Spieker, Christian Wilhelm - Christliche Morgenandachten auf alle Tage des Jahres - April.

Am 1. April.

Ich lebe, aber doch nun nicht ich, sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich in dem Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebet hat und sich für mich dargegeben.“ Gal. 2, 20.

Eines wünsch' ich mir vor allem Andern,
Eine Speise früh und spät; -
Selig läßt's im Thränenthal sich wandern,
Wenn dies Eine mit uns geht:
Unverrückt auf einen Mann zu schauen,
Der mit blut'gem Schweiß und Todesgrauen
Auf sein Antlitz niedersank,
Und den Kelch des Vaters trank.

Ewig soll er mir vor Augen stehen,
Wie er, als ein stilles Lamm,
Dort so blutig und so bleich zu sehen,
Hängend an des Kreuzes Stamm;
Wie er dürstend rang um meine Seele,
Daß sie ihm zu seinem Lohn nicht fehle,
Und dann auch an mich gedacht,
Als er rief: es ist vollbracht!

Ja, mein Jesu, laß mich nie vergessen
Meine Schuld und deine Huld!
Da ich in der Finsterniß gesessen,
Trugest du mit mir Geduld,
Hattest längst nach deinem Schaf getrachtet,
Eh' es auf des Hirten Ruf geachtet,
Und mit theuerm Lösegeld
Mich erkauft von dieser Welt.

Ich bin dein! - sprich du darauf ein Amen!
Treuster Jesu, du bist mein!
Drücke deinen süßen Jesusnamen
Brennend in mein Herz hinein!
Mit dir Alles thun und Alles lassen,
In dir leben und in dir erblassen,
Das sei bis zur letzten Stund'
Unser Wandel, unser Bund.

Amen!

Am 2. April.

Da sie aber aßen, nahm Jesus das Brod, dankte und brach es und gab es den Jüngern und sprach: Nehmet, esset, das ist mein Leib. Und er nahm den Kelch, und dankte und gab ihnen den und sprach: Trinket Alle daraus, das ist mein Blut des Neuen Testaments, welches vergossen wird für Viele, zur Vergebung der Sünden.“ Matth. 26, 26-28. Auch unser, die wir seine holdselige Rede nicht gehört, in sein liebevolles Auge nicht geblickt, unter seinem Kreuze nicht gestanden, sein Haupt nicht sich neigen gesehen, auch unser hat der Herr in unendlicher Liebe gedacht. Für alle Geschlechter und Zeiten hat er in jener stillen Abendstunde das Mahl der Gemeinschaft gestiftet, in welchem er uns nahe und gegenwärtig ist, in welchem er uns seinen Leib und sein Blut spendet, und damit Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit.

Ja, das hochwürdige Sacrament des Abendmahls ist die köstlichste Perle der Kirche, das allertheuerste Kleinod der Gemeinde. Es ist der unversiegliche Brunnen, aus dem wir immer neu schöpfen Gnade um Gnade. Wenn wir nirgends in der Welt Trost und Erquickung finden, im heiligen Mahle sind alle Güter für unsere Seele reichlich vorhanden. Hier ist Freudenöl für Traurigkeit, hier ist Schmück für Asche. Hier verbindet der Herr sein Herz mit unserem Herzen, reicht uns seine Gerechtigkeit für unsere Ungerechtigkeit, sein Verdienst für all unser Verschulden, seine Kraft für unsere Schwäche, seinen Frieden für unsern Unfrieden.

Und wie er den Seinen zur innigsten Vereinigung sich hingiebt, so sollen die Genießenden Eins sein, „Viele Ein Leib, dieweil sie Eines Brodes theilhaftig sind.“ Die alten Lehrer haben gesagt: Christus habe darum zu seinem Abendmahl Brod und Wein gebraucht, daß, gleichwie viel Körnlein ein jedes seinen eigenen Leib und Gestalt haben und mit einander gemahlen und zu einem Brode werden, also ist wohl ein jeder Mensch eine eigene Person und sonderlich Geschöpf, aber weil wir im Sacrament Alle Eines Brodes theilhaftig sind, sind wir Alle ein Brod und Leib; denn da ist einerlei Glaube, einerlei Bekenntniß, Liebe und Hoffnung. Also zum Wein kommen viel Trauben, viel Beerlein, da ein jegliches seinen eigenen Leib und Gestalt hat; sobald sie aber ausgedrückt sind und zu Wein worden, so ist keine Ungleichheit im Wein, sondern es ist ein einiger seiner, schöner Saft; also sollen die Christen auch sein. So ist das heilige Abendmahl auch das rechte Bundes- und Liebesmahl der Christenheit unter einander. - O Herr, deine Liebe und Treue ist groß. Gelobt seist du, daß du uns dein heiliges Sacrament zurückgelassen, dies Licht in unsrer Nacht, diesen Trost in unsrer Kümmerniß, die Erquickung in der Wüste dieser Erde. Laß mich dein heiliges Mahl allezeit würdiglich genießen. Amen.

Am 3. April.

Die bitteren Leidenstage des Herrn sollst du dir täglich vor Augen stellen, um an ihnen zu sehen und zu lernen, wie auch du als sein Knecht thun und dulden sollst. Denke darum an jenes letzte heilige Mahl, wo er zu lieben mit Wort und Werk lehrte, mit dem Worte, da er sprach: Ein neu Gebot gebe ich euch, daß ihr euch unter einander liebet, wie ich euch geliebet habe; mit dem Werke, da er den Jüngern die Füße wusch und sie mit seinem Schurz trocknete.

Denke daran, wie er darauf in der Angst heftiger betete, also, daß sein Schweiß in Blutstropfen zur Erde fiel; wie er verrathen, gefangen und gebunden in das Haus des Hohenpriesters geführt ward, wie die Gewalt der Finsterniß in der Nacht das furchtbarste Spiel mit ihm trieb, wie man ihn geißelte, anspie, schlug und lästerte; wie er aber, der Heilige Gottes, alle Leiden mit Geduld, Sanftmuth und Stille trug.

Siehe, wie er vor den Landpfleger als Aufrührer gestellt und verklagt, wie er von Herodes verachtet und zum Spott mit weißen Kleidern angethan wird, wie er wieder entblößt, mit Geißeln zerfleischt und mit Striemen bedeckt, mit Purpur umhüllt und mit Dornen gekrönt dasteht. Da trieft sein heiliges Antlitz überall von Blut, aber man verhöhnt ihn noch mehr, reißt ihm das Rohr aus der Hand und drückt die Dornen immer tiefer in sein Haupt hinein.

Siehe, wie er matt und bleich hinwankt mit dem Kreuzespfahl auf dem Rücken, siehe, wie er zwischen Verbrechern hängt, wie Hände und Füße durchstochen sind, wie der Leib qualvoll gespannt ist; siehe, wie man ihn mit Galle und Essig tränkt; höre ihn, wie er ausruft: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen! Bedenke das, o Seele, zu deinem Heile! Amen.

Am 4. April.

Jesus richtete am letzten Abend seines Lebens beim Hinausgehen von Jerusalem nach Gethsemane den Blick seiner Jünger auf die Schrecken, die noch in derselben Nacht ihrer warteten. „Der Hirt wird geschlagen werden, fügt er, und die Heerde sich zerstreuen. Ihr werdet euch in dieser Nacht Alle an mir ärgern.“ Darauf antwortete Petrus: „wenn sich auch Alle an dir ärgern, so will ich mich doch nimmermehr an dir ärgern. Ich bin bereit, mit dir in den Tod zu gehen.“ Der Herr aber erwiederte ihm: „Ehe denn der Hahn krähet (ehe der Morgen anbricht), hast du mich dreimal verläugnet!“ Matth. 26, 30 f. Ach. wie stolz sind wir oft auf unser Herz und auf die Kraft unseres Willens! Wir verheißen unserm Gott und Erlöser oft Treue und Standhaftigkeit bei der Versuchung zur Sünde. Und wir meinen es dabei so treu und redlich wie Petrus, der ja dem Heiland bereits durch manchen Sturm und Drang des Lebens nachgefolgt war. Es ist uns ein rechter Ernst um unsern Wandel mit Christo und unsere Seligkeit, um das Wohlgefallen Gottes und um die Liebe Jesu Christi. Aber des Menschen Herz ist ein trotziges, verzagtes Ding. Es kommt die Stunde der Versuchung, es bricht die Gefahr herein, es drohet Noch und Verfolgung, es reizet und locket die Lust - und dahin sind die guten Gedanken, die redlichen Vorsätze, die theuren Gelübde, die frommen Rührungen des Herzens. Die Stunden, wo wir festiglich glaubten, mit Jesu sterben zu können, wie bald waren sie von anderen verdrängt, wo wir ihm nicht eine einzige Lust aufopfern wollten, wo wir uns seines Evangeliums schämten, wo wir ihn freventlich verläugneten vor den Menschen. Freilich gingen wir dann wohl auch hin, weinten bitterlich und klagten: „ach, wer wird mich erlösen von dem Tode dieses Leibes?“ Wir gingen von dem Angesichte unseres Heilandes weg getröstet und wohlgemuth, und sprachen: „und wenn ich mit dir sterben sollte, so will ich dich doch nimmermehr verläugnen!“ Und blieb's denn auch bei diesem heiligen Vorsatz? Ach, in dem Gefühl meines tiefen Unvermögens, mit einer Demuth, die an sich selbst verzagt, werfe ich mich in die Arme der göttlichen Barmherzigkeit und flehe: „Herr, mehre und stärke meinen Glauben!“ Gieb mir Muth und Kraft, vor allen Menschen, auch vor deinen bittersten Feinden das Bekenntniß abzulegen, daß du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Oeffne mir die Augen, daß ich mich selbst erkenne „und deine Herrlichkeit sehe und dir dann diene mit treuer unwandelbarer Liebe. Du bist mächtig in den Schwachen und giebst den Demüthigen Gnade. Amen!

Am 5. April.

An dein Bluten und Erbleichen,
An dein Opfer ohne Gleichen,
An dein priesterliches Flehen
Mahnet mich des Geistes Wehen.
Und so wünsch' ich, ew'ge Güte,
Für mein Leben eine Blüthe,
Einen Ruhm an meinem Grabe:
Daß ich dich geliebet habe.

Hoherpriester ohne Tadel!
Lebensfürst von großem Adel!
Licht und Herrlichkeit entfalten,
Segnen heißt dein hohes Walten.
Segnend trittst du mir entgegen;
Und so wünsch' ich einen Segen,
Einen Ruhm an meinem Grabe:
Daß ich dich geliebet habe.

Elend bin ich und verdorben,
In der Sünde fast erstorben.
Sünder können nichts verdienen.
Nichts vergüten, nichts versühnen.
Willst du in der ew'gen Hütte
Mich vergessen in der Bitte,
Nicht auf deinem Herzen tragen:
Muß ich sterben und verzagen.

Du nur gehst im Heiligthume;
Und zu deiner Wunden Ruhme,
Weil du für die Sünde littest,
Giebt der Vater, was du bittest.
Wenn schon Zornesflammen lodern,
Darfst du noch Erbarmung fordern,
Hülfe, wo die Engel trauern,
Leben in des Todes Schauern!

O wie groß ist dein Vermögen!
Priesteramtes kannst du pflegen,
Welten auf dem Herzen tragen,
Sünd' und Hölle niederschlagen,
Gräber öffnen, Todte wecken,
Sie mit Himmelsblüthe decken,
Und hinauf zum ew'gen Leben
Auf der Rettershand erheben!

Was ist Reichthum Lust und Ehre,
Was ein Ueberfluß, wie Meere,
Wenn du, Herr, mich nicht erkennest,
Nicht im Heiligthume nennest?
Sel'ger Pilger, dem die Kunde
Tief ertönt im Herzensgrunde:
Christus, meine Lebenssonne,
Denket mein im Haus der Wonne!

Lieben will ich, flehn und loben,
Bis der Vorhang weggeschoben;
Dann zu dir, du Ewigreiner! -
Jesus Christus, denke meiner!
Eines schenke mir hienieden:
Deinen Geist und deinen Frieden,
Und den Ruhm an meinem Grabe:
Daß ich dich geliebet habe!

Amen!

Am 6. April.

Die schwerste aller Nächte war eingebrochen über den Herrn. Nach dem hohenpriesterlichen Gebet (Joh. 17), das uns hineinschauen läßt in das Herz des Eingebornen vom Vater voller Gnade und Wahrheit, treibt es ihn hinaus an den lieblichen Oelberg, aber nicht, um dort auszuruhen, nicht, um im Gebet zu seinem lieben Vater neue Kraft zu neuem Wirken zu holen, sondern um seinem ganzen bisherigen Wirken die Krone aufzusetzen, um sich zum Heile der Welt seinen Feinden in die Hände zu geben. Mit jenen drei Jüngern, die er dort auf dem Tabor einen Blick hatte thun lassen in seine höchste Herrlichkeit hinein, tritt er in den Garten Gethsemane, damit sie ihn nun auch in dieser Schmerzensnacht in seiner tiefsten Erniedrigung sehen und als wahrhaftigen Gott und wahrhaftigen Mensch recht lebendig erkennen. Sein Seelenleiden beginnt. Er fängt an zu trauern und zu zagen. Der Sohn Gottes - der Himmel ist sein Stuhl, die Erde seiner Füße Schemel - er liegt auf seinem Angesicht! Die Freudigkeit des Geistes ist dahin; das Angesicht ist verstellt, Hände und Füße erzittern, das Herz klopft, die Lippe bebet: „Meine Seele ist betrübt bis in den Tod!“ Des Todes Stachel und Bitterkeit ist es, welche wie Bergeslast sich auf ihn wälzt. Der ganze Fluch des Gesetzes, der den Sünder nicht zum Frieden kommen läßt, der ganze Zorn Gottes, der da brennt bis in die unterste Hölle, die unaussprechliche Angst, die den Sünder umtreibt: das Alles kam über Jesum, das Alles trug er dort in Gethsemane. Daher sein Zittern und sein Zagen, daher seine Traurigkeit bis in den Tod, daher sein dreimaliges Flehen: Vater, ist's möglich, so gehe dieser Kelch von mir! Doch der Kelch wird nicht von ihm genommen; Es ist nicht möglich, wenn die Welt gerettet werden soll. Und so bindet der Sohn in völligem, ergebungsvollem Gehorsam seinen Willen in des Vaters Willen hinein und beugt seine Menschheit unter den göttlichen Liebesrath. Nun haben wir nichts mehr zu fürchten. Der Herr ist für uns in der Angst und im Gerichte gewesen. Nun haben wir nicht mehr zu trauern und zu zagen: er hat für uns gerungen und den Leidenskelch hingenommen. Nun ist er in aller Schwachheit unsere Stärke, in Traurigkeit unser Trost, in allen Leiden unsere Zuversicht.

Liebe, die mit Schweiß und Thränen
An dem Oelberg sich betrübt;
Liebe, die mit Blut und Sehnen
Unaufhörlich fest geliebt;
Liebe, die mit allem Willen
Gottes Zorn und Eifer trägt,
Den, so Niemand konnte stillen,
Hat dein Sterben hingelegt.

Amen.

Am 7. April.

Mit dem Heldenwort: „Stehet auf, lasset uns gehen; siehe, er ist da, der mich verräth!“ weckt Jesus seine Jünger und verläßt mit ihnen des Gartens dunkle Schatten. Fackeln und Lampen leuchten durch die Finsterniß. Bewaffnete Schaaren dringen herein. Ruhig und entschlossen, als warte seiner etwas Heißersehntes, tritt der Herr ihnen entgegen mit der Frage: Wen suchet ihr? Sie antworteten: Jesum von Nazareth. Er spricht zu ihnen: Ich bin's. Da weichen sie zurück und stürzen zu Boden. Ein Wörtlein des wehrlosen Christus hat die Häscher gefällt. „Die Stimme des Herrn gehet mit Macht, die Stimme des Herrn zerbricht die Zedern auf Libanon; die Stimme des Herrn hauet wie Feuerflammen!“ (Ps. 29, 7.)

Allmählig erhebt sich die Schaar von ihrem Schreck, sie stehen wieder auf, und Jesus wiederholt seine Frage und seine Antwort, mit der Bitte, die Jünger gehen zu lassen. Und Judas, als er Jesum sahe, in seiner Unschuld und heiligen Würde, schrak er nicht zurück vor seinem Satanswerk? Fiel er nicht zu den Füßen des Heilandes, der sich ihm als einem Freunde vertrauet hatte? Ach, der Plan der Bosheit und Habsucht war so fest in seiner Seele geworden, daß keine Mahnung und Warnung der Liebe ihn hätte erschüttern können. Judas eilet auf Jesum zu und giebt ihm den verabredeten Verrätherkuß. Und der Meister duldet in unendlicher Sanftmuth und Demuth den Gruß und Kuß des verruchten Jüngers. „Mein Freund! Warum bist du gekommen?“ Kommst du als Freund: was sollen die Schwerter und Spieße? Kommst du als Feind: warum küssest du mich? Juda, verräthst du des Menschen Sohn mit einem Kuß? Das ist Alles, was der Verrathene mit Wehmuth zu dem Verräther sagt, der letzte Lichtstrahl, den der barmherzige Heiland in die Nacht dieses Herzens fallen läßt. Willig giebt er sich dann in die Hände der Feinde und wehret dem vermessenen, unzeitigen Muthe des Petrus, der, nicht was göttlich, sondern was menschlich ist, meinte und nicht das Böse mit Gutem überwinden mochte.

O Herr Jesu, dein Erbarmen ist ohn' Ende;
Deine Lieb hat dich getrieben,
Sanftmuth und Geduld zu üben,
Ohne Schelten, Drohen, Schlagen
Andrer Schmach und Last zu tragen,
Allen freundlich zu begegnen,
Für die Lästerung zu segnen,
Für der Feinde Schaar zu beten
Und die Mörder zu vertreten.
Lamm, laß deine Liebe decken
Meiner Sünden Meng' und Flecken;
Du hast das Gesetz erfüllet,
Des Gesetzes Fluch gestillet;
Laß mich wider dessen Stürmen
Deiner Liebe Schild beschirmen.
Heil'ge meines Herzens Triebe,
Salbe sie mit deiner Liebe!

Amen.

Am 8. April.

Der keine Sünde und niemals Unrecht gethan hat, der Heilige Israels wird in Fesseln gelegt und im Triumph vor seine ungerechten Richter geführt, die ihn als einen Sünder und Missethäter, als einen Irrlehrer und Aufrührer verdächtigen und verurtheilen wollen. Um seine Lehre befragt, erhebt er männlichkühn das Auge und spricht so göttlich groß: „Ich habe frei öffentlich geredet vor der Welt. Ich habe allezeit gelehret in der Schule und in dem Tempel, da alle Juden zusammenkommen, und habe nichts im Verborgenen geredet.“ Lautlos, sichtbar verwirrt steht der Hohepriester da, bis eine seiner Kreaturen die verruchte Faust erhebt und den Herrn der Herrlichkeit ins Angesicht schlägt - der Himmel erbebt, die Erde erzittert, die Engel verhüllen ihr Angesicht, und Jesus - o der himmlischen Sanftmuth! - spricht: „Habe ich übel geredet, so beweise es, daß es böse sei; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?“ Indeß hat sich der hohe Rath versammelt, wider den Gesalbten des Herrn zu wüthen und der Welt den Segen aller Segen zu nehmen, da kommt kein Schlaf in die Augen der Feinde, es verdrießt sie keine Mühe. Sie suchen falsch Zeugniß wider Jesum und bestellen Lügner, um ihr böses Werk durchzusetzen. Der Herr verschmäht jede Vertheidigung, steht im ruhigen Bewußtsein der Unschuld schweigend vor den racheglühenden Richtern und bricht dies majestätische Schweigen nur, um mit fester Stimme, im Namen des lebendigen Gottes, vor Aller Ohren, im Angesichte des Todes das gute Bekenntniß abzulegen und die Eidesfrage des Hohenpriesters: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, daß du uns sagest, ob du seist Christus der Sohn Gottes?“ mit einem klaren und bestimmten: „du sagest es, ich bin's!“ zu beantworten.

In erheucheltem Schmerz über dieses Wort des Gottessohnes, das Allen wie ein Schwert durch die Seele hätte dringen sollen, zerreißt der Hohepriester seine Kleider und spricht das Bluturtheil über Jesum aus. Dieser Verurtheilung folgen nun Mißhandlungen, wie nur die niedrigste Rohheit und Grausamkeit sie ersinnen und verüben kann. Es erfüllt sich nun das prophetische Wort: „Ich hielt meinen Rücken dar Denen, die mich schlugen, und meine Wangen Denen, die mich rauften; mein Angesicht verbarg ich nicht vor Schmach und Speichel.“ (Jes. 50, 6.) Aber die Backenstreiche, die Schläge, das Anspeien, das Verspotten und alle Schmach der Feinde thun dem lieben Herrn nicht so weh, schneiden ihm nicht so in die Seele, als der tiefe, tiefe Fall des Jüngers, zu dem er gesprochen: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.“ Mit einem Blick voll Liebe, aber auch voll strafender Hoheit durchdringt der mitleidige Hohepriester die Seele des Gefallenen, ein Blick, um ihn tief zu demüthigen, aber zugleich noch viel mächtiger aufzurichten und zu beleben.

Wie freundlich blickt er Petrum an,
Obgleich er war so tief gefallen.
Nun, dies hat er nicht nur gethan,
Da er auf Erden mußte wallen;
Nein, er ist immerdar sich gleich,
An Gnaden und Erbarmung reich;
Und wie er unter Schmach und Leiden,
So ist er auf dem Thron der Freuden
Den Sündern liebreich zugethan.
Mein Heiland nimmt die Sünder an.

Amen.

Am 9. April.

Ich finde keine Schuld an diesem Menschen!“ so muß auch der heidnische Landpfleger vor der ganzen versammelten Menge über Jesum urtheilen, und um sich nicht mit dem Blute des Gerechten zu beflecken, sendet er ihn zu Herodes, dem Vierfürsten von Galiläa, der in diesen Tagen in Jerusalem war, zu dem Ehebrecher und Tyrann, der um eines leichtfertigen Tanzes willen den Täufer hatte enthaupten lassen. Und Herodes hofft an Jesu eine rechte Augenweide zu haben. Aber seine fleischliche Freude wird vereitelt. Schweigend steht der Herr vor dem eitlen Fürsten, dessen Neugierde sich nun in den bittersten Haß verwandelt, dessen gottlose Natur nun in vollen Strömen hervorbricht. Pilatus sieht Jesum zurückkommen, legt zum zweiten Mal Zeugniß ab für die Unschuld des Gefangenen und sucht auf einem Nebenwege zum Ziele zu gelangen.

Er stellt den Herrn mit einem Mörder zusammen und läßt dem Volke die Wahl. Und siehe, die Verblendeten schreien nach dem Blute des Gerechten. Jesus, der Sohn Gottes, der Herr der Herrlichkeit, das Licht der Welt, der Fürst des Lebens, der Allerfreundlichste und Liebreichste, der Jeden segnen und selig machen will, Jesus mit dem holdseligen Angesicht, mit dem heiligen Liebesblick, mit dem Ausdruck des tiefsten Seelenschmerzes in der ganzen Gestalt, er wird verworfen und - Barrabas, der ruchlose Verbrecher, der blutige Mörder, der Feind Gottes und der Menschen, Barrabas mit dem Kainszeichen, mit dem frechen Trotze, mit dem tückischen Blicke, mit dem verworfenen Herzen, - er wird losgebeten. Pilatus, der feige Richter, verurtheilet, trotz der warnenden Stimme, die an sein Gewissen schlägt (Matth. 27, 18.), den Herrn zum Tode und übergiebt ihn den Kriegsknechten, die mit grausamen Geißelhieben den heiligen Leib zerfleischen und mit spitzigem Dornenkranz das heilige Haupt verwunden, die ihm ein Rohr in die gebundenen Hände geben und zum Spott einen Purpurmantel anlegen. Mit Faustschlägen, mit Hohngelächter und spöttischem Gruß nahen sie dem Gemarterten, und Einer sucht es dem Andern in dem Satanswerke zuvorzuthun. Ach, ist denn Niemand zu finden, der sich des armen Verlassenen erbarme und ihn in Schutz nähme wider die Diener der Hölle? Wo sind denn die Unzähligen, denen er geholfen aus den Leiden Leibes und der Seele?

O großer Schmerzensmann,
Vom Vater sehr geschlagen,
Herr Jesu, dir sei Dank
Für alle deine Plagen,
Für deine Seelenangst,
Für deine Band' und Not
Für deine Geißelung,
Für deinen bittern Tod.

Amen.

Am 10. April.

Der Heiland, zum Tode verurtheilt, wird den Kriegsknechten zur Kreuzigung übergeben. In stürmischer Hast eilen sie, den Herrn zur Richtstätte zu führen. Der Kreuzesbalken wird herbeigeschafft und auf Jesum gelegt. Mit der Dornenkrone auf dem. Haupte tritt der verurtheilte Gottessohn inmitten zweier Missethäter den Schmerzensweg vom Hause des Pilatus an. Dem Zuge, den ein römischer Hauptmann mit etlichen Kriegsknechten führt, folgt eine Menge Volkes sammt den Hohenpriestern, um zu sehen, wie es hinausginge. Als König war Jesus am Palmsonntage eingezogen, als König hält er seinen Auszug am Charfreitage, dort unter Jauchzen, hier unter Klagen, dort und hier als sanftmüthiger König und Helfer, der wohl wußte, daß er mit diesem Ausgange uns den Eingang erwarb in die himmlische Stadt. Der Herr trägt sein Kreuz, das Kreuz, an dem das Lamm Gottes geopfert werden soll. Aber die in der Nacht erduldeten Qualen haben seine Kräfte erschöpft, und man ergreift, um desto schneller zur Marterstelle zu gelangen, den Simon von Cyrene, daß er Jesu den Kreuzespfahl nachtrüge.

Von tobenden Feinden umringt, und nur von einigen mitleidigen Frauen beweint, steigt der Herr den Todeshügel hinan. Sich selbst vergessend hält er den jammernden Jüngerinnen, die ihn nur mit den Augen menschlichen Mitleids ansehen, die schweren Tage vor, die um dieses Charfreitages willen über Jerusalem kommen sollten: „Ihr Töchter von Jerusalem, weinet nicht über mich, sondern weinet über euch und eure Kinder!“ Wohl geht er zum Tode, aber durch den Tod zum Leben und zum Siege. Er leidet, aber er wird darnach Freude haben. Er wird unter die Missethäter gerechnet, damit er das Volk von allen seinen Missethaten befreie. - Endlich hat er den Gipfel des Golgatha erreicht und wird an das Holz des Fluches geheftet. Da hängt er nun, der Herr der Ehren, am Schandpfahle, sechs lange, bange Stunden! Sein ganzes Haupt ist krank, sein ganzes Herz ist matt, von der Fußsohle an bis auf das Haupt ist nichts Gesundes an ihm. Die Hände, womit er Tausende gesegnet, sind durchbohrt, die Füße sind durchgraben und an's Kreuz genagelt. Das Auge allein ist ungebunden. Er kann aufwärts, er kann abwärts blicken. Er blickt auf seine Mörder, und von ihnen hinauf zum Himmel, und das hohepriesterliche Fürbittwort wird laut: „Vater vergieb ihnen, denn sie wissen nicht, was sie thun!“

O große Lieb', o Lieb' ohn' alle Maaße,
Die dich gebracht auf diese Marterstraße;
Ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden,
Und du mußt leiden!

Amen.

Am 11. April.

Zur Linken und zur Rechten des Herrn hängen zwei Missethäter, unter denselben Leibesqualen, wie er, auf die Stunde ihrer Auflösung wartend. Der Eine stimmt mit ein in den Spott der Hölle über den Gesalbten Gottes und geht ewiglich verloren. Der Andere kommt zu lebendiger Erkenntniß seiner Schuld, zu ernstlicher Reue und Buße und zum seligmachenden Glauben an den Heiland der Sünder, und seine Bitte um die Gabe der Kinder Gottes wird ihm gewähret. Wie ein Brand wird er aus dem Feuer gerissen und ihm die Pforte des Paradieses aufgethan. In die Nacht seines Todes leuchtet wie ein freundlicher Stern das königliche Verheißungswort Christi hinein: „Wahrlich, ich sage dir, heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ -

Unter dem Kreuze steht die schmerzensreiche Mutter. Die Zeit ist da, von welcher es hieß: „Und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen.“ (Luc. 2. 35.) Was mußte sie fühlen! Der Ort der Schrecken, die lauernden Blicke, die empörenden Urtheile, die namenlose Schmach, der gemarterte Sohn! Aber ihre treue Liebe trägt die Kummerlast, ohne zu wägen und zu rechnen. Sie kann nicht fern bleiben von dem Leidenden, sie muß ihm zur Seite sein, wäre sie auch unfähig zu helfen. Und der Schmerzensmann am Kreuze sieht die Qualen, die ihr das Herz zerreißen, die Verlassenheit, der sie entgegengeht, die Verfolgung, die ihrer wartet, - und er sieht ihn, den er lieb hatte, Johannes, den frommen Jüngling. „Siehe, das ist dein Sohn;“ „siehe, das ist deine Mutter“ - mit diesem herzlichen Liebeswort knüpft er ein heiliges Band zwischen dem Jünger und der Mutter.

Aber höher steigt die Leidensgluth: Die Wunden brennen, das Blut quillt aus den durchbohrten Gliedern, immer heftiger werden die Schmerzen, und die Schauer des Todes nahen. Finsterniß bedeckt drei Stunden lang das ganze Land. Finsterniß liegt auch auf Jesu Seele. Der Blick in's Paradies, womit er den Schächer getröstet, wird ihm verdunkelt. Den Kelch, den er in Gethsemane übernommen, trinkt er jetzt gänzlich aus. Der schwerste Kampf des Lichts mit der Finsterniß ist eingetreten, und das Licht scheint zu unterliegen. Endlich bricht unser Bürge das lange Schweigen und mit dem lauten Angstruf: „Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen?“ ringt er sich im Glauben empor aus der Tiefe zu seinem Gott, um das Gefühl der ewigen Sohnschaft wiederzuerlangen und Licht auf den grauenvollen Todesweg, in den er sich nicht mehr zu finden wußte.

Nun, Herr, was du erduldet,
Ist Alles meine Last!
Ich, ich hab' es verschuldet,
Was du getragen hast.
Schau' her, hier steh' ich Armer,
Der Zorn verdienet hat;
Gieb mir, o mein Erbarmer,
Den Anblick deiner Gnad'!

Amen.

Am 12. April.

Der Mittler hat den höchsten Gipfel seines inwendigen Leidens erreicht; die schwerste Arbeit seiner Seele ist vollendet; der Gotteskampf ist durchgekämpft und der Sieg errungen. Die Sonne gewinnt ihren Schein wieder. Jetzt aber empfindet er, was seine Glieder voller Wehe litten. Seine Lippen lechzen nach Erquickung, seine Zunge klebt ihm am Gaumen. All die furchtbaren Leibesmartern von seiner Gefangennehmung an, durch die nächtlichen Verhöre hindurch, während seiner Geißelung und Dornenkrönung, bis in die Pein der Kreuzigung, der Blutverlust, die Fieberhitze, die Sonnengluth über seinem Haupte hatten ihm bisher keinen Schmerzenslaut ausgepreßt. Nun spricht er, der die Brunnen quellen läßt, der Allen, die es begehren, lebendiges Wasser giebt, mit schwacher, zitternder Stimme: „Mich dürstet!

Doch nun, Gottlob, der Herr hat ausgerungen. Die Siegespalme winkt. Noch einmal sammelt er seine Kraft und ruft: „Es ist vollbracht!“ - ein freudenreiches Siegeswort, das durch aller Himmel Himmel dringt. Vollbracht das schwere Werk, der saure Lebenslauf! Verfolgung und Versuchung, Hunger und Durst, Schmach und Schande, Speichel und Geißel, Dornenkrone und Kreuzespein - es liegt nun hinter ihm. Vollbracht Alles, was ihm vom Vater aufgetragen, was nach den Schriften der Propheten zu thun war. Vollbracht unser Heil, unsere ewige Erlösung: die Schuld ist bezahlt, die Sünde getilgt, der Himmel geöffnet, der Tod verschlungen in den Sieg. O selige Botschaft für alle Menschenkinder! O seliges Schlußwort aus Jesu Munde: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen Geist!“

Da hängt er nun, der Herr der Herrlichkeit. Das Angesicht ist erblaßt und die Stimme verklungen, die allen Mühseligen und Geladenen rief. Das Auge ist gebrochen, das so mitleidig in das Elend der Menschenkinder hineinsah, und das Herz steht still, das so treu für die Sünder schlug. Die Hand ist erstarrt, welche die Wogen still, die Kranken gesund, die Todten lebendig gemacht. Ueber dem Kreuze und unter dem Kreuze geschehen Zeichen und Wunder. Die Sonne verliert ihren Schein, der Vorhang im Tempel zerreißt, die Erde erbebt, und die Gräber thun sich auf. Der Hauptmann von der Schaar legt ein gutes Bekenntniß ab, das Volk schlägt an die Brust und wendet um, und ich spreche im Ausblick zu dem Gekreuzigten, der auch für meine Sünden Marter und Tod erduldet hat:

Ich danke dir von Herzen,
O Jesu, liebster Freud,
Für deine Todesschmerzen,
Da du's so gut gemeint.
Ach gieb, daß ich mich halte
Zu dir und deiner Treu,
Und wenn ich einst erkalte,
In dir mein Ende sei.

Amen.

Am 13. April

Herr Jesu Christ, du Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt, ich danke dir von Herzen in dieser heiligen Zeit, daß du mich armen, verlornen Menschen, ohne all mein Verdienst und Würdigkeit, mit deinem heiligen, theuern Blute, mit deinem unschuldigen Leiden und Sterben erlöset hast. Ach wie willig littest du Armuth und Verachtung, Spott und Verfolgung, Strick und Bande, Backenstreiche und Speichel, Geißel und Dornenkrone und die Pein des Kreuzes! Wie groß war dein Leiden, wie mannichfaltig deine Marter, wie unaussprechlich deine Liebe, womit du uns deinem himmlischen Vater versöhnt hast! Ich danke dir, du treuer Hoherpriester, für deine Todesangst und deinen blutigen Schweiß in Gethsemane, wo du auf dein Angesicht sielest und dich dem Willen deines himmlischen Vaters opfertest. Ich danke dir für deine harten Bande, da du dich als einen Uebelthäter willig in die Hände deiner Feinde hingabst und dich, von deinen Jüngern verlassen, von einem ungerechten Richter zu dem andern führen ließest. Ich danke dir für die Schläge und Wunden, die du um unsertwillen erlitten, für die Dornenkrone, die du uns zu gute getragen, für den schmählichen Kreuzestod, zu dem du dich für uns hast verurtheilen lassen.

Herzlich danke ich dir auch für deine liebreiche Fürbitte für die, welche dich an das Holz des Fluches gehänget haben: für das tröstliche Wort, das du dem bußfertigen Schächer zugerufen;, für die Liebe, mit der du deines Jüngers und deiner Mutter gedacht; für deine Angst und Noch, da du riefest: „Mein Gott, mein Gott! warum hast du mich verlassen?“ für deinen Durst am Kreuzesstamm; für dein Trosteswort: Es ist vollbracht! und für deinen letzten Ruf, womit du deinen Geist in des Vaters Hände befohlen hast.

Durch deinen heiligen Tod ist alle unsere Sünde bezahlt, uns das Leben wiedergebracht und eine vollkommene ewige Versöhnung und Erlösung gestiftet. O, laß dein bitteres Leiden und Sterben mir auf's Neue tief in's Herz eingedrückt werden, damit ich deine Liebe und Erbarmung recht verehre, dir allein angehöre und in tiefer Reue und Buße der Sünde mehr und mehr absterbe. Laß mich dir folgen, wohin du auch mit mir gehest. Führe mich, daß ich mich nicht verirre, sondern den rechten Pfad erwähle und festhalte. Auch heute laß mich ruhen in dir, Herr Jesu, mit wahrem Glauben dir anhangen und bringe mich dereinst sammt allen Seelen, die du theuer erkauft hast, in das Allerheiligste deiner ewigen Gemeinschaft, wo ich dich schauen werde in deiner Herrlichkeit.

Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünde der Welt, Erbarme dich unser!
Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünde der Welt, Erbarme dich unser!
Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünde der Welt,
Gieb uns deinen Frieden! Amen.

Am 14. April.

Still ist's auf dem Todeshügel geworden, still an den drei Kreuzen, still in den Herzen der Untenstehenden, denn die Feinde haben ihre Rache gekühlt, den Freunden sind die Herzen gebrochen; sie stehen dort und weinen, unter ihnen Maria, von Johannis Armen umfangen und gehalten. Sie können sich nicht trennen von dem erblaßten, blutbeträuften Leichnam des Einziggeliebten, der mit durchbohrter Seite am Kreuze hängt. Sie hatten ihm, dem Freunde ihrer Seelen, den kalten Todesschweiß nicht von der Stirn trocknen, ihm das müde, sinkende Haupt nicht stützen, das brechende Auge nicht zudrücken können. Noch nun hat er das ganze angst- und schmerzensreiche Werk seiner Liebe vollendet. - Den Schächern sind die Beine zerschlagen. Der Herr ist durchbohrt, um abgenommen werden zu können, weil den Sabbath über kein Leichnam am Kreuze bleiben darf. Wer wird nun aber kommen, ihn abzunehmen und zu begraben? Vielleicht die Feinde - sie hätten ihn schmählich auf der Schädelstätte verscharret. Wer wird ihn auch nehmen dürfen, den heiligen Leib - er ist ja hingerichtet, und über solche gebietet die Obrigkeit. Wer wird den Gang zum Landpfleger wagen?

Leise hebt die Herrlichkeit des Herrn an. Nahe bei Golgatha ist ein Garten und in demselben ein neues, in den Felsen gehauenes Grab, in welchem noch Niemand gelegen. Dies neue Grab ist nach Gottes Vorsehung für Jesum bereitet. (Jes. 53, 9.) Es gehört einem Mitgliede des hohen Rathes, dem frommen, reichen und angesehenen Joseph von Arimathäa. Diesem heimlichen Jünger Jesu ist der heilige Muth gewachsen und er vermag's nicht mehr zu verbergen, daß er dieses Gekreuzigten Freund sei. Er geht in's Richthaus, erlangt den Schatz, der für Pilatus keinen Werth hat, und eilt, das letzte Liebeswerk zu vollbringen. Nun tritt Nikodemus herzu. Der Same, den der Herr einst in sein Herz gestreut, bringt liebliche Glaubensfrucht. Von heiligem Wetteifer entflammt, bestatten die edlen Männer den Leib ihres Herrn in Josephs nahem Grabe. Der Sonne letzte Strahlen sinken, der Tag der Schmerzen ist vorüber und der große Sabbath bricht an, an welchem der Fürst des Lebens im Grabe ruht. Aber die Bosheit ruht und feiert nicht. Eine Wache steht alsbald an der Felsengruft, und der Stein wird mit Sorgfalt versiegelt. O ihr Thoren! - nun die Seele Jesu im Grabe ruht und trotz des Todes die Schlacht gewonnen hat, nun sich bereits alle Engel im Himmel zum Osterhallelujah rüsten, nun ist's aus mit eurer Macht über Jesum von Nazareth, der die Auferstehung und das Leben ist.

Amen! deines Grabes Friede
Wird auch unier Grab umweh'n,
Wenn wir, von der Wallfahrt müde,
Ruh'n, um froher aufzusteh'n.
Amen! Fürst der Auferstehung,
Der des Todes Siegel brach,
Zeuch durch Tod und Grab uns nach
Zu der seligen Erhöhung,
Wo dem Lamm, das uns versöhnt,
Aller Himmel Loblied tönt!

Amen.

Am 15. April.

Denn es ist das Wohlgefallen gewesen, daß in ihm alle Fülle wohnen sollte, und Alles durch ihn versöhnet würde zu ihm selbst, es sei auf Erden oder im Himmel, damit, daß er Frieden machte durch das Blut an seinem Kreuze durch sich selbst.“ Col. 1, 19 und 20.

Wohl mir, kann ich freudig sagen,
Jesus hat es gut gemacht.
Meine Schuld ist abgetragen,
Da er rief: Es ist vollbracht!
Was in Adam ist verbrochen,
Hat Gott an dem Sohn gerochen.

Jesus ist für mich gestorben,
Jesus hat für mich gebüßt,
Jesus hat mir Heil erworben,
Jesus mein Erretter ist.
Stille, schlagendes Gewissen,
Denn der Schuldbrief ist zerrissen.

Jesus ruht nun in dem Grabe,
Da stell' ich mich weinend ein;
Weil ich keine Salben habe,
Sollen's meine Thränen sein.
Ich will mich zum Leichnam setzen,
Ihn mit Thränen zu benetzen.

Thränen über meine Sünde,
Thränen einer wahren Reu',
Thränen, weil ich leider finde,
Daß ich selbst die Ursach sei
Deiner ausgestand‘nen Schmerzen:
Jesu, das geht mir zu Herzen.

Thränen, die vor Freuden fließen,
Rollen mir die Wangen ab.
Jesu Tod und Blutvergießen
Machen mir mein künftig Grab
Zu der angenehmsten Kammer,
Da verschlaf ich allen Jammer.

Preßt gleich manches Kreuz und Leiden
Mir noch bittre Thränen aus,
Sollen die erworb‘nen Freuden
In dem schönen Himmelshaus,
Wo ich werd bei Jesu leben,
Mir im Vorschmack Tröstung geben.

Kommen nun die letzten Stunden,
Da mein Leben Abschied nimmt,
Weiß ich, daß in Jesu Wunden
Ew'ge Ruhe mir bestimmt.
Staub und Moder kann nicht schrecken,
Jesus wird mich auferwecken. Amen.

Am 16. April.

Herr Jesu Christe, dich beten wir an in deiner Kraft und Herrlichkeit, worin du gesiegt hast über den Tod und über alle deine und unsere Feinde. Dir, o allmächtiger Lebens- und Friedensfürst, wollen wir Ehre geben, dir wollen wir huldigen als unserm Herrn und König; dir wollen wir uns ergeben mit Allem, was wir sind und haben. Himmel und Erde müssen dich anbeten, Alles müsse dir Preis und Lob bringen. O Jesu, erbarme dich über uns, und hilf uns auch zum Auferstehungstage; laß deinen Kampf und deinen Sieg an uns nicht vergeblich sein. Laß es uns erfahren, daß du lebest, daß du Macht hast und gegenwärtig bist, um uns zu helfen. O wir führen unser Leben nur allzusehr in eigener Kraft, in eigenem. gebrechlichen Wirken in uns, weil wir deinem Wirken nicht Raum geben: drücke es doch tief in unsere Herzen, daß wir nicht ablassen vom Gebet und beständig bleiben im Anhangen an dir und im Warten auf dich und deine lebendigmachende Geisteskraft.

Ziehe uns aus dem Grabe in dein Leben hinein. Laß uns das Eitle und Sichtbare immer mehr nichtig, immer mehr entfremdet werden. Dein göttliches Leben werde bekannt unsern Herzen, werde uns immer lieber und wichtiger, damit wir als wahre Fremdlinge in dieser Welt leben mögen. Scheide unsern Sinn von Allem, was nicht in dein Reich gehöret, laß unsern ganzen Wandel zeigen, daß wir dir angehören mit Leib und Seele. Lehre uns vor dir mit kindlichem, andächtigem Wesen wandeln; unverrückt unser einziges Augenmerk auf dich gerichtet halten, um von deinem Winke abzuhängen in allem Thun und Lassen. Laß dein Leben unsern Seelengrund, unsere Kräfte und Sinne durchdringen, daß Alles voll deines Lebens werde.

Komm, Herr und König, ziehe ein in unser Herz, befiehl, herrsche und lebe ewiglich in uns als in deinem Eigenthum. O du treuer Herr, lehre uns auf dich trauen im Leben und Sterben, daß wir dich für unser Eins und Alles halten, und mit dir eingehen in dein ewiges Reich. Jesu, erhöre uns nach dem Reichthum deiner Gnade und zur Verherrlichung deines großen Namens! Amen.

Am 17. April.

Seit Christus das Auge im Tode geschlossen, war das Herz der Seinen voll Trauerns. Die Reden, die sie unter einander führten, enthielten Aeußerungen tiefen Schmerzes, Klagen um den bittern Verlust. Wer wüßte das nicht, der je an den Gräbern heimgegangener, treuer, geliebter Menschen geweint hat! Die Mutter, ihres göttlichen Sohnes so schmachvoll und schmerzlich beraubt; die Jünger, verlassen von ihrem Meister, in dem sie ein volles Genüge gefunden hatten; die Jüngerinnen Jesu, einsam und trostlos in der Wüste des Lebens, die er ihnen zu einem Garten Gottes geschmückt hatte: sie Alle fühlen sich allein, verlassen, trostlos, und schauen im tiefen Schmerze nur dahin, wo man Ihn, den Einziggeliebten, hingelegt hatte.

Nur die Sorge für die Hülle des Entschlafenen verschaffte dem Herzen der frommen Weiber einigen Trost. Aber welch freudiges Staunen ergriff ihre Seele, als sie den Stein von des Grabes Thür gewälzt fahen, das Grab leer fanden und von einem Engel Gottes hörten, daß Christus auferstanden sei. So war diesen Gerechten das Licht wieder aufgegangen und den frommen Herzen die Freude.

Und ich wollte am Grabe der Meinen jammern und klagen, wie Diejenigen, die keine Hoffnung haben? Ich wollte nicht vom Lande der Sterblichkeit getrost hinaufblicken zu den heiligen Höhen lichter Verklärung? Wohl mögen wir, gleich den Jüngern Jesu, Leid tragen und traurig sein nach dem Verluste der Unserigen, daß wir nun allein stehen und einsam in der argen Welt und uns die Sehnsucht nach Hem Heimgegangenen verzehrt. Aber um die Todten, die zum Frieden gekommen sind, zum Anschauen Gottes und zur ewigen Freude weinen wir nicht. Ueber Diejenigen, die dem Herrn angehören und ihn erfaßt haben im Glauben und in der Liebe, hat der Tod keine Macht. „Ich bin die Auferstehung und das Leben, spricht er, wer an mich glaubt, wird' leben, ob er gleich stürbe. Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ Joh. 11,25.

Sie haben ihn ausgekämpft, den Kampf mit der Sünde, sind allem Kummer, allem Herzeleid, allem Wechsel der Dinge entgangen. In seliger Gemeinschaft mit Christo steigen sie immer höher, zur göttlichen Klarheit, üben das Gute freudiger, erkennen die Wahrheit vollkommener und genießen die Seligkeit des Himmels ungetrübter. Auch ich soll einst vom Glauben zum Schauen kommen, mit dem Auferstandenen dem Throne des Ewigen nahe treten und mit den Verklärten einstimmen in die Lieder heiliger Freude. Ich soll alle die Lieben, die meinem Herzen theuer waren und mir vorangegangen sind in das selige Leben, wiedersehen und mit ihnen den Gnadenreichen anbeten im Geist und in der Wahrheit.

Ruhet sanft nach Schmerz und Kummer!
Euren Frieden störe Nichts!
Schlafet sanft den heil'gen Schlummer
Bis zum Anfang jenes Lichts,
Das der Gräber Nacht zerstreuet,
Das den Tod zum Leben weihet.
Dann sind alle Todten wach'.
Hallelujah! dann ist's Tag!

Amen.

Am 18. April.

Der Tod ist verschlungen in den Sieg. Tod, wo ist dein Stachel? Hölle, wo ist dein Sieg? Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gegeben hat durch unsern Herrn Jesum Christum. 1. Cor. 15, 55 und 57. Ja, Dank und Preis dir, o Ewiger, daß du deinen Heiligen die Verwesung nicht sehen ließest, sondern ihn auferwecket hast von den Todten und gesetzet zur Rechten deiner Herrlichkeit. Er ist unser Hirt und Heiland, unser Führer und Vorbild, und wie er zu unserer Erlösung unsere sterbliche Natur angenommen, so sollen wir in des Glaubens und in der Liebe Kraft auch seiner göttlichen Natur theilhaftig werden. Nun Christus auferstanden, werden wir auch durch ihn und mit ihm in einem neuen Leben wandeln. Alles Zweifeln und Sorgen, alles Zittern und Zagen verschwindet vor dem Glanze des Auferstandenen, und in heiliger Demuth und Freude fallen wir mit Thomas vor ihm nieder und sprechen: „Mein Herr und mein Gott!

So freue dich denn, meine Seele, des herrlichen Sieges deines triumphirenden Erlösers! Freue dich, daß du ihn kennest, daß du an ihn glaubst und ihm angehörst! Freue dich deiner Unsterblichkeit und deiner seligen Gemeinschaft mit dem Ueberwinder über Tod und Grab. Bist du voll Traurigkeit und schwerer Sorgen; ist dir bange vor Warten der Dinge, die da kommen sollen; will dich Kleinmuth und Verzagtheit beschleichen, und treten dir die Schatten des Todes ängstigend entgegen: o blicke auf den Wiedererstandenen, der die Welt überwunden, des Kreuzes Noth überstanden und dem nun alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist. Nun kann er selig machen Alle, die durch ihn zu Gott kommen.

Darum ist mein Geist so fröhlich im Herrn und meine Seele so getrost in meinem Gott. Es hat es kein Auge gesehen und kein Ohr gehört und ist in keines Menschen Herz gekommen, was Gott bereitet hat Denen, die ihn lieben. Vor ihm ist Freude die Fülle und liebliches Wesen zu seiner Rechten immer und ewiglich.

Hallelujah!
Der Herr ist nah!
Bald ist der Tag des Sieges da!

Am 19. April.

Es wird gesäet verweslich und wird auferstehen unverweslich.“ 1. Cor. 15, 42. Der Blick auf die zerfallene Leibeshütte eines lieben Entschlafenen ist ein entsetzlicher. Eingefallen ist das traute Auge, das uns einst angeblickt voll Liebe, erbleicht sind die Lippen, die sonst so freundlich mit uns gesprochen, kalt und starr die Hand, die so fleißig für uns geschafft hat. Ach und wenn es das nur wäre, aber welches Spiel treibt der Tod mit seiner Beute! Todesblässe, Leichengeruch, Verwesung, Staub und Asche sind über ein Kleines das Gefolge des Königs der Schrecken. - Doch das da schläft, sind ja nicht unsere Geliebten, das da vermodert, sind ja nicht unsere heimgegangenen Freunde - es ist nur ihr irdisches Zelt, ihr zeitliches Gewand, das sie abgelegt und der mütterlichen Erde zurückgegeben haben, nein sie selbst, die theuern im Herrn Entschlafenen sind hoch empor gehoben über die Unruhe und den Unfrieden, über den Jammer und die Noth dieses Erdenlebens in jenes Friedensland, wo der Tod nicht mehr sein wird, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerzen, und Gott abwischen wird alle Thränen von den Augen der Seinen.

Das ist wohl tröstlich und kann die Trauer und den Schmerz mildern, aber die wir lieben, haben wir doch so lieb gehabt in dieser ihrer Menschengestalt, dies Auge, diese Hand, dies freundliche Angesicht, diese ganze theure Erdenhülle, die wir kannten, o wäre sie denn ewiglich verloren? Nein! auch dies Sterbliche soll nicht verloren sein, nur ihr Irdisches und Zeitliches soll verwelken, um einst schöner aufzublühen. Es wird eine Zeit kommen, wo das Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit. Was verweslich ist, wird auferstehen unverweslich, was gesäet wird in Unehre und in abschreckenden Moder zerfällt, wird auferstehen in Herrlichkeit, was in Schwachheit zusammenbricht, wird auferstehen in Kraft, und was auf dem irdischen und natürlichen Wege zerfällt in Staub, wird geistlich auferstehen. So werden sie denn nicht ewiglich geschlossen bleiben, die Augen, die der Tod gebrochen hat, sondern sie werden sich aufthun im Lande des Schauens, die Pulse werden wieder schlagen, die Lippen wieder reden, die Angesichter wieder strahlen im Glanze der alten Liebe, die unvergänglich ist, wie ihr ewiger Quell.

O des starken, köstlichen Trostes! So stehen wir denn an den Gräbern nicht wie die, welche keine Hoffnung haben, in maßloser, glaubensloser, trostloser Trauer, sondern blicken mit hocherhobenem Haupte aufwärts den Vollendeten nach. So viel ihrer auf dem Gottesacker schlafen, so viel verborgene Körnlein, deren Hülle äußerlich zerfällt, aber deren lebendiger Keim unverloren ist und einst sich erheben wird in neuer Herrlichkeit und Schöne.

Ich bin Fleisch, und muß daher
Auch einmal zu Asche werden,
Das gesteh' ich; doch wird er
Mich erwecken aus der Erden,
Daß ich in der Herrlichkeit
Um ihn sein mög' allezeit.

Amen.

Am 20. April.

Zu dir, o Gott, erhebe ich mein Gemüth in schuldiger Dankbarkeit. Deine Gerechtigkeit will ich nicht verbergen in meinem Herzen, von deiner Wahrheit und deinem Heil will ich reden. Was du mir Gutes gethan hast, will ich nicht verschweigen; denn es ist ein köstlich Ding, dem Herrn danken und lobsingen deinem Namen, du Höchster! des Morgens deine Gnade und des Abends deine Wahrheit verkündigen. Darum preise dich meine Seele, daß du mich in dieser Nacht durch deine unverdiente Treue beschützet hast. Gesegnet bist du, Herr Gott Zebaoth, der du dich gnädig erzeigest Allen, die nach dir fragen und dein Heil lieben. Gesegnet ist dein großer Name in allen Landen; gesegnet sind alle deine Werke, die du an den Menschenkindern thust. Ich bitte dich, du wollest mich auch heute behüten und mein Herz in deinen Geboten lenken.

Hilf, daß ich die Werke des Berufes und der Liebe fleißig und getreu ausrichte, zu Deinem Lob und zu meines nächsten Wohlfahrt und Besserung, damit ich Dein schönes Tageslicht nimmer mißbrauche, dich nicht betrübe mit meinem Thun oder Lassen, und den Bund meiner Taufe nicht übertrete. Verleihe mir Gnade, daß ich mich behüte vor den sechs Stücken, die du hassest, und vor dem siebenten, daran du einen Greuel hast: nämlich hohe Augen, falsche Zunge, Hände, die unschuldig Blut vergießen, ein Herz, das mit bösen Tücken umgeht, Füße, die behende sind, Schaden zu thun, falscher Zeuge, der freche Lügen redet, und ein Mensch, der Hader zwischen Brüdern anrichtet. Vor Solchem und dergleichen bewahre mich, mein Gott, daß ich nimmermehr darein gerathe noch bewillige, sondern lehre mich thun nach deinem Willen, denn du bist mein Gott und Herr. Dein guter Geist führe mich auf ebner Bahn, daß ich dir diene mit unbeflecktem Herzen und unsträflichem Wandel, dazu all mein Thun und Leben dir gefalle, in Christo Jesu! Amen.

Am 21. April.

Gelobet sei Gott und der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Todten.“ 1. Petr. 1, 3. Welch eine selige Hoffnung, welch eine freudige gewisse Zuversicht hat Gott in unseren Herzen lebendig gemacht durch die glorreiche Auferstehung Christi von den Todten! Nun wissen wir, der am Kreuze gestorben ist, er ist wahrhaftig der Sohn Gottes, der Fürst des Lebens, der das Leben in ihm selber hat, und Macht hatte, es zu lassen und wieder zu nehmen.

Er, der Held und Ueberwinder, lebet, um nimmer wieder zu sterben. Unvergänglich ist das Leben, das er an's Licht gebracht. Er lebet und hat die Gewalt und das Regiment empfangen über Alles im Himmel und auf Erden. Er lebet, und wir haben an ihm einen Fürsprecher bei dem Vater; er vertritt uns am Throne der Gnade, wenn wir gesündiget haben. Er lebet, und wir haben an ihm einen allmächtigen Helfer aus aller Noth, einen guten Hirten, der uns weidet auf frischer grüner Aue und uns führt, damit wir des Weges nicht verfehlen, der zum Leben eingeht.

So halte denn, o meine Seele, an dieser Hoffnung fest, tröste dich mit ihr in aller Trübsal und Anfechtung, dadurch der Herr in diesem Leben dich läutern und stärken will. Diese Hoffnung auf den auferstandenen Gottessohn, der da lebet und regieret in Ewigkeit, laß deine Kraft sein im Kampfe gegen alles ungöttliche Wesen. Christus sei dein Leben, dann ist Sterben dein Gewinn, dann wirst du durch Gottes Barmherzigkeit das Ende des Glaubens davon bringen, nämlich die ewige Seligkeit.

Wir danken dir, Herr Jesu Christ,
Daß du vom Tod erstanden bist,
Und hast dem Tod zerstört sein' Macht
Und uns das Leben wiederbracht.

Hallelujah!

Am 22. April.

Wir sollten immer mit dem Apostel Paulus sprechen: „nicht, daß ich es schon ergriffen habe, oder schon vollkommen sei: ich jage ihm aber nach, ob ich es ergreifen möchte, nachdem ich von Christo Jesu ergriffen bin.“ Philipper 3, 12. Wir sollten immer eingedenk sein, daß wir das Ziel der himmlischen Berufung noch nicht ergriffen haben, daß wir noch fern sind vom Reiche Gottes und von der Verklärung nach dem Bilde Christi. Wir sollten, vergessend, was dahinter liegt, immer vorwärts streben nach dem uns vorgehaltenen himmlischen Ziele, darauf denken, wie wir immer mehr gereinigt werden von demjenigen, was in unserem Innern mit dem Bilde unseres Erlösers im Widerspruch steht. Wir sollten dabei wissen, daß, wenn nur dies Eine erfolgt, wir auch von selbst auf dem Standpunkte, auf den uns der Herr für die Entwickelung seines Reiches gestellt hat, das wirken werden, was er durch uns als seine Werkzeuge wirken wollte.

Statt dessen richten wir, als wenn wir selbst schon triumphiren könnten gleich vollendeten Mitgliedern des Gottesreichs, unsern Blick nur nach Außen hin, und suchen unsern Ruhm darin, Außerordentliches und Großes zu wirken für die Sache des Herrn, und lassen uns leicht verführen durch glänzende Trugbilder, welche die Selbstsucht uns vormalt. Wir lassen dem Senfkorn nicht Zeit, sich durch seine innere Triebkraft nach dem Gesetze seines Wachsthums zu dem Baume fortzuentwickeln, der daraus zu werden bestimmt ist.

Das Wort des Herrn warnt uns vor dieser eitlen Freude an dem Viel- und Großeswirken, diesem verführerischen Hinstreben nach glänzenden, in die Augen springenden, Aufsehen erregenden Ergebnissen. Dadurch wird so leicht ein menschlicher Geist, wenn er viel lärmt und stürmt, ohne eine das Innere der menschlichen Natur um- und durchbildende Kraft, von dem echten Geiste Christi abgeführt, welcher, demüthig, milde und anspruchslos, mit stillem Wesen das Gute wirkt, desto tiefer und gründlicher, je weniger es sich gleich auf den ersten Augenschein erblicken läßt.

So laß mich leben und wirken, mein Herr und Meister, still, emsig und treu. Das Kleine erscheine mir nicht gering, und das Alltägliche nicht unbedeutend. Ruhig laß mich wirken für deine heilige Sache durch Treue in meinem Beruf, durch Gewissenhaftigkeit in meiner Arbeit, durch anhaltendes Wachen über mich selbst und durch steten Aufblick zu deinem heiligen Bilde. Der Welt mag ich unbekannt bleiben, wenn du mich nur kennst und an meinem Wirken Wohlgefallen hast. Amen!

Am 23. April.

Als die siebzig Jünger, welche der Herr zuerst ausgesandt hatte, ihm den Weg zu. bereiten und das Reich Gottes zu verkündigen, zu ihm zurückkehrten voll Freude darüber, daß sie in seinem Namen hatten böse Geister austreiben können; da warnte sie der Herr vor der gefährlichsten aller Versuchungen, die ihnen verliehenen Kräfte zum Gegenstande der Eitelkeit zu machen, und die einzelnen in die Augen fallenden Aeußerungen dieser Kräfte höher zu schätzen, als den verborgenen Schatz des Himmelreichs, das stille, heilige Leben in Gott. „Freuet euch nicht darüber, sprach er, daß euch die Geister unterthan sind, sondern freuet euch vielmehr, daß eure Namen im Himmel geschrieben sind.“ Luc. 10, 20. Der selbstsüchtige Geist will hoch hinaus, macht große Entwürfe, will Alles erreichen und umfassen, will Alles neu gestalten und Unerhörtes bewirken. Darüber verliert er Zeit, Kraft und den eigentlichen Zweck seines Lebens, ja das Leben selbst. Unter den großen Zurüstungen zum Leben verliert er Zeit, Lust und Kraft. Es heißt hier recht eigentlich, wer sein Leben erhalten will, wird es verlieren.

Der Herr erkennt Diejenigen als die Seinen an, die in treuer Liebe zu ihm, in einem auf Ihn gerichteten Sinn auch im Kleinsten sich treu erweisen, die sich auch des glücklichsten Gelingens ihrer Weck nicht rühmen, sie nicht als ihr Eigenes betrachten, vielmehr im Drange der Liebe auf das Eigene Verzicht leisten und die Linken nicht wissen lassen, was die Rechte thut. Von dieser Gesinnung aus ist zu allen Zeiten das Größte für das Reich Gottes gewirkt worden. Die Apostel wanderten von einer Gemeinde zur andern, still, geräuschlos, demüthig und ohne Gepränge. Sie meinten nichts Außerordentliches zu thun - und welche große Dinge haben sie ausgeführt! Luther begann das große Werk, das der Herr durch ihn ausführen wollte, ohne die Absicht, etwas Großes und Außerordentliches zu unternehmen und durchzuführen. Er fühlte sich gedrungen, zu verkünden, was seine Seele fühlte und worin er das Heil seines Lebens gefunden. Sein Ruhm, die Wirkung seines Beginnens und der endliche Erfolg kümmerten ihn nicht.

O möchte doch auch mein Sinn eine demüthige Richtung nehmen zu Dem, von dem allein alle gute und vollkommene Gabe kommt, und mit ihm in steter Gemeinschaft bleiben. Ich will nicht nach großen Dingen trachten, will nicht durch Außerordentliches glänzen, sondern auch das Unbedeutende und Geringfügige mit Treue und Demuth üben, nicht meine Ehre, sondern die Ehre Gottes suchen. „Wer im Geringsten treu ist, der ist auch im Großen treu; und wer im Geringsten unrecht ist, der ist auch im Großen unrecht.“ Luc. 16, 10.

Am 24. April.

Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein.“ Jes. 30, 15.

Still, in meinem Gott zufrieden
Aufwärts blicken, wenn hienieden
Mich die Dunkelheit befällt;
Immer ruhig und gelassen
Ihn, den Herrn, ins Auge fassen; -
War' doch so mein Herz gestellt!

Wäre doch mein innres Leben
Ganz und gar dem Herrn ergeben,
Säh' ich nur auf ihn allein;
O, dann könnte selbst der Schrecken
Keine Unruh mir erwecken,
Mir kein Sorgenanlaß sein!

Möcht' ich mich in Gott versenken,
Fest im Glauben es bedenken,
Daß er Alles weiß und thut,
Daß der höchste Weltregierer
Auch mein treuer Lebensführer
Und mein Gott ist groß und gut!

Möcht' ich niemals doch vergessen,
Wenn mich Leid und Sorgen pressen,
Daß ein Vaterauge wacht!
Selbst die Haare auf dem Haupte
Zählet er. O, daß ich's glaubte:
Auch auf's Kleinste giebt er Acht.

Warum sollt' ich mich denn ängsten?
Sind nicht auch die allerbängsten
Nächte von ihm vorgesehn?
Vorm Beginn kennt er das Ende,
Und es führen seine Hände
Alles, wie es soll geschehn.

Wie er will, so muß es gehen.
Könnt ich ihm denn widerstehen,
Ich, der doch so schwach, so klein?
Seinem Willen mich zu fügen,
Sollt' mein seligstes Vergnügen,
Meine liebste Pflicht mir sein!

Herr, mach' meine Seele stille.
O, Allweiser, wenn mein Wille
Nur in deinem Willen ruht, -
Ja, dann strahlt, trotz Leid und Schmerzen,
Fried und Freude mir im Herzen;
Dann ist Alles, Alles gut!

Amen.

Am 25. April.

Jesu, mein Erlöser, wer kann dich preisen, du unaussprechliche Macht und Weisheit des Vaters? O wie gern möchte ich ganz in deinem Lobe aufgehen! Aber weil ich solches nicht kann, soll ich darum schweigen? Wehe Denen, die von dir schweigen, der du den Stummen den Mund öffnest und die Zungen der Kinder beredt machst! Wehe Denen, die von dir schweigen, denn bei all ihrem Reden sind sie stumm, wenn sie dein Lob nicht verkündigen!

Unendlich bist du, o Herr, und unendliche Liebe sind wir dir schuldig, die du durch dein theures Blut erkauft hast. Denn wenn ein Mensch den andern also liebt, daß er kaum ohne ihn sein kann, wenn die Braut dem Bräutigam so innig zugethan ist, daß sie nimmer Ruhe hat, wenn ihr Freund nicht bei ihr ist; mit welcher Liebe und Inbrunst muß dich die dir im Glauben vertraute Seele lieben, ihren wahren Gott und Bräutigam, der du so Vieles und Großes an uns gethan hast!

Und überdieß ist deine Liebe so süß und so ruhevoll Auch die Welt hat zwar ihre Lust und Ergötzlichkeiten, aber die Seelen, welche sich ihr hingeben, können nicht still sein; von Argwohn, Unruhe und mannigfachen Befürchtungen werden sie umgetrieben. Bei dir hingegen ist ungestörtes Leben. Wer zu dir kommt, lieber Herr, der gehet ein zur Freude seines Herrn, der kann sprechen: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln; er weidet mich auf einer grünen Aue. Amen!

Am 26. April.

So aber sich Jemand lasset dünken, er sei etwas, so er doch nichts ist, der betrügt sich selbst. Ein Jeglicher prüfe sein Werk selbst, und alsdann wird er an ihm selber Ruhm haben und nicht an einem Andern.“ Gal. 6, 3 und 5. Die Quelle, aus welcher sich so viel Irrsal und Jammer über unser Leben ergießt, besteht in einer Unredlichkeit, durch welche wir uns selbst belügen und betrügen, in einer Mißhelligkeit, durch welche wir mit uns selbst zerfallen, in einer Heuchelei, durch welche wir uns selbst täuschen. Daß wir uns gerne schmeicheln; daß wir uns mehr Fähigkeiten, Vorzüge und Würdigkeit beilegen, als wir besitzen; daß wir uns über den verderbten Zustand unseres Herzens recht geflissentlich verblenden; daß wir unwillig werden, wenn man uns zur Erkenntniß unserer Schwächen und Fehler bringen will: das ist es, was immer und allewege Wahrheit und Frieden, Redlichkeit und Eintracht, Glück und Freude stört.

Dieser eitle Dünkel, dies Verkennen unserer Kräfte, dieser vorbedachte Selbstbetrug treibt uns zu Unternehmungen, denen wir nicht gewachsen sind, erfüllt uns mit Hoffnungen, die getäuscht werden müssen, setzt uns Demüthigungen aus, die uns empfindlich kränken. Wir werden immer elender und unglücklicher, je länger wir diese Unredlichkeit gegen uns selbst fortsetzen. Wir wissen oft recht wohl, was gut und löblich ist, und vollbringen doch das Gegentheil; wir müssen über unsere Gesinnungen erröthen und lassen uns doch durch dieselben immer wieder zu thörichten Handlungen bestimmen. So steht unsere Vernunft in einem immerwährenden Kampf mit unseren Neigungen; so reißen uns unsere ungezähmten Lüfte oft wider unsern Willen zu Ausschweifungen aller Art fort; so verwickeln wir uns in einen Kampf, der den wildesten Aufruhr in unserm Innern zur Folge hat; so kommen wir aus Scham. Verdruß und Kränkung nicht heraus. Damit ich in diesen jammervollen Zustand nicht versinke, will ich aufrichtig sein gegen mich selbst, will ich auf die Mahnungen meines Gewissens achten, will meine Hülfsbedürftigkeit und Ohnmacht eingestehen und meine Zuflucht zur Gnade Gottes in Christo nehmen. Zufrieden, ruhig und glücklich kann ich nicht eher werden, als bis ich unter dem Einflusse des Evangeliums redlich gegen mich selbst und in dem Einen, das noth thut, einig mit mir selbst geworden bin. Herr, hilf mir dazu um deines Namens willen. Amen!

Am 27. April.

Die Liebe ist stark wie der Tod. Ihre Gluth ist feurig und eine Flamme des Herrn.“ Hohel. 8, 6. Die Liebe erleuchtet das Herz; die Liebe zeigt Gott. Eine Seele, in der die Liebe wohnt, wird vom Stolze nicht aufgeblasen, vom Neide nicht aufgezehrt, vom Zorne nicht zerrissen, vom Geize nicht verblendet; immer ist sie rein und keusch, ruhig und fröhlich, friedlich, gütig und bescheiden. In wem Gottes Liebe wohnt, der denkt immer, wie er die Welt verlassen, wie er zum Himmel gelangen, wie er den wahren Frieden finden könne. Mag er gehen, mag er sitzen, mag er wirken, mag er ruhen, mag er thun was er will, sein Herz bleibt bei Gott. Schweigend gedenkt er Gottes, redend wünscht er nichts Anderes, als von Gott und Gottes Liebe zu reden.

Alle ermahnt er zur Liebe und Alle empfiehlt er die Liebe, Allen beweist er nicht blos mit Worten, sondern auch mit der That, wie süß die Liebe Gottes und wie bitter und trübe die Liebe der Welt ist. Er verlacht dieser Welt Pracht, schilt ihre Sorge, zeigt, wie thöricht es ist, auf vergängliche Dinge zu vertrauen. Er staunt über die Blindheit der Menschen, die solches lieben, er meint, daß Allen süß sein müßte, was ihm schmeckt, daß Alle sehen müßten, was er sieht. So komme denn, o selige Liebe, auch zu uns, mache unsere Sehnsucht weit, mache unser Herz breit, daß es Gott als Gast und Bewohner in sich aufnehmen kann. Amen!

Am 28. April.

Dein Wort ist die rechte Lehre.“ Ps. 93, 5.

Wort des Lebens, lautre Quelle,
Die vom Himmel sich ergießt,
Lebenskräfte giebst du Jedem,
Der dir Geist und Herz erschließt;
Der sich, wie die welke Blume,
Die der Sonnenbrand gebleicht,
Dürstend von dem dürren Lande
Zu der Quelle niederneigt.

Ohne dich, was ist die Erde?
Ein beschränktes, finstres Thal.
Ohne dich, was ist der Himmel?
Ein verschloss'ner Freudensaal.
Ohne dich, was ist das Leben?
Ein erneuter, finstrer Tod.
Ohne dich, was ist das Sterben?
Nachtgraun ohne Morgenroth.

Wort des Lebens, du erleuchtest,
Doch erwärmst du auch zugleich;
Eine Hölle offenbarst du,
Aber auch ein Himmelreich.
Furchtbar schreckest du den Sünder
Aus der dumpfen, trägen Ruh',
Doch mit Liebe deckst du wieder
Jedes Büßers Fehle zu.

Einen Richter lehrst du fürchten,
Der mit rechter Wage wägt,
Doch auch einen Vater lieben,
Der mit Langmuth Alle trägt;
Einen Gott, der den geliebten
Ein'gen Sohn zum Opfer giebt,
Der an ihm die Sünde richtet,
Und in ihm die Sünder liebt.

Wort des Lebens, wer dich höret,
Dem versprichst du ew'ges Heil,
Doch nur Dem, der dich bewahret,
Wird das Kleinod einst zu Theil.
Nun, so will ich dich bewahren,
Schwert des Geistes, Gottes Wort,
Hilf mir, hier auf Erden streiten,
Und die Kron' erwerben dort!

Amen.

Am 29. April.

Gieb dem Herrn Raum und laß alles Andere von dir. Wenn du ihn hast, so bist du reich: er reicht aus. Er wird dich erhalten und in allen Stücken treulich versorgen, daß du nicht auf Menschen zu hoffen brauchst. Menschen ändern sich schnell und vergehen bald. Der Herr aber bleibt bis an's Ende und bis in Ewigkeit bei dir stehen. Man muß keine große Hoffnung auf einen vergänglichen und sterblichen Menschen setzen, mag er immer noch so lieb und nützlich sein-, man muß sich auch nicht zu sehr betrüben, wenn man bisweilen Anfeindung und Widerspruch erfährt. Wer heute für dich ist, kann morgen wider dich sein, und umgekehrt; Menschen wechseln oft, wie der Wind.

Stelle dein ganzes Vertrauen auf Gott. Er hat ein treues Herz - er kann's nicht böse meinen, einen treuen Mund - was er zusagt, das hält er gewiß, ein treues Ohr - er hört das Rufen der Verlassenen und verschmäht ihr Gebet nicht, er hat treue Augen - er sieht auf Die, so ihn fürchten, eine treue Hand - die kann Alles ändern. Er hat deine Tage gezählt, ehe einer derselbigen da war, und sein Finger hat das Bette gezogen, in welchem die Strömung deines Lebens sich fortbewegen soll. Du hast hier keine bleibende Stätte, bist Fremdling und Pilger, und wirst auch, dermaleinst keine Heimath finden, wenn du nicht Christum gefunden hast. Ruhe in seinen Leiden und in seinen heiligen Wunden. Dulde mit ihm und für ihn, wenn du mit ihm herrschen willst. Amen!

Am 30. April.

Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Joh. 15,5. Ein liebliches und sinniges Wort aus dem Munde des Herrn, das sein Verhältniß zu den Seinen zeichnet. Der Weinstock giebt Saft und Kraft und Leben. Aber das Hangen an ihm ist die unerläßliche Bedingung von Wachsen und Grünen, von Blüthe und Frucht; die Lösung von ihm macht, daß der Rebe verdorrt und zu nichts taugt als zum Verbrennen.

Der Weinstock ist Christus, und die von ihm und seiner Gnadensülle gewonnenen Seelen sind innerlich mit ihm verbunden und hangen an ihm - sind seine Reben. Der himmlische Vater, der den Weinstock gepflanzet in der Weihnacht auf den Distel- und Dornenacker dieser Welt, bringt selber die Seelen in die Liebes- und Lebensgemeinschaft seines Sohnes, wie der Herr spricht: „Es kann Niemand zu mir kommen, es sei denn, daß ihn ziehe der Vater.“ Hängt nun ein Rebe an ihm, bringt aber keine Frucht, läßt ein Christ, der durch die Taufe Christo und seinem Leben eingepflanzt ist, die Segnungen des Heilandes an sich verloren gehen, ist kein Fortschreiten im Glauben, kein Wachsen in der Liebe, kein Ernst in der Heiligung des Herzens zu verspüren, dann wird er wieder abgenommen und die Gnade Jesu Christi ihm entzogen, wie wir solches an Judas, dem Kinde des Verderbens, sehen.

Hängt aber der Rebe an ihm und beginnt nur erst ein wenig zu wachsen und Frucht zu treiben, dann will der Weingärtner ihn pflegen und warten durch freilich schmerzhaftes, aber eitel heilsames Schneiden und Reinigen von allem wilden und faulen Holz, welches den Saft ihm benimmt und die Frucht hindert. Innerlich und äußerlich züchtigt der Herr die Seelen, die ein Ohr haben für sein lebendigmachendes Wort, zeigt ihnen immer mehr von ihren Sünden, weil ihr Gewissen aufgewacht ist, giebt ihnen Kraft zur Heiligung, weil sie darnach verlanget. So hilft er weiter und weiter, daß der Rebe immer reichere Früchte der Gerechtigkeit trage.

Edler Weinstock, dem ich diene,
Gieb doch deinen Reben Saft,
Daß ich in dir wachs und grüne,
Aus dir ziehe meine Kraft.
Bring' durch deine Kraft in mir
Eine rechte Kraft herfür,
Ach, laß mich mit Früchtebringen
Nach des Vaters Segen ringen!

Amen.

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