Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Zweites Kapitel.

Magnus Friedrich Roos - Kreuzschule - Zweites Kapitel.

Wie man sich daran nicht ärgern soll, daß GOtt den Menschen viele Trübsale zu schickt.

Es geschieht oft, daß sich die Menschen daran ärgern, wenn GOtt ihnen und andern viele Trübsale zuschickt. Hieb, welchem GOtt auf einmal sein großes Vermögen, seine Kinder und seine Gesundheit wegnahm, konnte sich eine Zeitlang nicht darein schicken, und sagte unter anderem Kap. 31,3.: „sollte nicht billiger der Ungerechte solch Unglück haben, und ein Uebelthäter so verstoßen werden?“ Assaph sagte Ps. 73,2.3.12-14.: „ich hätte schier gestrauchelt mit meinen Füßen, mein Tritt hätte beinahe geglitten; denn es verdroß mich auf die Ruhmräthigen, da ich sahe, daß es den Gottlosen so wohl gieng. Siehe, das sind die Gottlosen, die sind glückselig in der Welt, und werden reich. Soll's denn umsonst seyn, daß mein Herz unsträflich lebt, und ich meine Hände in Unschuld wasche? Und bin geplaget täglich, und meine Strafe ist alle Morgen da.“ Auch sagte der Prophet Jeremias Kap. 12,1-3.: „Warum geht es doch den Gottlosen so wohl, und die Verächter haben alles die Fülle? Du Pflanzest sie, daß sie wurzeln und wachsen, und bringen Frucht; du lassest sie viel von dir rühmen, und züchtigest sie nicht. Mich aber (der ich viel leiden muß) kennest du HErr, und stehest mich und prüfest mein Herz vor dir.“ Heut zu Tag fragen viele Leute auf eine viel trotzigere Art: womit habe ich's verdient, daß mir GOtt Armuth, Schmerzen und andere Unglücksfälle zuschickt? Sie beschuldigen GOtt der Ungerechtigkeit, weil er sie mehr als andere leiden lasse, da sie doch ihrer Meinung nach weniger als andere gesündiget haben. Man merke aber hierauf folgenden Bescheid:

1. Wer bist du, o Mensch, daß du mit GOtt rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: warum machest du mich also? Also darfst du zu GOtt, der dich geschaffen hat, auch nicht sprechen: warum machest du einen armen, kranken und unglückseligen Menschen aus mir? „hat nicht ein Töpfer Macht, aus einem Klumpen zu machen ein Faß (Gefäß) zu Ehren und das andere zu Unehren?“ Rom. 9,20.21. Jeremias sagt selber Kap. 12,1.: „HErr, wenn ich gleich mit dir rechten wollte, so behaltest du doch recht.“ Und als Hiob allerhand Einwendungen wider GOttes Regierung gemacht hatte, so mußte er zuletzt sagen: „siehe, ich bin zu leichtfertig gewesen, was soll ich antworten? Ich will meine Hand auf meinen Mund legen. Ich habe einmal geredt; darum will ich nicht mehr antworten: zum andernmal will ich's nicht mehr thun.“ Hiob 39,34.35. und Hiob 42, 3.: „ich bekenne, daß ich habe unweislich geredt, das mir zu hoch ist, und nicht verstehe.“

2. Ferner, wer bist du, der du dich etwa auf den Hiob, Assaph und Jeremias berufst, die vor Christi Geburt gelebt haben, und in ihren großen Nöthen ihre Klagen vor GOtt gebracht, und ihre Verwunderung über GOttes Regierung bezeugt haben? Bist du auch bisher schlecht und recht und gottesfürchtig gewesen, und Haft du in deinem vorigen Leben das Böse gemieden, wie vom Hiob Kap. 1,1. gesagt wird. Kannst du wie Assaph Ps. 73,13. sagen, daß dein Herz unsträflich gelebt habe, und du deine Hände in Unschuld gewaschen habest? Denkest du nicht daran, daß du von Kindheit an ein Sünder gewesen seiest? Hast du deine Jugendsünden vergessen? Erkennest du nicht, daß du schon sehr viel Böses gethan, und sehr viel Gutes unterlassen habest? Fühlest du nicht die große und tiefe Verderbniß deiner Natur, die noch jetzt vorhanden ist? Ach bitte GOtt, daß er dich erleuchte, und dir deine Sünden unter Augen stelle; so wirst du alsdann nimmer fragen: womit habe ich mein Unglück verdient? Du wirst alsdann einsehen, daß du es wohl verdient habest, ja daß du noch etwas Aergeres, nämlich die höllische Pein, verdient habest.

3. Geht es jetzt Andern besser als dir, so sei nicht neidisch über sie, sondern gönne es ihnen, weil GOtt es ihnen gönnet. Sprich auch nickt: diese, denen es wohl geht, haben mehr gesündiget als ich, denn du kannst solches nicht wissen. GOtt der Herzenskündiger weiß allem, wie groß die Sündenschuld eines jeden Menschen sei, und zwar schätzt er dieselbe nicht nur nach den äußerlichen Thaten, sondern auch nach der innerlichen Bosheit des Herzens, welche desto größer ist, je mehr Erkenntniß und Rührung ein Mensch, der muthwillig sündiget, bekommen hat; halte dich lieber für den größesten Sünder: so wirst du am wenigsten fehlen. Geht es dir jetzt übel und andern wohl: so bedenke, daß es zu einer andern Zeit dir wohl, und andern übel gegangen. Damals warft du gesund und andere krank. Du warst glücklich und gutes Muths, und andere hatten Unglück und Herzeleid. Sei also nicht undankbar, und beurtheile nicht die ganze Regierung GOttes nach der gegenwärtigen Zeit. So lang ein Mensch auf Erden lebt, kann man nicht sagen, ob ihm viel oder wenig Unglück bestimmt sei: denn bei einigen kommt das schwerste Unglück bälder, und bei andern später. Am meisten aber kommt's bei einem jeden Menschen auf sein Ende an: weßwegen auch Assaph Ps. 73,16-20. sagt: „ich gedachte ihm nach, daß ich's begreifen möchte; aber es war mir zu schwer, bis daß ich gieng in das Heiligthum GOttes, und merkte auf ihr Ende. Aber du setzest sie auf's Schlüpfrige und stürzest sie zu Boden. Wie werden sie so plötzlich zu Nichte! Sie gehen unter, und nehmen ein Ende mit Schrecken. Wie ein Traum, wenn einer erwachet nichts ist), so machest du HErr ihr Bild in der Stadt verschmähet“; daß man nämlich nach ihrem Tod einsieht, daß ihre Tugend, ihre Weisheit und ihr Vorzug vor Andern, nichts gewesen sei. An dem Schicksal eines Menschen nach seinem Tod ist alles gelegen. Wer da glücklich ist, ist recht glücklich: wer aber da unglücklich ist, ist recht unglücklich. Viele, welche zur Zeit des reichen Mannes und des armen Lazarus gelebt, haben ohne Zweifel jenen für glückselig und diesen für unglückselig gehalten: jetzt aber, da wir wissen, wie es beiden nach ihrem Tod gegangen, ist niemand so unverständig, der nickt, wenn er die Wahl hätte, lieber wünschte, der arme Lazarus, als der reiche Mann zu seyn. Siehe also zu, mein lieber Christ, daß du ein seliges Ende erlangest: so bist du glückselig genug, wenn dir schon in diesem Leben viel Unglück zustieße.

4. Endlich bedenke, daß die heil. Schrift Ps. 145,5. von GOtt sagt: „er ist groß, und unbegreiflich, wie er regieret“, und Rom. 11,33.: „o welch eine Tiefe des Reichthums, beide der Weisheit und Erkenntniß GOttes! Wie gar unbegreiflich sind seine Gerichte und unerforschlich seine Wege.“ Der jüngste Tag wird vieles klar machen, was jetzt dunkel ist, und aufdecken, was jetzt verborgen ist. Alsdann wird die Gerechtigkeit GOttes völlig geoffenbaret, und von allen Engeln und Auserwählten hoch gepriesen werden; wiewohl doch auch alsdann niemand als der Geist GOttes die Tiefen der GOttheit ausforschen wird. So lang wir aber auf der Erde leben, sind wir wie die kleine Kinder, welche zwar ihrem Vater alles Gute zutrauen, übrigens aber von demjenigen, das der Vater thut, die Ursache selten einsehen. Wir sollen nämlich mit Mose sagen: „ich will den Namen des HErrn preisen: gebet unserm GOtt allein die Ehre. Er ist ein Fels: seine Werke sind unsträflich; denn alles, was er thut, das ist recht. Treu ist GOtt, und kein Böses an ihm: gerecht und fromm ist Er.“ 5 Mos. 32,3.4. Dabei aber sollen wir nicht meinen, daß wir die Regierung GOttes begreifen und ergründen, oder von allem, das GOtt thut, alle wahre Ursachen einsehen können.

Aus diesem allem folget deutlich, daß es sehr thöricht und sündlich sei, wenn ein Mensch, der Erde und Asche, und überdieß ein großer Sünder ist, wider GOtt in seinem Leiden murret, und sich an seinem zulassenden oder wohlgefälligen Willen ärgert. Zwar ist kein Mensch, der sich nicht, wenigstens aus Schwachheit, so versündiget hätte; denn niemand ist in seinem Leiden so rein und untadelich als Christus, der seinem himmlischen Vater ohne Murren gehorsam war bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Allein die bußfertige und gläubige Christen werden durch den heiligen Geist wegen ihrer murrenden und ungedultigen Gedanken und Reden alsbald innerlich im Gewissen bestraft. Sie bereuen auch dieselbe, und bekennen, daß sie sündlich und thöricht seien, wie Hiob und Assaph gethan haben, und bitten GOtt wegen derselben um Vergebung. Deßwegen wird ihnen aber auch die sündliche Schwachheit nicht zugerechnet, sondern vergeben, und mit der Gerechtigkeit Christi des unschuldigen und unbefleckten Lammes GOttes zugedeckt. Ganz anders aber verhält es sich mit den rohen Weltmenschen, welche bei ihrem Murren recht haben wollen, und deßwegen darin fortfahren. Solche Leute sind blind, und stehen in einem verdammlichen Unglauben: ja sie sind Feinde GOttes, und werden als solche von ihm gerichtet werden. Wenn ein Vater sein ungehorsames Kind mit gutem Bedacht schlägt, so steht es dem Kind übel an, wenn es denkt oder sagt, sein Vater sei ihm feind, oder habe ihm zu viel gethan: ja der Vater wird durch solche giftige Gedanken und Reden noch mehr beleidigt, als durch die vorige Vergehungen des Kindes. Wie muß es dann die göttliche Majestät beleidigen, wenn der Sünder, der von ihr gezüchtigt wird, wider dieselbe murret, und wohl gar lästerliche Worte redet! Ist dir das Leben schwer, so bedenke, daß deine Sünden, wenn man sie wägen wollte, noch schwerer seien. Ist dein Leiden langwierig, so bedenke, daß du auch lang gesündiget habest. Ist es dir unerträglich, so bedenke, daß es dir nur wegen deiner Ungeduld und Herzenshärtigkeit unerträglich sei, und daß es dir alsbald erträglich würde, wenn du dich vor GOtt demüthigtest, und zu ihm bekehrtest. Kommt es dir unbegreiflich vor, daß dir GOtt so vieles auflegt: so bedenke, daß es noch viel unbegreiflicher sei, daß dich GOtt bei deinen vielen und großen Sünden so lang mit Geduld und Langmuth getragen, und dir so viel Gutes gethan hat. Endlich bedenke, daß wer unter dem Leiden halsstarrig bleibe, und fortfahre, wider GOtt zu murren, zuletzt gar in die Hölle hinfahre, und daß alles zeitliche Leiden ohne Buße und Bekehrung niemand in den Himmel bringe; wie es denn freilich Leute gibt, von denen gesagt werden kann, was Jer. 5, 3. steht: „du schlagest sie, aber sie fühlen's nicht: du Plagest sie, aber sie bessern sich nicht. Sie haben ein Angesicht härter denn ein Stein und wollen sich nicht bekehren.“ Solche Leute sollen nicht denken, daß sie durch ihr Leiden die Sünden abbüßen, und den Himmel verdienen, sondern vielmehr glauben, daß sie durch ihr Murren unter dem Leiden ihre Sündenschuld vermehren, und die Hölle noch weiter verdienen. Insonderheit geschieht dieses, wenn man bei seinem Murren sich auch durch den Gebrauch aberglaubischer, oder gar zauberischer Mittel an GOtt versündiget. Weil nämlich der Mensch den Nutzen des Leidens nicht einsieht, sondern dawider murret, und GOtt nicht anrufet, und seine Hülfe nicht erwarten will: so fällt er gar von GOtt ab, und sucht Hülfe, wo er sie nicht suchen sollte, nämlich bei Zauberern, Beschwörern, Wahrsagern, Tagwählern und Zeichendeutern, welche alle heidnische Greuel treiben, und von GOtt 5 Mos. 18,9.10.11.12. verdammt werden. Gleichwie auch diejenige, die bei solchen Leuten Rath und Hülfe suchen, GOttes Gebot gröblich übertreten, wie denn eben daselbst V. 13.14. gesagt wird: „du sollt ohne Wandel oder Falschheit sehn mit dem HErrn deinem GOtt; denn diese (heidnische) Völker, die du einnehmen wirst, gehorchen den Tagwählern und Weissagern: aber du sollt dich nicht also halten gegen dem HErrn deinem GOtt.“ So hat Saul schwer gesündiget, da er zu der Hexe zu Endor geloffen, um sich wahrsagen zu lassen, 1 Sam. 28. Und da der Tod Sauls 1 Chron. 1. beschrieben wird, so heißt es V. 13.14.: „also starb Saul in seiner Missethat, die er wider den HErrn gethan hatte, an dem Wort des HErrn, das er nicht hielt; auch daß er die Wahrsagerin fragte, und fragte den HErrn nicht: darum tödtete er ihn.“ Eine gleiche Sünde hat auch Ahasia, der König in Israel, begangen, wovon 2 Kön. 1. zu lesen ist. Und wem sind nicht die Zauberer in Egypten bekannt, die mit ihrem Beschwören Mosi widerstunden, und zur Verstockung des Königs Pharao halfen, folglich Knechte des Teufels waren? Sei also, o Mensch, mit deinem GOtt zufrieden, auch wenn er dich schlägt. Murre nicht wider ihn. Rechte nicht mit ihm. Glaube, daß Er gerecht sei, und du ein Sünder. Rufe ihn an in der Noth: so wird er dich erretten, und du wirst ihn preisen. Harre aber auch seiner Hülfe; denn er thut alles fein zu seiner Zeit. Begehre also nicht vor der Zeit aus deinem Leiden errettet zu werden; denn solches wäre dir nicht gut. „Es ist ein köstlich Ding einem Mann, daß er das Joch in seiner Jugend trage, daß ein Verlassener geduldig sei, wenn ihn etwas überfallt, und seinen Mund in den Staub stecke, und der Hoffnung erwarte, und lasse sich auf den Backen schlagen, und ihm viel Schmach anlegen; denn der HErr verstoßet nicht ewiglich, sondern er betrübet wohl, und erbarmet sich wieder nach seiner großen Güte; denn er nicht von Herzen die Menschen plaget und betrübet.“ Klagt. Jerem. 3,27 u. ff.

Zugabe.

D. Luther über Ps. III, 7., die Werke seiner Hände sind Wahrheit und Recht.

Es hat GOtt etliche sonderliche eigene Werke, davon man auch predigt in der christlichen Gemeinde. Das sind nicht die Werke der Schöpfung, davon im 2ten Vers dieses Psalmen die Rede ist, auch nicht die Stände und Aemter, die er durch Menschen thut, davon im 3ten Vers, sondern die Er selbst thut, und heißen Werke seiner Hände. Gleichwie ein Töpfer mit seinen Händen einen Topf macht, und ist unsers HErrn Handwerk, und wir sind sein Thon oder Leimen: Er ist der Zimmermann, und wir sind das Holz dazu. Das Werk ist das liebe heilige Kreuz, welches folgen muß auf die Lehre des Evangelii. Hier zimmert und arbeitet Er an uns, Höfelt und schnitzet uns, daß er den alten Menschen in uns tödte sammt seiner falschen Weisheit, Klugheit, Heiligkeit, ja mit allen seinen Lastern, und uns also vollkommen bereite, daß wir seine neue Kreatur seien. Hiezu muß er nehmen große Aexte, Beil, Sägen, Keil, (denn es ist ein alter Balk und Schalk der alte Adam) das ist, böse Tyrannen, Teufel, Rottengeister, falsche Brüder, Hunger, Pestilenz, Krankheit, Kerker, Strick, Schwert. Und wer kann sie alle erzählen? Solch Werk GOttes währet bis in den Tod. Durch solch Werk ist die Christenheit so groß und stark worden; dadurch sind die lieben Märtyrer in den Himmel kommen; dadurch sind die heiligen Väter in der Schrift erleuchtet worden; dadurch werden erfahrene, geschickte Christen, die da nütz sind in allen Dingen zu rathen und zu helfen; dadurch werden sie keck und gerüstet wider den Teufel und die Sünde zu streiten; dadurch werden sie tüchtig zu allem guten Werk, und Summa dadurch wird der Glaube geübt, das Evangelium geschärft, und die Christen ein rechtschaffenes Werk und neue Kreatur GOttes. Das ist ein Werk, das wir von GOtt leiden, und nicht thun; darum heißt es wohl, feiner Hände Werk, und es muß davon geprediget werden bei den Christen, auf daß sie Christo in seinem Leiden gleich werden. - Nun thut dieß Werk dem alten Adam fast wehe, und alle Vernunft in aller Welt hält nicht dafür, daß es GOttes Werk sei: es muß des Teufels Werk heißen. Und die solches leiden, müssen nicht GOttes Werk heißen, sondern von ihm verlassen seyn. So sieht sich's an. Wider solch' Urtheil nennet Er solche Werke Wahrheit und Recht, und so preiset man sie auch unter den Christen. Wahrheit heißt, das treu, gewiß und rechtschaffen ist, da kein Falsch noch Trug innen ist. Recht ist, das wir heißen billig oder nicht unrecht. Das ist so viel gesagt: welcher Christ also von GOtt gezimmert und bereitet wird, der ist und wird eine rechtschaffene neue Kreatur GOttes, darinnen kein falscher Schein oder Heuchelei bleibet, sondern wird eitel Wahrheit und rechtes Wesen mit ihm. So geschieht ihm auch nicht unrecht, sondern ganz recht; denn er hat wohl an ihm, das solches Zimmerns bedarf, den alten Adam; und wo er nicht so gezimmert würde, geschähe ihm unrecht, und würde nimmermehr ein wahrhaftiger und rechtschaffener Christ. Es bliebe der alte Schalk zu stark in ihm, und er wäre ein Schein und Schemen (Schattenbild) von einem Christen. Solches pflegen wir mit geringen Worten also zu sagen: lieber Freund, daß uns GOtt also straft oder so mit uns umgeht, ist recht, wir haben's wohl verdienet. So schadet es uns auch nicht, sondern frommet vielmehr, daß wir desto frömmer werden; denn die Ruthe macht fromme Kinder. GOtt meint's mit uns als ein treuer Vater; und dergleichen vielmehr. Denn bei den Christen weiß man wohl die Frucht und das Frommen des Kreuzes zu lehren. Aber die Welt und Vernunft kann das nicht thun, sondern es sei wie gering es sei, das sie leidet, so schreiet sie über Gewalt und Unrecht, sie habe es nicht verdienet, man thue ihr Böses um Gutes, und so fort, an weiß sie ihre Unschuld und Verdienst herauszustreichen , und solch' Gotteswerk zu lästern und zu schänden, wird auch nicht besser, noch ein wahrhaftig rechtschaffener Mensch daraus, sondern viel ärger, und voll falscher böser Tücke sich zu rächen. Darum ist's nicht Jedermanns Kunst, sondern allein der Christen, GOtt diesen Vers singen, und in Trübsal und Leiden danken und loben.

D. Spener im evangel. Glaubenstrost, und zwar in der Predigt über das Evangelium am Sonnt. Jubilate. S. 574.

Wir mögen auch natürliche und weltliche aber göttlicher Ordnung nicht zuwiderlaufende Mittel gegen das Leiden gebrauchen; hingegen muß man sich abergläubischer Mittel (indem der Teufel sein Werk dabei hat nach 2 Kön. l, 6.) in Krankheiten: in andern Arten des Leidens aber aller sonst unerlaubten Dinge, Rache, Lügen, Ungerechtigkeit u. s. f. sich enthalten. Denn wo wir dergleichen brauchen: so heißt es recht den Teufel zu Hülfe nehmen, und wird dadurch entweder auch in dem Leiblichen ärger, oder GOtt lässet uns des Leidens, aber zu unserer desto schwereren Strafe, loskommen. Im Gebrauch der Mittel, wie sie nach unterschiedlicher Art der Leiden nothwendig unterschiedlich sind, guter Freunde Rath, Trost, Hülfe, der Obrigkeit Schutz u. f. f. müssen wir ja zusehen, daß wir unser Vertrauen nicht auf sie, sondern auf GOtt setzen, sie aber allein dazu gebrauchen, daß wir unserm Gewissen eine Genüge thun, nichts an unserer Erhaltung versäumen, und nachmals so viel Segen, und denselben zu solcher Zeit erwarten, als dem HErrn zu geben gefällig seyn werde. Indessen sollen wir uns hüten vor aller Ungeduld und Unglauben, da derselbe eine schwere Sünde wider GOtt ist. Da heißt es bei einigen: das Leiden ist gar zu schwer, sonst wollte ich's wohl mit Geduld leiden: aber man gedenke, ob man nicht dieß und jenes etwa wohl wollte ausstehen können, oder andere solches ausstehen; da sie oder wir etwas von leiblichem Nutzen davon wüßten: warum denn auch nicht um GOttes willen, und aus Liebe zu ihm. - Gedenke auch immer dabei, wie viel mehr du mit den Sünden verschuldet hättest, wenn GOtt nach denselben mit dir verfahren wollte: warum solltest du dann nicht das wenige, so dir der HErr nunmehr allein zur Züchtigung auflegt, leiden, und ihn damit preisen? Wenn wir auch etwa die Ungeduld bei uns stark anzusetzen spüren, so wollen wir vielmehr wider dieselbe als wider das Leiden selbst beten, und uns deßwegen vor GOtt demüthigen: auch nicht sowohl die Größe des Leidens, als unsere Weichlichkeit, nicht daß GOtt gegen uns zu unbarmherzig, sondern daß wir zu zärtlich seien, beschuldigen. Die Geduld aber haben wir sonderlich durch den Glauben und GOttes Wort zu stärken, sodann auch durch die Erinnerung der heil. Taufe, da wir zu dem Leiden und zu der Kreuzestaufe mit berufen worden sind, wie nicht weniger durch das heilige Abendmahl, welches bei allerlei Art Leidens eine treffliche Stärkung geben kann, wo man sich befleißt, recht dabei des HErrn Tod zu verkündigen.

Gebet.

Lieber himmlischer Vater, bewahre mich um Jesu Christi willen durch den heiligen Geist vor allen Aergernissen, die das menschliche Herz so gern an den Trübsalen nimmt. Wer bin ich, daß ich mit dir rechten sollte? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: warum machest du mich also? Ich will schweigen und meinen Mund nicht aufthun, du, lieber Vater, wirst es wohl machen. Lehre mich erkennen, wie viel Böses ich schon gethan, und wie viel Gutes ich schon unterlassen habe, und wie ich deßwegen billig von dir, als ein ungehorsames und unartiges Kind gezüchtiget werde. Laß mich nicht neidisch seyn gegen andere, denen es besser gehet als mir, weil doch deine Regierung ohne Tadel, und alles, was du thust, recht ist, wenn wir schon dabei sagen müssen: wie gar unbegreiflich sind deine Gerichte, und wie unerforschlich deine Wege! Vergib mir alle Gedanken und Worte, mit welchen ich wider dich gemurret habe, und strafe mich wegen derselben nicht in deinem Zorn, und züchtige mich nicht in deinem Grimm, wie ich's verdienet habe, und laß für diese meine Sünde die reine Geduld und den untadelichen Gehorsam deines lieben Sohnes gelten, welcher, da er gestraft und gemartert ward, seinen Mund nicht aufthat, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführet wird, und wie ein Schaf, das verstummet vor seinem Scherer und seinen Mund nicht aufthut. Pflanze seinen Sinn auch in mir. Erneuere mich zu seinem Bilde.

Stärke mich, daß ich mein Kreuz willig trage, und mein Muth darunter aufgerichtet bleibe. Salbe mich mit dem Freudenöl, mit welchem dein lieber Sohn ohne Maaßen gesalbet gewesen; damit ich fröhlich in Hoffnung, geduldig in Trübsal, und im Gebet anhaltend seyn möge. Thue deinen Willen an mir, wenn schon mein Fleisch öfters widerstrebet, und leite mich nach deinem Rath, wenn schon derselbe meiner Vernunft zuwider ist. Endlich aber nehme mich auch mit Ehren an, und versetze mich in das helle Licht der seligen Ewigkeit, wo alle Zweifel und Anstöße aufhören, wo die Klagen in ein fröhliches Lob, und die kindische Erkenntniß in eine vollkommene Weisheit verwandelt seyn wird. Amen.

1. So oft dein Herz, o Christ!
In schweren Leidenstagen
Zu zweifeln dich versucht,
Und über GOtt zu klagen:
So tritt erst mit Gebet
Vor GOttes Heiligtum,
Und sieh, wie Assaph einst,
Um Rath und Trost dich um.

2. Du klagst, daß GOttes Hand
Dir Armuth, Krankheit, Leiden
Mehr als viel Tausenden
In vollem Maß bescheiden,
Daß deine Strafe dir
Mit jedem Morgen neu,
Und dein Geschrei zu GOtt
Um Trost vergeblich sei.

3. Wie? aber hast du auch
Vor GOtt dich als ein Sünder
Gebeugt, und denkst du auch
Er strafe stets gelinder,
Als es ein Mensch, beschwert
Mit Sündenschuld, verdient,
Der lange mehr der Welt
Als seinem GOtt gedient?

4. Du klagst den Schöpfer an:
Wie? willst du mit ihm rechten?
Kann ein Geschöpf sein Recht
Auch gegen ihn verfechten?
Und wenn man rechten will,
Lern' das an seinem Knecht
Dem frommen Hiob doch,
So hat Er dennoch recht.

5. Du kannst auf tausend ihm
Nicht eine Antwort geben:
Du, seiner Hände Werk,
Und willst ihm widerstreben?
Kann denn ein Töpfer nicht
Mit einem Stücklein Thon,
Das auf der Scheibe ist,
Was ihm beliebet, thun?

6. Wer gab dein Leben dir
Und viele gute Stunden,
In denen du schon oft
Des Lebens Glück empfunden?
Du nahmst den guten Tag
Aus GOttes Händen bin,
Nimm auch den bösen Tag -
Dein Schöpfer schuf auch ihn.

7. Sprich nicht in deinem Sinn:
Die Sünden sind wohl größer,
Die der und jener that,
Und dennoch geht's ihm besser.
Sieh' doch mit Unmuth nie
Und nie mit scheelem Blick
Auf Andrer Wohlstand hin
Und auf der Bösen Glück.

8. Kannst du das Innerste
Mit deinem Blick erreichen?
Wer gab dir GOttes Wag
Die Sünden zu vergleichen?
Die Eigenliebe sieht
Den eignen Balken nicht,
Indem sie streng und oft
Von fremden Splittern spricht.

9. Ach laß dich GOttes Geist
Erleuchten, strafen, lehren,
So wirst du GOttes Thun
Nicht tadeln, nein verehren.
Anstatt der Klage wird
Bei seines Lichtes Schein
Der Dank in deinem Mund
Ein täglich's Opfer seyn.

10. Und stört dich dennoch oft
Das stolze Glück der Sünde,
Der Tugend traurig Loos,
So merk nur auf das Ende.
Was ist ein scheinbar Glück
In dieser Prüfungszeit?
Der Menschen wahres Glück
Macht erst die Ewigkeit.

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