Johann Friedrich Stark - Der gläubige Christ bittet, Gott wolle die Liebe zu dem Nächsten in sein Herz pflanzen.

Johann Friedrich Stark - Der gläubige Christ bittet, Gott wolle die Liebe zu dem Nächsten in sein Herz pflanzen.

Aufmunterung.

1 Joh. 4, v. 20.21

So Jemand spricht: ich liebe Gott, und hasset seinen Bruder, der ist ein Lügner; denn wer seinen Bruder nicht liebet, den er siehet, wie kann er Gott lieben, den er nicht siehet? Und dieß Gebot haben wir von ihm, daß, wer Gott liebet, auch seinen Bruder liebe.

Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet, dabei wird Jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seyd, so ihr Liebe unter einander habt. Also beschreibet Christus das Kennzeichen seiner wahren Jünger und Jüngerinnen, Joh. 13, v. 34 nämlich, daß man sie daran erkennen sollte, wenn sie würden ihren Nächsten lieben. Es soll Niemand meinen, daß er in der Liebe Gottes stehen könne, wenn er schon seinen Nächsten hasset, o nein! es ist aber unser Nächster 1) unser Freund, Wohlthäter und Verwandter. 2) Auch unser Nachbar, Fremder und Mitbürger, selbst wenn er uns neidet, vervortheilet und hasset. 3) Gegen die Feinde soll man alle Bitterkeit, Unversöhnlichkeit, Haß und Bosheit aus dem Herzen verdammen, mit Worten und Werken beweisen, daß man ein liebreich Herz zu ihnen trage, und thue in der That und Wahrheit, was Christus sagt: Liebet eure Feinde, segnet, die euch fluchen, thut wohl denen, die euch hassen, bittet für die, so euch beleidigen und verfolgen, auf daß ihr Kinder seyd eures Vaters im Himmel, Matth. 5, v. 44.45.

Gebet.

Ach du liebreicher Gott! der du uns herzlich liebst, aber uns auch anbefohlen hast, daß wir unsern Nächsten mit gleicher Liebe umfassen sollen, wie du uns liebst. Ach! ich klage dir, wie mein Herz zu solcher aufrichtigen und wahren Liebe gegen meinen Nächsten sich noch nicht recht hat wollen bringen lassen. Ich sollte meinen Nächsten nach deinem Gebot lieben als mich selbst, ich sollte, wenn du ihm Glück, Gesundheit, Wohlergehen giebest, mich freuen, als ob es mir selbst widerfahren wäre. Ich sollte meinen Feind, der mich hasset, schmähet, verfolget, drücket, herzlich lieben, ihm Gutes wünschen, ja ihm viel Segen, Gedeihen und Glückseligkeit an Leib und Seele von dir erbitten. Aber du allwissender Gott! siehest und weißest, wie mein Herz von diesen Pflichten entfernt ist, wie leider! wenn du meinem Nächsten wohl thust, ihm Glück, Ehre und Wohlthaten darreichst, mir aber nicht, daß ich darüber scheel sehe, daß du so gütig gegen ihn bist. Du siehest, o allwissender Gott! wie das Bitten für meine Feinde so träge und gering ist. Ach, mein Gott und Vater! ich erkenne daraus das Elend und Verderben, darin ich noch stecke, und wie ich noch nicht in solchem Stande der wahren Jünger und Jüngerinnen Jesu bin, wie ich billig seyn sollte, welche man daran erkennen wird, daß sie Liebe unter einander haben, nicht allein gegen gute Freunde und Wohlthäter, sondern auch gegen Neider, gegen Feinde und Verfolger. Darum bitte ich dich, ach ändre doch mein rachgieriges und deinem heiligen Willen widerspenstiges Herz, daß ich durch deine Gnade meinen Nächsten herzlich und aufrichtig lieben möge, als mich selbst. Verleihe mir Kraft und Stärke, daß mich meinem Nächsten gerne und mit Freuden das gönne, was du ihm giebst, und nicht deßwegen betrübt drein sehe, wenn du mich nicht mit gleicher Wohlthat erfreuest. Behüte mich vor aller Falschheit gegen ihn, daß ich mich nicht etwa freundlich stelle mit Worten, wie Judas ihn küsse, und doch verrathe, sondern daß ich es aufrichtig mit ihm meine. Und so ich ja muß der Feinde Verfolgung, Schmähung und Unrecht erfahren, so gieb mir Kraft, daß ich es mit Sanftmuth überwinde, nichts Böses mit Bösem, oder Scheltwort mit Scheltwort vergelte, sondern dagegen ihnen Segen und alles Gute anwünsche. Herr mein Gott! du siehest, wie dem Fleisch und Blut diese Pflicht so schwer ankommt, aber durch deine Gnade und Beistand wird es mir möglich werden. Laß mich an andern üben, was du an mir gethan, und meinen Nächsten lieben, gern dienen Jedermann, ohn Eigennutz und Heuchelschein, und wie du mirs erwiesen, aus reiner Lieb allein, Amen.

Gesang.

Mel. O Gott! du frommer Gott.

Ist dann die Liebe gar aus dieser Welt verschwunden, da wenig Liebe mehr, bei Christen wir gefunden? Die Liebe sollte ja bei Christi Jüngern seyn, warum ist Falschheit-Tück bei ihnen so gemein?

2. Ach! in der letzten zeit wird alle Lieb erkalten, und gar geringe seyn bei Jungen und bei Alten. ist diese Zeit schon da, so machet euch bereit zum lieben jüngsten Tag, und zu der Ewigkeit.

3. Wo findet man jetzt Lieb, wo sind die Liebes-Proben? Die Liebeswerke sind fast gänzlich aufgehoben; wo ist Aufrichtigkeit? Wo ist die Liebestreu? Regiert die Falschheit nicht, und lauter Heuchelei?

4. Die Liebe ist hinweg, man findet kein Vertrauen, man darf auf Keines Wort anjetzo fast mehr bauen. Ein anders denkt das Herz, ein anders red't der Mund; und schöne Worte gehen, doch nicht aus Herzensgrund.

5. O falsche böse Welt! Gott kennet deine Stücke, du bist voll Haß und List, voll Bosheit und voll Tücke, du hast die Liebe nicht, und doch der Liebe Schein, und dieser falsche Schein soll wahre Liebe seyn.

6. Allein wer keine Lieb will an dem Nächsten üben, und kann von Herzensgrund auch seinen Gott nicht lieben, drum glaube nur gewiß, der ist kein Gotteskind, bei dem man lauter Haß und keine Liebe find't.

7. Mein Gott! verleih mir Gnad, daß ich in Lieb umfassen, und Gutes gönnen mag, die mich aus Feindschaft hassen. Ach! mache selbst mein Herz von aller Bosheit rein, daß ich auch in der Lieb mög Christi Jünger seyn.

8. Laß deine Liebe mir vor meinen Augen stehen, und laß mich ihrer Spur mit allem Fleiß nachgehen, ja, daß ich mich betracht, und an mir nehme ab, wie es in jedem Fall, mein Nächster gerne hat.

9. Laß deinen guten Geist, den Geist der Treu und Liebe, in meinem Herzen seyn, damit ich Lieb ausübe; gieb mir ein redlich Herz, das ohne Falschheit sey, voll Lieb und ohne List, und ohn Betrügerei.

10. So leb ich als dein Kind, und werd dahin gelangen, wo alle Gläubigen in Liebe sich umfangen, wo Liebe immer blüht in der Vollkommenheit, und nie aufhören wird in alle Ewigkeit.

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