Quandt, Emil - Joel - 1. Der Tag der Plage Israels.
Kapitel 1,1-20.
Vers 1. Dies ist das Wort des Herrn, das geschehen ist zu Joel, dem Sohne Pethuels.
Der Prophet macht wenig Worte von sich selber; wollte Gott, dass solche, die keine Propheten sind, auch so wenig von sich selber redeten. Der Auftrag, der ihm geworden ist, ist ihm die Hauptsache; er hat ein Wort des Herrn zu predigen bekommen; das Wort des Herrn ist ein zusammenfassender Ausdruck, der die ganzen drei Kapitel des Buches als von Gott stammend hinstellt. Was Joel weissagt, weissagt er als ein Mann Gottes, dem der Herr den Mund gerührt hat; er führt nicht sein eignes Wort, sondern er redet, was ihm von Gott befohlen ist. Redet aber Gott durch Joels Mund, dann haben Lehrer und Leser der Weissagungen Joels über ihnen die Hände zu falten, und sie allein in dem ungeheuchelten Verlangen zu betrachten, dass sie mögen durch dieselben unterwiesen werden zur Seligkeit.
Nachdem der Prophet den Herrn genannt und was er ihm befohlen, nennt er sich selbst und sagt, von wem er abstamme. Ein weiteres Wort verliert er nicht über sich. Sein Name ist Joel. Manche nehmen an, die beiden Silben dieses Namens seien zusammengezogen aus den beiden Gottesnamen Jehova und Elohim; dann wäre „Joel“ so viel als „Jehova ist Elohim“, das ist „der Herr ist Gott“. Andre deuten den Namen: „Er wird anfangen“ oder „Er wird geneigt sein“. Auch andre Männer in der Schrift führen diesen Namen; so jener erstgeborne Sohn Samuels, der als Richter zu Bersaba das Recht beugte 1 Sam. 8; so ein Mann aus dem Geschlechte Ruben 1 Chron. 9. Unser Prophet Joel nennt sich zum Unterschied von seinen Namensverwandten den Sohn Pethuels; dieser Name bedeutet edle, göttliche Gesinnung; dass dieser Pethuel ein Priester und also Joel priesterlichen Herkommens und Standes gewesen, ist eine unbegründete Annahme.
Andre Propheten geben nach Nennung ihres Namens noch Zeit und Ort ihres Lebens an. Das tut Joel nicht. Es ist daher sehr viel darüber gestritten worden. Für den Ort zwar zeugt der Inhalt der Weissagungen; Joel hat jedenfalls in Juda, vielleicht (2,1 und öfter) in Jerusalem selbst geweissagt. Wann aber hat er geweissagt? Der alte Kirchenvater Hieronymus gibt eine treffliche und bewährte Regel für die Zeitbestimmung derjenigen Propheten, die ihre Zeit nicht selbst bestimmen. Er sagt: „Jeder Prophet, der seine Zeit nicht angibt, hat zwischen denjenigen Propheten geweissagt, zwischen deren Büchern sein Buch in der heiligen Schriftensammlung steht.“ Von dieser Regel des Hieronymus ist ohne die zwingendste Not nicht abzugehen. Nun haben die frommen Sammler der Bücher der kleinen Propheten Joel zwischen Hosea und Amos gesetzt. Das gilt uns gleich einem ausdrücklichen Zeugnisse, dass Joels prophetische Tätigkeit zwischen die des Hosea und Amos zu setzen ist. Diese beiden Propheten aber gehören nach Überschrift und Inhalt ihrer Bücher in die Zeit des Königs Usias (811-760 vor Christo). In diese selbe Zeit setzen wir daher auch das Leben und Wirken Joels. Wenn Andre Joels Buch für das älteste Prophetenbuch der ganzen heiligen Schrift halten und Joels Lebenszeit bis dicht an die des großen Propheten Elisa hinaufrücken, so zeugt dagegen nicht bloß die Regel des Hieronymus, sondern auch Joels fließende und durchgebildete Schreibart.
V. 2. Hört dies, ihr Ältesten, und merkt auf, alle Einwohner im Lande, ob ein solches geschehen sei bei euren Zeiten oder bei eurer Väter Zeiten.
Hört, beginnt Joel seine Predigt. Der schriftlichen Aufzeichnung derselben ist also eine mündliche Verkündigung vorangegangen. Dies „Hört“ soll zum Aufmerken reizen; ähnlich spricht der Heiland bei seinen Predigten: Wer Ohren hat zu hören, der höre. Wo es Neuigkeiten dieser Welt zu erfahren gibt, da sind die Sinne der Menschen immer von selber wacker; aber wo Gottes Propheten predigen, müssen die Menschen immer erst aufgerüttelt werden, damit sie Acht geben. Es ist das ein trauriges Zeichen unsrer sündlichen Verdorbenheit. Joel wendet sich mit seinem „Hört und merkt darauf“ an alle Einwohner im Lande. Gottes Wort ist für Jedermann, und es ist zwar römisch, aber wenig christlich, wenn es den Laien entzogen wird und Bibelgesellschaften als eine Pest der Menschheit verschrien werden; in erster Linie aber wendet er sich an die Ältesten, an die Häupter und Vornehmsten im Lande, die höchsten Richter und Ratsleute in allgemeinen Landesangelegenheiten, je höher Jemand steht, desto größer auch die Verpflichtung, auf Gottes Wort zu achten, desto schwerer und weitgreifender das Unheil, wenn Gottes Wort verachtet wird; denn die Vornehmen und Reichen ziehen leicht Andre hinterdrein, sowohl ins Heil, als ins Unheil. Alle Einwohner und die Ältesten voran sollen das hören und darauf merken, ob ein solches geschehen sei bei ihren Zeiten oder bei ihrer Väter Zeiten. Das „ein solches“ ist die Heuschreckenverheerung, die V. 4 u. ff. geschildert wird, unter welcher das Land seufzte als unter dem größten Unglück dieser Art, welches das Land je betroffen. Manche Ausleger bestreiten dies zwar; sie legen den Tag des Herrn, von dem Joel Kap. 1 redet, in die Zukunft und verstehen unter den Heuschrecken kriegerische Feinde Israels; allein dass in Kap. 1 ein gegenwärtiges Strafgericht, bestehend in Heuschreckenverheerung und Dürre, geschildert wird, bleibt doch die unbefangenste und natürlichste Auslegung; und dazu kommt, dass der Prophet Amos, der unmittelbar nach Joel auftrat, auf eine kurz vor seinem Auftreten überstandene Landplage durch Heuschrecken und Dürre hinweist (Amos 4,6-9). Erst im zweiten Kapitel, wo der Prophet von einem andern, zukünftigen Tage des Herrn redet, dient ihm die gegenwärtige Heuschreckenverheerung zu einem Bild und Gleichnis für feindliche Kriegsscharen, die er über das unbußfertige Israel zuhauf kommen sieht.
V. 3. Sagt euren Kindern davon und lasst es eure Kinder ihren Kindern sagen, und dieselbigen Kinder ihren andern Nachkommen.
In einer Zeit, die weder so schreibselig, noch so lesefähig und leselustig war, als die moderne Zeit, pflanzten sich die Geschichten der Väter, wenn sie auch von Einzelnen aufgezeichnet wurden, unter der Menge mehr durch Überlieferung von Mund zu Mund fort. Der Vater erzählte dem Sohne, und dieser seinem Sohne, was Gott der Herr getan, sei es zum Heile, sei es zum Gerichte. So war es z. B. feste Sitte in Israel, dass der Sohn des Hauses beim Passahmahl den Hausvater fragte, was das Alles bedeute; dann hielt der Vater jedes Mal die sogenannte Haggadda, d. i. Verkündigung, indem er die alten Geschichten von der Erlösung Israels aus dem Diensthause Ägyptens wählte. Zu einer ähnlichen Haggadda fordert der Prophet sein Volk auf hinsichtlich der großen nationalen Plage, mit welcher damals der Herr Israel zum Gerichte heimsuchte. Das Exempel der Alten sollte zur Lehre, Warnung und Mahnung der kommenden Geschlechter erzählt werden. So sollen auch in der Christenheit Väter und Mütter ihren Kindern nicht vorenthalten, wie Gott sie gesegnet, wie Gott sie gezüchtigt hat; durch solche Erzählungen wachsen Alte und Junge unter einander und beide mit dem lebendigen Gott mehr innerlich zusammen.
V. 4. Nämlich was die Raupen lassen, das fressen die Heuschrecken, und was die Heuschrecken lassen, das fressen die Käfer, und was die Käfer lassen, das frisst das Geschmeiß.
Das ist nun die anschauliche und ergreifende Schilderung der gegenwärtigen großen Landplage. Die deutsche Übersetzung könnte zu der Annahme verleiten, als ob das gelobte Land damals von sehr verschiedenen Insekten verheert worden wäre. Aber der Grundtext redet nur von einer Verheerung durch Heuschrecken. Es gab und gibt im Morgenlande verschiedene Arten von Heuschrecken; einige derselben waren und sind sehr wohltätig, denn sie dienen den armen Leuten zur Speise; man reißt ihnen Beine und Flügel aus, bestreut das Übrige mit Salz und genießt es entweder gekocht oder gebraten. Es war dies bekanntlich die Speise St. Johannis des Täufers, des Vorläufers des Herrn. Andre Arten der Heuschrecken aber waren und sind sehr böse und bilden, wo sie in Schwärmen sich über das Land verbreiten, eine schreckliche, verderbliche Landplage. Sie kommen, vom Winde getrieben, in einer Anzahl, die oft mehrere Stunden Länge und Breite und viele hundert Fuß Höhe einnimmt, gehen immer grade aus, über Alles weg, verfinstern die Luft und zerfressen mit ihren bissigen Zähnen Alles, was auf den Fluren grünt und blüht, die Früchte des Feldes und der Bäume und sogar der letzteren Rinden und Wurzeln. Die achte Plage über Ägypten war eine solche Heuschreckenplage. Gott hatte gleiche Plage auch dem Volke Israel gedroht, wo es seiner Stimme nicht gehorchen würde. „Du wirst viel Samens ausführen“, heißt es für solchen Fall 5 Mose 28,38 „,und wenig einsammeln, denn die Heuschrecken werden es abfressen.“ Das war nun zu Joels Zeit eingetroffen. Joel beschreibt anschaulich, wie es bei der Heuschreckenverheerung herging. In wörtlicher Übertragung nämlich heißt der Vers: „Was der Nager lässt, das frisst der Schwärmer; was der Schwärmer lässt, das frisst der Lecker; was der Lecker lässt, das frisst der Abbeißer.“ Diese vier hebräischen Namen, an Stelle deren Luther andre Namen von verheerendem Ungeziefer genannt hat, werden von Vielen für besondere Formen der Verwandlung der bösen Heuschrecke gehalten. Aber das ist eine unsichere Vermutung. Es ist einfacher, dabei an Namen verschiedener Arten von bösen Heuschrecken zu denken, an Namen, die nicht willkürlich gewählt sind, sondern sorgfältiger Beobachtung der hervorstechenden Eigenschaften der verschiedenen Arten ihren Ursprung verdanken. Diese Erklärung wird dadurch keineswegs entwertet, wenn man einwirft, dass nach ihr der Prophet so tief in die Naturgeschichte der Heuschrecken hinabstiege, dass ein Professor der Naturgeschichte von ihm lernen könne. Es werden 3 Mose 11,22 ja auch verschiedene Arten der wohltätigen, reinen und essbaren Heuschrecken genannt; warum sollte hier der Prophet nicht die verschiedenen Gattungen der bösen Heuschrecken nennen, die sich dem ganzen Lande durch ihre Verwüstung nur zu bekannt gemacht hatten? Übrigens geht es, wie dem Volk Israel mit den Heuschrecken, so den gottentfremdeten Weltmenschen mit ihren Sünden noch heute: Was die nagende Sorge lässt, das frisst die schwärmende Wollust; und was die schwärmende Wollust lässt, das frisst die leckende Eitelkeit; und was die leckende Eitelkeit lässt, das frisst der abbeißende Geiz.
V. 5. Wacht auf, ihr Trunkenen, und weint und heult, alle Weinsäufer, um den Most, denn er ist euch vor eurem Maul weggenommen.
Galt die erste Anrede vornehmlich den Ältesten, so wendet sich jetzt der Prophet an die Reichen und Wohllebenden. Denn nicht gerade Trunkenbolde sind gemeint, und nicht gegen das Laster des Saufens will hier der Prophet zu Felde ziehen. Die hebräischen Ausdrücke lauten milder, als die deutschen, und sind ähnlich zu erklären, wie die Worte „wenn sie trunken worden sind“ in der Geschichte von der Hochzeit zu Cana, und wie die Worte „sie tranken und wurden trunken mit ihm“ in der Geschichte von dem Gastmahl Josephs mit seinen Brüdern. Es werden in diesem Verse die Leute angeredet, die es gewohnt sind, vollauf zu haben und zu leben, die Reichen und Wohlhabenden; sie sollen in dem durch die allgemeine Landplage selbst ihnen auferlegten Darben den Finger Gottes sehen, damit sie aufwachen aus ihrem Sündenschlafe und durch die Trauer über die Not in die Traurigkeit über ihre Sünden dringen. Allgemeine Landeskalamitäten sind für Alle Wecker zur Buße, für die Reichen aber vornehmlich, weil sie dadurch einmal gründlich den Armen gleichgestellt werden und sich die Erkenntnis ihnen aufdrängt, dass dieses Lebens Güter nur eine Hand voller Sand sind.
V. 6. Denn es zieht herauf in mein Land ein mächtig Volk, und des ohne Zahl; das hat Zähne wie Löwen, und Backenzähne wie Löwinnen.
„Es zieht herauf“ heißt wörtlich: „Es ist heraufgezogen“. Die große Menge der Heuschrecken erscheint dem heiligen Seher als ein feindseliges, massenhaftes Volk, wie es später zu noch größerem Gericht in der Tat über Israel kommen sollte (2,2). „Mein Land“ - Gott spricht durch den Propheten, Kanaan ist im besonderen Sinne das Land dessen, dessen alle Lande sind, weil das Volk Kanaans sein auserwähltes Volk ist. Die Zähne der Heuschrecken werden den Zähnen des Löwen, den Hauern der Löwinnen verglichen; der Löwe, oft in der Schrift als Bild und zwar meist des Bösen gebraucht, ist hier das Bild der Gefräßigkeit. Das Schrecklichste der Schrecken einer Heuschreckenverheerung ist eben die fürchterliche Gefräßigkeit der Tiere; in ein paar Stunden haben sie jedes Blatt, jede Ähre aufgezehrt und die Bäume abgeschält. So zerfrisst der Wurm der Sünde die Blätter und Früchte des Lebens; seine Zähne sind wie Löwenzähne und wie die Hauer des Leuen; und das geschieht mitten in Landen, die des Herrn sind, denn der Sünden ist unter den Christen heutzutage ein gar mächtiges Volk.
V. 7. Dasselbige verwüstet meinen Weinberg und streift meinen Feigenbaum, schält ihn und verwirft ihn, dass seine Zweige weiß dastehen.
Der Herr nennt die Weinberge Kanaans seine Weinberge, die Feigenbäume des heiligen Landes seine Feigenbäume. Ist das Land des Herrn, so gehört auch sein Gewächs ihm, und die Einwohner des Landes sind nur Nießbraucher. Auch wir Christen haben alle Ursache, uns von Tag zu Tag mehr in die Anschauung hineinzuleben, dass all' unser Gut und Eigentum uns nur leihweise übergeben ist von dem großen Erbherrn aller Welt, wie Paul Gerhard das so trefflich ausdrückt: „Gut und Blut, Leib, Seel' und Leben ist nicht mein, Gott allein ist es, der's gegeben.“ Ist aber das Land und sein Gewächs des Herrn, so ist er selbst mitverwickelt in den Schaden, den Landplagen anrichten, und die Schuld der Menschen, die solche Landplagen auf sich herabgerufen haben, erscheint um so verwerflicher. Jeder verwüstete Weinberg, jeder abgeschälte Feigenbaum musste Israel ins Gedächtnis rufen, wie schwer es sich an seinem Gott versündigt hatte, dass es durch seine Missetat über das Gewächs, das dem Herrn fröhlich grünen und blühen sollte, Unheil und Verderben gebracht hatte. Sonst erscheint in der Schrift auch öfters Israel selbst als Gottes Weinstock und Feigenbaum (Hosea 9,10 u. öfters). Jeder zerpflückte Weinstock, jeder zernagte Feigenbaum war ein Sinnbild des Volkes Israel, das von Sünde und Schuld zernagt war. Aber nicht nur zwischen Israel und der Natur, sondern zwischen jedem Menschen und der Natur besteht ein wunderbarer, inniger Zusammenhang; denn der Mensch ist das Herz der Natur. Prangt die Natur in grünem, lebendigem Schmuck, bekennt die dankbare Seele: „In tausend Blumen ist die Liebesschrift geprägt: Wie ist die Erde schön, wenn sie den Himmel trägt!“ Ist die Natur verdorben oder erstorben, bekennt der nachdenkliche Geist: „Es predigt, was verwelkt und was verweht im All: Wie hässlich ward die Welt durch Adams Sündenfall!“
V. 8. Heule wie eine Jungfrau, die einen Sack anlegt um ihren Bräutigam.
Die Rede des Propheten richtet sich nun an die ganze Volksgemeinde, an die Tochter Zion, wie sie sonst von den Propheten angeredet wird. Dieselbe wird einer jungfräulichen Braut verglichen, der der Geliebte ihrer Jugend, der Stern ihrer Zukunft entrissen ist. Gleichwie solch eine verlassene und verwaiste Braut den bräutlichen Schmuck abgelegt hat und in Trauergewändern klagend und weinend einhergeht, so soll Israel, das dem Herrn verlobte und vertraute Volk, angesichts der verwüstenden Landplage erkennen, dass es den Herrn seinen Gott verlassen hat, und soll zu dem auswendigen Trauergewande, das der Herr selbst über das Land ausgebreitet hat, das inwendige Trauerkleid der Buße anziehen und weinen und heulen um seiner gebrochenen, durch die Sünde gebrochenen Treue willen. Es gibt eine Starrheit, zu der nicht wenige Herzen versteinert sind, die in dem Gedanken: „es ist nicht anders“ die Augen vor dem zumacht, was die höhere Hand schickt, und darin Ruhe sucht, dass sie sich Alles aus dem Sinne schlägt. Aber was der Herr tut, ist allemal wert, dass der Mensch es ansehe und betrachte; wenn er Tage für uns kommen lässt, die uns gefallen, so will er, dass wir uns des Segens freuen und ihm danken; und wenn er um unsrer Sünden willen Tage der Plage schickt, so will er auch, dass wir weinen! Es ist ein sehr düsteres Zeichen unsrer Zeit, dass es so viele Leute gibt, die nicht mehr weinen können. Heule, wie eine Jungfrau, du Volk voller Sünden! Nur dass die Träne nicht ein Vorhang sein darf, der uns den Herrn verhüllt; wir müssen, wenn der Herr in schweren Plagen uns unsre Missetaten recht handgreiflich zu Gemüte führt, weinen vor dem Herrn und zu dem Herrn, so wird mitten im Regen stiller Tränen der Regenbogen des Friedens als Wahrzeichen seiner nie wankenden Gnade erscheinen.
Die Träne lob' ich, die die Buße
Im Staub vor Gott zum Opfer bringt,
Wenn sie mit Magdalenens Kusse
Des Heilands Füße fromm umschlingt,
Die gleich dem Frühlingsstrom die Rinde
Verjährten Trotzes milde schmelzt,
Und Felsenlasten alter Sünde
Vom neugebornen Herzen wälzt.
V. 9. Denn das Speisopfer und Trankopfer ist vom Hause des Herrn weg; und die Priester, des Herrn Diener, trauern.
Das Opfer war das sichtbare Band zwischen dem Bundesvolke und dem Bundesgotte. Die Verwüstung musste eine ungeheure sein, wenn ein solcher Mangel an Nahrungsmitteln entstehen konnte, dass selbst die Opfer eingestellt werden mussten. War aber das Opfer im Tempel Gottes aufgehoben, dann war auch alle Freude der Priester dahin, als die nun nicht mehr ihres Priestertums pflegen konnten; auch war durch das Aufhören der Speis- und Trankopfer die irdische Versorgung und Notdurft der Priester verkümmert. So war ihr Trauern in doppelter Hinsicht gerechtfertigt; dass ihre tiefste Trauer der Verkümmerung des Gottesdienstes galt, soll die Bezeichnung der Priester als „Diener des Herrn“ andeuten; sie trauerten, Diener des Herrn zu sein, ohne Ihm in der von Ihm vorgeschriebenen Weise dienen zu können. Ein ähnlicher Höhepunkt der Not durch Landplagen würde in der Christenheit eintreten, wenn es ihr je irgendwo an Brot und Wein für das heilige Abendmahl fehlen würde.
V. 10. Das Feld ist verwüstet, und der Acker steht jämmerlich, das Getreide ist verdorben, der Wein steht jämmerlich, und das Öl kläglich.
Das Getreide wurde in Palästina im Oktober oder November gesät, und die Ernte fiel Ende April und Anfangs Mai; die Wein- und Öl-Ernte fiel in den Herbst. Die Verwüstung und Dürre war also eine lange, den ganzen Sommer hindurch währende, die Heuschreckenplage Israels also hundertmal ärger als die Heuschreckenplage, die weiland dem Könige Pharao und seinem Lande widerfuhr, denn diese währte nur einige Tage hindurch. So straft Gott die Sünden der Seinigen auch heute vielfach härter, als die Sünden der Ungläubigen aus Gnaden, denn je größer die Liebe, desto ernster die Zucht, und je ernster die Zucht, desto dringender die Reizung zur Buße.
V. 11. Die Ackerleute sehen jämmerlich, und die Weingärtner heulen um den Weizen und um die Gerste, dass aus der Ernte auf dem Felde nichts werden kann.
Der Prophet hatte zuvor V. 8 die Tochter Zion, das ganze Volk, zum Weinen aufgefordert; da er hier. nun selber sagt, dass die Ackerleute und Weingärtner klagen und heulen, so könnte gerade für diesen größeren Teil des Volks seine Mahnung überflüssig erscheinen. Allein die Ackerleute heulten um den Weizen und die Gerste; Joel aber will, dass sie um ihrer Sünde willen heulen sollen. Nicht alle Tränen, deren unterm Monde ja auch heute noch immerhin viel sind, haben gleichen Wert; die fruchtbarsten Tränen sind die Bußtränen, wie sie jene Sünderin in Simons Hause, wie sie Petrus nach seiner Verleugnung weinte. Tränen um Weizen und Gerste, Tränen um Acker und Vieh und Geld und Gut sind Tränen sehr zweifelhaften Wertes.
V. 12. So steht der Weinstock auch jämmerlich, und der Feigenbaum kläglich; dazu die Granatbäume, Palmbäume, Apfelbäume, und alle Bäume auf dem Felde sind verdorrt; denn die Treude der Menschen ist zum Jammer geworden.
Der Weinstock und der Feigenbaum waren Kanaans edelste Gewächse; der Weinstock gedeiht in keinem Lande der Welt so, wie in Palästina, sowohl was Höhe und Stärke des Stammes, als Wohlgeschmack und Fülle der Früchte betrifft; der Feigenbaum, in der heiligen Schrift dem Weinstock in der Regel zur Seite stehend, brachte den Israeliten die beliebteste süße, kühlende und heilsame Speise. Das Wohnen unter dem Schatten, und das Essen von den Früchten des Weinstocks und des Feigenbaums gehörte zu dem lieblichen Lose Israels, wie es ihm unter dem Regimente Salomos beschieden war. Mit dem Weinstock und Feigenbaum wetteiferte an Blütenpracht und Köstlichkeit der Frucht der Granatbaum; die Lieblichkeit der Braut in Hohenliede wird einem Lustgarten mit Granatäpfeln verglichen. Auch die Palme ist im Hohenliede ein Bild der geistlichen Wohlgestalt der Braut Christi. Die Palme ist die „Fürstin des Pflanzenreichs“, gepriesen als der Baum der Herrlichkeit und des Lebens, des Heiles und Sieges, als die große Zeugin der Herrlichkeit Gottes in der Pflanzenwelt. Das Land des auserwählten Volkes, das heilige Land, war durch und durch ein Palmenland. Die Palme ist auf alten jüdischen und römischen Münzen geradezu das Sinnbild des heiligen Landes. Wie eigentümlich der Anblick der Palmen auch nüchterne Abendländer berührt, dafür stehe hier das Zeugnis eines berühmten Reisenden, Alban Stolz (Besuch bei Sem, Ham und Japhet S. 104): „Ich kann die plötzliche und eigentümliche Freude, welche der Anblick der Palmen in mir erregte, nur vergleichen mit der Aufregung eines Kindes, wenn es zum ersten Mal ein junges Lamm sieht. Wie dem Kinde beim Anblick eines Lammes die Freude auf dem Herzen tanzt und wie selbst dem jüngsten Kinde eine große feurige Liebe zu dem Symbol desjenigen angeboren zu sein scheint, der gesagt hat: Lasst die Kindlein zu mir kommen; so scheint auch eine tiefe Beziehung, eine geheimnisvolle Verwandtschaft zwischen dem Menschen überhaupt und dem Palmbaum zu bestehen und kündigt sich durch eine fast gerührte Stimmung an, wenn man ihn zum ersten Male sieht, als wäre er eine unendlich liebe Erinnerung aus frühester Kindheit. Man meint, bei den Palmen habe man sich seiner wahren, ursprünglichen Heimat genähert, man stehe vor den Toren des Paradieses.“ Was dem Palmbaum seine große praktische Bedeutsamkeit für Kanaan gab, war seine große Fruchtbarkeit; wenige Bäume reichten hin, eine Familie das ganze Jahr hindurch zu ernähren. Da Kanaan vermöge seiner glücklichen Lage fast die Früchte aller Himmelsstriche in sich vereinigte, so dürfen wir uns nicht wundern, dass auch die Apfelbäume mit ihren goldgelben, süßduftenden Früchten dort blühten. Alle diese Bäume waren Israels Freude - aber diese Freude war nun um seiner Sünden willen durch die schreckliche Landplage in Jammer verkehrt. Auch heutzutage hat der Fluch, der auf dem Lande der Verheißung liegt, seine edlen Bäume schwer betroffen; namentlich wird die Palme, Palästinas Symbol, nur noch selten und verwahrlost dort gefunden.
V. 13. Begürtet euch und klagt, ihr Priester, heult, ihr Diener des Altars; geht hinein und liegt in Säcken, ihr Diener meines Gottes: denn es ist beides, Speisopfer und Trankopfer, vom Hause meines Gottes weg.
Nach den Ältesten (V. 2-4), den Reichen (V. 5-7), der ganzen Volksgemeinde (V. 8-12) werden nun in diesem und dem folgenden Verse die Priester ermahnt, das allgemeine Elend zu beherzigen. Mit Vorliebe nennt Joel die Priester Diener Gottes (vergl. V. 9 und Kap. 2, 17) und hier noch außerdem Diener des Altars. Die alttestamentlichen Priester sollten ebensowenig als die Pfarrer und Prediger im neuen Bunde es sein sollen, Herren und Herrscher sein, sondern Diener Gottes. Jener Papst nannte sich der Knecht der Knechte Gottes; im evangelischen Sinne verstanden ist das eine tiefe Wahrheit. Der alttestamentliche Priesterdienst gipfelt im Altardienst; auf den Altären wurden dem Herrn die täglichen Opfer dargebracht. Weil dieser Dienst durch die anhaltende schwere Landplage als aufgehoben erscheint, so sollen die Priester nicht bloß trauern - was sie nach V. 9 ja taten - sondern Buße tun; sie sollen sich begürten mit Säcken, den grobhärenen Bußkleidern, und sollen in diesen Kleidern liegen, d. H. nächtigen, wie auch Ahab „einen Sack an seinen Leib legte und schlief im Sack“ (1 Kön. 21,27): sie sollen anhaltende, tiefe Buße tun. Die Priester sollten dem Volke vorleuchten in Gottesfurcht, darum auch in der Bußfertigkeit.
V. 14. Heiligt ein Fasten, ruft die Gemeinde zusammen, versammelt die Ältesten und alle Einwohner des Landes zum Hause des Herrn, eures Gottes, und schreit zum Herrn.
Selbst bußfertig sollen die Priester Bußprediger sein für das ganze Volk. Für Bußpredigten ist eigne Buße immer die beste Vorbereitung; erst Bekehrung, dann Belehrung. „Heiligt ein Fasten“ - setzt ein außerordentliches, allgemeines, unverbrüchliches Fasten an. Das Fasten war ein ewiges Recht des großen Versöhnungstages, der deshalb vorzugsweise der Festtag heißt; aber außer diesem vom Gesetz gebotenen Festtag wurde oft in Israel bei besonderen Unglücksfällen und Gefahren ein außerordentliches Bußfasten angesetzt; in der Regel fing es mit Sonnenuntergang an und dauerte bis an den andern Tag um dieselbe Stunde, die Buße war dabei die Hauptsache, das Fasten war nur Mittel zum Zweck, wie H. Müller sagt: „Das Fasten ist eine Nahrung der Seele, es dient zur Anzündung des Geistes und der Andacht. Ein dürres Holz brennt viel eher, als ein feuchtes. Ein trockner Zunder empfängt die Fünklein, nicht ein nasser. Fasten sind die Flügel, damit sich eine bußfertige Seele zu Gott aufschwingt.“ Ein solches Bußfasten ist auch unter uns Evangelischen nichts Unerhörtes. Als Luther einmal vernahm, dass der König von Dänemark ein dreitägiges Fasten seines ganzen Volkes angeordnet hätte, sprach er: „Es ist recht: Ich wollte gern, dass sie es wieder aufrichteten. Es ist die äußerliche Erniedrigung und Demut, und so die innerliche auch dazu kommt, so ist es wohl gut.“ Wenn aber heutzutage in der evangelischen Christenheit bei außerordentlichen Gefahren allgemeine Landesbußtage ohne Fasten ausgeschrieben werden, so geschieht das zwar nicht im Buchstaben, wohl aber im Geist und in der Wahrheit dessen, was Joel forderte; denn die Buße schickt sich für Alle, nicht aber das Fasten; der Himmelsstrich, unter dem man lebt, kommt mit in Betracht: im Morgenlande ist das Fasten die sich ganz von selbst verstehende, naturgemäße, lebendige Äußerung und Förderung bußfertiger Gesinnung; im Abendlande wird durch Enthaltung von Speisen der Leib viel eher krankhaft angegriffen und dadurch der Zweck des Fastens, die Demütigung des Geistes unter Gott, oft mehr vereitelt, als gefördert. Das römische Fasten mit dem reichlichen Genuss von kostbar zubereiteten Fischen und mit seiner Werkheiligkeit ist erst recht nicht das Fasten Joels. Die ganze Volksgemeinde mit ihren Ältesten an der Spitze soll zusammengerufen werden zu einem feierlichen Fasten- und Bußgottesdienst im Hause des Herrn, und die Priester sollen im Namen Aller zum Herrn, schreien. So versammelte sich bei der drohenden Kriegsgefahr am 27. Juni 1866 das ganze preußische Volk mit seinem König an der Spitze in den Häusern Gottes, sich vor Ihm und Seinen heiligen Gerichten zu beugen, sich der Vergebung der Sünden durch Christi Verdienst neu zu getrösten und von Ihm Sieg und Heil zu erflehen.
V. 15. O wehe des Tages, denu der Tag des Herrn ist nahe, und kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen.
Nach den verschiedenen Anreden an das Volk und alle seine Stände folgt nun hier bis V. 18 hin die Klage über den schweren Tag der Plage. Wenn in der Schrift auch vorzugsweise der jüngste Tag der Tag des Herrn heißt, so führen doch auch alle Vorläufer und Vorbilder dieses Tages denselben Namen, und so auch hier der Tag, an dem der Herr sein Volk mit dem Gerichte der Heuschreckenplage heimsucht. Dass die Worte dieses Verses eben auf die betrübte Gegenwart gehen, und nicht auf ein von der Heuschreckenverheerung verschiedenes zukünftiges Gericht, wie man, das Wörtlein nahe pressend, hin und wieder ausgelegt hat, beweisen die folgenden Verse, die nach dem Grundtexte das Verderben, das vom Allmächtigen kommt, nicht als ein zukünftiges, sondern als das gegenwärtige, in der Landplage bestehende, schildern. Hunger tut weh! Darum hat Joel wahrlich ein Recht, inmitten der ungeheuren Dürre und Teuerung zu rufen: wehe des Tages! Er kommt wie ein Verderben vom Allmächtigen! Die Schrift nennt neben dem Schwert, den bösen Tieren und die Pestillenz die Hungersnot unter den vier bösen Strafen Gottes, damit er von Anfang her seinem Volke gedroht hat, wenn es sich ungehorsam beweise. Jeder Misswachs ist ein Strafgericht Gottes um der Sünden willen.
V. 16. Da wird die Speise vor unsern Augen weggenommen werden (wörtlich: Ist doch die Speise vor unsern Augen weggenommen!), und vom Hause unsers Gottes Freude und Wonne.
Speise und Freude, Nahrung und Fröhlichkeit, hängen aufs engste mit einander zusammen. Das Leibliche und Geistliche greift mehr ineinander, als gewisse Leute meinen. Auch St. Paulus sagt Apostelgesch. 14, dass der lebendige Gott unsre Herzen erfüllt mit Speise und Freude; die Speise dient nicht allein zur Sättigung des Leibes, sondern auch die Herzen werden durch den irdischen Segen erquickt, dass sie mit dankbarer Freude dem Herrn lobsingen. Darum sagt der Prediger 5,17-19 mit Recht: So sehe ich nun das für gut an, dass es fein sei, wenn man isst und trinkt und gutes Mutes ist in aller Arbeit, die Einer tut unter der Sonne sein Leben lang, das ihm Gott gibt, denn das ist sein Teil. Denn welchem Menschen Gott Reichtum und Güter und Gewalt gibt, dass er davon isst und trinkt für sein Teil und fröhlich ist in seiner Arbeit; das ist eine Gottes-Gabe. Denn er denkt nicht viel an das elende Leben, weil Gott sein Herz erfreut. Es ist ja wahr, der Mensch lebt nicht vom Brote allein, aber er lebt doch auch vom Brot, darum ist auch das Brot von der größten religiösen Bedeutung. Wo das Brot fehlt, tritt die Not ein; und die Not verscheucht Freud' und Wonne. Hungrige Leute sind Kopfhänger und trauern. Lieber Vater im Himmel, unser täglich Brot gib uns heute!
V. 17. Der Same ist unter der Erde verfault, die Kornhäuser stehen wüste, die Scheuren zerfallen; denn das Getreide ist verdorben.
Fortsetzung der schmerzvollen Klage über den jämmerlichen Zustand des Landes. Die Kornhäuser waren ausgemauerte, wohlbedeckte Gruben unter der Erde, in denen man in Zeiten der Fülle die Früchte der Äcker aufspeicherte. Die Scheuren waren ähnliche, nur kleinere unterirdische Getreidegewölbe. War die Dreschzeit vorüber, so wurde das Getreide von Lasteseln dahin geführt. Jetzt hatte man kaum noch etwas für die Gegenwart zu genießen, geschweige dass man Vorsorge für die Zukunft hätte treffen können. Die Gegenwart war trübe, die Aussichten für die Zukunft noch trüber; um so dringlicher war das bußfertige Anflehen der Gnade Gottes.
V. 18. O wie seufzt das Vieh! Die Rinder stehen kläglich, denn sie haben keine Weide, und die Schafe verschmachten.
Auch der unvernünftigen Kreatur ist das trübselige Antlitz unsrer Sünde aufgedrückt, und wie sie mitleidet unter den Folgen der Sünde der Menschen, so seufzt sie auch mit. Der Mensch hört ihr Seufzen auch aus ihrer sprachlosen Angst heraus, oft aber, und namentlich beim Schmerze des Hungers, gibt sich das Seufzen wenigstens der Tiere, denen erst die Gottentfremdung des Menschen den Stempel des Viehes aufgedrückt hat, auch Laut und Ausdruck. Und das stumme, wie das laute Seufzen des Viehes schreit zum Himmel, den Jammer der Menschen vermehrend und das Anrufen des Erbarmens Gottes steigernd.
V. 19. Herr, dich rufe ich an: denn das Feuer hat die Auen in der Wüste verbrannt, und die Flamme hat alle Bäume auf dem Acker angezündet.
Die Klage des Propheten läuft nun aus in sein eignes Anrufen der Barmherzigkeit Gottes. Die Heuschrecken waren zwar die größte, aber nicht die einzige Ursache der Verwüstung; das Feuer und die Flamme deuten auf eine Alles versengende Hitze der Sonne, die wie ein vom Himmel ausgegossenes Feuer sich über das arme Land verbreitet. Ein Unglück kommt selten allein, sondern immer zu zweien und dreien. Eine ähnliche Beschreibung der Dürre im Lande und eine ähnliche Prophetenbitte um Erlösung daraus finden wir Jerem. 14,1-6.
V. 20. Es schreien auch die wilden Tiere zu dir; denn die Wasserbäche sind ausgetrocknet, und das Feuer hat die Auen in der Wüste verbrannt.
Die Heuschreckenverheerung nahm Menschen und Vieh das Brot, die Dürre nahm ihnen das Wasser. Von dem Seufzen des Viehs um Speise redete V. 18, dieser letzte Vers berichtet von dem Schreien des Viehs um Wasser. Gott lässt, wie der 104. Psalm sagt, Brunnen quellen in den Gründen, dass die Wasser zwischen den Bergen hinfließen, dass alle Tiere auf dem Felde trinken und das Wild seinen Durst lösche. Wo diese Quellen versiegen, da schreit der Hirsch nach frischem Wasser und damit nach dem, der allein das Wasser kann wieder rieseln lassen. So vereinigt sich mit der Doppelklage Israels über den Mangel an Speise und Trank die Doppelklage der unvernünftigen Kreatur; so geht mit der Bitte Israels um Erbarmen das Flehen der seufzenden Kreatur Hand in Hand. Der Herr aber hat Ohren zu hören und ein Herz sich zu erbarmen. Nach Amos 4,9 gingen Dürre und Verwüstung endlich vorüber, zum Zeichen und Zeugnis, dass die Not nie größer ist, als der Helfer.
Es ist dies erste Kapitel Joels ein Goldkapitel für Tage der Plage und der Klage. Denn es weist mitten in allem Jammer auf den, der allein allen Jammer stillt, welcher ist der lebendige Gott im Himmel.
Schickt Er mir ein Kreuz zu tragen,
Dringt herein Angst und Pein,
Sollt' ich drum verzagen?
Der es schickt, der wird es wenden;
Er weiß wohl, wie Er soll
All' mein Unglück enden.
Amen.