wir für ihr Mal
Auch Geld zu geben, wenn wirs vergelten wollten,
Und der Silberstücke zusammen dafür
Zweihundert zahlten, zweifelhaft bliebe noch,
Ob auch nur Etwas auf den Einzelnen käme:
So wenig wärs so viel Leuten.“ Der Landeswart erwiederte
Und fragte sie beflißentlich,
Der Menschen Herr, was sich zum Male denn
Vorräthig fände? Der Frage entgegnete
Vor den Andern Andreas, dem Allwaltenden
Versetzt' er und sagte: „Wir sind auf der Reise
Ohne Vorrath ganz und gar; nur Gerstenbrote
Finden sich fünfe, und Fische zwei:
Was macht das solcher Menge?“ Da sprach der mächtige Christ,
Der gute Gottessohn, das ganze Gefolge
Sollten sie sondern und die Scharen setzen,
All das Volk, auf die Erde hin,
Ins grüne Gras. Den Jüngern gebot dann
Der Gebornen Bester, die Brote zu holen
Und die Fische zumal.

Das Volk harrte ruhig,
All die Gefolgschaft, dieweil durch eigne Kraft
Der Menschen Herr das Mal weihte,
Der hehre Himmelskönig. Mit den Händen brach er es,
Und gab es den Jüngern: sie sollten gehn, es dem Volke
Tragen und theilen. Die thaten nach des Herren Wort,
Brachten gern seine Gabe Jedem des Gefolges,
Eine heilige Hülfe. Unter ihren Händen wuchs
Den Männern die Mundkost. Die Menge mochte
In Lüsten leben. Alle Leute wurden
Satt, ein selig Volk, so viele sich gesammelt hatten
Auf weiten Wegen. Da hieß der waltende Christ
Seine Jünger gehen: „Gebet wohl Acht,
Daß die Ueberbleibsel nicht untergehen,
Sondern sammelt sie, wenn sie gesättigt hat
Der Menschen Menge.“ Da blieb des Males,
Der Kost so viel, daß man Körbe voll las,
Zwölfe zusammen. Das war ein mächtig Zeichen
Großer Gotteskraft, denn der Gäste Zahl war
Ohne Weib und Kind, der wehrhaften Männer
Fünftausend wohl. Das Volk erkannte da,
Im Gemüth die Männer, daß sie einen mächtigen
Herren hatten, so daß hoch den Himmelskönig
Die Leute lobten: „An dieß Licht kam nie
Ein weiserer Weißager, noch der Gewalt von Gott
In diesem Mittelgarten so große gehabt,
So schaffenden Sinn.“ Einstimmig sprachen sie,
Daß er würdig wäre aller Wonnegüter,
Und das Erdenreich sollte zu eigen haben,
Den weiten Weltthron, da er solche Weisheit habe,
So große Kraft von Gott. Sie wurden gänzlich eins
Daß sie zum höchsten Herrn ihn erhoben,
Zum Könige kören.

Das war dem Christ nun
Von wenigem Werthe, da er dieß Weltreich ja,
Erd und Himmel oben allein durch seine Kraft
Selber erschuf und seither erhielt
Mit Land und Leuten. Das leugneten freilich
Die wirren Widersacher, daß in seiner Gewalt stand
Der Königreiche Kraft und des Kaiserthums,
Und das letzte Weltgericht. So wollt er durch der Leute Spruch
Keine Herrschaft haben, der heilige Fürst,
Eines Weltkönigs würde. Mit Worten stritt er
Mit dem Volk nicht fürder, sondern fuhr, wohin er wollte,
Hinauf ins Gebirge. Der Geborne Gottes
Floh der Frechen Ruhmwort und befahl den Jüngern
Ueber den See zu segeln und beschied sie auch
Wie sie ihm wieder entgegen gehen sollten.

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/h/heliand/heliand_-_31.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain