Blumhardt, Johann Christoph - Über die Lehre von den Engeln - 5. Bedeutung der sichtbaren Engel
Dem Zacharias aber, Geliebte, erschien ein Engel in sichtbarer Gestalt. Derselbe stand plötzlich zur Rechten am Räuchaltar, und den Zacharias befiel ein großer Schrecken. Diese sichtbaren Erscheinungen waren auch im Alten Bunde nach Verhältnis seltener, und kamen fast nur vor, wo es gleichsam Gott selbst daran lag, Seine persönliche Hilfe zu erkennen zu geben. So insbesondere, wenn bezüglich des Erlösungsplanes Gottes etwas Neues, das sich nicht aus Früherem ergeben konnte, angebahnt oder eingeleitet werden sollte, oder in hoffnungslosen Lagen, da keine Hilfe mehr denkbar war. Was Letzteres betrifft, so denke man an Hagar, Abrahams Magd, der ein Engel erschien, als sie trostlos in der Wüste umherirrte (1 Mos. 16,7 ff.), und als später ihr Sohn Ismael am Verschmachten war (21,6 ff.), ferner an Gideon, der bei der höchsten Bedrängnis Israels durch einen Engel zum Retter berufen wurde (Richt. 6,11.12), - auch an die drei Männer im Feuerofen, welche zu einem Zeugnis für die Heiden durch einen sichtbaren Engel unverbrannt blieben (Dan. 3,24 ff.). Im Neuen Testament haben wir Beweise an den Aposteln, welche durch einen Engel aus dem Gefängnis geführt wurden (Apostelg. 5,19 ff.), insbesondere an Petrus (12,7 ff.), für den die ganze Gemeine betete, und der noch in der Nacht, ehe er hingerichtet werden sollte, durch den Engel befreit wurde.
Die wichtigsten Engelerscheinungen aber waren dann, wenn etwas Neues kommen sollte, das auf den großen Rettungsplan Gottes für die Welt eine nähere oder entferntere Beziehung hatte. Ein großer Anfang zur Ausführung des Planes war die Berufung Abrahams zum Stammvater des Volkes, von dem der Retter kommen sollte. Wie begreiflich, dass eben hier der HErr sich selber durch sichtbare Engelerscheinungen persönlich nahe machte, zumal sich's um Eindrücke handelte, die auch den nachfolgenden Geschlechtern unverwüstlich im Gedächtnis bleiben sollten, weswegen sich ja Gott später den Gott Abrahams nannte. Später erschien der HErr, (oft wird nur Er, oft werden ausdrücklich Engel genannt, die Ihn repräsentierten), so oft eine Erhaltung oder eine neue Entwicklung des Begonnenen nötig war. Jakobs Bruder, Esau, war falsche Wege gegangen; wie wichtig war's daher, den Jakob, seinen Bruder, auf der rechten Bahn zu erhalten, an dessen Person und Geschlecht nun Alles hing, und dessen Leben doch sehr bedroht war! Da konnte es nicht an besondern Bezeigungen Gottes fehlen; und wie herrlich und wunderbar lehrreich ist nicht der Traum von der Himmelsleiter, der ihm gelegentlich wurde (1 Mos. 18,12 ff.)! Als Israel in Ägypten schmachtete, was sollte es nun werden? Ein Neues war von Gott einzuleiten, und so erschien der Engel des HErrn dem Moses im Busch (2 Mos. 3,2 ff.), der Engel, der fortan in Israel blieb und in mannigfachster Weise sich offenbarte.
Wie viel Neues musste auch später immer wieder von Gott eingeleitet werden, damit nur ein Israel fortbestände! So erklären sich die weiteren Bezeigungen Gottes durch Engel, oder durch der Engel Dienst zu denken, bei Josua, bei Simson, bei Samuel, bei David, bei den Propheten. Jerusalem wird zerstört; und aller Heilsplan zur Rettung der Menschheit durch Israel schien aufgegeben. Wie begreiflich wird in jener Zeit das Nahekommen Gottes durch Engel, besonders bei Daniel (8,15 ff. 9,21 ff.)! Der neue Staat nach der babylonischen Gefangenschaft blühte wieder auf, hatte aber nicht mehr die rechten Geistesschwingen, dass ihm Gott sich nähern konnte, wie früher. So entwickelt sich in scheinbar natürlicher Weise der Staat, wie jeder andere, und wird ein Spielball erobernder Mächte, zuletzt der Römer. Da schien ihm Gott so ferne zu stehen, als allen andern Völkern. Dennoch sollte das Heil von ihm ausgehen. Wie sollte sich das machen? Wahrlich, wir müssten blind sein, und Gott selbst aus Allem, was wir Offenbarung nennen, verbannen wollen, wenn wir die Einleitung des großen Neuen, das jetzt beginnen sollte, und das in gar nichts, was bestand, einen Anknüpfungspunkt finden konnte, durch persönliche Dazwischenkunft Gottes, d. h. durch Engel in Seinem Namen und in Seiner Kraft, nicht verstehen und annehmen könnten. Ein Engel kann uns da nichts Rätselhaftes sein. Wir begrüßen ihn, als den HErrn selbst, in dessen Namen und Kraft er dasteht, und preisen den HErrn für die Wunderliebe, mit der Er sich als Helfer der verkommenen Menschheit darstellt.