Magnus, Albertus - Das Anhangen an Gott - Das 6. Capitel.

Wie ein geistlicher Mensch Gott mit blossem Verstande anhangen soll.

Je mehr du dich von denen weltlichen irdischen äussern Verbildungen und Verstrickungen entblössen wist: desto mehr wird deine Seele wahre Süßigkeit und Stärke erlangen, damit dir empfindlich und wohlgeschmackt werde dasjenige, so droben ist. So lerne dann dich von denen Bildern der äussern Sachen ganz abzuziehen, weil Gott dem Herrn ein solches entblöstes Gemüth sehr gefällig ist, bey den Menschen Kindern zu wohnen. Diese sind, die von irdischen Geschäften, Begierden, Sorgen, Verwirrungen, Zerstreuungen ganz entzogen sind, und mit ruhigem, einfältigem, reinem Herzen auf den Herrn allein merken, ziehlen und ihm anhangen. Wenn hingegen dein Gemüth von göttlichen Vorwürfen und Erinrungen ganz müßig ist; so muß es davor nothwendig mit vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen, Bildern, Sorgen, Vernunfts-Bedenklichkeiten überfallen, und also mit schädlichen Lasten beladen werden. Dahero verbirgt sich der Heilige Geist von denen Gedanken, die ohne Verstand sind. Es muß also ein wahrer Liebhaber Jesu Christi seinen Verstand auch, (wie sein Wille mit dem göttlichen Willen und dessen Güthigkeit vereinigt ist) von allen vorigen Bildern entblössen, damit nicht die böse Reißungen wieder aufgewecket werden. Merke nicht darauf, ob man dich verlache oder lobe, liebe oder hasse, oder dir sonsten was zufüge. Dann der gute neue Wille in dir erfüllet alle Dinge und übertrift alles. Wann dann der innerste Wille und Verstand rein und mit Gottes Willen gleichförmich gemacht worden; so wirst du auch die Anfechtungen überwinden können, wann dieselbe das Fleisch, Sinnen und ganzen äussern Menschen wollen antasten, zum Guten schläfrig machen, ja auch den innern Menschen zur Andacht kalt und lau; das Innerste wird im Glauben mit Willen und Verstand doch Gott bloß anhangen, daß alsdann solche Pfeile nichts schaden können. Alsdann merket der Mensch seine Nichtigkeit und erkennet, daß all sein Guth allein in Gott bestehe. Er verläst und verläugnet sich selbst mit allem seinem Vermögen, ja die ganze Creatur, und versenket sich in seinen Schöpfer, daß er also immer reiner alle seine Wirkungen allein aus ganzem Herzen auf und aus Gott lenket und leitet. Er suchet ausser ihm nichts, weil er empfindet, daß er in ihm alles Gutes gefunden, und alle Vollkommenheiten angetroffen. Also wird er gleichsam in Gott verändert, daß er an nichts gedenken, nichts verstehen, sich keines andern Dinges erinnern will und kann, als Gottes, und was Gott angehet. Andere Creaturen und sich selbsten siehet er nur allein in Gott. Er liebet nichts als Gott allein, er erinnert sich deren und seiner selbsten nicht als in Gott. Diese wahre und neue Erkenntniß macht die Seele sehr demüthig, daß sie sich selbsten und nicht andere urtheilet, wie hingegen die weltliche Weisheit den Menschen eitel und aufgeblasen macht. So sey dann diese Lehre von Verstandes-Entblössung im Grund, daß, wenn du zur Erkenntniß Gottes und seinem Dienst hintrittst, ja wenn du Gott wahrhaftig besitzen und geniessen willst, von nöthen sey, das Herz von allem Anhangen an einiger Creatur loß zu reissen, um also mit ganzem Herzen, mit allem Vermögen auf Gott allein, einfältig, ohne Sorge, Bekümmerniß, Doppeltheit dich zu richten, ja mit völliger Zuversicht ohne das geringste Vertrauen auf dich, alles zu überlassen.

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