Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 11. Andacht.

Seckendorff-Gutend, Henriette Freiin von - Hausandachten - 11. Andacht.

Lukas 14. Aus dieser Erzählung von der Heilung eines Wassersüchtigen ersehen wir wieder die außerordentliche Weisheit unseres Heilandes, Seine Ruhe und Besonnenheit. Er hatte nichts Voreiliges, nichts Hartes in Seinem Urteil, obgleich Er wohl fühlte, dass die Schriftgelehrten und Pharisäer auf ihn lauerten. Man spürt stets durch Alles hindurch die innigste Verbindung, in der Er mit Seinem himmlischen Vater stand. Das soll uns recht reizen und locken, Seinem Beispiel zu folgen; denn gleichwie der Sohn nichts getan hat ohne durch den Vater, so sollen auch wir nichts tun, ohne durch den Sohn. Darum ist's so hoch vonnöten, dass wir stets wachen und beten, damit nichts zwischen uns und dem Herrn stehe, dass Er unser Ein und Alles sei, und wir uns nur von Ihm allein leiten und regieren lassen. Sobald wir uns selbst vollständig aufgegeben und einsehen gelernt haben, dass wir aus uns selbst gar nichts tun können, uns ganz dem Herrn überlassen müssen und im Blick auf Ihn, in Seiner Kraft Alles unternehmen sollen, so werden wir Seiner Weisheit und Gnade teilhaftig, denn Er hat gesagt: „Ich gehe zum Vater, und ihr werdet noch größere Werke tun denn ich, so ihr in mir bleibt und ich in euch.“ Joh. 14. Ja, ohne Maß will Er uns geben. Wollen wir da noch länger zaudern? Es ist wahr, es ist die größte Kunst, Alles mit dem Herrn zu tun, aber auch die seligste; denn aus dieser Übung erwächst uns unendlicher Segen.

„Seid stark in dem Herrn und in der Macht Seiner Stärke,“ sagt der Apostel Eph. 6,10., und zu den Korinthern sagt er: „Wenn ich schwach bin, so bin ich stark.“ Eine Seele, die das sagen kann, hat immer Stärke im Vorrat, sie besitzt und übt die größte aber seligste Kunst, sich so schwach, elend und unmächtig zu fühlen, dass sie keinen Schritt allein zu gehen vermag, und doch wie ein Held in der Kraft des Herrn handelt und wandelt; da würde nicht immer das alte Klaglied von unserer Schwachheit ertönen, nein, da wären wir immer stark und gerüstet in dem Herrn und in der Kraft Seiner Stärke. Dann gibt sich auch bei uns Alles von selbst, wie es von dem Herrn so oft heißt: „Und es begab sich.“

Wenn ich eine Kranke bekomme, die meint, sie müsse selbst dazu helfen, dass es schnell besser gehe, an einer solchen tut der Herr nichts. Wir haben nur unsern Willen herzugeben und den ganzen Tag bei dem Herrn zu bleiben, in Ihm zu leben, zu weben und zu sein. Dann dürfen wir auch verspüren, wie Seine Kraft uns durchdringt, und es fehlt uns nicht mehr an Mut und Freudigkeit. Er gibt uns über Bitten und Verstehen.

Der zweite Teil des Kapitels enthält eine Ermahnung zur Demut. Meine Lieben, es gibt nichts Herrlicheres als die Demut, sie ist die schönste Tugend. Ja, hübsch drunten bleiben ist in allen Dingen gut. Darum müssen wir ein wahres Verlangen nach Demütigungen in uns haben, immer das Kleinste und Geringste sein wollen, und wenn der Herr ein Werkzeug aus uns gemacht hat, uns immer vorhalten, dass Er dazu immer das Schlechteste und Verachtetste nimmt. Wenn ich nur ein wenig hochmütig würde und mir auf die Heilungen etwas zu gut täte, so würde der Herr plötzlich von mir weichen. Darum bitte ich auch fortwährend um den Gnadenregen gänzlicher Vernichtigung. Wenn ich Kranke bekomme, die noch auf irgend etwas eingebildet sind, die rührt der Herr nicht an. Standeshochmut, geistlicher Hochmut, Geldstolz, Bauernstolz rc., das Alles ist dem Herrn ein Gräuel. Der Herr hat zwar den Unterschied des Standes geordnet, aber wir dürfen uns nichts darauf zu gute tun. Dort im Jenseits wird auch einmal ein Unterschied stattfinden und zwar wie hier nach dem Fleisch, so dort nach dem Geist. Wir wollen doch den Herrn recht bitten, uns ganz klein und verachtet zu machen; denn was verachtet ist vor der Welt, das ist hoch vor dem Herrn; aber dann müssen wir uns das auch gefallen lassen und nicht darüber schreien und klagen. Was dem Herrn gefällt, das muss uns auch gefallen. Der natürliche Sinn strebt freilich danach, sich selbst zu erhöhen; von dieser Schwäche klebt auch an denen noch, die bereits in der Bekehrung stehen; man möchte eben gar zu gerne Etwas sein. Aber, meine Lieben, wäre es auch im edelsten Sinne gemeint, es taugt nicht, wir dürfen gar nichts selber sein wollen, wir müssen unser „Ich“ gänzlich vernichten lassen. Ist es denn nicht viel mehr wert, wenn der Herr uns erhöht, als wenn wir uns selbst erhöhen? Wenn sich z. B. ein Mensch bis zur höchsten Würde emporschwingen könnte, wie lange dürfte er sich dieser Ehre freuen? Über kurz oder lang müsste Er sterben, und dann ist alle Pracht der Erde vorbei. Die Erhöhung durch den Herrn geht fort in alle Ewigkeit. Die Erfahrung lehrt auch, dass ein Mensch, der sich gründlich bekehrt hat und wahrhaft demütig ist, von allen Menschen geachtet wird; sogar die Welt fühlt etwas von der göttlichen Macht, die in ihm ist. Wo das nicht der Fall ist, wo keine merkliche Veränderung mit einem Menschen vorgegangen ist, und zwar so, dass es mit ihm ein Neues geworden ist, da ist die Bekehrung nicht rechter Art, nicht gründlich, da ist keine Wiedergeburt.

Die Gnade Jesu macht aus Verdrießlichen und Mürrischen Heitere und Zufriedene, aus Leichtsinnigen und Oberflächlichen Ernste und Schweigsame, aus Empfindlichen und Reizbaren Sanftmütige und Verträgliche, aus Geizigen Freigebige.

Aus dem 12. Vers des Kapitels lernen wir, wie wir immer nur das Geistliche im Auge behalten sollen. Wenn wir Gutes tun, soll keine spekulative, unlautere Absicht zu Grunde liegen; wir sollen Alles tun als dem Herrn und nicht den Menschen, dann erwächst uns ein Gewinn daraus. Wenn man Almosen gibt, soll es uns sein, als gäbe man's dem Heiland in die Hand aus Liebe zu Ihm, nicht nur aus Mitleid für den Bettler rc. Nur von demjenigen, was wir dem Herrn aus reiner Liebe geben, heißt es im 14. Vers: „Es wird dir vergolten werden in der Auferstehung.“ Merkt euch das, ihr Lieben, und gewöhnt euch daran, denn wir sind Gewohnheitsmenschen.

Der dritte Teil des Kapitels enthält das Gleichnis vom großen Abendmahl, und handelt von der Notwendigkeit der Verleugnung in der Nachfolge Christi. Wir lesen dieses Gleichnis oft, hören auch in der Kirche darüber predigen; aber Wenige denken wohl daran, dass sie auch schon unzählige mal so gehandelt haben, wie die Männer in unserem Kapitel, die sich nach einander entschuldigen ließen, und der Einladung nicht folgten; ist doch Keines, auch nicht Eines unter uns, das bei ernstlicher Prüfung nicht gestehen müsste, schon oft der liebevoll einladenden Stimme des Herrn nicht Folge geleistet zu haben. Wie oft z. B. mahnt uns der Geist Gottes zum Gebet, und wie oft entschuldigt man sich, man wolle nur geschwind dies oder das vorher tun. Mittlerweile kommt eine andere Abhaltung und schließlich versäumt man es ganz und gar, weil dann die gelegene Zeit nicht mehr kommt, und hat es oft sehr zu bereuen. Deshalb wollen wir doch ja die Mahnungen des Geistes Gottes nicht gering achten, und wenn wir innerlich zum Gebet oder sonst zu einer Pflichterfüllung getrieben werden, sogleich gehorchen, keinerlei Entschuldigung mehr vorbringen, denn wir haben schon genug an unsern Seelen versäumt. Es ist aber gottlob noch Zeit zur Buße und zu der Bitte, der Herr möge doch wieder gut machen, was wir versäumt haben. Wenn wir das nicht tun, werden wir einst drüben zur Rechenschaft gezogen. Jedem sollte doch das Wort des Herrn durch Mark und Bein dringen: V. 24. „Ich sage euch aber, dass der Männer Keiner, die geladen sind, mein Abendmahl schmecken wird.“ Es ist damit nicht das mutwillige Nichtkommenwollen gemeint, der gottlose Wandel, sondern es fehlt an der Grundrichtung des Herzens. Es muss ein ernstlicher und aufrichtiger Wille vorhanden sein. Es fällt uns nichts von selber zu; es handelt sich um ein tiefes, geistliches Verlangen, um einen Wandel im Geist, um ein Stehen über dem Irdischen, obgleich wir noch im Leib wallen. Es muss ein Kommen sein zu dem Herrn, eine völlige, willenlose Hingabe an Ihn. Wäre es doch schon ein schmählicher Undank, wenn ein vornehmer Herr einen Armen zur Tafel laden, und jener einfach erwidern würde: „Ich will nicht kommen!“ Wie viel mehr verfehlen wir uns gegen den Herrn, den König aller Könige, wenn wir Seiner liebevollen Einladung nicht folgen. Da handelt es sich um das Größte, Schönste und Beste, deshalb sollen wir es auch mit ganzer Seele ergreifen, und alle Hindernisse überwinden, wie Paulus sagt: „Lauft also, dass ihr es ergreift.“ 1 Kor. 9,24. Wenn wir aber den Gnadenruf nicht beachten, so sind wir nicht besser als die Leute im Evangelium. Gegen alles, was uns untüchtig macht, am Abendmahl teilzunehmen, müssen wir einen förmlichen Hass bekommen. Jesus muss der Erste sein und durch Ihn und in ihm dürfen wir Eltern und Geschwister, ja alle Menschen lieben; - aber wer Vater, oder Mutter, oder Bruder, oder Schwester mehr liebt denn Ihn, der ist Seiner nicht wert. Er ist ein eifersüchtiger Gott, und wir haben uns da wohl zu prüfen und vorsichtig zu wandeln. Wenn ich z. B. oft unter meinen Kranken welche habe, die mir mit besonders inniger und zu großer Liebe anhangen, so kann ich nicht anders, als sie etwas von mir wegschieben, weil ich das Gefühl habe, ich raube dem Herrn die Ehre und Liebe. Es sind geheimnisvolle Dinge; aber wenn wir redlich forschen und bitten, so dringen wir immer tiefer in diese heiligen Gottes-Geheimnisse ein, und lernen verstehen, was dazu gehört: „Den Herrn lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen Kräften.“ Matth. 22,37. Es gibt gewiss keine reinere und edlere Liebe zwischen Ehegatten, Eltern und Kindern, Geschwistern, Freunden rc., als wenn der Herr den ersten Platz im Herzen behauptet und die Liebe in Ihm gegründet ist; denn wer den Herrn wahrhaft liebt, liebt auch seinen Nächsten; wenn wir aber Kreaturen mehr lieben als den Herrn, so sind wir Räuber an der Liebe zu Jesu. Ganz unbedingt in diesen Stücken in der Gehorsam des Willens Gottes einzugehen, ist wohl das Schwerste; aber so schwer es ist, so viel will uns der Herr dafür geben: Alle Gnaden und Wunder der göttlichen Liebe, alle Seine Schätze und Güter. „Kein Auge hat je gesehen und kein Ohr je gehört, was der Herr bereitet hat denen, die ihn lieben.“ Es ist nicht nur ein Anschauen der uns beschriebenen Herrlichkeiten, sondern ein reiner Vollgenuss derselben, wie geschrieben steht: „Du tränkst sie mit Wollust wie mit einem Strom.“ Ps. 36,9. Das ist so erhaben, dass wir's gar nicht zu fassen und zu begreifen vermögen. Jedes Opfer, das wir dem Herrn bringen, das vergilt Er uns siebenfach. Ich habe einmal die Biographie eines sehr frommen Mannes, Namens Pascal, gelesen, der auf's Innigste mit dem Herrn verbunden war. Dieser hatte eine Schwester bei sich, welche er sehr liebte; dessen ungeachtet behandelte er sie zuweilen etwas hart und abstoßend, zwar nicht in bösem Sinne, doch so, dass es der Haushälterin viel zu denken gab, wie der liebe vortreffliche Mann also gegen seine Schwester sein konnte. - Nach seinem Tod fand man in seinem schriftlichen Nachlass, dass er es für seine Pflicht gehalten, seine Schwester öfters zurückzuweisen, um sie von sich ferne zu halten, weil er gefürchtet habe, dass seine Schwester ihn gar zu sehr liebe, und er dadurch ein Räuber an dem Herzen Gottes geworden wäre. Wir wollen doch recht aufmerken, meine Lieben, und mit Freuden allem Irdischen absagen; denn der Herr Jesus hat gesagt: V. 33. „Wer nicht absagt allem, das er hat, der kann nicht mein Jünger sein,“ und ganz in dem Grad, wie wir Allem absagen, kommt auch der Friede in unser Herz, ein Friede, den die Welt nicht geben, aber auch nicht nehmen kann. Es ist der Friede, von dem der Heiland Joh. 14,27. sagt: „Den Frieden lasse ich euch, Meinen Frieden gebe ich euch; nicht gebe ich euch wie die Welt gibt; euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“

Solchen Frieden wolle uns der dreieinige Gott in Gnaden schenken. Amen.

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