Rieger, Carl Heinrich - Micha - Das vierte Kapitel.

Rieger, Carl Heinrich - Micha - Das vierte Kapitel.

Da hört nun der Prophet auf, die Gottlosen um ihres sündlichen Lebens willen zu strafen, und fängt an, das geringe Häuflein der Frommen zu trösten, auf dass sie in dem gemeinen öffentlichen Unglück hätten, womit sie sich trösten könnten, und solch Unglück alles durch die Hoffnung der zukünftigen Erlösung überwinden.

1. Auf die nächstvorgehende Drohung über Zion, Jerusalem, den Berg des Tempels, wird nun in einer ansehnlichen Verheißung dieser gesamten Stücke wieder im Besten mit großer Hoffnung gedacht.

1. In den letzten Tagen aber wird der Berg, darauf des HErrn Haus steht, gewiss sein, höher denn alle Berge, und über die Hügel erhaben sein. 2. Und die Völker werden herzulaufen, und viele Heiden werden gehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HErrn gehen, und zum Hause des GOttes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege, und wir auf seiner Straße wandeln; denn aus Zion wird das Gesetz ausgehen, und des HErrn Wort aus Jerusalem. 3. Er wird unter großen Völkern richten, und viele Heiden strafen in fernen Ländern. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen, und ihre Spieße zu Sicheln machen. Es wird kein Volk wider das andere ein Schwert aufheben, und werden nicht mehr kriegen lernen. 4. Ein Jeglicher wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen ohne Scheu; denn der Mund des HErrn Zebaoth hat es geredet. 5. Denn ein jegliches Volk wird wandeln im Namen seines GOttes; aber Wir werden wandeln im Namen des HErrn unsers GOttes, immer und ewig. 6. Zu derselbigen Zeit, spricht der HErr, will ich die Lahme versammeln und die Verstoßene zuhauf bringen, und die ich geplagt habe. 7. Und will die Lahme machen, dass sie Erben haben soll; und die Verstoßene zum großen Volk machen: und der HErr wird König über sie sein auf dem Berge Zion, von nun an bis in Ewigkeit.

Man hat bei dieser Stelle gute Gelegenheit, überhaupt den großen und so weit hinausreichenden Verheißungen und deren Gebrauch für jede Zeit nachzudenken. Die nächstvorhergegangene Drohung wurde zu den Zeiten des Königs Hiskiä ausgesprochen, wie Jerem. 26, 18. deutlich steht. Damals stand noch der erste von Salomo erbaute Tempel; es war aber nimmer gar weit dahin, dass er unter Nebukadnezar zerstört wurde. Bei selbigem Unfall über Jerusalem und den Tempel wird man wohl wie die Drohung empfunden, so auch an dieser Verheißung sich aufgerichtet haben, und unter der Sündennot und Sündenstrafe den Glauben erweckt und gestärkt haben. Mithin konnten manche gläubige Herzen selbiger Zeit sich unter der den Tempel und ihr Land treffenden Verwüstung an dieser großen Verheißung aufrichten, und damit blieb auch das gläubige Warten auf den Messias noch unter dem Juden-Volk. Die obige Drohung ist aber so scharf, dass sie durch das, was zu Nebukadnezars Zeiten vorging, nicht völlig erfüllt wurde. Dean der Tempel ist zwar verbrannt, aber doch nicht zur wilden Höhe geworden, vielmehr hatte noch einiges Besuchen dieser gottesdienstlichen Stätte Platz, wie aus Jerem. 41, 5. zu sehen. Aber eben so ist auch die Verheißung zu groß, als dass man sie durch die von Cyrus und Darius wieder verstattete Erbauung des Tempels völlig erfüllt achten könnte. . Denn wenn sie sich schon auch um selbige Zeit mit dieser Verheißung und mit allem Herrlichen, das ihnen der HErr von diesem zweiten Tempel sagen ließ, zu ihrem Werk daran werden ermuntert haben; so zeigte doch der Erfolg, dass weder Jerusalem noch der Tempel zu demjenigen Flor kam, wie solcherlei Verheißungen anzeigten. Unter den Heiden, allermeist den Samaritern war viel Neid über den Tempelbau, unter den Juden selbst viel Unordnung, daraus neue Bedrückungen mit viel Entheiligung des Tempels zu den Zeiten der Maccabäer entstanden; dadurch wurde jedes aufmerksame Herz mit der erwünschten Erfüllung solcher Verheißungen weiter hinaus gewiesen. Endlich kam Christus, durch dessen Gegenwart wurde freilich Jerusalem und der Tempel herrlich, und es gingen große Dinge in Jerusalem vor bis auf die Ausgießung des Heiligen Geistes und den Anfang der Predigt des Evangelii, da wird wieder unter allen Gläubigen manche Achtung auf diese Verheißung und deren volle Erfüllung gewesen sein. Aber der Erfolg hat wieder gezeigt, dass um selbige Zeit nicht Alles so herwieder gebracht und hergestellt worden ist, wie GOtt geredet hat durch den Mund Seiner heiligen Propheten. Der Tempel zu Jerusalem wurde bald nach den Zeiten Christi wieder zerstört, und Jerusalem so zertreten, als vorher nie geschehen war. Das Reich GOttes wurde von den Juden genommen und den Heiden gegeben. Unter denselben brachte es zwar hier und da Frucht, doch kam das in der Welt nicht heraus, was nach diesen Weissagungen zu erwarten ist. Anfangs drückten die heidnischen Verfolgungen die christliche Kirche hart; als unter den ersten christlichen Kaisern schien Ruhe anzugehen, so nahm hingegen die innere Kraft, Eintracht und Rechtschaffenheit merklich ab, und über eine Weile wurde unter dem Namen GOttes und Christi ein weltmäßiges, fleischliches, der Art des Reiches GOttes ganz widerliches Reich in der Kirche Christi aufgerichtet, dadurch viel Menschliches wider die Gebühr erhoben, und viel göttliche Wahrheit verdrängt wurde. Dadurch ward, wie vielem Guten, also auch der Belehrung der Juden und anderer Völker immer mehr Hindernis gemacht; statt dass Juden und Heiden nun wüssten, wohin sie sich zu halten, und wo sie die Wahrheit zu suchen hätten, werden sie durch die Trennungen und Ärgernisse der Christen aufgehalten, und statt der heilsamen Lehre GOttes wird ihnen allerlei Gräuel von Babylons Huren Wein angeboten. Auch in unsrer eignen Kirche und bei der köstlichen Gewissensfreiheit, zu welcher uns GOtt geholfen hat, ist doch das Reich GOttes aller Orten vom Weltreich und Weltgeist eingeschränkt und unterdrückt, man kann nicht mit der geringsten Zucht aufkommen, viel weniger, dass man das Reich GOttes in der Macht spüren könnte. Mithin wird man auch noch heutigen Tage mit der Hoffnung weiter hinausgewiesen, und je größer die Not wird, je besser können einem solcherlei Verheißungen zu statten kommen. Auch wenn GOtt unsre Evangelische Kirche noch weiter und verderblicher. heimsuchte, so müsste das unser Trost sein, dass wenn GOtt abbricht, was Er Selbst gebaut hat, Er alle lebendige Steine anderwärts zu Seinen Absichten brauchen werde. Die Gewissheit des Israelitischen Glaubens im Alten Testament, und die Festigkeit aller göttlichen Verheißungen durch die Propheten, hat zu allen Zeiten zur Bestätigung des christlichen Glaubens gedient, und so sollen uns alle für Zion, Jerusalem und den Tempel noch aufgesparte Verheißungen nicht fremd noch gleichgültig sein, sondern wir sollen es als das Ziel von unserer Christen-Hoffnung ansehen, als das, was Gelegenheit machen wird, dass noch auf der ganzen Erde JEsus hochgelobt werde!

II. Der Prophet ist bemüht, diese herrliche Verheißung zu bestätigen und noch näher auf Jerusalem anzuwenden, besonders aber zu verwahren, dass man die viele Not, durch die es vorher hindurch musste, sich nicht irren ließe.

8. Und du Turm Eder, eine Feste der Tochter Zion, es wird deine goldene Rose kommen, die vorige Herrschaft, das Königreich der Tochter Jerusalem. 9. Warum hängest du dich denn jetzt an andere Freunde? Ist der König nicht bei dir? Und sind deine Ratgeber alle hinweg, dass dich also das Weh angekommen ist, wie eine in Kindesnöten? 10. Lieber, leide doch solches Wehe, und krächze, du Tochter Zion, wie eine in Kindsnöten. Denn du musst zwar zur Stadt hinaus, und auf dem Felde wohnen, und gen Babel kommen; aber doch wirst du von dannen wieder errettet werden, daselbst wird dich der HErr erlösen von deinen Feinden. 11. Denn es werden schier sich viele Heiden wider dich rotten, und sprechen: Sie ist verbannet, wir wollen unsere Lust an Zion sehen. 12. Aber sie wissen des HErrn Gedanken nicht, und merken feinen Ratschlag nicht, dass er sie zuhauf gebracht hat wie Garben auf der Tenne. 13. Darum mache dich auf und dresche, du Tochter Zion. Denn ich will dir eiserne Hörner und eherne Klauen machen, und sollst viele Völker zerschmeißen: so will ich ihr Gut dem HErrn verbannen, und ihre Habe dem Herrscher der ganzen Welt. 14. Aber nun, du Kriegerin, rüste dich; denn man wird uns belagern, und den Richter Israels mit der Rute auf den Backen schlagen.

Wo kein oder wenig Glaube im Herzen ist, und die Menschen noch mit vieler Hochachtung des Irdischen behaftet sind; da gibt es manche zu frühzeitige und über den Verlust äußerlicher Vorteile allzu empfindliche Klagen, dagegen man oft auch bezeugen muss, es kann und wird noch weiter. im Äußerlichen herunterkommen, und GOtt wird Seine Verheißung gleichwohl nicht lassen fehlen, sondern zeigen, dass Er die Gedanken der Völker wenden, Seinen Rat aber bestehend machen kann. Unser Herz versenkt sich entweder in die Not hinein, und vergisst darüber der Verheißung und des Trostes; oder wenn es ein Ohr zur Verheißung neigt, so meint es, es dürfe nichts Widriges dazwischen kommen. Wer Verheißungen und Drohungen GOttes zumal vor dem Gesicht hat, der kann erst etwas vom Rat des HErrn im Regiment der Kirche und der Welt merken. Es geht wohl schwächlich zu; doch muss GOttes Reich kommen. Halte fest, und leide dich; es muss das Kreuz die Kirche Christi gebären.

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autoren/r/rieger_k/12_kleine_propheten/micha/rieger_-_micha_4.txt · Zuletzt geändert: von aj
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