Petri, Ludwig Adolf - Der Glaube in kurzen Betrachtungen - 4.

Petri, Ludwig Adolf - Der Glaube in kurzen Betrachtungen - 4.

Der Allmächtige, an den ich glaube, hat seine Macht bewiesen; er ist Schöpfer Himmels und der Erde.

Große, heilige, trostreiche Wahrheit des Glaubens, und so selten bedacht, empfunden und erlebt! Sie weiht und segnet alle Kreaturen und umkleidet eine jegliche mit der Gloriole, dem Heiligenschein und Geleitsbrief: Werk Gottes. Sie dringt mild und sonnig in des Tales Gründe, die Finsternis der Welt, und zerteilt den kalten Nebel der Trost- und Hoffnungslosigkeit, der auf dem Dasein ohne Gott und Schöpfer drückend und beängstigend liegt. Diese gesegnete Wahrheit lichtet und sichert die ganze Welt; sie scheint vom Himmel und räumet auf hienieden auf der Erde, und zeigt allüberall Wege, da mein Fuß gehen kann und mit Frieden geht.

Der Vater, welcher Gott ist von Ewigkeit und allmächtig, ist auch Schöpfer. Gott ist Schöpfer der Welt, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Vater unseres Herrn Jesu Christi, der offenbare Gott, gepredigt und geglaubt, erkannt und erfahren, der wahre, lebendige Gott ist Schöpfer der Welt. Und er ist nicht wie der Töpfer, der den Tonklumpen auf der Scheibe gestaltet; alles Dasein und aller Anfang ist von ihm und durch ihn: der Himmel mit allen seinem Heer, die Erde und was darauf ist, das Meer und was darinnen ist; dazu die verborgenen Wohnungen der Geister samt ihnen selbst, die da aus- und eingehen. Es ist nichts ewig, noch von sich selbst; es ist alles von Gott.

Er ist auch nicht Schöpfer gewesen, der Himmel und Erde anfänglich ins Dasein gerufen und nun die rollenden Kugeln, die gärenden Kräfte und die kämpfenden Geschöpfe dahin gegeben hätte in die Gewalt ihrer inwohnenden Triebe; nein, ich glaube, dass er Schöpfer Himmels und der Erde ist, denn er ist nicht Gott gewesen, sondern ist es noch und von Ewigkeit zu Ewigkeit. Er ist nicht die erste, anfängliche Ursache, sondern der allmächtige und allgegenwärtige Ursacher aller Dinge und in jedem Augenblick ihres Daseins; er wirkt bisher1) und wirkt immer. Und er schuf und schafft in freier, allwaltender Tat, denn er ist Gott und allmächtig. Er leidet nicht Zwang und Drang, dass er müsste und nicht anders könnte und wäre nicht Herr seiner selbst, sondern er spricht und schwört bei sich selber und erwählt sich seine Werke, und dient nicht seinem eigenen Gemächt, sondern ihm dienen sie Alle. So bedarf er auch niemandes, sondern er ist Schöpfer in mildtätiger liebe, denn er ist der Selige2), wesentlich und unermesslich gut, Licht, Leben und Freude und Friede in sich selber, von dem ich singe:

Du bist ein selig Gut,
Du weißt von keinem Leide;
Dein tiefer Abgrund ist
Ein Meer vollkommner Freude.
Du konntst in süßer Stille schweben,
Eh Dich der Engel Schar geehrt;
Es war Dein höchst vergnügtes Leben
Von keiner Einsamkeit gestört.

Nicht bedürftig, sondern mildtätig schöpft und gibt er aus seiner Fülle; mit heiliger göttlicher Verschwendung streut er Leben und Freude umher, und die Erde ist voll seiner Güter3). Ihn hungert und dürstet nicht; aber selber die Liebe und ein unerschöpfter Reichtum schaffst und berufst Du mich zum Genuss Deiner Liebe d. i. Deiner selbst,

„Als könntst Du sonst nicht selig sein.“

O, ich begreife es nicht, es ist mir zu hoch und zu wunderlich; meine erschaffene Vernunft kann über das Erschaffene nicht hinaus, den Sprung in die Ewigkeit zu tun, und mein Begreifen geht nur von der spürbaren Wirkung auf die spürbare Ursache und am Anfange steht es betroffen still. Aber im Glauben, den Du, mein Gott, selbst nach Deinem ewigen Liebesrat mit mir gegeben und entzündet hast, weiß ich aufs allergewisseste und seligste, dass die Welt durch Gottes Wort fertig ist, dass alles, was man sieht, aus nichts geworden ist4).

So ist die Welt Dein Werk und Deine nie feiernde Werkstatt. Da lebt und webt es innen, denn Du bist der lebendige Gott; da leuchtet es alles im wundersamen Farbenspiel und wonnevoller Schönheit, denn Du bist sehr herrlich; Du bist schön und prächtig geschmückt; Licht ist Dein Kleid, das Du anhast5). Und es lobt Dich alles und tönt und klingt in tausendstimmiger Musik, denn Du bist ein redender Gott und hast Deine Welt lautbar gemacht. Ich wandle unter den Werken Deiner Allmacht und Allgegenwart; in allem Leben und Weben spüre ich Deinen lebendigen Odem, in aller Regung sehe ich Deine geschäftigen Finger. Ich weiß genug; ich bin zufrieden; mein Vater ist Gott und allmächtig und Schöpfer Himmels und der Erde.

Was haben nun die, welche statt des Schöpfers Himmels und der Erde die Natur haben, die Naturmacht, die Naturordnung, die Natur auf dem Throne? Das Wort bedeutet doch ein Geborenes; was haben sie denn, die das Kind zu seiner eigenen Mutter machen? Diese haben freilich keinen Gott; die Natur, die Natur von Anfang, die Natur alles in allem lässt keinen Gott aufkommen. Und jene, welche die Natur zwar anfänglich von Gott werden, aber danach auf eigenen Füßen stehen und nach eigenem Rechte einhergehen lassen, haben einen gefangenen Gott; seine Werke sind ihm über den Kopf gewachsen, er kann sich ihrer nicht erwehren, er kann sie nicht bewältigen; ja, sie haben einen toten Gott; er hat sich an seinem Werke erschöpft und ist an Entkräftung gestorben. O, ihr Toren, was ist euch übrig geblieben? Die gottlose Natur, die Welt ohne Schöpfer und Gott, ist ein Ungeheuer, ein unbändiges Gliedertier; sein Anblick erfüllt mit Entsetzen; es gebiert und tötet seine Kinder mit derselben Herzlosigkeit; es gibt und nimmt gedankenlos, sinnlos, herzlos. Seine Freundlichkeiten sind ein tückisches Lügenspiel und seine Bosheiten auch nur ein Spiel seiner Launen. Euer Bitten und Schmeicheln ist hier eben so vergeblich, als Zorn und Rache, und Eure Tränen - ja, lieber Mensch, woher kommen denn Deine Tränen, wenn alles Natur ist und Du selbst nichts als ein Stück von ihr? Oder bist Du etwa der Gott dieser Natur, und bist über sie aufgeklärt, weil Du anders geartet und höher gemutet wärest als sie? Ein trefflicher Gott, denn sie respektiert Dich nicht; ein trefflicher Gott, ein Gott in Tränen! Sieh, an den Tränen wird der arme Unglaube immer wieder zu Schanden, denn zu den trockenen Augen, wenn das Herz bricht auf der Brandstätte des Lebensglückes, bringen es nur wenige, und wahrlich ich rate Dir, geselle Dich nicht zu solchen; sie bieten Dir sicherlich einen Stein, wenn Du sie um Brot bittest, und wolltest Du sie umarmen - das schönste Bild von Marmor ist und bleibt kalt. Wie weit verbreitet auch der Wahnglaube an die Natur unter dem gedankenlosen und gewissenlosen Haufen der gebildeten und nichtgebildeten Toren: fein mag, er ist ein Wahn, der sich nicht einmal vor der eigenen Vernunft rechtfertigen kann.

Er kann sich schon nicht halten vor dem einigen Wörtlein „Warum?“ im menschlichen Verstande; denn dies Wort ist unbestreitbar das Echo eines höchsten Verstandes. Warum? und wozu? oder nach Zweck und Absicht kann nur ein Wesen fragen, das nach Zweck und Absicht, d. h. mit Verstand leben soll und also auch mit Unverstand leben kann, und es wird nur so fragen, wenn ihm Zweck und Absicht, d. h. Verstand, Weisheit, Gedanken entgegen treten. Sollte die Natur im Menschen über sich selbst hinaus weisen? Ja, denn sie ist mit sich selbst auch nicht zufrieden. Des Tieres Verlangen wird durch Futter und Gemeinschaft mit seines Gleichen gestillt; das Menschenherz hat Raum und Bedürfnis für mehr und Höheres; im Menschen leidet die Natur an ihrer eigenen Ungenüge; im Menschen hat sie ein Verlangen nach Einem, der mehr und besser und reicher als sie selber ist. Dies Stück Natur, Mensch genannt, ist mit Dampf und Elektrizität, mit Sonnen- und Mondfinsternissen, mit Aktien und Kalifornien nicht zu stillen; es sucht und sucht und wird suchen, bis es den gefunden hat, den es von ganzem Herzen liebe, weil er es erst geliebt hat. Denn die Liebe auf Erden kommt von der Liebe im Himmel, über der Natur, in Schöpfers Herzen, und protestiert aus aller ihrer Macht gegen die verstandlose, seelenlose, herzlose Natur, die Dich und mich und sich selber nicht kennt. Und nun erst der Gerichtsstuhl im Menschen, das Gewissen! Es richtet und vernichtet den Glauben an die Natur als schamvolle Torheit und Sünde des Abfalls. Oder ist das Gewissen etwa auch Natur? Soll die Natur Gesetz und Gesetzgeber, Missetat und Missetäter und ihr eigener Ankläger, Richter und Büttel und alles mit einander sein? Das Gewissen in uns ist und bleibt der Zeuge des Schöpfers; Moralität, Gut und Böse, Recht und Unrecht, Sünde und Zurechnung sind seine unaustilgbaren Merkzeichen in der Menschenseele. Dieser Wahn, dass alles Natur sei, das Gespinst der Vernunft, kann sich gleichwohl vor der Vernunft nicht halten; er hat seine Stärke am gottentwöhnten Herzen. Uns aber hat es Gott geoffenbart durch seinen Geist6) und versiegelt, und ich glaube an Gott Schöpfer Himmels und der Erde. Ruft ihr die Natur an, ob sie euch antworten wird; ruft laut, denn sie hört übel. Ist alles Natur, so ist Religion ein blanker, barer Unsinn und alle betenden Völker von Anbeginn bis heute unbegreifliche und unverbesserliche Narren. Aber in demselben Augenblick, da jenes wahnsinnige Volk dekretierte: es ist kein Gott, stürzte es in den bodenlosen Abgrund der Gottlosigkeit.

Darum glaube ich an Gott Schöpfer Himmels und der Erde; ich erkenne, ehre und lobe ihn. Wenn ich den Blick erhebe und sehe an die Himmel mit allem ihrem Heer, so höre ichs laut: heilig, heilig, heilig ist Gott, der Herr Zebaoth, und ich entblöße mein Haupt: Herr, Du bist würdig zu nehmen Preis und Ehre und Kraft, denn Du hast alle Dinge geschaffen und durch Deinen Willen haben sie das Wesen und sind geschaffen7). Und wenn ich vor einem wogenden Saatfelde stehe, so bewegt sich mein dankbares Gemüt: Du machst das Land voll Früchte, die Du schaffst; Du lässt Gras wachsen für das Vieh und Saat zu Nutz der Menschen, dass Du Brot aus der Erde bringst8). Und wenn ich die Schneedecke gebreitet und alles Land gekleidet sehe in die Farbe der Heiligkeit Gottes, so gedenke ich an sein Wort: so lange die Erde steht, soll nicht aufhören Samen und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. Wenn mir aber der Mensch und mein Nächster begegnet, so sehe ich auf seiner Stirn das Handzeichen und Siegel meines Schöpfers; das leuchtet durch jede eitle Schminke und durch den dicksten Schmutz; keine Entstellung, Misshandlung und Verzerrung kann es auslöschen oder gänzlich vertilgen; es ist in Lumpen und in Purpur und köstlicher Leinwand sichtbar und dasselbe: Er hat uns gemacht und nicht wir selbst; Leben und Wohltat hast Du an mir getan und Dein Aufsehen bewahrt meinen Odem9). Und heilig ist mir dann jedes Menschenleben, heilig jeder Mensch, denn Er hat sie gemacht, Gott Schöpfer Himmels und der Erden.

Und ich glaube an ihn und will an ihn glauben und sein Brot essen und seines Wasser: trinken und mit seinem Weine mein Herz erfreuen und mit seinem Öl meine Gestalt schmücken, und keine bessere Ehre und Freude kennen, als dass ich seine geliebte Kreatur bin.

Lobet den Herrn, alle seine Heerscharen. Lobet den Herrn, alle seine Werke. O lobe den Herrn, meine Seele.

1)
Joh. 5,17
2)
1. Tim. 6,15
3)
Ps. 104,24
4)
Heb. 11,3
5)
Ps. 101
6)
1 Kor. 2,10.
7)
Offb. 4, 11.
8)
Ps. 104,13.14.
9)
Ps. 100 u. Hiob 10,12.
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autoren/p/petri_ludwig/der_glaube/petri-der_glaube-4.txt · Zuletzt geändert: von aj
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