Melanchthon, Philipp - Ob sie glauben, daß unsere Werke, die wir in der Liebe vollbringen, des ewigen Lebens billig verdienstlich sind?

Melanchthon, Philipp - Ob sie glauben, daß unsere Werke, die wir in der Liebe vollbringen, des ewigen Lebens billig verdienstlich sind?

Antworte ich klar und ausdrücklich: Alle guten Werke, auch derer, so wiedergeboren sind, verdienen mit nichten das ewige Leben; sondern der Mensch wird zugleich ohne Verdienst, um des Sohnes Gottes willen „allein“ durch den Glauben gerecht, und durch den heilgen Geist lebendig gemacht, und ein Erbe des ewigen Lebens, wie Paulus mit klaren Worten ausdrücklich saget Röm. 6, 23.: „Die Gabe Gottes ist das ewige Leben“; und Joh. 3, 16. spricht der Herr Christus: „Also hat Gott die Welt geliebet, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, auf daß alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben“. Item Joh. 17, 3.: „Das ist das ewige Leben, daß sie dich, daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Jesum Christum, erkennen“. Item 1 Joh. 5, 12.: „Wer den Sohn Gottes hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.“ - Es wird aber auch diese Lehre durch die Gegenlehre erkläret: „Vor dir ist kein Lebendiger gerecht“, Ps. 143, 2. Item, Hiob 9, 2.: „Ich weiß fast wohl, daß der Mensch nicht gerecht sei vor Gott“. Daraus muß ja folgen, daß durch unsern Gehorsam das ewige Leben nicht verdienet noch erlanget werde, oder auch derselbe Gehorsam würdig sei des ewigen Lebens.

Man soll aber die Sünde nicht verkleinern, noch geringe achten, welche in den Heiligen in diesem zeitlichen Leben noch übrig ist, die denn die Heiligen je mehr und mehr erkennen und beweinen, je mehr sie im Glauben wachsen und zunehmen, wie S. Paulus, Röm. 7, 23., sagt: „Ich sehe ein ander Gesetz in meinen Gliedern, das da widerstreitet dem Gesetz in meinem Gemüthe, und nimmt mich gefangen in der Sünde Gesetz, welches ist in meinen Gliedern“. - Es ist in den Heiligen ein überaus großer und erschrecklicher Chaos und ungestüm Meer des Zweifels, mit dem doch das Fünklein des Glaubens, welches durch den Sohn Gottes angezündet ist, durch die Predigt des heiligen Evangelii und heiligen Geiste, für und für kämpft und streitet, und geschieht solcher Kampf nicht ohne überaus große Schmerzen. Darnach fühlen sie auch noch in sich große Ungeduld und Anreizung zur Rachgierigkeit, lieben Haß und Neid rc. Von dem Allen sagt Paulus Römer 8, 13.: „Wo ihr durch den Geist des Fleisches Geschäfte tödtet, so werdet ihr leben“. Item, Röm. 6, 12.: „So lasset nun die Sünde nicht herrschen in eurem sterblichen Leibe, ihr Gehorsam zu leisten in ihren Lüsten. Auch begebet nicht der Sünde eure Glieder zu Waffen der Ungerechtigkeit.“

Derhalben ist hoch von Nöthen, daß ein Unterschied zwischen der herrschenden und nicht herrschenden Sünde gemacht werde. Und soll das rasende und tolle Geschrei der Gesetzstürmer (Antinomer) verdammt und verworfen werden, welche eine Sicherheit des Fleisches anrichten und stärken, die Bekehrung ganz und gar unterdrücken, und mit unverschämten Worten erdichten dürfen, daß auch die Menschen, welche in Sünden wider's Gewissen fallen, vor Gott durch den Glauben gerecht seien. - Dieselbe teuflische und abgöttische Lehre verdammen und verwerfen wir klar und ausdrücklich, sagen aber auch daneben, daß der neue Gehorsam mit nichten ein Verdienst sei des ewigen Lebens.

Und damit man das Volk desto besser davon lehren und unterrichten könne, brauche ich dieser drei Erinnerungen in diesem Stücke, hindere und wehre nicht, so Jemand weitläufiger davon will reden, Aber das weiß ich gleichwohl daneben, daß ich das sage, was klar, recht und einem jeden Menschen zu wissen vonnöthen ist. - Für's Erste muß der Mensch in der Bekehrung gewiß glauben, daß die Person Gotte, um des Sohnes Gottes willen, aus Gnaden, ohne ihr Verdienst, allein durch den Glauben gefalle und angenehm sei. - Zum Andern sollen wir wissen und bekennen, daß wir mit nichten dem Gesetz Gottes genugthun, sondern daß uns noch überaus viel Sünden anhangen und ankleben, die wir denn mit wahrhaftigem Schmerzen beklagen und beweinen sollen. - Zum Dritten sollen wir wissen, daß dennoch der neue Gehorsam müsse in uns angefangen werden. Item, daß in uns ein guter Vorsatz sein müsse, daß wir nicht in Sünde widers Gewissen fallen. Item, daß derselbe angefangene Gehorsam, ob er gleich schwach und sehr gering ist, doch gleichwohl, um des Mittlers willen, Gott in denen gefalle, die sich zu ihm bekehrt haben, die erstlich ihrer Schwachheit widerstreben, darnach auch glauben, daß ihnen dieselbe um des Mittlers willen verziehen und vergeben werde.

Diesen Kampf und Uebung des Glaubens soll ein jeder Mensch in der täglichen Uebung fleißig betrachten. Und obgleich solcher Gehorsam mit nichten ein Verdienst ist des ewigen Lebens, so hat er doch, was die Verheißung von den Werken: „Gebet, so wird euch wiedergegeben“ und andere dergleichen belanget, auch in diesem Leben geistliche und zeitliche Belohnung nach Gottes Willen und Schickung zu gewarten, als: Linderung vieler gemeinen und eines Jeden insonderheit Strafen, wie denn die Wittwe zu Sarepta in der Theurung ernähret wird 1 Kön. 17., und dem Kämmerer Ebendenlech wird Errettung in der Zerstörung Jerusalems zugesagt, daß er den Propheten Jeremias aus der Grube gezogen hatte. Jerem. 38. Item Jesaias sagt im 33. Kap. 16. V.; „Sein Brod wird ihm gegeben, sein Wasser hat er gewiß. Deine Augen werden den König sehen in seiner Schöne“. Item Matth. 10,42.: „Wer dieser Geringsten einen nur mit einem Becher kalten Wassers tränket, in eines Jüngers Namen, wahrlich ich sage euch, es wird ihm nicht unbelohnt bleiben“. Item, 1 Korinth. 11, 31.: „So wir uns selbst richteten, so würden wir nicht vom Herrn gerichtet“.

Quelle: Klaiber, Karl Friedrich - Evangelische Volksbibliothek, Band 1

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