Hebräer, Kapitel 2
Heb 2:1 Darum sollen wir desto mehr wahrnehmen des Worts, das wir hören, damit wir nicht dahinfahren.
Heb 2:2 Denn so das Wort festgeworden ist, das durch die Engel geredet ist, und eine jegliche Übertretung und jeder Ungehorsam seinen rechten Lohn empfangen hat,
Heb 2:3 wie wollen wir entfliehen, so wir eine solche Seligkeit nicht achten? welche, nachdem sie zuerst gepredigt ist durch den HERRN, auf uns gekommen ist durch die, so es gehört haben;
Der Apostel macht hier diesen Schluß: so das Wort fest worden ist, das durch die Engel geredet ist, und eine jegliche Uebertretung und Ungehorsam hat empfangen seinen rechten Lohn: wie wollen wir entfliehen, so wir eine solche Seligkeit nicht achten? Welche, nachdem sie erstlich geprediget ist durch den HErrn, ist sie auf uns kommen durch die, so es gehört haben. Und Gott hat ihr Zeugniß gegeben mit Zeichen, Wundern und mancherlei Kräften, und mit Austheilung des Heiligen Geistes nach Seinem Willen, Hebr. 2,2.3.4. Er vergleicht hier die gepredigte Seligkeit mit dem Wort, das durch die Engel geredet worden ist. Dieses Wort ist alles dasjenige, was Gott auf dem Berg Sinai geredet hat, da Er die Engel als Werkzeuge brauchte, wie auch Gal. 3,19. und Apost. Gesch. 7,53. gesagt wird. Dieses Wort enthielt nicht nur das Gesetz, von welchem Paulus sonst sagt, daß es als abgerissen von den Verheißungen (wie die Juden es behandelten) tödte und verdamme, sondern es enthielt auch die große Verheißung, daß Gott Israels Gott sein wolle, und viele andere tröstliche Zusagen Gottes. Dieses Wort nun ist fest worden, das ist, Gott hast ernstlich darob gehalten, und wer dasselbe übertreten und ihm kein Gehör gegeben hat, empfing seinen rechten Lohn, oder seine gebührende Strafe. Was ist aber nun im Neuen Testament gepredigt worden? Seligkeit ist gepredigt worden. Obschon diejenigen, die das sinaitische Wort annahmen, vermöge der Verheißungen, die darin enthalten waren, auch selig werden konnten, so ist doch die Seligkeit viel heller und völliger im Evangelium des neuen Testaments gepredigt worden. Von wem ist sie aber gepredigt worden? Erstlich von dem HErrn, dem Sohn Gottes, selbst und unmittelbar, so daß die Engel dabei nicht gewürdigt wurden, die Werkzeuge zu sein. Von wem ist sie aber nach der Himmelfahrt des HErrn gepredigt worden? Von denen, die den HErrn selbst gehört hatten, nämlich von Seinen Aposteln und Jüngern. Diese haben die Seligkeitspredigt als etwas Wahres und Gewisses auf Andere übergetragen. Ist sie aber auch wahr? Ja, denn Gott hat ihr Zeugniß gegeben mit Zeichen und Wundern und mancherlei Geisteskräften, und mit Austheilung des Heiligen Geistes, der sich in verschiedenen Gaben offenbarte nach Seinem Willen. Wie wollen wir nun entfliehen, wenn wir eine solche gepredigte Seligkeit, ein solches Evangelium nicht achten, dessen erster Prediger der Sohn Gottes selber war, und dem Gott die deutlichsten Siegel der Glaubwürdigkeit aufgedrückt hat? Wer achtet sie aber nicht? Derjenige achtet sie nicht, der des evangelischen Worts nicht wahrnimmt, Kap. 2,1., darauf nicht Acht hat, die gepredigte Seligkeit nicht begierig ergreift, ein arges unglaubiges Herz behält, Kap. 3,12., und bei dem längern Gehör des Worts sein Herz verstockt, und zu den heilsamen Rührungen unfähiger macht, V. 15. Solche Leute fahren sodann an dem Port der Seligkeit vorbei und in’s Verderben dahin, Kap. 2,1., ob sie es schon als Träumende bei Leibesleben nicht wissen. Sie wollen nichts, und erlangen auch nichts von allem dem Guten, das ihnen gepredigt worden ist. Der HErr wecke uns also auf’s Neue auf, die gepredigte Seligkeit recht hoch zu achten, und des Worts wohl wahrzunehmen, damit wir selig werden nach Seinem Wort.(Magnus Friedrich Roos)
Kann diese Frage im Ernst noch an Menschen gestellt werden, die jetzt schon etwas von solcher Errettung genießen? Oder paßt sie nicht vielleicht nur auf solche, die, weil sie die Kraft und Wirklichkeit Jesu gar nicht erfahrungsgemäß einschätzen können, sich von der bloßen Heilsbotschaft geringschätzig abkehren? Müßte dann nicht die Fürbitte Jesu ihnen allen gelten: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun! Damit ein Schuldmoment hinzukomme, muß der Mensch doch wenigstens davon überzeugt werden, daß ihm mit diesem Evangelium eine große, herrliche, wichtige Gabe nahe kommt und daß er sein Heil von sich stößt, wenn er nicht darauf eingeht. Vielleicht paßt die Mahnung auch auf uns, wenn wir uns vom Gefühl des Augenblicks vortäuschen lassen, als wären Schmerzen und Sorgen von heute größer und schrecklicher als die gewisse Errettung von der Sünde durch Jesus. Prüfe dich, mein Herz, ob dir in jedem Augenblick die Größe deiner Seligkeit so deutlich vor dem inneren Sinn steht, daß daneben die kleinen Erdendinge auch wirklich so erscheinen, wie sie in der Tat sind - nämlich wirklich klein!
Herr, unser Gott, gib uns dankbare Herzen für die erlebte Errettung und laß uns groß erscheinen, was groß ist, daß wir davon einen richtigen Maßstab für all das andere hernehmen. Ist uns die Seligkeit gewiß, dann nimm den Erdendingen ihren Glanz und ihre Größe. Amen. (Samuel Keller)
Heb 2:4 und Gott hat ihr Zeugnis gegeben mit Zeichen, Wundern und mancherlei Kräften und mit Austeilung des heiligen Geistes nach seinem Willen.
Meine Freunde! Wenn das niedersinnliche Leben in einer Menschenseele die Oberhand hat, so ist es begreiflich, daß die untern Kräfte über die obern herrschen. Dies ist zwar bei allen seelischen, natürlichen Menschen der Fall; alle sind aus Zeit und Ewigkeit zusammengesetzt und haben somit untere und obere Kräfte der Seele. Dennoch ist ein großer Unterschied unter ihnen; der Adel der Seelen ist verschieden. Feinere, nachdenklichere Menschen haben von Geburt aus einen Vorzug; aber ein Gewissen, durch das ihnen der alldurchdringende Geist Gottes einsprechen und sich zu fühlen geben kann, haben alle. Nun kommt es hauptsächlich darauf an, ob eine Seele nachdenken und auf das, was in ihr redet, hören will, ob sie auf ihr Gewissen achthaben mag oder nicht. Es kommt nicht auf das in ihrer Natur sich empörende Sündengesetz, noch auf die im Fleisch liegende Vorneiglichkeit zur Finsternis und Sünde an; sondern entscheidend ist das, was die Seele im Innern des Gemüts hegt, ob da ein vorneigliches Lichtsverlangen, ein Wünschen und Wollen, mit dem Lichte eins zu sein, sich findet, und ob die Seele die Finsternis gerne los haben möchte. Wenn es so steht, so ist der Mensch wach und hat Gottesfurcht, die der Weisheit Anfang ist. Solche Seelen werden gemeinhin von Gott dem Vater gezogen; und ob sich das Fleisch und das Sündengesetz oft bis zur Wut empören, so lassen sie sich doch von der Vereinigung mit dem Licht und dem Lichtsgesetz im Gemüte nicht abziehen. Sie stehen in der herrlichen Vorbereitung, das Evangelium mit Nutzen zu hören, im Glauben anzunehmen und wiedergeboren zu werden. So nun das Werk der Wiedergeburt seinen Fortgang hat und sie der Wahrheit getreu verbleiben, werden sie von Klarheit zu Klarheit in das Bild des Urlichts verklärt und in das Bild der Gottmenschheit verwandelt. Durch Treue gegen die Gnadenzucht kommen sie dazu, daß die obern Kräfte über die untern, und das edlere Geistesleben über das niedersinnliche Fleisches- und Naturleben herrschen. An ihrem Wandel stellt es sich heraus, ob sie wahre Auserwählte Gottes sind.
Finsterer Stoff und Erbstaub, also das Sündengesetz, ist in allen, darum auch „das Dichten des menschlichen Herzens böse ist von Jugend auf“. Doch haben alle in dem Zentralsitz der Seele eine Ewigkeit und in dieser ein gewissen. Daher ist klar, daß das Wort vom Anfang des Lebens an mitwirkt. Wenn nun die Seelen eines solchen Ursprungs sind, woher kommt es dann, daß unter denselben ein so großer Unterschied ist? Ist es möglich, daß bei dem einen Menschen mehr Lichts-, bei dem andern mehr Schlangensame mit ins Spiel kommt? Wir lassen uns damit nicht weiter ein, sondern fangen da an, wo uns der Schriftsinn anfangen heißt. Wenn alle ein Sündengesetz in sich haben, so sind von Natur schon alle abgewichen und alle untüchtig geworden und mangeln der Herrlichkeit Gottes. Alle können aber Gott fühlen und finden und in sich hören; allen ist die heilsame Gnade in Christo Jesu erschienen, und sie züchtigt innerlich alle. Also, wo fängt bei den armen Menschenkindern das Abirren an? siehe, es gibt nach unsres Heilands Lehren Menschen, welche die Finsternis mehr lieben als das Licht. Diese erfahren bei ihren Neigungen zur Sünde wohl auch die Lichtszucht; aber sie weichen derselben aus und lassen die Furcht Gottes aus den Augen. Sie suchen zu ihrem eigenen Unglück Verteidigungen, falsche Gründe zur Beruhigung ihres Gewissens und finden sie auch. Jehova ist ihnen zu heilig, und sein Gotteslicht zu rein; sie wollen von der Finsternis nicht geschieden sein. Sie ersinnen sich einen Gottesdienst, bei dem man im allgemeinen bleiben kann, wer man ist, und bei dem man Gott mit Beobachtung gewisser Zeremonien (Kirchengebräuche) befriedigen will. In dieser Herzensstellung ist man fähig, der Lüge zu glauben. Solcher Menschen Gottesdienst ist eitel, und es ist noch gut, wenn sie mit ihrer verborgenen Finsternisliebe für sich bleiben und nicht auch noch andere mit ins Verderben führen.
Wahre Lichtskinder empfangen, wenn sie im Licht der erkannten Wahrheit befestigt werden, nicht nur Heiligungs- sondern auch Bedienungsgaben. Durch den Umgang mit dem Herrn bekommen sie auch ein geistliches Vermehrungsvermögen, das sich jungfräulich in ihnen regt. Hier ist aber nicht von bekehrsüchtigen Neulingen, die im Triebe des Naturfeuers sich in Eigenheit aufblasen, die Rede, sondern von Seelen, die zur Volljährigkeit und Jesusähnlichkeit reifen, die, vom Geist Gottes gedungen und gedrungen, das Leben, Leiden und Sterben Jesu verkündigen und verklären sollen.
So wie es heilige Verbreiter des Reiches Jesu, Charaktere des Lichts und der Lichtwelt gibt und gegeben hat, so gibt es auch unglückliche Höllenkinder, Charaktere des finstern Reichs, die zu Erstlingen des Satans ausreifen. Diesen ist es nicht genug, daß sie für sich verkehrt und verfinstert sind, sondern sie wollen auch, da sie vom Einfluß der finstern Tinktur mit Irrtum erfüllt sind, im Triebe des Satans das Reich der Hölle in gröberer oder feinerer Weise verbreiten, vermehren und offenbaren. Je mehr nun ihre Sache einen frommen oder guten Schein hat, desto gefährlicher ist sie; denn in ihrem Herzen sitzt Lichtshaß. on diesen Finsterniskindern wird das Licht des Lebens gar geleugnet, oder wird von der Lehre der Rechtfertigung, vom Versöhnungstode Jesu so gesprochen, daß man Christum zum Sündendiener macht, oder lehrt man zur Moral (Sittenlehre) und glaubt, dadurch selig zu werden. Obschon unter diesen Irrtümern ein großer Unterschied ist und mancher Irrende noch zurecht kommen könnte, so leuchtet doch aus ihnen heraus, daß die Wahrheit nicht rein und ganz geliebt wird. - Somit könnten wir verstehen, woher falsche Gedanken und falsche Lehren kommen.
Auch unter den Gesandten Gottes ist ein großer Unterschied wie zwischen dem Herrn selbst und seinen Engeln. Wenn nun das alttestamentliche Gesetz, das durch die Engel verordnet worden ist, solche Geltung hatte, daß jede Übertretung desselben bestraft wurde, was wird es dann für Folgen haben, wenn das, was der Herr selbst gelehrt und gesprochen hat, übertreten wird oder dessen Heilsanstalten verachtet werden? Darum lasset uns auf Jesum aufmerken! Denn wir sind durch ihn nicht zum Berge Sinai gekommen, das Gebot, das nicht lebendig machen kann, zu empfangen, sondern Kap. 12,18 zu dem Berg Zion. (Johann Michael Hahn)
Heb 2:5 Denn er hat nicht den Engeln untergetan die zukünftige Welt, davon wir reden.
Heb 2:6 Es bezeugt aber einer an einem Ort und spricht: „Was ist der Mensch, daß du sein gedenkest, und des Menschen Sohn, daß du auf ihn achtest?
Heb 2:7 Du hast ihn eine kleine Zeit niedriger sein lassen denn die Engel; mit Preis und Ehre hast du ihn gekrönt und hast ihn gesetzt über die Werke deiner Hände;
Heb 2:8 alles hast du unter seine Füße getan.“ In dem, daß er ihm alles hat untergetan, hat er nichts gelassen, das ihm nicht untertan sei; jetzt aber sehen wir noch nicht, daß ihm alles untertan sei.
Paulus bewies aus Ps. 8,7., daß der Vater Seinem Sohne, insofern Er ein Menschensohn ist, Alles zu Seinen Füßen unterthan oder untergeordnet habe, und nimmt das Wörtlein Alles hiebei so genau, daß er noch zur Erläuterung hinzusetzt: der Vater habe nichts gelassen, das Er dem Sohne nicht unterthan hätte. 1 Kor. 15,28. aber behauptet er, daß bei dem Wörtlein Alles nur der Vater ausgenommen sei, der dem Sohn Alles unterthan habe. Diese Unterwerfung aller Dinge unter Christum als den Menschensohn ist schon geschehen, und wird Eph. 1,20-23. Kol. 1,16.17.18. 2,10. Hebr. 1,2. Matth. 28,18. beschrieben. Der Grund derselben ist einerseits die Schöpfung aller Dinge durch Christum als das wesentliche Wort, wie es dann billig ist, daß Alles, was durch Ihn erschaffen ist, Ihm auch als Gottmenschen untergeordnet sei, andererseits aber Sein im lautersten Gehorsam erlittener Tod, als durch den Er als Mittler würdig geworden ist, das Buch mit den sieben Siegeln, welches die Herrschaft über Alles enthält, anzunehmen, Hebr. 5,9., und Alles unter Seinen Füßen zu haben, Hebr. 2,9. Jetzt sehen wir aber noch nicht, daß Ihm Alles unterthan ist, und doch glauben wir’s um des Wortes Gottes willen. Warum sehen wir’s aber noch nicht? Darum, weil wir Ihn nicht sehen, wie Er auf dem göttlichen Thron über Alles herrscht, und weil wir unter den Geschöpfen noch viel Unordnung, ja viel Widerstreben gegen Ihn wahrnehmen. Er läßt die bösen Geister und bösen Menschen noch lästern, spotten, wüthen, ihre Bosheit ausüben und Schaden anrichten. Man kann noch immer aus Ps. 83,3. zu Ihm sagen: siehe, Deine Feinde toben, und die Dich hassen, richten den Kopf auf. Und doch ist Ihm schon Alles unterthan; allein Er waltet jetzt noch mit einer zulassenden Langmuth, mit einer nur einschränkenden und nicht alsbald niederschlagenden Macht, mit einer Weisheit, die auch aus bösen Dingen etwas Gutes herauszubringen weiß, über den bösen Geistern, und überdieß auch mit einer liebreichen Geduld, die auf Buße wartet, über bösen Menschen, und da tausend Jahre bei Ihm wie ein Tag sind, so wartet Er ohne Langeweile, bis am Tag Seiner herrlichen Erscheinung der gegenwärtige Himmel, der zu Seinen Absichten nicht herrlich genug ist, und die gegenwärtige Erde, die um der Sünde willen verflucht worden ist, und die gegenwärtige Erde, die um der Sünde willen verflucht worden ist, vergehen werden, und Alles neu gemacht sein wird. Er muß aber herrschen, bis der Vater alle Seine Feinde unter Seine Füße legen wird, 1 Kor. 15,25. Dieses Leben wird etwas Neues sein. Alsdann wird sich nichts mehr wider Christum sträuben. Alsdann wird dem Sohn Alles im vollkommensten Verstand unterthan sein, und der Sohn wird auch selbst unterthan sein Dem, der Ihm Alles unterthan hat, auf daß Gott, folglich auch der Sohn als Gott, sei Alles in Allen, V. 28. Dieses Ziel nennt Paulus V. 24. das Ende, und sagt, daß der Sohn alsdann das Reich, wie er es vorher als Mittler verwaltete, da Ihm noch nicht Alles wirklich unterthan war, nachdem dieser Zweck erreicht ist, Gott und dem Vater überantworten, und alle Herrschaft, und alle Obrigkeit und Gewalt aufheben werde. Wohl dem, der jetzt Christo freiwillig unterthan ist, und nie zu Seinen Füßen gelegt, sondern Sein Miterbe in der Herrlichkeit wird.(Magnus Friedrich Roos)
Heb 2:9 Den aber, der eine kleine Zeit niedriger gewesen ist als die Engel, Jesum, sehen wir durchs Leiden des Todes gekrönt mit Preis und Ehre, auf daß er von Gottes Gnaden für alle den Tod schmeckte.
Heb 2:10 Denn es ziemte dem, um deswillen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind, der da viel Kinder hat zur Herrlichkeit geführt, daß er den Herzog der Seligkeit durch Leiden vollkommen machte.
Heb 2:11 Sintemal sie alle von einem kommen, beide, der da heiligt und die da geheiligt werden. Darum schämt er sich auch nicht, sie Brüder zu heißen,
Heb 2:12 und spricht: „Ich will verkündigen deinen Namen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen.“
Heb 2:13 Und abermals: „Ich will mein Vertrauen auf ihn setzen.“ und abermals: „Siehe da, ich und die Kinder, welche mir Gott gegeben hat.“
Paulus hatte V. 10. von Christo gesagt, daß Er schon viele Kinder als der Herzog ihrer Seligkeit zur Herrlichkeit eingeführt habe. Er beschreibt Ihn aber hernach nicht als den Vater dieser Kinder, sondern als den Erstgebornen unter vielen Brüdern, und sagt: sintemal sie Alle von einem (Abraham, Noah, Adam) kommen, beide, der da heiliget, und die da geheiliget werde, darum schämt Er Sich nicht, sie Brüder zu heißen, und spricht, Ps. 22,23.: Ich will verkündigen Deinen Namen Meinen Brüdern, und mitten in der Gemeine Dir lobsingen. Und abermal, Jes. 8,17.: Ich will als ein Mensch, der sich zu seinen menschlichen Brüdern hält, Mein Vertrauen auf Dich setzen, und abermal, Jes. 8,18.: siehe da, Ich und die Kinder, welche Mir Gott gegeben hat. Der HErr Jesus ist als der Erstgeborne unter vielen Brüdern der König und der Priester in dem Haus Gottes, oder im höchsten Verstand der Oberste im Opfer und der Oberste im Reich, wie es Ruben, der erstgeborne Sohn Jakobs, unter seinen Brüdern vorbildlich hätte sein sollen, 1 Mos. 49,3., darum nennt Ihn der Apostel den Herzog oder Heerführer zur Seligkeit, und sagt, daß Er schon viele Kinder Gottes, die Er Seine Brüder nenne, als ihr Fürst und König zur Herrlichkeit geführt habe. Er sagt aber auch, daß Er sie heilige; denn der Erstgeborne mußte in den ältesten Zeiten nach Gottes Ordnung auch der Priester sein, der seine Brüder durch sein Opfer heiligte.
Dem Messias also wird Jes. 8. die Rede an Seinen himmlischen Vater zugeschrieben: binde zu das Zeugniß des Evangeliums, versiegle das Gesetz für Meine Jünger, daß es für sie eine gute Beilage, andern aber verschlossen sei, s. Matth. 11,25. Denn Ich hoffe auf den HErrn, der Sein Antlitz verborgen hat vor dem Haus Jakob, und es in der Finsterniß dahin gehen läßt: Ich aber harre Sein, und hoffe, Er werde doch aus den Uebrigen dieses Volkes eine christliche Kirche entstehen lassen. Nun sah aber der Messias die Kirche, nun erblickte Er die Jünger, von denen Er V. 16. geredet hatte, und sagte deßwegen: siehe, hier bin Ich und die Kinder, die Mir der HErr gegeben hat, zum Zeichen und Wunder in Israel vom HErrn Zebaoth, der auf dem Berg Zion wohnet. Wenn es also unter dem Christenvolk, wie ehemals unter dem Volk Israel, sehr elend aussieht, und das Evangelium keine oder wenig Frucht zu bringen scheint, so sollen wir, wie Christus selbst im Stand Seiner Erniedrigung gethan hat, auf den HErrn harren, der Seinem Sohn eine große Menge zur Beute zu geben versprochen hat, oder der Ihm Kinder gibt, die Er als Seine Brüder dem Vater darstellt. Wenn man die tiefe Verderbniß der menschlichen Natur und den Grimm und die List der bösen Engel ansieht, so kann man solche Kinder Gottes für ein Zeichen und Wunder ansehen. Sie sind aber eben deßwegen dem himmlischen Vater und Seinem Sohn sehr lieb und werth. Der Vater gibt sie dem Sohn, und der Sohn stellt sie dem Vater dar als Sein und des Vaters Eigenthum. Der Sohn Gottes pranget gleichsam fröhlich mit ihnen, und sagt deßwegen: siehe! denn sie sind die Heiligen und Herrlichen, an denen Er alles Wohlgefallen hat, Ps. 16,3. Wohl dem, der unter sie gerechnet werden kann!(Magnus Friedrich Roos)
Heb 2:14 Nachdem nun die Kinder Fleisch und Blut haben, ist er dessen gleichermaßen teilhaftig geworden, auf daß er durch den Tod die Macht nehme dem, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel,1)
O du Kind Gottes, der Tod hat seinen Stachel verloren, weil des Teufels Gewalt über den Tod zerstört ist. So fürchte dich denn nun nicht mehr vor dem Sterben. Bitte Gott den Heiligen Geist um die Gnade, dass Er durch eine lebendige Erkenntnis und einen starken Glauben an den Tod deines Erlösers dich stärken wolle auf diese Schreckensstunde. Wenn du stets unter dem Kreuz auf Golgatha lebst, dann darfst du mit Freuden auf dein Sterbestündlein blicken, und es willkommen heißen, wenn es kommt, dir ein Meer unendlicher Wonne zu bringen. Es ist süß, in dem Herrn zu sterben; es ist eine Bundesgnade, in Jesu entschlafen zu dürfen. Der Tod ist kein Bann mehr, er ist eine Rückkehr aus der Verbannung, eine Heimfahrt zu den vielen Wohnungen, wo unsre vorausgegangenen Lieben schon weilen und auf uns warten. Die Entfernung zwischen den verklärten Seligen im Himmel und den streitenden Heiligen auf Erden scheint so groß; aber es ist nicht dem also. Wir sind nicht fern von der Heimat, ein einziger Augenblick bringt uns dahin. Das Segel ist gespannt; die Seele wird aus der Tiefe gewiegt. Wie lange dauert die Reise? Wie viele schauerliche Windstöße müssen das Segel emporschnellen, ehe es im Hafen des Friedens darf eingerefft werden? Wie lange muss die Seele von den Wogen auf und nieder geschleudert werden, ehe sie die Landungsstätte erreicht, wo man keinen Sturm mehr kennt? Höret die Antwort: „Außer dem Leibe, bei dem Herrn.“ Kaum hat das Schifflein das Ufer dort verlassen, so ist‘s schon im Himmel angelangt. Es breitet nur sein Segel aus, und es ist drüben; wie einst das Schifflein, das auf dem Galiläischen Meere vom Sturm Not litt: Der Herr Jesus sprach nur: „Ruhig, stille!“ und alsobald war es am Lande.
Denke nicht, es sei eine lange Frist zwischen dem Augenblick des Todes und der ewigen Herrlichkeit. Sobald sich die Augen auf Erden schließen, öffnen sie sich im Himmel. Die feurigen Rosse und der feurige Wagen bleiben nicht einen Augenblick unterwegs. Dann, o du Kind Gottes, was brauchst du dich noch vor dem Tod zu fürchten, dieweil du siehst, dass durch den Tod deines Herrn und Heilandes des Todes Fluch und Stachel zerstört ist? Der Tod ist nur noch die Jakobsleiter, die auf dem dunklen Grunde des Grabes steht; aber ihre Spitze reicht bis in die Herrlichkeit aller Ewigkeiten. (Charles Haddon Spurgeon)
In den Versen vorher wurde auf die Zusammengehörigkeit Jesu und seiner Brüder von der göttlichen Seite her hingewiesen. Sie kommen von einem her. Hier handelt es sich um die Zusammengehörigkeit von der menschlichen Seite her. Weil die Kinder Fleisch und Blut haben, hat auch er Fleisch und Blut angenommen. Für diese Fleischwerdung bestand mehr als ein Grund. Einmal sollte er uns durch den Tod von dem Tode erlösen. Dann sollte er als Herzog unserer Seligkeit, seiner menschlichen Natur nach, durch Leiden vollkommen gemacht werden. Zum dritten sollte er ein mitleidiger Hohepriester werden. In unserem Verse wird nur der erste Punkt behandelt: Er ist Mensch geworden, um sterben und uns von der Macht des Todes erlösen zu können.
So, wie die Kinder Fleisch und Blut haben, hat auch er Fleisch und Blut angenommen. Gott wollte viele Kinder zur Herrlichkeit führen; er wollte seinen Sohn aus diesem Grund zum Herzog und Führer machen. Dies werden zu können, erniedrigte sich der Sohn bis zur vollkommenen Zusammengehörigkeit und Gemeinschaft mit ihnen. Ach, daß wir uns doch nie durch Gewöhnung an dieses Wunder verleiten lassen, dasselbe für klein zu halten! Daß der Sohn des ewigen Gottes Fleisch wurde, daß er vom Himmel auf diese Erbe herabstieg, um in dem Leib des Menschensohnes sein Erdenleben zu verbringen, ist in der Tat ein unbegreifliches Wunder. Und wenn ich dann weiter bedenke, daß der Sohn Gottes dies um meinetwillen tat, um mich zu gewinnen, um mich aus der Welt zu Gott und seiner Liebe zu bringen, o dann ziemt es sich doch für mich, daß ich ihm von ganzem Herzen folge und zu seiner Ehre lebe.
Und er tat dies alles, um dem, der die Gewalt des Todes hatte, das ist dem Teufel, diese Gewalt zu nehmen.
Der Teufel hatte die Gewalt des Todes. Diese Gewalt hatte er von Gott. Seine Gewalt war durch Gottes Gesetz gewiß gemacht. Gott hatte ja gesagt: Wer sündigt, muß sterben, wer den Willen des Satans tut, gerät unter seine Gewalt. Aus dieser Gewalt des Satans gab es nur einen Weg zur Rettung. Man mußte dem Gesetz Genüge tun. Durch den Tod, dadurch, daß Jesus den Tod als Strafe an unserer Statt auf sich nahm, so dem Gesetz Genüge tat und das Recht, welches der Satan besaß beseitigte, hat er dem Teufel, der die Gewalt des Todes hatte, diese Gewalt genommen und ihn machtlos gemacht. Er hat uns aus seiner Gewalt erlöst. Wohl geht der Teufel heute noch umher wie ein brüllender Löwe; solange wir aber in Christus bleiben, ist er ein Feind, dem die Gewalt genommen ist, der nichts gegen uns vermag. Jesus hat den Teufel für die, welche in ihm bleiben, ohnmächtig gemacht. Der Teufel war der Gefängnishüter. Von dem Augenblick an, in dem Christus unsere Schuld bezahlt, sind wir frei, und hat der Satan nicht die geringste Macht mehr über uns. Christus nahm Fleisch und Blut an, um dies alles für uns zu erwerben.
„Und erlöste die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mußten.“ So stand es vielfach mit den Gläubigen des Alten Bundes. Christus hatte noch nicht das ewige Leben und die Unsterblichkeit ans Licht gebracht. Ein Christ aber, der wirklich im Glauben annimmt, was Gott darüber sagt, daß dem Teufel die Macht genommen sei, wird selbst von der Furcht vor dem Tod völlig erlöst. Christus tut sich einer Seele, die ihm stille hält, als Lebensfürst kund. Die Gewißheit des ewigen Lebens und die Freude an demselben, welche wir in Christus haben, wird so sehr Tatsache, daß die Todesangst sich in das Triumphlied verwandelt: „Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg?“ Der Stachel des Todes ist die Sünde, und die Kraft der Sünde ist das Gesetz. Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unseren Herrn Jesus Christus!
Lieber Bruder! Liebe Schwester! Lebst du unter dem mächtigen, beseligenden Einfluß dieser Wahrheiten? Weil du Fleisch und Blut hast, hat auch Christus dasselbe angenommen, dir gleich zu werden. Lebst du nun in der Gewißheit dieser Zusammengehörigkeit? Durch seinen Tod hat er dir zugut dem Teufel die Macht genommen, so daß du, wenn du nur bei Christus bleibst, völlig seiner Macht entrückt bist und gänzlich von seiner Herrschaft frei. Fühlst du nun diese Freiheit? Er erlöst selbst von der Furcht vor dem Tod, indem er diese in Lebensfreude verwandelt. Genießt du sie? Oh, ich möchte dich und mich selbst immer wieder daran erinnern, daß der Sohn Gottes, der das alles für uns tat, doch ein Recht erworben hat, uns ganz und gar für sich zu haben.
Lebe darum doch ja nicht in der Selbstsucht, die ihn nur dazu haben will, daß er in der Not helfe, oder in der Doppelzüngigkeit, die ihm und der Welt zugleich die Ehre geben will! Er ist es doch wert, daß ihr zu ihm sagt: Nachdem du zu mir gekommen, mir völlig gleich zu werden und dich für mich zur Erlösung ganz und gar hingegeben, komme ich auch zu dir, dir gleich zu werden und mich deiner Verherrlichung völlig zu widmen. Laßt uns Gott bitten, daß er uns so deutlich erkennen lasse, was es sagen will, daß sich sein Sohn für uns in den Tod gegeben, daß es für unser Herz unmöglich werden muß, etwas anderes als Jesus und seine Liebe zu begehren. (Andrew Murray)
Heb 2:15 und erlöste die, so durch Furcht des Todes im ganzen Leben Knechte sein mußten.
Heb 2:16 Denn er nimmt sich ja nicht der Engel an, sondern des Samens Abrahams nimmt er sich an.
Heb 2:17 Daher mußte er in allen Dingen seinen Brüdern gleich werden, auf daß er barmherzig würde und ein treuer Hoherpriester vor Gott, zu versöhnen die Sünden des Volks.
Heb 2:18 Denn worin er gelitten hat und versucht ist, kann er helfen denen, die versucht werden.
Ich danke Dir, Jesu Christ, Du einiger Mittler und Erlöser des Menschengeschlechts, daß Du in der Fülle der Zeit die wahre menschliche Natur persönlich mit Dir vereinigt und Dir hast gefallen lassen, von einer Jungfrau geboren zu werden. Wie groß ist Deine Menschenfreundlichkeit, daß Du nicht die Engel, sondern den Samen Abrahams an Dich genommen hast! Wie groß ist das Geheimniß der Gottseligkeit, daß Du, der Du wahrer Gott bist, Dich im Fleische offenbaren wolltest! Wie groß ist die Zuneigung Deiner Erbarmung, daß Du um meinetwillen vom Himmel herabgekommen und wie unsere Kinder Fleisch und Blut haben, dessen gleichermaßen theilhaftig geworden bist! Mir bist Du geboren. Was Du daher an himmlischen Gütern in der Geburt mitbringst, wird mein sein. Mir bist Du gegeben: wie sollte nicht zugleich mit Dir mir auch Alles gegeben sein? Meine Natur ist in Dir mehr verklärt worden, als sie in Adam durch die Sünde entehrt worden war. Denn Du nimmst sie in die Einheit Deiner Person auf, bist Fleisch von meinem Fleisch und Bein von meinen Beinen. Du bist Bruder: was wirst Du mir versagen können, dem Du durch Wesensgleichheit des Fleisches und durch Gesinnung der brüderlichen Liebe aufs engste verbunden bist? Ich wundere mich nicht mehr, daß Gott Himmel, Erde, Meer und Alles, was darin und darauf ist, um des Menschen willen gemacht hat, da um des Menschen willen Gott selbst Mensch werden wollte. Du wirst mich nicht gänzlich verwerfen und verstoßen können, da Du nicht läugnen kannst, daß Du selbst Mensche und daher mein Bruder bist. Du wirst mich nicht gänzlich vergessen können, weil Du mich in Deine Hände gezeichnet hast; denn die Gemeinschaft des Fleisches selbst erinnert Dich täglich und beständig an mich. Obgleich daher mich meine Sünden zurückhalten, so stößt mich doch die Gemeinschaft der Natur nicht zurück. Du bist ja zugleich mein barmherziger und treuer Hoherpriester, der die Sünde des Volks versöhnt hat. Ich will Dir ganz anhangen, der Du nach Deiner ganzen Natur mich ganz angenommen hast. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)
Es ist ein gewohnter und geläufiger Gedanke und dennoch dem müden Herzen immer aufs neue süß wie Nektar, dass Jesus versucht wurde, gleichwie auch ich. Ihr habt diese Wahrheit oft vernommen; habt ihr sie euch auch angeeignet? Er wurde versucht in allen Sünden, in welche wir verstrickt werden. Darin dürfen wir den Herrn Jesus nicht von unsrer Menschheit losreißen. Es ist ein dunkles Tal, durch das wir hindurchschreiten müssen, aber der Herr Jesus ist uns vorangegangen. Es ist ein scharfer Streit, in dem wir stehen, aber Jesus hat demselben Feinde die Stirne geboten. Seien wir gutes Mutes, Christus hat die Last vor uns hergetragen, und die blutbesprengten Fußtritte des Königs der Herrlichkeit sind uns deutlich auf dem Wege sichtbar, auf dem wir zu dieser Stunde wandeln.
Aber es ist noch etwas Lieblicheres dabei: Jesus wurde versucht, aber Er sündigte nie. Dann, liebe Seele, ist es nicht nötig, dass du Sünde tust, denn Jesus war auch Mensch; und wenn ein Mensch diese Versuchungen zu bestehen hatte und nicht sündigte, dann mögen in seiner Kraft auch seine Glieder der Sünde widerstehen.
Manche Anfänger im Glaubensleben meinen, sie könnten nicht versucht werden, ohne zu sündigen; aber sie sind im Irrtum; in der Versuchung an sich ist keine Sünde, aber in der Nachgiebigkeit gegen die Versuchung ist die Sünde. Hierin liegt ein Trost für die, welche schweren Versuchungen unterworfen sind. Und es liegt eine noch größere Aufmunterung für sie in dem Gedanken, dass der Herr Jesus, ob Er gleich versucht wurde, herrlich triumphierte; und dass gleich wie Er überwunden hat, so auch seine Jünger überwinden sollen, weil der Herr Jesus als Mensch der Stellvertreter der Seinen ist. Das Haupt hat gesiegt, so haben die Glieder an seinem Siege teil. Wir brauchen uns nicht zu fürchten, denn Christus ist mit uns, zu unsrer Verteidigung gewaffnet. Unsre Burg ist die Brust des Herrn. Vielleicht werden wir jetzt versucht, dass wir uns näher zu Ihm flüchten. Wohl jedem Winde, der uns in den Hafen der Liebe unsres Heilandes treibt! Selige Wunden, die uns dem lieben Arzt in die Hände führen. Ihr Versuchten, kommt zu eurem versuchten Heiland, denn Ihn kann das Gefühl eurer Schwachheit rühren, und Er steht jedem Versuchten und Geprüften bei. (Charles Haddon Spurgeon)
Viele unserer nächstliegenden Versuchungen, die aus unserem verdorbenen Fleischesleben stammen, hat Jesus nie gehabt, weil sein Sinnenleben rein war. Seine schwersten Versuchungen, die sich auf seine freiwillige Berufspflicht bezogen, werden wir nie durchkosten, weil wir für sie kein hinreichendes Verständnis haben. Mögen so Art, wie Grenzen der Versuchung (nach oben und nach unten), bei Jesus und uns ganz verschieden sein, so liegt in der bloßen Tatsache, daß er versuchlich war und alle Versuchungen glänzend abgeschlagen hat, für uns doch Trost und Hilfe genug. Wie nah ist er uns dadurch geworden! Wie versteht er unsere Schwachheit und wie viel Mitleid hat er mit uns! Jetzt wird es erst zur doppelten Verschuldung, wenn wir angesichts eines solchen Hilfsmittels dennoch fallen. Jetzt müssen wir doch, sobald uns die Gefährlichkeit einer Stunde zum Bewußtsein kommt, uns an seine nahe Hilfe wenden! Tun wir das, so strömt der Frieden seiner Nähe wie Öl auf die erregten Sinne oder Nerven, und die böse Spannung ist behoben. An ihm liegt's nicht, wenn seine Leute in einen Betrug der Sünde willigen.
Ja, Herr Jesus, du kannst uns helfen. Du willst uns helfen! Du streckst schon die Hand dem Sinkenden entgegen. Erbarme dich unser und halte selbst dein schwaches Kind. Erinnere mich an dein: bewahrende Gnade und hilf mir hindurch, daß ich deinen Sieg erlebe und dir Dank sagen darf. Amen. (Samuel Keller)
Ist das nicht eine erschütternde Beschreibung von uns! Was ist bezeichnender für unsere Erdentage, als daß wir aus einer Versuchung in die andere geworfen werden. An einem Tage kann es eine ganze Reihe der verschiedensten geben: fleischliche, nervöse, feine, seelische, fromm dreinblickende, rein geistliche Warum das alles? Ächzt nicht mancher verzweifelt:„Wäre die Versuchung nicht gekommen, wäre ich noch rein!“ Aber sei doch gerecht: jedes Ding wird erst erkannt an seinem Gegensatz. Ohne Versuchung gäbe es keine sittliche Freiheit, keine Offenbarung des Guten, keine Bewahrung. Auch die geistlichen Muskeln können nicht anders gestärkt werden als durch Anspannung bis aufs äußerste. Wir sind ja außerdem nicht allein mit unseren Versuchungen: Jesus ist dazu versucht worden, damit er nicht nur für sich in ihnen allen ein Sieger bleibe, sondern damit er nun Mitleid mit uns haben und helfen könne denen, die versucht werden. Das ist doch eine der starken Bezeugungen seines Lebens und seiner Barmherzigkeit, daß er in jeder Versuchung bei uns steht und uns seine Hilfe anbietet. Wenn wir nur dann uns zu ihm flüchten, kann er dem Feuerpfeil der abgefeimtesten satanischen Versuchung die Spitze abbrechen.
Dann laß mich nie allein, Herr Jesu! Ich sehne mich nach deiner täglichen Bewahrung; ich traue mir nichts, dir alles zu. Hilf mir hindurch, bis alle Versuchung zu Ende ist. Amen. (Samuel Keller)