Gerok, Karl von - Andachten zum Psalter - Psalm 21.
(1) Ein Psalm Davids, vorzusingen. (2) Herr, der König freut sich in deiner Kraft, und wie sehr fröhlich ist er über deiner Hilfe. (3) Du gibst ihm seines Herzens Wunsch, und weigerst nicht, was sein Mund bittet, Sela. (4) Denn du überschüttest ihn mit gutem Segen; du setzt eine goldene Krone auf sein Haupt. (5) Er bittet dich ums Leben, so gibst du ihm langes Leben immer und ewig. (6) Er hat große Ehre an deiner Hilfe; du legst Lob und Schmuck auf ihn. (7) Denn du setzt ihn zum Segen ewig; du erfreuest ihn mit Freuden deines Antlitzes. (8) Denn der König hofft auf den Herrn, und wird durch die Güte des Höchsten fest bleiben. (9) Deine Hand wird finden alle deine Feinde;. deine Rechte wird finden, die dich hassen. (10) Du wirst sie machen wie einen Feuerofen, wenn du darein sehen wirst; der Herr wird sie verschlingen in seinem Zorn; Feuer wird sie fressen. (11) Ihre Frucht wirst du umbringen vom Erdboden, und ihren Samen von den Menschenkindern. (12) Denn sie gedachten dir Übels zu tun, und machten Anschläge, die sie nicht konnten ausführen. (13) Denn du wirst sie zur Schulter machen; mit deiner Sehne wirst du gegen ihr Antlitz zielen. (14) Herr, erhebe dich in deiner Kraft; so wollen wir singen und loben deine Macht.
Ein Friedenslied haben wir vorhin gesungen, ein Friedenslied, das gedichtet ward am Schluss des längsten, blutigsten, schrecklichsten Kriegs, der je das deutsche Vaterland verheert hat, des 30 jährigen Religionskrieges von 1618 bis 1648. Wie es am Ende dieses Kriegs in Deutschland und besonders auch in unserem lieben Württemberg aussah, davon kann man die Beschreibungen nicht ohne Schauder lesen. Acht Städte und mehr als fünfzig Dörfer in Württemberg lagen in Asche, gegen hundert Kirchen waren Schutthaufen geworden; die Zahl der Einwohner des Landes war von 330.000 herabgeschmolzen auf 48.000, alles andere hatte teils das Schwert der wütenden Soldaten, teils Pestilenz und Hungersnot gefressen. Zu diesem leiblichen Elend kam die größte innere Verwilderung, welche das rohe Kriegsleben mit sich geführt hatte. Die Kirchen waren ohne Prediger, die Schulen ohne Lehrer, die Herzen ohne Zucht, ohne Trost, ohne Licht des göttlichen Worts und der Sakramente.
Da können wir es wohl begreifen, wie während solcher Kriegsdrangsale der edle Psalmist Gerhard in seinem Pfingstlied: Zeuch ein zu meinen Toren! so beweglich fleht zum Geist des Friedens:
Erhebe dich und steure
Dem Herzleid auf der Erd;
Bring wieder und erneure
Die Wohlfahrt deiner Herd;
Lass blühen wie zuvor
Die Länder so verheeret,
Die Kirchen so zerstöret,
Richt aus der Asch empor!
Da können wir es auch begreifen, wie er nach geschlossenem Frieden so fröhlich zur Harfe sang in seinem schönen Friedenslied:
Gottlob, nun ist erschollen
Das edle Fried und Freudenwort,
Dass nunmehr ruhen sollen
Die Waffen und des Krieges Mord!
Nimm, Vaterland, nun wieder
Dein Saitenspiel hervor,
Und singe Freudenlieder
Im hohen, vollen Chor!
Erhebe dein Gemüte
Zu deinem Gott und sprich:
Herr, deine Huld und Güte
Bleibt jetzt und ewig!
Ein solch fröhliches Sieges- und Friedenslied haben wir auch heut vor uns in unserem 21. Psalm. Er gehört zum vorigen wie die Scheide zum Schwert, oder wie eine Hälfte des Apfels zur andern. Haben wir im 20. Psalm den frommen Helden gesehen auf seinem Ausmarsch in den Krieg, wie er vorher seine Knie beugte im Heiligtum, um vom Herrn der Heerscharen seine Fahnen weihen, seine Waffen segnen zu lassen; so sehen wir nun denselben Helden, wie er wahrscheinlich aus demselben Krieg, in den er damals gezogen, siegreich heimkehrt und nun seine Sieges- und Ehrenkränze dankend niederlegt am Altare dessen, der ihm gegeben, was sein Herz begehrt und erfüllet hat alle seine Anschläge. Also Davids
Sieges- und Friedenslied
dürfen wir heute vernehmen und zwar abermals als Wechselgesang zwischen dem König und seinem Priesterchor.
1) Der Dank des Königs. V. 2-8.
Wem er dankt, das spricht er mit frohem Munde aus, V. 2 und 3. „Herr, der König freut sich in deiner Kraft, und wie sehr fröhlich ist er über deiner Hilfe.“ In deiner Kraft, über deiner Hilfe, schöne Worte, doppelt schön in eines Königs Mund, dreifach schön im Mund eines siegreichen Königs. Im Gedränge der Not, oder beim Beginn eines schweren und zweifelhaften Unternehmens, da hebt wohl der Mensch, da hebt auch oft ein Gewaltiger der Erde im Gefühl der Unsicherheit menschlicher Dinge bittende Hände auf zum Lenker der Welt; aber nach überstandener Not, im frohen Triumphgefühl des Siegs, auch da noch Gott die Ehre geben in aufrichtiger Demut, Gott den Sieg zuschreiben, und nicht eigener Kraft, eigener Weisheit, eigener Tapferkeit, eigenem Glück, das erst ist die rechte Probe eines echt frommen Herzens.
So hat der fromme Held Gustav Adolf, dessen wir neulich gedacht, als er auf seinen siegreichen Kriegszügen von dem dankbaren evangelischen Volk wie ein Engel des Himmels überall empfangen wurde, mit frommem Unwillen diese Ehrenbezeugungen von sich abgelehnt und die Leute gen Himmel gewiesen: Dem dort droben sollen sie danken. Und wenige Tage vor seinem Ende, als bei seinem Einzug in Naumburg das Volk ihn auch wieder fast abgöttisch verehrte und sich herzu drängte, nur seinen Fuß zu küssen, sprach er mit gepresstem Herzen zu seinem Hofprediger Fabricius: Ich sehe wohl, Gott wird entweder mich durch einen zeitlichen Tod wegnehmen, oder der Armee ein Unglück begegnen lassen: denn die Menschen verlassen Gott, werden sicher und setzen ihr Vertrauen auf mich, statt dem Himmel zu vertrauen und zu danken. Nicht uns, Herr, nicht uns, sondern deinem Namen die Ehre, das lasst uns nie vergessen, Geliebte, obs groß ist oder klein, was uns gelungen, obs eine gewonnene Schlacht ist oder das vollbrachte Tagewerk eines Hausvaters, einer Hausmutter, eines Knechts oder einer Magd. Dann dürfen wir auch auf des Herrn Segen hoffen und erfahren was David rühmt.
V. 3: „Du gibst ihm seines Herzens Wunsch und weigerst nicht was sein Mund bittet.“ Dieser Vers macht es besonders wahrscheinlich, dass unser Psalm eigentlich das Gegenstück des vorigen sei und am Schluss desselben Kriegs gesungen, an dessen Anfang der vorangegangene gedichtet ward. Denn dieser Vers weist fast wörtlich zurück auf den 5. Vers des vorigen Psalms, wo das Volk seinem König zurief: Der Herr gebe dir, was dein Herz begehrt, und erfülle alle deine Anschläge. Nun ist diese Bitte erhört, dieser Wunsch gewährt und mit frohem Danke gedenkt David des damaligen Gebets. Eine der seligsten Erfahrungen, liebe Freunde, ist die, wenn man so vom sichern Felsen, auf den einen Gottes starker Arm herausgestellt, zurückschauen darf in die Wogen der Trübsal, mit denen man kämpfte, wo einem das Wasser an die Seele ging. Ihr habts gewiss auch schon erfahren, dieses frohe Gefühl, wenn ihr am Abend eines Tages, vor welchem euch bange war, zurückblicktet auf den Morgen, den ihr mit Angst begonnen, oder am Schluss eines Jahres, das ihr kaum meintet durchmachen zu können, zurückschautet auf den Anfang, oder beim ersten Ausgang nach schwerer Krankheit zurückdachtet an euer Leidenslager und nun sagen dürft, um was ich damals gebetet, geseufzt, was ich kaum zu hoffen gewagt, siehe nun ists doch erfüllt: Der Herr hat mir meines Herzens Wunsch gegeben und mir nicht geweigert, um was mein Mund gebeten. Und was wirds erst sein, wenn wir drüben im Lichte der Ewigkeit erkennen dürfen, wie gut es der Herr gemeint, wie wohl es der Herr gemacht, wie er unsere Wünsche gewährt, unsere Bitten erhört, viel seliger als wirs gemeint und gewusst! Darum was betrübst du dich meine Seele und bist so unruhig in mir; harre auf Gott, denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist!
Nun fährt David fort zu danken. Noch mehr als er hoffte, und bat, hat ihm sein Gott gewährt. V. 4: „überschüttest ihn mit gutem Segen, du setzt eine goldene Krone auf sein Haupt.“ 2. Sam. 12 lesen wir, in einem Kriege wider die Ammoniter habe David die schwere, goldene, mit Edelsteinen besetzte Krone des Ammoniterkönigs erbeutet und auf sein eigenes Haupt gesetzt. Vielleicht ists eben diese Krone, für die hier David seinem Gott dankt.
Und so von seinem Gott gekrönt mit Gnade und Barmherzigkeit blickt nun David getrost in eine lange, heitere, glückliche Zukunft hinaus. Langes Leben hofft er von dieser Zukunft.
V. 5: „Er bittet dich um langes Leben, so gibst du ihm langes Leben immer und ewig.“ Der Gott, der aus der Kriegsgefahr Davids gesalbtes Haupt unversehrt heimgebracht und seinen Schild über ihm gehalten im Pfeilregen der Schlacht, der, so hofft der König, werde ihn nun auch in Ruhe und Frieden noch lange Jahre erhalten. Wenn er aber sagt: Du gibst ihm langes Leben immer und ewig, so hat hier David wohl an jene Verheißung gedacht 2. Sam. 7: Aber dein Haus und dein Königreich soll beständig sein vor dir und dein Stuhl soll ewig bestehen, und in dem königlichen Gedanken sich beruhigt, dass, wenn auch er selbst zu seinen Vätern versammelt sei, sein Name und sein Geschlecht noch fortblühen werde in seinen Nachkommen. Aber nicht nur langes Leben, auch Ruhm und Ehre, hofft er, habe sein Gott ihm vorbehalten in Zukunft.
V. 6: „Er hat große Ehre an deiner Hilfe, du legst Lob und Schmuck auf ihn.“ Was ist eines Königs echter bester Schmuck? Es ist nicht Krone und Zepter, nicht Purpurmantel und Ordensstern; sondern es ist der Schmuck, den Gott der Herr auf ihn legt, indem er ihn krönt mit seiner Gnade und ihn schmückt mit den Gaben seines heiligen Geistes, seinem Volke zum leuchtenden Vorbild. Das Lob, das über David gesprochen ward durch Samuels Mund: Er ist ein Mann nach dem Herzen Gottes, das ist sein schönster königlicher Schmuck, der ihn heute noch schmückt, nachdem von seinem Zepter und seiner Krone längst keine Spur mehr vorhanden. Die schönste Hoffnung aber, mit der David in die Zukunft blickt, ist die echt königliche Hoffnung, die er ausspricht V. 7: „Du setzt ihn zum Segen ewig, du erfreust ihn mit Freuden deines Antlitzes.“ Nicht sich selbst zur Lust sitzt ein frommer König auf dem Thron, sondern seinem Volke zum Segen. Und seinem Volke zum Segen zu sein lebenslang, von seinem dankbaren Volke gesegnet zu werden noch in ferner Zukunft, das ist der edelste Wunsch, der ein königlich Herz erfüllen, die schönste Hoffnung, die eine königliche Brust erheben kann. In solcher Aussicht schließt dann David V. 8. Mit dem schönen Glaubensbekenntnis voll Demut und voll Mut: Denn der König hofft auf den Herrn, und wird durch die Güte des Höchsten fest bleiben.“
Und nun
2) V. 9-14, nimmt man an, singt der Chor der Leviten.
Während der König selber in demütigem Dank aufwärts geblickt hat zu dem Gott in der Höhe, von dem die Hilfe gekommen, so blicken nun in der zweiten Hälfte des Psalms die Seinen voll Triumph abwärts auf die überwundenen Feinde, die Gott dem König zu Füßen gelegt und auch künftig zu Füßen legen werde.
V. 9: *Deine Hand wird finden alle deine Feinde, deine Rechte wird finden die dich hassen.“ Wie der Herr dir diesmal geholfen, so wird er auch künftig dir helfen gegen alle, die deines Reiches Frieden zu stören versuchen.
V. 10: „Du wirst sie machen wie einen Feuerofen, wenn du darein sehen wirst; der Herr wird sie verschlingen in seinem Zorn, Feuer wird sie fressen.“ Wie dürres Holz werden sie vergehen im Feuer deines Zorns oder vielmehr im Feuer des göttlichen Zorns.
V. 11: „Ihre Frucht wirst du umbringen vom Erdboden und ihren Namen von den Menschenkindern.“ Auch ihre Kinder und Kindeskinder sollen deine siegreiche Hand fühlen, wenn sie sich auflehnen wider dich.
V. 12: „Denn sie gedachten dir übles zu tun und machten Anschläge, die sie nicht konnten ausführen.“ Sie haben den Streit angefangen, sie haben die Fackel des Kriegs ins Land geschleudert, sie haben ihre Hand erhoben wider den Gesalbten des Herrn, darum sind ihre Anschläge gescheitert und werden scheitern. Des Königs und seines Volkes Sache aber ist eine gerechte, und darum eine siegreiche Sache.
V. 13: „Du wirst sie zur Schulter machen (wirst machen, dass sie dir den Rücken kehren, fliehen müssen), wenn du mit gespanntem Bogen gegen ihr Antlitz zielst.“ Und nun, damit es nicht scheine, als ob das Volk von seines irdischen Königs Hand das Heil erwarte, statt von der Hand des allmächtigen Gottes, zum Schluss noch die fromme Bitte:
V. 14: „Herr, erhebe dich in deiner Kraft, so wollen wir singen und loben deine Macht.“ Stelle du an unseres Reiches Grenze als Grenzwächter deinen Cherub mit dem flammenden Schwert, so wollen wir drinnen im Lande dir dienen im Frieden, dir singen mit Freuden. Ja Herr, auch wir stimmen mit ein: Erhebe dich in deiner Kraft, so wollen wir singen und loben deine Macht. Wir danken dir, treuer Gott, für die edle Gabe des Friedens, die du nun seit mehr als einem Menschenalter unserem Lande geschenkt, du wollest auch ferner dieses edle Kleinod uns bewahren. Ach es drohen freilich allerlei Feinde des Friedens von innen und von außen: Teuerung, Seuchen, Armut, Hunger, Aufruhr, Unglaube. Das sind lauter Feinde des Friedens und der Wohlfahrt, die drohend an unsern Grenzen stehen und durch unser Land schleichen. O Herr, gegen solche Feinde erhebe dich in deiner Macht, hilf deinem Volk, segne dein Erbe, erhalt uns Frieden und Wohlfahrt, dass wir ein stilles und ruhiges Leben führen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit.
Gib uns Frieden ins Land, Frieden ins Haus, Frieden ins Herz, bis wir einst eingehen in die ewigen Hütten des Friedens.
Du Herr hast selbst in Händen
Die ganze weite Welt,
Kannst Menschenherzen wenden,
So wie es dir gefällt;
So gib doch deine Gnad
Zu Fried und Liebesbanden,
Verknüpf in allen Landen,
Was sich zertrennt hat.
Amen.