Zuletzt angesehen: Daniel, Kapitel 9

Daniel, Kapitel 9

Daniel, Kapitel 9

9:1 Im ersten Jahr des Darius, des Sohnes Ahasveros, aus der Meder Stamm, der über das Königreich der Chaldäer König ward,

9:2 in diesem ersten Jahr seines Königreiches merkte ich, Daniel, in den Büchern auf die Zahl der Jahre, davon der HERR geredet hatte zum Propheten Jeremia, daß Jerusalem sollte siebzig Jahre wüst liegen.

9:3 Und ich kehrte mich zu Gott dem HERRN, zu beten und zu flehen mit Fasten im Sack und in der Asche.

9:4 Ich betete aber zu dem HERRN, meinem Gott, bekannte und sprach: Ach lieber Herr, du großer und schrecklicher Gott, der du Bund und Gnade hältst denen, die dich lieben und deine Gebote halten:

9:5 wir haben gesündigt, unrecht getan, sind gottlos gewesen und abtrünnig geworden; wir sind von deinen Geboten und Rechten gewichen.

9:6 Wir gehorchten nicht deinen Knechten, den Propheten, die in deinem Namen unsern Königen, Fürsten, Vätern und allem Volk im Lande predigten.

9:7 Du, Herr, bist gerecht, wir aber müssen uns schämen; wie es denn jetzt geht denen von Juda und denen von Jerusalem und dem ganzen Israel, denen, die nahe und fern sind in allen Landen, dahin du sie verstoßen hast um ihrer Missetat willen, die sie an dir begangen haben.

9:8 Ja, Herr, wir, unsre Könige, unsre Fürsten und unsre Väter müssen uns schämen, daß wir uns an dir versündigt haben.
Ein tiefes Gefühl und klares Bewusstsein von der Sünde, ihrer Hässlichkeit und der Strafe, die sie verdient, sollte uns vor den Thron Gottes niederwerfen. Wir haben als Christen gesündigt. Ach, dass so etwas wahr sein muss! Wir haben so viel Güte und Reue erfahren und sind dennoch undankbar gewesen; Gott hat uns vielen andern vorgezogen, und dennoch haben wir wenig Frucht gehabt. Wer unter uns muss nicht erröten beim Rückblick auf die Vergangenheit, ob er gleich schon lange im geistlichen Kampf die Waffen geführt hat? Was wir gesündigt haben in den vorigen Tagen, da wir noch nicht erneuert waren, das ist uns in Gnaden vergeben und vergessen. Aber seitdem haben wir, zwar nicht mehr so schwer, aber umso verantwortungsvoller gesündigt, wider das Licht und wider die Liebe, in welcher unsre Seligkeit ruht. Ach, was ist es doch etwas Abscheuliches um das Sündetun einer versöhnten Seele! Ein unversöhnter Sünder verfehlt sich unbedeutend im Vergleich mit der Sünde eines Auserwählten Gottes, welcher der Gemeinschaft Christi gewürdigt war, und dessen Haupt an der Brust Jesu lag. Sehet auf David! Viele reden von seinen Sünden, aber schauet seine Buße an, und höret, wie jedes seiner zerschlagenen Gebeine aus seinem schmerzerfüllten Bekenntnisse herausseufzt! Achtet auf seine Tränen, die auf den Boden niederströmen, auf die tiefen Seufzer, die den gedämpften Klang seiner Harfe begleiten! Wir sind abgewichen, darum lasst uns den Geist der Buße suchen. Sehet dort auf Petrus! Wir reden viel von seiner Verleugnung Jesu; bedenket, dass es von ihm heißt: „Er weinte bitterlich.“ Haben wir keine Verleugnungen unsres Herrn mit bittern Tränen zu beklagen? Ach, alle diese unsre Sünden vor und nach unsrer Bekehrung würden uns an den Ort der unauslöschlichen Pein verdammen, wäre die unumschränkte Gnade nicht da, die uns ausgesondert und gleich einem Brand aus dem Feuer errettet hat. Meine Seele, beuge dich tief unter dem Gefühl deines natürlichen Sündenverderbens und bete deinen Gott an. Bewundere die Gnade, die dich errettet, das Mitleid, das dich verschont, die Liebe, die dir vergibt! (Charles Haddon Spurgeon)

9:9 Dein aber, Herr, unser Gott, ist die Barmherzigkeit und Vergebung. Denn wir sind abtrünnig geworden

9:10 und gehorchten nicht der Stimme des HERRN, unsers Gottes, daß wir gewandelt hätten in seinem Gesetz, welches er uns vorlegte durch seine Knechte, die Propheten;

9:11 sondern das ganze Israel übertrat dein Gesetz, und sie wichen ab, daß sie deiner Stimme nicht gehorchten. Darum trifft uns auch der Fluch und Schwur, der geschrieben steht im Gesetz Moses, des Knechtes Gottes, weil wir an ihm gesündigt haben.

9:12 Und er hat seine Worte gehalten, die er geredet hat wider uns und unsre Richter, die uns richten sollten, daß er so großes Unglück über uns hat gehen lassen, daß desgleichen unter dem ganzen Himmel nicht geschehen ist, wie über Jerusalem geschehen ist.

9:13 Gleichwie es geschrieben steht im Gesetz Mose's, so ist all dies große Unglück über uns gegangen. So beteten wir auch nicht vor dem HERRN, unserm Gott, daß wir uns von den Sünden bekehrten und auf deine Wahrheit achteten.

9:14 Darum ist der HERR auch wach gewesen mit diesem Unglück und hat's über uns gehen lassen. Denn der HERR, unser Gott, ist gerecht in allen seinen Werken, die er tut; denn wir gehorchten seiner Stimme nicht.

9:15 Und nun, Herr, unser Gott, der du dein Volk aus Ägyptenland geführt hast mit starker Hand und hast dir einen Namen gemacht, wie er jetzt ist: wir haben ja gesündigt und sind leider gottlos gewesen.

9:16 Ach Herr, um aller deiner Gerechtigkeit willen wende ab deinen Zorn und Grimm von deiner Stadt Jerusalem und deinem heiligen Berge. Denn um unsrer Sünden willen und um unsrer Väter Missetat willen trägt Jerusalem und dein Volk Schmach bei allen, die um uns her sind.

9:17 Und nun, unser Gott, höre das Gebet deines Knechtes und sein Flehen, und siehe gnädig an dein Heiligtum, das verstört ist, um des Herrn willen.

9:18 Neige dein Ohr, mein Gott, und höre, tue deine Augen auf und sieh, wie wir verstört sind und die ganze Stadt, die nach deinem Namen genannt ist. Denn wir liegen vor dir mit unserm Gebet, nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.
Daniel betet um die Rückkehr der Gefangenen aus Babylon. Diese war zwar auf eine gewisse Zeit hin verheißen; denn durch Jeremia hatte es Gott dem Volke anzeigen lassen, daß die Gefangenschaft 70 Jahre dauern würde (25,11). Aber Daniel, der jetzt „auf die Zahl der Jahre merkte“ (Dan. 9,1), wußte nur zu gut, daß solche Verheißungen stets nur bedingt gegeben sind und fehlen (ausbleiben) können, wenn auf Seiten derer, denen sie zufallen sollen, Gesinnung und Glauben fehlt. So kann es wirklich so sein, daß Gott wohl sagt: „In 70 Jahren dürft ihr in die Heimat zurückkehren“ - wenn aber keiner der Gefangenen sich darum bekümmert, keiner sich's ein Anliegen sein läßt, daß es wirklich werde, keiner darum bittet, dann kann es doch noch fehlen, so bestimmt es auch Gott vorausgesagt hat. Selbst wenn Zahlen angegeben sind, fühlt sich Gott nicht gleichsam mechanisch daran gebunden. Es ist immer so zu nehmen, wie wenn Er nur sagen würde: „In 70 Jahren wäre es Mein Sinn und Gedanke; haltet euch darnach, daß es geschehen kann!“
Jede Gnade, wenn sie auch verheißen ist, muß doch wieder erbeten sein. Und so hat Daniel es für nötig befunden, den HErrn recht ernstlich im Namen des Volkes zu bitten, daß Er die gegebene Verheißung erfüllen möge. Ein Mann wie er konnte sich auch als den Stellvertreter aller ansehen um des Ernstes willen, mit dem er beständig vor Gott stand. Es kann oft an einer einzigen Person liegen - wie das mehrmals im Alten Testament der Fall war -, die nicht gleichgültig sein darf; und auf sie vornehmlich sieht dann der HErr, ob es ihr darum zu tun sei. Von andern wird nicht immer dasselbe gefordert, weil ihnen die Einsicht gebricht und weil sie weniger die Aufgabe haben, das Ganze auf dem Herzen zu tragen. So hat Daniel wenigstens versucht, seine Schuldigkeit zu tun.
Wenn aber Daniel betet, darf er sich auf nichts anderes stützen; auf nichts, das auf seiner oder seines Volkes Seite an Gutem wäre, nicht etwa auf die Gerechtigkeit oder irgendwelche Güte, irgendwelchen Vorzug des Volkes vor anderen. Auf solches kann und will sich Daniel nicht berufen. Er stellt daher sich und sein Volk ganz als Sünder dar. Er muß es sagen und laut bekennen, wie sehr das Volk von Gott abgewichen gewesen und mit Recht in das große Elend hereingekommen sei, in dem es sich jetzt befinde. Darum sagt er auch: „Wir liegen vor Dir mit unsrem Gebet, (und vertrauen) nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf Deine große Barmherzigkeit.“
Die Barmherzigkeit Gottes, die ist es, auf die wir trauen dürfen - wenn wir ihrer auch noch so unwürdig sind! Wir müssen es erkennen, daß es lauter Barmherzigkeit Gottes ist, wenn Er auf unsre Bitten auch nur amtet. Nehmen wir sie, und sie allein, mit aller Demut in Anspruch, so steht sie für uns auch offen. So müssen wir bei jeder Bitte nur vor allem unsere Gerechtigkeit hingeben, diese ganz hinfallen lassen, um allein auf Gottes Barmherzigkeit hin bitten zu können. Wenn sie allein es sein soll, dann können wir etwas hoffen. Wenn wir aber zu ihr etwas von uns hinzulegen wollen, so bleibt alles im Ungewissen, was wir bitten und erwarten.
Gebe uns doch der HErr, sooft wir Ihn anrufen, vornehmlich Demut und klare Erkenntnis unsrer Unwürdigkeit und Sünde!
Zusatz Zu Dan. 9,18 Das Fehlen (Ausbleiben) der Weissagung
Wie selbst Zahlen, auch wenn sie bestimmt vorausgesagt sind, fehlen (nicht eintreffen) können, wenn die Gesinnungen der Betreffenden sich ändern, das beweist vornehmlich die Geschichte des Propheten Jona. Dieser mußte den Niniviten bestimmt anzeigen, daß ihre Stadt in 40 Tagen untergehen werde (3,11). Die Niniviten taten Buße. So „reute auch Gott das Übel, das Er ihnen angekündigt hatte, und Er tat's nicht“ (3,10) - was bekanntlich den Propheten Jona mit Unmut erfüllte, weil er mehr auf seine Ehre und Unfehlbarkeit als auf das Wohl der Bedrohten sah. übrigens kam später doch der Untergang Ninives.
Wie aber hier Gott des Übels reute, so kann Ihn auch, wenn die Betreffenden sich dessen unwürdig erzeigen, des Guten reuen, das Er zu tun gedachte. Dies ist besonders wichtig bei der Erwägung der Frage, wie es komme, daß die verheißene baldige Rückkehr des HErrn Christus so lange verziehe - was bei vielen so großen Anstoß erregt. Wir können einfach antworten: „Es reute den HErrn, in der Kürze das Vorausgesagte und Verheißene geschehen zu lassen. Denn mit der Gemeinde auf Erden machte es sich nicht so, wie es hätte sein sollen; und vor allem erfolgte die Verbreitung des Evangeliums unter alle Völker - die der HErr in Seinem letzten Wort befohlen hatte - nicht. “ Diejenigen, die in der Einfalt des Glaubens stehen, denken, die Zeit der Verheißung der Zukunft des HErrn sei eben wie immer auch eine bedingte gewesen; und sie lassen sich nicht stören, dennoch des HErrn zu harren. Sein endliches (Wieder-) Kommen bleibt dennoch gewiß; und der Verzug wird es um so herrlicher machen!
Zusatz Zu Dan. 9,18 Verkürzung der Trübsal
Daniels Gebet war um so wichtiger, als es immerhin ungewiß war, von wann an die 70 Jahre der Gefangenschaft zu zählen waren. Damals, als er betete und „auf die Zahl der Jahre merkte“, war's das Jahr 536 vor Christus. Da aber Jerusalem im Jahr 588 v. Chr. zerstört und dann erst vornehmlich das Volk, das am Leben blieb, in die Gefangenschaft abgeführt wurde, so schienen an der Zahl 70 noch 18 Jahre zu fehlen. Daniel aber wagt's, schon von der ersten Wegführung etlicher Israeliten an zu rechnen, die im Jahr 606 geschah. Da hätte, menschlich gesprochen, der HErr alle Freiheit ge- habt, die Erfüllung der Verheißung bis zum Jahr 518 anstehen zu lassen. So aber kann man sagen: Ein Gebet wie das Daniels verhinderte den Verzug. Oder: Der HErr verkürzte die Zeit und machte es gnädiger, als etwa viele sich's gedacht hatten, und ließ Daniels Rechnung gelten.
So wird auch einmal in den letzten Nöten die Zeit der Trübsal um der Auserwählten willen verkürzt werden (Mat. 24,22), d.h. sie wird schneller zu Ende gehen, als es zuerst im Plan war. „Diese Auserwählten“, so heißt es auch Luk. 18,7f., „die zu Ihm Tag und Nacht rufen, wird Er erretten in einer Kürze“. Ebenso sollte der HErr drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde liegen wie Jona im Bauch des Walfisches (Mat. 12,40). Aber die Wartezeit der überaus treuen und betenden Jünger - obwohl sie nicht recht wußten, was sie beten sollten - wurde verkürzt, indem es nicht drei volle Tage anstehen durfte, sondern indem ein Weniges vom ersten Tage, der sich schon mit Sonnenuntergang nach dem Begräbnis schloß, und die Hälfte des dritten Tages, vom Abend bis zum Morgen, für ganz genommen wurde.
In gleicher Weise können auch wir nicht wissen, wie viele Zeit wir uns an jeder Trübsal - auch wenn wir diese nicht wegbitten können - wenigstens abkürzen durch ernstliches Bitten und Flehen zum HErrn, während andere, die nicht demütig bitten, den Leidenskelch bis auf die Neige austrinken müssen. Da können namentlich bei Krankheiten schöne Erfahrungen gemacht werden!(Christoph Blumhardt)

9:19 Ach Herr, höre, ach Herr, sei gnädig, ach Herr, merke auf und tue es, und verzieh nicht um deiner selbst willen, mein Gott! denn deine Stadt und dein Volk ist nach deinem Namen genannt.
So seufzte Daniel im Namen des Volks. Ach, mein Gott, bei jetzt angebrochenem Abend erinnere ich mich auch meiner Sünden. Ich schäme mich meine Augen aufzuheben vor Dir; denn meine Missethat ist über mein Haupt gewachsen und meine Schuld ist groß bis in den Himmel. Ich gestehe, ich habe gesündigt wider den Herrn. Wo will ich mit meiner Schande nun hin? Menschenhülfe ist hier kein nütze. Wohl, mein Herz, so fliehe zu Gott. Dieser nimmt die Sünder an. Du mußt aber kommen in Demuth, mit Reue und Leid deiner Sünden. Freundlicher Jesu, hier komme ich in dieser Abendstunde. Ich bin ein verirrtes und verlornes Schaf, Du Hirt meiner Seele, suche mich. Laß mich nicht, und thue nicht von mir die Hand ab, Gott mein Heil. Ich bin krank: mein Arzt, heile mich. Ist denn keine Salbe in Gilead, kein Trost auf Erden? Nein, aber im Himmel. Thut’s aber Jesus nicht, so wird mich sonst weder Kraft noch Pflaster heilen. Heile mich, Herr, denn meine Gebeine sind erschrocken, und meine Seele ist sehr erschocken. Ich bekenne, daß ich des höllischen Feuers schuldig bin; darum ist mein Geist in mir geängstet und in meinem Leibe verzehrt. Ich winsele wie ein Kranich und girre wie eine Taube. Um Trost ist mir sehr bange, nimm Dich doch meiner Seele herzlich an. Du wirst ja nicht ewiglich Zorn halten! Du hast ja geschworen, keinen Gefallen zu haben am Tode des Gottlosen, sondern daß er sich kehre von seinem Wesen und lebe. Wirf denn, o treuer Heiland, alle meine heutigen und früheren Sünden hinter Dich zurück, tilge sie wie den Nebel, laß mich hören Freude und Wonne, daß die Gebeine fröhlich werden, die Du zerschlagen hast. Sprich nur ein Wort, so werde ich gesund. Rufe mir jetzt zu: Sei getrost, deine Sünden sind dir vergeben.
Ich suche, laß Dich finden, Und zähl’ mich los von Sünden. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)

9:20 Als ich noch so redete und betete und meine und meines Volks Israel Sünde bekannte und lag mit meinem Gebet vor dem HERRN, meinem Gott, um den heiligen Berg meines Gottes,

9:21 eben da ich so redete in meinem Gebet, flog daher der Mann Gabriel, den ich zuvor gesehen hatte im Gesicht, und rührte mich an um die Zeit des Abendopfers.

9:22 Und er unterrichtete mich und redete mit mir und sprach: Daniel, jetzt bin ich ausgegangen, dich zu unterrichten.

9:23 Den da du anfingst zu beten, ging dieser Befehl aus, und ich komme darum, daß ich dir's anzeige; denn du bist lieb und wert. So merke nun darauf, daß du das Gesicht verstehest.

9:24 Siebzig Wochen sind bestimmt über dein Volk und über die heilige Stadt, so wird dem Übertreten gewehrt und die Sünde abgetan und die Missetat versöhnt und die ewige Gerechtigkeit gebracht und die Gesichte und Weissagung versiegelt und ein Hochheiliges gesalbt werden.

9:25 So wisse nun und merke: von der Zeit an, da ausgeht der Befehl, daß Jerusalem soll wieder gebaut werden, bis auf den Gesalbten, den Fürsten, sind sieben Wochen; und zweiundsechzig Wochen, so werden die Gassen und Mauern wieder gebaut werden, wiewohl in kümmerlicher Zeit.

9:26 Und nach den zweiundsechzig Wochen wird der Gesalbte ausgerottet werden und nichts mehr sein. Und das Volk eines Fürsten wird kommen und die Stadt und das Heiligtum verstören, daß es ein Ende nehmen wird wie durch eine Flut; und bis zum Ende des Streits wird's wüst bleiben.
Gelobt sei sein Name, es war keine Ursach‘ des Todes an Ihm. Weder sündliches Wesen noch sündliche Tat haben Ihn je verunreinigt, und darum hatte der Tod keinen Anspruch an Ihn. Kein Mensch hätte Ihm von Rechts wegen das Leben nehmen dürfen, denn Er hatte niemand Unrecht getan. Aber siehe, der eine sündigt, und der andre leidet dafür. Die Gerechtigkeit wurde von uns zur Rache der Strafe herausgefordert, aber sie fand ihre Genugtuung in Ihm. Ströme von Tränen, Berge von Opfern, Meere Bluts von Farren und Böcken und ganze Hügel von Räuchwerk hätten nicht vermocht, die Sünde zu versühnen; aber der Herr Jesus wurde für uns dahin gegeben, und so wurde alle Ursache der Strafe auf einmal abgetan, denn die Sünde wurde siegreich überwunden auf alle Ewigkeit. Hier ist Weisheit, welche die stellvertretende Genugtuung erfand, diesen sichern und kürzesten Weg der Versöhnung. Hier ist Leutseligkeit, die den Messias, den Fürsten, unter die Dornenkrone und ans Kreuzholz des Fluches hingab! Hier ist Liebe, die den Heiland und Erlöser dazu trieb, sein Leben dahinzugeben für seine Feinde.
Es ist jedoch nicht genug, dass wir bewundernd betrachten, wie der Unschuldige für die Sünden blutet, wir müssen unsres persönlichen Anteils an dem allen auch gewiss werden. Der besondere Zweck des Todes unsres Heilandes war die Erlösung seiner Gemeinde; haben wir teil und Erbe mit denen, für welche Er sein Leben zu einem Lösegeld geopfert hat? Trug Er unsre Krankheit, und lud Er auf sich unsre Schmerzen? Sind wir durch seine Wunden geheilt? Es wäre wahrlich etwas Furchtbares, wenn wir in irgendeinem Teil von der Gültigkeit seines Opfers ausgeschlossen wären; uns wäre besser, dass wir nie geboren wären. So ernst die Frage ist, so selig ist‘s, dass es eine Frage ist, die klar und ohne Gefahr des Missverstandes beantwortet werden kann. Allen, die an Ihn glauben, ist der Herr Jesus ein lebendiger, starker Heiland, und sein Blut der Besprengung hat sie alle gezeichnet. Es sollen sich freuen alle, die an das Verdienst des Todes Christi glauben, wo und wie sie immer seiner gedenken; und das Gefühl des heiligsten Dankes treibe sie an, dass sie sich seiner Sache mit ganzer Hingebung widmen. (Charles Haddon Spurgeon)

9:27 Er wird aber vielen den Bund stärken eine Woche lang. Und mitten in der Woche wird das Opfer und Speisopfer aufhören. Und bei den Flügeln werden stehen Greuel der Verwüstung, bis das Verderben, welches beschlossen ist, sich über die Verwüstung ergießen wird.1)
Diese Worte der Weissagung erfüllten sich, als Du Dein sechstes Wort am Kreuze riefest: “Es ist vollbracht!“ Du setzest nicht hinzu, was vollbracht sei, noch wie es vollbracht worden, damit ich desto begieriger nach dieser großen Wahrheit forschen soll. Es sit das große Erlösungswerk, das Du aus reiner Liebe übernommen, das Werk, das keine Kreatur hätte ausführen können. Es ist das Werk, an dem so vieler Millionen Menschen ewiges Wohl und auch meine Seligkeit hängt; das Werk, darum Dich Dein Vater liebet, wie Du selber sagst: „Darum liebt mich mein Vater, daß ich mein Leben lasse für die Menschen;“ das Werk, dafür Du in alle Ewigkeit wirst erhoben, angebetet, geliebt und gelobt werden. Und dieses Werk ist ganz vollbracht, vollkommen so, wie es einem solchen göttlichen vollkommenen Erlöser möglich und rühmlich war. Alle Schrift ist erfüllet, alles Heil erworben, aller Zorn in Gnade verwandelt, alle Feinde sind besiegt, alle Forderungen des Gesetzes befriedigt, die Hölle ist geschlossen, der Himmel eröffnet, alle Handschriften, die wider uns waren, hängen zerrissen am Kreuze. Kurz: alle Menschen sind erlöset. Ein köstliches Wort: Es ist vollbracht! Wie dreist sollte sich mein Glaube darauf lehnen, wie könnte es ihm ein Stecken und Stab sein, der ihn unterstützte und womit er alle überwundene Feinde und Verkläger abwiese! Es sollte ihm ein Paradies sein, darin er weidete. Ja, es sollte die Losung aller wahren Christen sein, daß sie einander zur Stärkung zuriefen: Es ist vollbracht. Was für Geist und Kraft steckt doch in Deinen Worten, Du Meister mit der gelehrten Zunge! Schreibe dieses theure Wort mit Deinem Blute in mein Herz, daß es mir nie aus dem Sinne komme. Gieb, daß ich mich in aller Ohnmacht und Schwachheit des Geistes mit kindlichem Glauben auf Dein: „es ist vollbracht“ verlasse; aber auch bei aller Glaubens- und Liebesgeschäftigkeit mein Thun für gar nichts achte, und mich nur auf Dein: „es ist vollbracht“ gründe, ja, selbst im Tode laß es mir einen festen Anker sein, daran ich mich bei allen etwa auf mich stoßenden Stürmen festhalten könnte, und damit glücklich hinüberkomme in den Hafen der seligen Ewigkeit, wo ich Dich für Dein vollbrachtes Werk vollkommen preisen kann. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt)


Derselbe Engel Gabriel, welcher der Maria die freudenvolle Botschaft brachte, daß sie einen Sohn gebären sollte, der groß und ein Sohn des Höchsten sollte genannt werden (Luc. 1,26), brachte diese Verheißung dem Propheten Daniel auf sein bußfertiges Gebet, und zwar um die Zeit des Abendopfers, wo Christus ein Opfer für unsere Sünden geworden ist. Er verkündigt ihm insbesondere die Zeit, wann Christus kommen und durch Leiden und Sterben die Sünde der Welt versöhnen solle. Gott hatte nämlich befohlen, daß die Kinder Israel sechs Jahre ihr Land bearbeiten sollten, aber am siebenten sollte es ruhen. Aber sie hielten es nicht, und der Prophet Jeremias hatte ihnen angekündigt, daß zur Strafe dafür nun 10 mal 7, d.h. 70 Jahre das Land wüste liegen sollte, wie denn auch geschehen, da die Kinder Israel in das babylonische Gefängniß geführt wurden. Nun aber hatte Gott durch Mosen auch 7 mal 7 Sabbathjahre, d.i. 49 Jahre bestimmt, daß nach denselbigen das große Erlaßjahr eintreten, da jedermann wieder zu dem Seinigen kommen, alle Schulden getilgt und alle leibeigenen Knechte wieder frei werden sollten (3. Mose 25,11 etc.). Dieses ist aber von den heiligen Propheten allezeit als ein Vorbild der Gnadenzeit angesehen worden, da Christus erscheinen sollte, damit Er die jenem Jahre gegebenen Verheißungen erst in die rechte Erfüllung brächte (Jes. 61.). Unter den Wochen versteht der Engel Gabriel nicht gewöhnliche Wochen von 7 Tagen, sondern Jahrwochen zu 7 Jahren, welche 70 mal genommen, 490 Jahre geben. Und wenn ein großes Erlaßjahr nach 49 Jahren eintrat, so sind dies 10 mal solcher Erlaßjahre; wie nun die Strafe der Juden 10 mal 7 Sabbathjahre dauern sollte, so sollte die letzte und herrlichste Erlösung nach 10 mal 7 Erlaßjahren, d.i. nach 490 Jahren kommen. Die 70 Wochen theilt der Engel in drei Zeitläufe, deren erster 7 Wochen oder 49 Jahre, der zweite 62 Wochen oder 434 Jahre, der dritte nur eine Woche oder 7 Jahre begreift, in deren Mitte Jesus sollte ausgerottet werden. Und in der That verflossen vom Wiederaufbau Jerusalems (Dan. 9,25) bis zur Geburt Christi 453, bis zum Antritt seines Lehramts 483 Jahre, und bis zum Tode des Herrn 3 ½ Jahre. Alles ist also richtig so eingetroffen, wie es vorhergesagt worden. Gott ist wahrhaftig und sein Wort nicht minder: darum kann unser Glaube fest und fröhlich sein. Amen. (Johann Friedrich Wilhelm Arndt) —-
Der erste Theil dieses Kapitels ist ein ernstlich und schön Gebet, in welchem der Prophet bittet, daß Gott Seinen Zorn abwenden - und Seinem Volk aus dem Gefängniß zu Babel wieder heim in ihr Land helfen wolle. Nun stellet er aber das Gebet also:
Auf's erste bekennet und erzählet er, mit welch schweren Sünden Sein Volk jene Strafe verdienet habe. Denn solche Erkenntniß und solches Bekenntniß der Sünden will Gott haben; wie es darum auch dorten Jerem. am 3. heißet: „Allein erkenne deine Missethat, daß du wider den HErrn, deinen Gott, gesündiget hast,“ und Sprüchw. am 28: „Wer seine Missethat leugnet, dem wird's nicht gelingen; wer sie aber bekennet und lasset, der wird Barmherzigkeit erlangen.“
Darnach aber bittet der Prophet, Gott wolle solche Strafe gnädiglich wieder von ihnen abwenden - um Seiner Gerechtigkeit willen, das ist darum, daß Er gnädig ist - und aus lauter Gnaden Sünden vergeben und gerecht machen will, - und um Seines Namens willen, das ist, auf daß Gottes Ehre, Name und Dienst unter den Heiden nicht verlösche.
Demnach sollen wir unser Gebet gleichfalls auf Gottes Barmherzigkeit, nicht aber auf unser Verdienst stellen, sondern unsere Sünden auch fein erkennen - und uns bessern.
Der andere Theil dieses Kapitels aber ist ein sehr tröstlich Exempel, wie Gott das Gebet, welches auf Seine Gnade gestellet ist - und unsere Unwürdigkeit bekennet, gnädiglich erhören und mehr geben wolle, denn wir bitten.
Daniel hatte nämlich nur gebeten, daß Gott Seines Volks Israel Gefängnis wenden wolle. Gott aber offenbaret ihm den großen Schatz, wie lange noch dahin sey, daß Christus geboren werden - und in Sein Amt treten solle, wie jedoch Sein Volk Ihn nicht annehmen, sondern tödten werde.
Da diese siebenzig Wochen (verstehe: Wochen nicht von sieben Tagen, sondern von sieben Jahren), man mag sie nun zählen, wie und von wo an man wolle, schon längst verflossen sind, so ist das auch ein starker Beweis der Wahrheit unseres christlichen Glaubens wider die Juden, daß nämlich der verheißene Messias schon längst gekommen sey, und zwar in der Person unseres HErrn Jesu, von dem solches auch sonst noch so viele andere prophetische Weissagungen klar ausweisen, - und daß alles Warten der Juden, Er werde erst noch kommen, nur vergeblich sey.
Was nun aber durch diesen unsern HErrn Jesum Christum geschehen solle, das malet auch der Prophet in diesem Kapitel mit herrlichen Worten, nämlich daß Er durch Sein Leiden und Sterben dem Uebertreten wehren, die Sünde zusiegeln, die Missethat versöhnen - und die ewige Gerechtigkeit bringen werde.
Und das hat denn unser HErr Jesus Christus durch Sein Sterben in der That glücklich ausgerichtet; daher auch, wie dorten Apostelgesch. am 10. stehet, „alle andern Propheten von Ihm zeugen, daß in Seinem Namen alle, die an Ihn glauben, Vergebung der Sünden empfahen sollen.“
Darum wollte Gott, es hätten auch die Juden an Ihn geglaubet! Aber weil sie Ihn und Seine Wohlthaten nicht annehmen wollen, so sind sie in der Weise, wie ihnen Daniel in diesem Kapitel prophezeiet, verstöret worden, daß sie nun schon mehr, als anderthalb tausend Jahre, mit all ihrer Herrlichkeit, Königreich, Priesterthum, Tempel, Gesetz und Opfer, und mit all ihrem Thun über einen Haufen liegen - und keine Besserung zu hoffen haben. Denn es heißet im letzten Vers unseres Kapitels, es sey beschlossen, daß solche über sie ergangene Verwüstung bis an's Ende (verstehe: bis an's Ende der Welt) über sie triefen bleiben solle.
Gott erleuchte demnach die noch heutzutage lebenden Juden, daß sie doch einmal anfangen mögen, ihren und ihrer Voreltern Irrthum zu erkennen - und an unsern HErrn Jesum auch glauben zu lernen! Denn obwohl Er ein von den Bauleuten, ihren Vorfahren, verworfener Stein ist, so ist Er doch in der That der einige köstliche Eckstein des Heils, außer welchem sonst in keinem andern Heil, und kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darinnen wir könnten selig werden (Apostelgesch. 4).
Uns aber erhalte und stärke Er in Seiner Erkenntniß - und gebe uns auch Daniels Büßfertigkeit, so werden durch Ihn auch unsere Sünden zugesiegelt - und unsere Missethaten versöhnet werden, und auch wir werden an Ihm haben ewige Gerechtigkeit, die vor Gott gilt. Ihm sey dafür sammt dem Vater und dem heiligen Geist Lob, Preis und Ehre in Ewigkeit! Amen. (Veit Dieterich)

Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
bibel/at/27_daniel/dan_kapitel_9.txt · Zuletzt geändert: von 127.0.0.1
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain