Rieger, Carl Heinrich - Sacharia - Das zwölfte Kapitel.
Schon das vorhergehende Kapitel hat über die Zerstörung Jerusalems hinaus, ja bis in unsre heutigen Zeiten hineingereicht; nun füllen die drei letzten Kapitel im Propheten Sacharja vollends die künftigen Zeiten aus mit solchen Taten GOttes, die bei der Aufrichtung Seines Volks aus ihrem Unglauben und Verfall vorkommen werden. Die Beschreibung ist durchgehends so, dass man wohl sieht, diese Verheißungen sind noch nicht erfüllt, gleichwohl aber findet sich in den Werken GOttes eine solche Gleichheit, dass auch von diesen letzten großen Begebenheiten schon etwas Ähnliches zum Vorbild in früheren Zeiten geschehen ist. In der ganzen Vorstellung herrscht die doppelte Absicht: auf das gemeine Wesen und auf die Kirche oder Religion, wie Beidem solle aufgeholfen, die Feinde gedämpft, die Hindernisse gehoben werden.
I. Gewaltige Weissagung, wie sich GOtt in der letzten Zeit an der Errettung Jerusalems und Beschützung des unter seinem Volk wieder angerichteten Reichs verherrlichen werde.
1. Dies ist die Last des Worts vom HErrn über Israel, spricht der HErr, der den Himmel ausbreitet, und die Erde gründet und den Odem des Menschen in ihm macht:
Gegen die Hoffnung besserer Zeiten überhaupt, sonderlich aber der Wiederaufrichtung und Bekehrung Israels hat man die gemeinen Einwendungen: Es lasse sich eines Teils im Weltlauf noch so gar nicht dazu an; aber der Prophet sagt: GOtt wird seine Hand daran legen, wie an den Bau Himmels und der Erden; und andern Teils: der Juden selbsteigene Gemütsart und Gesinnung lässt noch nicht viel dergleichen vermuten; allein GOtt macht den Geist im Menschen, und wenn Er einmal mit Seinem Werk zu dieser Reife gekommen ist, so wird Er auch der Menschen Geist dazu schaffen.
2. Siehe, Ich will Jerusalem zum Taumelbecher zurichten allen Völkern, die umher sind; denn es wird auch Juda gelten, wenn Jerusalem belagert wird. 3. Dennoch zu derselbigen Zeit will ich Jerusalem machen zum Laststein allen Völkern; Alle, die denselbigen wegheben wollen, sollen sich daran zerschneiden: denn es werden sich alle Heiden auf Erden wider sie versammeln. 4. Zu der Zeit, spricht der HErr, will ich alle Rosse scheu, und ihren Reitern bange machen; aber über Jerusalem will ich meine Augen offen haben, und alle Rosse der Völker mit Blindheit plagen. 5. Und die Fürsten in Juda werden sagen in ihrem Herzen: Es seien mir nur die Bürger zu Jerusalem getrost in dem HErrn Zebaoth, ihrem GOtt. 6. Zu der Zeit will ich die Fürsten Juda machen zum feurigen Ofen im Holz, und zur Fackel im Stroh, dass sie verzehren, beides zur Rechten und zur Linken, alle Völker um und um. Und Jerusalem soll auch fürder bleiben an ihrem Ort zu Jerusalem. 7. Und der HErr wird die Hütten Juda erretten, wie vor Zeiten, auf dass sich nicht hoch rühme das Haus Davids, noch die Bürger zu Jerusalem wider Juda. 8. Zu der Zeit wird der HErr beschirmen die Bürger zu Jerusalem; und wird geschehen, dass, welcher schwach sein wird unter ihnen zu der Zeit, wird sein wie David; und das Haus Davids wird sein wie GOttes Haus, wie des HErrn Engel vor ihnen. 9. Und zu der Zeit werde ich gedenken, zu vertilgen alle Heiden, die wider Jerusalem gezogen sind.
Man spürt wohl, dass in dieser Weissagung viel Anderes vorausgesetzt wird. Denn Jerusalem wird schon wieder als eine angebaute Stadt, und Juda als ein mit Fürsten besetztes Land angesehen, und also vorgestellt, wie der Völker ihr letzter Grimm wider Jerusalem ablaufen, und wie GOtt durch ihre Niederlage seinen Namen verherrlichen werde. Denn auf das zielen zuerst die Gleichnisse, ein Taumelbecher, auf den man begierig und mit Lust, seine Rache und Durst zu kühlen, hinfällt, daran man sich aber den Tod trinkt; und ein Laststein, den man gern heben möchte, durch dessen Weghebung man seine Absichten erreicht zu haben meinte, den man aber so fest gegründet findet, dass man durch alle wider ihn angewendete Mühe nur sich selber Schaden tut. Und was zuerst in diesen Gleichnissen gesagt ward, das wird im Folgenden mit eigentlichen Worten noch mehr ausgebreitet. Aus Kap. 14, 14. ist zu schließen, dass die außer Jerusalem wohnenden Juden und ihre Fürsten selbst auch wider Jerusalem zu streiten werden gezwungen werden; aber mit was für einem Herzen, wird hier angezeigt, nämlich mit dem innerlichen Wunsch, dass die Einwohner Jerusalems nur getrost seien auf den HErrn, ihren GOtt, und also Seine Hilfe abwarten. Damit aber Niemand sich Fleisches rühme, so wird nicht der Widerstand, den Jerusalem und seine Bürger leisten, die Sache entscheiden, sondern der HErr selber wird eine Hilfe schaffen durch Feuer vom Himmel, Offenb. 20, 9., und wenn GOtt den Anfang so unmittelbar macht, so kann er auch die Fürsten Juda noch zu was brauchen, darunter sie wie eine Fackel in seiner Hand sind. Dann wird jeder Einwohner Jerusalems an Geist, Gaben und Kraft zu helfen sein, wie ehemals David in seiner königlichen Herrlichkeit. Das Haus David aber, und der um selbige Zeit aus demselben erweckte Regent wird merkliche Spuren an sich haben, dass er dem König aller Könige zur letzten Hülle seines Reichs diene, wie ehemals die Wolkensäule dem Engel, der vor ihnen herzog, zu seiner Hülle und Wohnung gedient hat, von wo aus des HErrn Herrlichkeit sich offenbarte.
II. Tröstliche Beschreibung, wie sich GOtt in Juda und Jerusalem wieder ein solches Volk bereiten wolle, an dem er sich in Gnade und Wahrheit verherrlichen könne.
10. Aber über das Haus Davids, und über die Bürger zu Jerusalem will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets: denn sie werden mich ansehen, welchen Jene zerstochen haben; und werden ihn klagen, wie man klagt ein einiges Kind; und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um ein erstes Kind. 11. Zu der Zeit wird große Klage sein zu Jerusalem, wie die war bei Hadad-Rimmon im Felde Megiddo. 12. Und das Land wird klagen, ein jegliches Geschlecht besonders. Das Geschlecht des Hauses Davids besonders, und ihre Weiber besonders. Das Geschlecht des Hauses Natans besonders, und ihre Weiber besonders. 13. Das Geschlecht des Hauses Levi besonders, und ihre Weiber besonders. Das Geschlecht Simet besonders, und ihre Weiber besonders. 14. Also alle übrigen Geschlechter; ein Jegliches besonders, und ihre Weiber auch besonders.
Hiervon hat sich gleich auf Golgatha etwas geregt unter dem Volk, das an seine Brust schlug; und da es den Zuhörern Petri aus seiner ersten Pfingstpredigt, Ap. Gesch. 2, durchs Herz ging, zu hören: JEsum, den ihr gekreuzigt habt, hat GOtt zum HErrn und Christ gemacht, so stands auch schon auf dieser Wurzel, aus welcher diese letzte schöne Frucht ausschlagen wird, wenn Israels letzte und volle Bekehrung auch mit solcher Reue angefangen wird. So behält also der Geist der Gnaden das zum vornehmsten Geschäft, JEsum zu verklären, die Decke wegzutun, die Verblendung der Sinne zu vertreiben, und als ein Geist des Gebets dann auch die rechten Sünden Bekenntnisse und gläubigen Erklärungen in Herz und Mund zu legen.
O GOtt, wie wenig achtet man insgemein auf Dein Werk und auf das Geschäft Deiner Hände; wie ist man um Dein Geheimnis und um die Vollendung desselben weniger bekümmert, als um den geringsten Welthandel; wie dunkel sind auch unsere Augen noch im prophetischen Wort. O lass doch unser Keines Teil sein bei den Ungläubigen, die dein Reich nicht wollen kommen lassen. dass wir zur bösen Zeit nicht unter die Verzagten geraten, die es mit der Hoffnung deines Reichs verloren, und den Weltmenschen gewonnen geben. Erneure und vermehre auch in uns die Gabe des Heiligen Geistes, zum würdigen Wandel in der Gnade und zum kindlichen Beten. Erhalte uns in weichem Sinn gegen deine Wunden, und in der Freudigkeit auf den Tag, da Andere erst werden heulen müssen, die sich desselben in Herzens-Härtigkeit so lang erwehrt haben.