Brenz, Johannes - Die ander Sermon von Maria und Martha,
hält inn 1): Wie man Gott rechtgeschaffen dienen soll. Evangelion Lucä 10 2).
„Jesus gieng in einen Markt, da war ein Weib mit Namen Martha, die nahm ihn auf in ihr Haus, und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria, die setzte sich zu seinen Füßen und hörte seiner Rede zu.“
Christus vergleicht nit unbillig das Reich Gottes oder Evangelium einer Perle, die auswendig anzusehen klein und unachtbar, aber an Werth und Würde köstlich ist – wie denn dies gegenwärtig Evangelion von Maria und Martha eine kurze kleine Historie scheint, aber gibt köstliche gute Lehr: nämlich von der Gastfreiheit und von dem rechten Dienst Christo zu beweisen.
Erstlich haben die zwo Schwestern Martha und Maria ihre Liebe sonderlich gegen Christo erzeiget mit der Gastung. Christus ist oft ihr Gast gewesen, er hat sie auch vor andern geliebt und heimgesucht; sie haben aber sein nicht groß ehr von der Welt gehabt, und ohn Zweifel sind sie der Gastung Christi halb in Gefahr Leibs, Ehre und Guts gestanden. Denn, wie Johannes schreibet, war Christus kürzlich vor dem, ehe er Lazarum ihren Bruder von den Todten auferweckt, dem Versteinigen entronnen und bald hernach von der Obrigkeit zu Jerusalem beschlossen und über ihn Kundschaft gemacht, daß man ihn fahen sollt, wo er mocht recht ergriffen werden. Darzu bemeldt Johannes, daß die Bischöfe darnach trachteten, wie sie auch Lazarum tödteten. Dieweil nun die zwei Schwestern einen solchen Menschen beherbergten, der in Bann und Acht erkannt, jetzung zu dem Tod gesucht ward, haben sie freilich müssen gleiche Gefahr mit ihm bestehen. Es geht ja gemeiniglich der Wirt mit den Gästen. Haben die Bischöfe auch nit Lazari verschonen wollen, sondern ihn in den Tod verurtheilt, wird wol gemerkt, daß seine Schwestern von Christi wegen sich haben müssen auf das aller wenigst der Ehr, des Gutes und ganzen Lands „verwegen“ 3). Es gehet also zu: wer viel mit Christo will zu schaffen haben, der wird in dieser Welt nit groß Ehr und Gunst erlangen. Wiewol aber Christus seiner Gastung halb mit ihm bringt vor der Welt Schand und Schmach, so läßt er doch hinter ihm ein gut Bezahlung und Kostgeld. Er spricht: wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Das sind nit menschliche Ehrenworte und Zusagung, sondern lebendige Gotteswort, die ihren Nachdruck auf dem Rücken tragen. Wie möchte er nun theurer seine Kost bezahlen, dann mit einem gnädigen himmlischen Vater, den er nach ihm 4) beiden Weibern Marthä und Mariä zur Letze 5) läßt?
Die Kost 6) der Speise ist das Geringste an der Gastung, wird auch mit Geld und zeitlichem Gut bezahlt. Aber das freundliche getreue Herz, daraus des Kosten Mittheilen fleußt, ist das Allerköstlichste, mag auch mit keinem andren Gut, dann mit dem ewigen, das ist Gott, aller Güter Schatz, bezahlt oder begnügt werden. Der heilige Apostel schreibt also zu den Hebräern: Gastfrei zu sein vergesset nicht; denn durch dasselbige haben etliche ohne ihr Wissen Engel beherbergt. Abraham saß an der Thür seiner Hütte, da der Tag am heißesten war. Er sahe drei Männer gegen ihn stehen, lief ihnen entgegen, bittend, sie sollten bei ihm Herberg suchen; der Tag wäre heiß, er wollt ihnen Wasser bringen, die Füße waschen, einen Bissen Brot geben und darnach sie fortgehen lassen. Was geschahe? Die Gäste blieben, Abraham bereitet eilends ihnen ein Mahl, wie denn die Liebe sich nit lang besinnt, erwählt nit das Aergste 7), sondern dienet in der Einfältigkeit. Was geben sie ihm aber für Kostgeld? Es war die Freundschaft, die er ihnen bewiesen, nicht mit Geld zu bezahlen. Darum hinterließen sie dem Abraham ein gnädig Wort und Zusagen Gottes, sprechend: über ein Jahr, nach der Zeit da die Frucht leben kann, will ich wieder zu dir kommen, so soll Sara dein Weib einen Sohn haben. Dies Wort war Abrahä lieber denn Silber und Gold. Es jammerte ihn lang nach einem Sohne, der ward ihm hie mit dem Wort gegeben und heim getragen. Noch war der Bezahlung kein End: als die Männer aufstunden, wandten sie sich gegen Sodoma und da Abraham sie geleitet, was ließen sie hinter ihnen für eine Letze? 8) Folget gleich hernach: Abraham blieb stehen vor dem Herrn, daraus wol zu erlernen ist, daß die Männer dem Abraham in ihrem Abschied den Herrn zu einer Gab gelassen haben, der dann auch ihm anzeigt, was zukünftig Uebel vorhanden wär über Sodoma und Gomorra. War das nit eine köstliche Verehrung der Gastfreiheit? Vielleicht möchte man die Verehrung für eine sonderlich Gab Abrahä zurechnen, wann es nit auch andern gleicherweise bewiesen wär worden. Dann Loth, ein Freund Abrahä, hab eben solch Gab seiner Gastfreiheit halb empfangen. Als zween Engel gen Sodoma giengen, sie ihrer Büberei halb zu verderben, führet sie Loth, unwissend, daß sie Engel waren, in sein Haus, macht ihnen ein Mahl, buck ungesäuerte Kuchen etc. Was geben sie ihm zu Lohn? Die Männer ergriffen ihn und sein Weib und seine zwo Töchter bei der Hand, darum daß der Herr sein verschonen wollt’, und führeten ihn hinaus; daß ließ der Herr Schwefel und Feuer regen auf Sodoma und Gomorra und kehrte die Städte um. Wie mochte dazumal dem Loth eine größere Verehrung seines Kostens halb, den er mit den Männern gehabt, geschehen sein? Es waren gute Gäste, sie ließen dem Loth für die Zehrung einen gnädigen Gott und sein und der zwei Töchter Leben.
Elias ward in der Theuerung vom Wort des Herrn zu einer Wittfrauen in Zarpath, ihr Gast ein Zeitlang zu sein, geschickt. Als sie ihn zu Gast aufnahm und doch nicht mehr hatte, denn eine Hand voll Mehls und ein wenig Oels im Krug: was ward ihr für ihre Gastfreiheit? Elias sprach zu ihr: fürchte dich nicht! also spricht der Herr Gott Israels, das Mehl soll nicht all werden und dem Oelkrug soll nicht mangeln bis auf den Tag, da der Herr regnen lassen wird auf Erden. Und das Mehl ward nicht all und dem Oelkrug mangelt Nichts nach dem Wort des Herrn. Es wär wol genügsam an dreyen, nämlich Abraham, Loth und Elia angezeigt, was Gunst der Herr trüge zu einer göttlichen Gastung. Jedoch zu mehrer Versicherung des Glaubens ist auch als Werk Gottes durch den Propheten Elisa kundbar gemacht, als er einkehrte gen Jericho und blieb eine Zeit lang da. Dieweil nun in der Stadt bös Wasser und das Land unfruchtbar war, ließ er in ihrer Herberg eine Dankbarkeit und sprach: so saget der Herr, ich habe dies Wasser gesund gemacht, es soll hinfort kein Tod noch Unfruchtbarkeit daher kommen. Also ward das Wasser gesund. Ließ sich aber nit Gott genügsam gegenwärtig sehen, durch Gesundheit des Wassers von wegen der Gastfreiheit, damit die Bürger in Jericho den Elisa gehalten haben? Elisa gieng auch gen Sunem. Daselbst war ein reich Weib, die hielt ihn auf, daß er bei ihr aß, und so oft er nun daselbst durchzog, gieng er zu ihr ein und aß bei ihr. Was ward aber ihr von ihrer Gastung? Sie hatte einen Mann, war jedoch unfruchtbar und begehrte auf Erden nichts anders denn eines Sohns. Der ward ihr durch’s Herrn Wort verheißen und gegeben. Nachmals starb der Sohn und er ward durch das Gebet Elisa zu dem herrn wiederum vom Tod auferweckt. Sind aber das nit köstliche Gaben der Gastfreiheit? Wie hat sich Gott so herrlich von der Gastung wegen merken lassen!
Eben also ists ergangen den zweien Schwestern Mariä und Marthä. Ihr Bruder Lazarus starb; da genossen sie ihres Gastes Christi (wiewol sie auch sonst nit wenig Ehr oder zeitlichen Nutzen davon hatten), der weckt ihn wiederum vom Tod auf.
Nun ist das alles nit zu verstehn, daß Gott solche Verehrung thue der Gastfreiheit von des äußerlichen Werks wegen, dieweil doch vor Gott kein Werk weder zur Frömmigkeit, noch zu Verdienst gilt, sondern von wegen des Grundes, welcher ist Glaube und Liebe, daraus die Gastfreiheit als eine Frucht entspringet. Denn so der Glaube Gott und alle seine Güter im Wort faßt und die Liebe sich offenkundig um Gottes Willen an dem Nächsten merken läßt 9), fügt es sich wol zusammen, daß Gott im Glauben besessen und durch die Liebe bekannt, sich auch offenkundig gegen dem Gastfreien lasse mit einer Gutthat merken, auf daß männiglich gewiß werde, was man an Gott hab, so man seinem Wort folgt. Es möchte eins sprechen: dieweil jetzt die Propheten gestorben und auch Christus gen Himmel gefahren ist, wie mag man denn jetzung sie zu Gast aufnehmen? Antwort: Christus, wiewol er gen Himmel ist gefahren und sich den sichtbarlichen Augen entzogen hat, so stellt er sich doch einem jeglichen Christen sichtbarlich dar in den Seinen, in den Arbeitseligen und Dürftigen, wie er selbst spricht: Wer dieser Geringsten einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränkt in eines Jüngers Namen, wahrlich sag ich euch, es wird ihm nit unbelohnt bleiben. Und an einem andern Ort: Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist, durstig und ihr habt mich getränket, ich bin Gast gewesen und ihr habt mich geherbergt etc. Wahrlich sag ich euch, was ihr gethan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir gethan. Es geschieht auch nicht vergebens, daß Christus eben der Weiber Gast wird und von ihnen Handreichung der Nahrung empfangen hat, wie Lucas schreibt, daß Maria Magdalena und Johanna das Weib Chusa, des Pflegers Herodis, und Susanna und viel andere ihm nachfolgeten und thäten ihm Handreichung von ihrer Hab. Dazu ist er nach seiner Urstend 10) zum ersten den Weibern erschienen. Denn die Weiber haben einen schweren Fluch und Vermaledeyung nach der Sünd im Paradies empfangen. Wie nun Christus sich zu den Sündern und Publicanen 11) gesellt hat, sie von ihren Sünden zu weisen und zu erlösen: also hat er sich fürderlich der Weiber angenommen und damit zu verstehn gegeben, daß er sie von ihrem Fluch und Vermaledeyung durch seine Geburt erlöst habe und der Schmerz in Kindesbanden kein Mittel mehr sei zu der Weiber Verderbniß wie vor Christo, sondern sei vielmehr ein gebenedeit Kreuz, dadurch sie selig werden, wann sie bleiben im Glauben, Liebe, Heiligkeit und Zucht, wie Paulus schreibet.
Folget weiter im Evangelio: „Martha aber machte ihr viel zu schaffen, ihm zu dienen, und sie trat hinzu und sprach: Herr fragst du nicht darnach, daß mich meine Schwester läßt allein dienen? Sag ihr, daß sie es doch auch angreife. Jesus aber antwortete und sprach zu ihr: Martha, Martha, du sorgest und bekümmerst dich mit viel Dingen. Nur eins ist noth, Maria hat ein gut Theil erwählt, das soll nicht von ihr genommen werden.“
Martha ist geschäftig in der Arbeit, Maria sitzt still und hört das Wort Christi. Nun hangt noch an der Martha die Art der Natur der Eva, welche alleweg besorgt, sie schaff zu viel, sie müss’ die Arbeit allein ausrichten, gehet hin zu Christo, verklaget ihre Schwester, begehrt, die soll vom Hören lassen und helfen schaffen. Christus schweiget 12) sie, sprechend: Martha, du sorgst und bekümmerst dich mit viel Dingen, nur eins ist noth etc.
Es ist bisher 13) der beiden Schwestern Thun ausgelegt worden auf das „schauerlich“ 14) und das wirkliche Leben. Wär wol nit übel geredt, wenn es nit übel verstanden würde. Der Mißverstand machet die Rede arg: denn „schaulich“ wird gedeutet auf die geistlichen Nonnen, „wirklich“ aber auf die ehelichen Weiber, gleich als hätten die geistlichen (wie bis hieher genannt) allein das Guttheil mit Maria auserwählt, und wären die ehlichen Weiber ihres Ehestands halben sträflich, wie Martha von Christus gestraft wird. Wo wirklich das bestände, so wären die ehelichen Weiber alle verloren als diejenigen, die das Guttheil, welches Christus allein nöthig heißt, nit erwählten. Er spricht ja: Eines ist nöthig, dasselbige hat Maria erwählt. So nun das Maria das beschauliche, bis hieher geistlich genannte Leben bedeutet, wär ohne Zweifel der Geistlichen Ordensleben einem Jeglichen von nöthen. Wie fein sich aber dies mit dem christlichen Beruf, der an keine Zeit, Staat, Kleid, Speis’ und äußerlichen Schein gebunden ist, vergleiche (vertrage), ist sonst genügsam kundbar.
Wohlan! die zwey Schwestern unterstehn sich beide, Christo zu dienen. Martha mit dem sorgfältigen Geschäft, Maria mit dem fleißigen Hören. Oder wenn man ganz eigentlich davon reden will, so dienet Martha allein dem Herrn Christo; aber Maria sitzt still und läßt ihr den Herrn Christum mit dem Predigen dienen. Nun wird Mariä Stillsitzen weit höher über das Geschäft Marthä gepriesen, als das einig nöthig Stück und Guttheil: denn es ist die größte, höchste, nöthigste Kunst eines Christen nit zu dienen, sondern können ihm dienen lassen. Der weise Heide Bias spricht: Niemand kann herrschen, er könne denn vorhin dienen und gehorsam sein. Bei den Christen muß der Spruch umgewandt sein: Niemand kann Christo rechtschaffen dienen, er lerne denn vorhin herrschen und könne ihm von Christo dienen lassen. Christus sagt: Ich bin nit kommen, daß man mir diene, sondern daß ich diene. Das ist kein leer Wort, die Wahrheit redet’s, es ist Ernst: der Herr ist eigentlich und ernstlich darum kommen, daß er will dienen. Die Gleißner sind geschäftig, wollen Christo vielfältig dienen, die rechtschaffnen Christen lassen Christum, wie er selbst begehrt, ihnen dienen. Gleich als ein am Leib Kranker, je mehr er ihm von den kundigen Aerzten und Gesunden dienen läßt, desto größere Hoffnung seiner Gesundheit empfangen wird, ein unsinniger tauber Mensch läßt ihn nit dienen, reißt um sich, wirft hinweg, was man ihm Gutes thut, derhalben auch nit groß Zuversicht seiner Gesundheit vorhanden ist: also auch dieweil wir alle in Adam tödlich krank sind worden, haben wir keinen andern Trost noch Hilfe der Gesundheit, denn daß wir uns Christum den Heiland lassen dienen. Petrus, als der Herr ihm wollt dienen und die Füß waschen, weigert er sich desselbigen, wollt ihm nit dienen lassen und sprach: Herr sollst Du mir meine Füße waschen? nimmermehr soll es geschehen! Petrus wußte noch nit die rechte Kunst, daran man lernet Gott dienen, welche ist, ihm vorhin lassen von Gott dienen. Darum ihm auch theuer genug angeboten ward, denselbigen Dienst zuzulassen. Denn Jesus antwortet ihm: werde ich dich nicht waschen, so hast du kein Theil mit mir. Er will sprechen: wer ihm nit vorhin dienen läßt, der wird nimmermehr mir mögen 15) rechtschaffen dienen oder göttlicher Güter theilhaftig werden.
Daher kommt es, daß Gott so streng und hart in dem Gesetz den Sabath geboten hat, sprechend: wer ein Geschäft thut am Sabathtag, soll des Tods sterben, er soll ausgerottet werden von seinem Volk Sabath heißt zu deutsch Ruh- oder Feiertag. Nun ist’s gewiß, daß das Gesetz nit eigentlich dringt auf den äußerlichen Sabath, welcher ein Zeit lang den Juden nit zum Heil oder Frömmigkeit gegeben war, sondern zu einem Zeichen, daran man lernen sollt, daß der Herr allein der sei, der uns heilige oder diene. Wir haben alle von unsern Eltern, von Adam her ein seltsam bös Handwerk gelernt, nämlich sündigen, Unrecht thun, unglaubig sein etc. Dieweil nun Christus, der ander Adam erschienen ist, wird uns befohlen, den Sabath zu halten, nämlich daß wir unser Handwerk, vom ersten Adam gelernt, lassen stehen und lassen den andern Adam sein Geschäft und Handwerk (welche sind Liebe, Freude, Friede, Langmuth, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmuth, Keuschheit) durch uns als seine Werkzeuge ausrichten. Also ist von keiner andern Ursach wegen der Sabath im Gesetz geboten gewesen, denn daß männiglich daran als an einem Zeichen lernt, wie die höchste Kunst sei, können Gott lassen durch uns wirken, uns dienen oder heiligen 16). Und wann man dem ganzen Gesetz recht unter die Augen will sehen, so gibt es mit seinem Zürnen, Pochen, Gebieten und Verbieten nichts anders zu verstehn, denn daß wir Gott in uns lassen thun und wirken, was das Gesetz gebeut oder verbeut. Als nämlich, so das Gesetz spricht: Du sollst nit tödten, stehlen, fremden Guts begehren etc. ist es nit seine Meinung, daß wir durch unsere Kräfte seinen gründlichen Befehl könnten thun. Denn Paulus spricht: Das Gesetz tödtet und zeigt allein die Sünde an. Dieweil es aber allein die Sünd anzeigt und uns tödtet, wie sollt es dann uns Vermöglichkeit geben, Gutes zu thun und die Sünde abzulegen? Sondern das ist des Gesetzes Meinung, daß es uns von uns und ihm selber zu Christo weise und denselbigen uns dienen lasse, ja in uns wirken lasse, was es erfordere. Es spricht zu allen Menschen: Du sollst nit tödten, nit stehlen etc. Ist so viel gesagt: Jetzung bist du neidig, hässig, zornig, rachgierig, Todtschläger, Mörder, eigennützig, geizig, Betrüger, Finanzer etc.; harr, gehe der Ding 17) müssig! Wer nun müssig geht, dem muß man dienen. Darum so das Gesetz uns heißet müssig gehen von den bösen Werken, will es zu verstehn geben, daß wir sollen Gott mit den guten Werken lassen dienen, und wie wir gestattet haben, daß das Fleisch in und durch uns allerlei Sünd hat angerichtet: also sollen wir gestatten, daß forthin Christus allerlei gute, rechtschaffene Werke in und durch uns anrichte. Derhalben die Wahrheit bleibt, daß Niemand recht Christo mag dienen, er könne denn vorhin Christum ihm dienen lassen. Christus spricht: welcher unter euch der größte will sein, der wird euer Diener, denn je größer Herr, je größer Knecht. Dieweil nun Christus der größte Herr über alle Könige und Kaiser, ja alle Kreaturen gesetzt ist, so ist er auch der größte Knecht. Aus seiner großen Herrschaft kommt ihm eine große Knechtschaft zu erfüllen alles in allen Dingen. Ist es nit eine große Knechtschaft, daß er auch auf die Häärlein unseres Hauptes Acht hat und Sorge trägt? Christus hat die höchsten Gaben über alle Kreaturen empfangen von Gott seinem Vater, nämlich Heiligkeit, Weisheit, Gerechtigkeit und Erlösung. Nun machen die Gaben im christlichen Wesen nit zu einem großen Herren, wie es zugeht in weltlicher Policey, sondern je größer die Gaben sind, je größer sie Diener machen. Dieweil denn Christus seiner Herrschaft nach der größt Knecht ist worden, so kann man ihm keine größer Reverenz und Dienst beweisen, man nehme denn von ihm gutwilliglich auf seinen Dienst und sein Wohlthun. Daher sagt er auch von seinen Landsleuten: Ein Prophet hat nirgend weniger Ehr denn daheim und bei den Seinen. Christus begehrt keiner leiblichen Ehr und Dienstes von den Seinen; er begehrt nicht von ihnen, daß sie gegen ihm Kappen sollten abziehen oder auf Kniee fallen, sondern daß sie seinen Dienst und Wohlthun mit Glauben empfangen. Er kam zu ihnen, die Kranken gesund zu machen, das ist ihnen zu dienen, aber er machte ihrer wenig gesund – was hindert’s? Sie nahmen sein Dienen mit Glauben nicht auf und verachteten sein Wohlthun. Aber Maria, die Schwester Marthä, sitzt still, läßt ihr dienen. Das ist Christo der höchste und uns der nöthigste Dienst, wie er sagt: Eins ist von Nöthen, was ist das? Christum dienen lassen und seinen Dienst aufnehmen. Wie läßt man aber Christum dienen und wie nimmt man seinen Dienst auf? Christus dient mit dem Wort. Er ist ja selber das ewig Wort Gottes und hat allein durchs Wort alle Gesundheit und Wunder gewirkt. Aber man läßt ihn dienen, wann man das Wort hört, und nimmt seinen Dienst auf, wann man das Wort mit dem Herzen glaubt. Also werden diese zwey Stücke für eins gezählt: Christi Wort hören und glauben. Das einig ist uns das allernöthigste und ist eben das Guttheil, so Maria erwählt hat. Wer nun Christo dienen will, der muß ihm vorhin mit diesem einigen dienen lassen.
Sind aber auch die geschäftigen Werke Marthä ein wohlgefällig Dienst Christi? Antwort: Den Dienst Christi, den er den Glaubigen durch sich oder sein Wort beweist, findt ein Jeglicher an einem äußerlichen Gewerb oder Geschäft oder Beruf. Dann es ist Niemand so gering, so unachtbar auf der ganzen Erden, der nit einen sonderlichen Befehl oder Beruf habe. Das Kind hat seinen Beruf, nämlich den Eltern gehorsam zu sein und ihnen zu dienen; Vater und Mutter haben ihren Beruf, die Kinder in der Furcht Gottes aufzuziehen; die Handwerksleut haben ihren Beruf, ihrem Handwerk in der Liebe des Nächsten nachzukommen; Knecht und Maid haben ihren Beruf, ihrem leiblichen Herrn in Einfältigkeit als Christo zu dienen; die Herrn haben ihren Beruf, den Knechten Gutes zu thun und zu gedenken, daß sie auch einen Herrn haben; die Jungfrauen haben ihren Befehl, züchtig und keusch zu sein, die Eheweiber haben ihren Beruf, ihren Männern als dem Herrn und Haupt unterthan zu sein. So nun ein Jegliches im Glauben und Lieben, oder in dem vorgehenden Dienst von Christo bewiesen, seines Berufes Werke angreift, sind solche Werke nichts anders, dann eitel köstlich angenehm Gottesdienst. Das Kind dient in dem Gehorsam seiner Eltern nit allein dem Vater und Mutter, sondern dient auch damit Gott; der Knecht dient auch Gott, so er seinem Herrn fleißig dienet; der Herr dienet Gott, so er seinem Knecht Gutes beweiset. Also auch das Weib, wann sie ihrem Mann geflissen ist und dienstbar, so dient sie Gott: wann sie in Kindesbanden liegt, so liegt sie in einem köstlichen Gottesdienst; wann sie das Geschäft des Haushaltens vollbringt, so thut sie eitel Gottesdienst. Es muß ja immer Gott gedienet sein: Was bedarf sonst Gott unser in der Welt? Man hat auch bisher fast daran gefehlet, daß man den Götzendienst allein an die Kirchen gehenket hat, so doch er in allen Geschäften vollbracht soll werden. In der Kirchen lassen wir uns dienen mit dem Wort und Sacramenten. Aber in den Geschäften des Berufs sollen wir Gott und dem Nächsten dienen. Demnach sind die geschäftigen Werke Marthä, auch eines jeglichen glaubigen züchtigen Weibs Haushalten fast 18) köstlich Dienst Christi, und auch von dem heiligen Geist im Buch der Sprüche Salomonis hoch gelobt, also sprechend. Ein redlich Weib ist edler denn Perlen; sie geht mit Woll und Flachs um und arbeitet gern mit ihren Händen; sie streckt ihre Hand nach dem Rocken und ihre Finger fassen die Spindel; sie breitet ihre Hände aus zu den Armen und reicht ihre Hand dem Dürftigen etc. Diese erzählten und dergleichen Werke zum Haushalten gehörig würden ohne Zweifel nit so herrlich von dem heiligen Geist angezogen, wann sie nit gottgefällig Dienst wären. Wie dann (ist es aber zu erklären), daß Christus Martham straft und läßt sich gleich schier merken, als gefielen ihm solche Dienst gar nicht, dieweil er Mariam so hoch mit ihrem Stillsitzen herfürzeucht? Antwort: Christus verwirft nit die Werke Marthä, straft sie auch nit ihres Geschäfts halb, sondern strafet sie ihrer Meinung und bösen Vertrauens halb in dem Geschäft; dann man kann wol spüren aus ihrer Red, daß sie begehrt von Christo, er sollt Mariam heißen schaffen helfen, daß sie der Meinung ist gewesen, und hat nit anders geachtet, dann ihr sorgfältig Geschäft sei allein der rechte Dienst Christo gefällig, wie dann auch Christus in seiner Antwort zu verstehen gibt. Er sagt nit: Martha du thust Unrecht, sondern: Martha du bekümmerst dich, bist sorgfältig, als wollt er sprechen: Du meinst, es sei ganz ausgerichtet mit deinem Geschäft und wollest mich mit deinem äußerlichen Dienst bezahlen. Nein, eins ist noth, du mußt vorhin mich dir lassen dienen, wie Maria thut, nachmals will ich dein Werk als einen angenehmen Dienst aufnehmen. Gleichwie er spricht Matth. 6.: sorget nicht für den andern Tag! (damit) verbeut er nicht, etwas übernächtig zu behalten, oder auch über ein Jahr zwei, drei, vier und mehr hinter sich zu legen. Weist uns doch der heilige Geist auf die Omeiß (Ameise) sprechend. Gehe hin zu der Omeissen, du Fauler, siehe ihre Wege an und werde weise; ob sie wol keinen Fürsten, noch Hauptmann, noch Herrn hat, bereitet sie doch ihr Brot im Sommer und sammelt ihr Speis’ in der Ernt. Und an einem andern Ort: wer im Sommer sammelt, der ist klug, wer aber in der Ernt’ schläft, der wird zu Schanden. Hieraus wohl gemerkt wird, daß Einsammeln, übernächtig, ja überjährig etwas behalten nit verboten wird. Aber es wird verboten Sorgen, das Bekümmern und Verzweifeln, eben als möchte 19) Gott nit auch über ein Jahr ernähren. Und wie auch sonst Matth. 6. von Christo die guten Werk des Almosens und Gebets (wie es sich auswendig an läßt sehen) nit verworfen werden, sondern das Stolzen in dem Almosen und viel Geschwäz in dem Gebet werden von ihm verachtet: also auch verwirft er hie im Evangelio nicht die Werk des Geschäfts Marthä, sondern verwirft ihr Meinung und Achtung in den Werken, wie denn der Adam nimmer kein Ruhe hat und allewegen sogar an den Werken Gottes, so durch die Glaubigen gewirkt werden, auch seinen Stolz sucht, und schier nimmer solche göttliche geistliche Werke durch den Menschen geschehen, der Adam wirft denn ein Stück Fleisch darein, daß es ja nit ganz rein bleib. Nun das Hören und Glauben ist von Nöthen, und das recht hochnöthig, da es allein fromm und gerecht macht. Aber das auswendig Geschäft ist allein ein Schaum und Schein der rechten nöthigen Frömmigkeit, wird auch oft ohne christliche Frömmigkeit gefunden, wie denn mancher Knecht seines Dienstes wohl wartet, mancher Handwerker seinem Handwerk fleißig nachkommt, manches Weib wohl Haus haltet und sind doch böse Unchristen dabei. Derhalben ist das auswendig Gewerb nichts dann ein Werkzeug, daran sich Glaube und Liebe üben sollen, mag auch aus sonderlicher Ordnung Gottes zuweilen unterbleiben, so doch (während) das Glauben von der Seele ungefährdet nimmer unterlassen mag werden. Wenn nämlich so ein Handwerksmann gefangen oder eine Haushälterin krank liegt, unterbleibt wol ihr Geschäft; aber der Glaube auf das Wort kann nit unterbleiben. Petrus lag im Kerker von Herode gefangen, er unterließ dazumal sein predigen, welches doch sein Befehl und äußerlicher Gottesdienst war. Aber das glauben konnt er nicht unterlassen, denn das Wort und der Glaub sind von Nöthen, müssen auch im Tod beständig sein, andere Geschäfte aber fallen dahin, bleiben nit beständig.
Kurz – es muß ein jeglicher Christ sich der beiden Schwestern Werk annehmen. Zum ersten: wie Maria ihr hat lassen dienen mit dem Wort, und dasselbige mit dem Glauben angenommen: also auch soll ein jedweder Glaubiger Christum hören, ihm mit dem Wort dienen lassen, dasselbige mit Glauben fassen: das ist die rechtschaffne Frömmigkeit, auch Dienst, der nöthig ist und vor Gott gilt. Zum andern: wie Martha in dem Geschäft des Hauses geflissen ist gewesen und allein an dem fehlt, daß sie auf ihr Werk bauet und hofft, meinet, es wäre damit schon der Dienst Christi ausgerichtet: also auch gebührt’s einem jeglichen Christen, in dem Geschäft seines Berufs geflissen und treu zu sein, doch nit zu achten, daß 20) damit ausgerichtet sei und auf diese, Werk sich vertrösten, sondern alle Hoffnung, Trost und Zuversicht allein auf die Frömmigkeit, Gerechtigkeit und Erlösung unseres Herrn Jesu Christi zu setzen. Amen.
Aus dem Büchlein: Wie man sich christenlich zu dem Sterben bereiten soll. Daß man Gott rechtgeschaffen dienen soll. Wie das übel nachreden für ein schwere Sünde zu achten sey. – Auf drei Sermon gestellet. Johann Brentius zu Schwebischen Hall. MDXXIX.