Textor, Gustav Adolph - Am 5. Sonntag nach Epiphanias.

Textor, Gustav Adolph - Am 5. Sonntag nach Epiphanias.

Zu Dir erheben wir Herz und Hände, Du ewiger Gottessohn, der Du der Glanz der Herrlichkeit Gottes bist, und das Ebenbild seines Wesens, Du hast uns die Augen so weit geöffnet, dass wir auf Dich sehen und sagen müssen: Herr, wohin sollen wir gehen, Du hast Worte des ewigen Lebens, und wir haben geglaubt und erkannt, dass Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn. So bleib nun bei uns mit Deinem Glanz, Du Licht aus Gott, erfülle unsere Herzen immer mehr mit Deinem Gnadenlicht, erleuchte, verkläre unser ganzes Wesen nach Deinem Bild, dass wir Dir ähnlich werden, und mit Dir zum Sieg gelangen droben in der Herrlichkeit. Amen! -

Geliebte, Christen! Der Apostel Paulus schreibt 2. Kor. 5,17: „Ist Jemand in Christo, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe es ist Alles neu geworden,“ d. h. mit andern Worten, wenn Jemand ein rechter Christ geworden ist, so ist er ein ganz neuer Mensch geworden, das alte Wesen, da er der Sünde Knecht war, hat er abgelegt, sein Sinn und Wandel ist neu geworden. Daraus folgt umgekehrt, so lange Jemand den alten Sündendienst nicht abgelegt hat, so lange sein Sinn und Wandel nicht erneuert ist, so lange ist er auch nicht in Christo; denn das Licht hat keine Gemeinschaft mit der Finsternis, so auch Christus nicht mit Belial. Unter dieser Umwandlung und Erneuerung sollen wir nicht das verstehen, wenn einer mit den Jahren ein wenig verständiger, gelassener und besonnener wird, auch mancherlei ablegt, was er in dem Übermut der Jugend getrieben hat. Das liegt ohnehin so in der menschlichen Natur, und wenn das Alter auch vor mancher Torheit nicht schützt, so bringen doch die Jahre eine Veränderung mit sich, so dass man auch nach dem Lauf der Natur ein anderer, aber nicht ein neuer Mensch werden kann. Der Apostel Paulus hält uns hier die gänzliche Umwandlung vor, die da ist eine neue Geburt aus dem heiligen Geist, wovon der Herr sagt: „Ich will das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen, und euch ein fleischernes geben.“ Er hat große Dinge mit uns im Sinn, denn wir, die wir unter die Sünde verkauft waren, sollen seine Kinder heißen, neu geboren aus unvergänglichem Samen. -

Da möchte Jemand mit Nikodemus sagen: „Wie kann ein Mensch geboren werden, wenn er alt ist?“ Oder wie es bei Jeremias heißt: „Kann auch ein Mohr seine Haut umwandeln, oder ein Parder seine Flecken?“ - Er kann es nicht; aber was bei dem Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Das ist eben die Gotteskraft des Evangeliums, dass es den alten Menschen neu, und den Mohren weiß, das soll heißen, die finsteren Seelen licht machen kann. Solche Kraft übt das Evangelium an denen, die daran glauben. Diese ziehen Jesum Christum an, und es spiegelt sich in ihnen des Herrn Klarheit. Wohl denen, in welchen Jesus Christus es also befindet, dass er ihr Licht, Heil und Sonne ist. Aber viele kehren um, dieser Welt nach, ehe sie noch recht geschmeckt haben die Kräfte der zukünftigen Welt. Viele schlafen, und meinen, die Gottseligkeit bestehe darin, dass ihnen das Herz hin und wieder weich und bewegt werde. Viele betrügen sich selbst, und lassen es genug sein, dass sie Jesum wissen, und „Herr, Herr!“ zu ihm sagen.

Viele ereifern und zerarbeiten sich um die Splitter in der Brüder Augen, und werden der Balken in ihren eigenen Augen nicht gewahr. Darum spricht er: „Viele sind berufen, aber Wenige auserwählt.“ Wo aber das neue Leben aus dem Glauben an Jesum Christum sich recht entfaltet, da ist ein Kind Gottes, das Köstlichste, was die Erde trägt.

Möge der, welcher die Toten lebendig macht, dergleichen Viele aus uns schaffen durch das Wort des Lebens; heute aber wollen wir nach Anleitung unserer Epistel und unter Gottes Beistand uns an der Betrachtung des neuen Menschen, wie er in der Blüte seines Lebens steht, ermuntern und stärken. Lasst uns dazu den Segen Gottes erflehen in einem stillen und andächtigen Gebet.

Epistel: Kol. 3,12-17.
So zieht nun an, als die Auserwählten Gottes, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld; und vertrage einer den andern, und vergebt euch unter einander, so jemand Klage hat wider den andern; gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch Ihr. Über alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit, und der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in Einem Leib, und seid dankbar. Lasst das Wort Christi unter euch reichlich wohnen, in aller Weisheit; lehrt und vermahnt euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen lieblichen Liedern, und singt dem Herrn in eurem Herzen. Und alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des Herrn Jesu, und dankt Gott und dem Vater durch ihn.

Der Apostel Paulus hatte den Christen zu Kolossä kurz vorher geschrieben, dass sie ihre Glieder töten, d. h. ihr Fleisch kreuzigen, und alle Unreinigkeit und alle Bosheit von sich ablegen sollten; nun stellt er ihnen in dem eben gelesenen Abschnitt mit lebendigen Farben das Bild eines rechten Jüngers Jesu Christi vor die Seele, und ermahnt sie, solche zu werden. Wir wollen nach Anleitung seiner Worte den Christ in der Blüte seines geistigen Lebens betrachten.

Der Herr Christus sagte einmal von den Lilien auf dem Felde, dass auch Salomo in aller seiner Herrlichkeit nicht bekleidet gewesen sei, als derselben Eine. Mag nun das Kleid der Lilie köstlicher sein, als das des großen Königs war in aller seiner Pracht; köstlicher aber wiederum, als die Pracht der Lilien ist der Schmuck und die Zierde eines wahren Christen, wenn sein Leben im Glauben sich zur rechten Blüte entfaltet hat. „So zieht nun an, als die Auserwählten Gottes, Heilige und Geliebte,“ - das sind die stillen Träger des Kreuzes Jesu Christi, die der Welt abgestorben sind, und Christo leben, die nur Einen Ruhm und Eine Freude haben, nämlich, dass sie Den kennen und wissen, der ihre Sünde getragen und versöhnt hat. Sie heißen „Heilige und Geliebte,“ denn in Christo sind sie ihrer Sünden los, und mit seiner Gerechtigkeit gekleidet worden, in Christo sind sie Gottes liebe Kinder geworden, denen Er sich zum Vater gegeben hat. Sie heißen „Auserwählte Gottes,“ denn Er nach seiner großen Barmherzigkeit, hat sie erwählt aus tiefer Nacht und großer Trübsal. Er hat sie erwählt zu Gästen jener königlichen Hochzeit, zu welcher für sie das enge Grab der Eingang ist. Hier aber in diesem Leben stehen sie gleichsam in den Vorhallen des großen Königshauses, welches der Himmel ist, sie stehen hier in den Vorhallen, damit sie geschmückt werden mit hochzeitlichen Kleidern, ehe sie eingehen in den Freudensaal. Darum spricht er: „So zieht nun an als die Auserwählten Gottes, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld.“ Hänge sie nicht zum Schein um, sondern ziehe sie wahrhaft an. Ein wahrer Christ zieht an das Erbarmen jenes Samariters, der den unbekannten Verwundeten, welcher halb tot am Weg lag, nicht konnte liegen lassen. Er fragte nicht, ist dieser es auch wert, dass ich ihm helfe? Er fragte nicht, ist er auch Einer von meinen, oder meines Volkes Feinden? sondern er sah allein die gegenwärtige Not, und half dem Elenden, so viel er vermochte. Darum spricht der Herr zu uns, wie zu dem Schriftgelehrten: „so gehe hin und tue desgleichen.“ Ein wahrer Christ zieht das Erbarmen Jesu Christi an, „welcher, ob er wohl reich war, doch arm geworden ist um unsertwillen, auf dass wir durch seine Armut reich würden.“ Er hat nicht gefragt: Sind die Menschenkinder es auch wert? nicht gefragt, ob sie es ihm danach auch danken würden? sondern er sah unsere Not, unser Elend an, und so trieb ihn das herzliche Erbarmen für uns bis in den Tod am Kreuz. - Ein wahrer Christ zieht die Freundlichkeit Jesu Christi an, mit welcher er die Schwachheit, die Gebrechen seiner Jünger und Nachfolger ertrug. Als Petrus ihn verleugnet hatte, wandte er sich nur um, und sah ihn an. Schon vorher hatte er für ihn gebeten, dass sein Glaube nicht aufhöre. Selbst als Judas, der Verräter, zu ihm trat mit der Schar, die ihn fangen wollte, schalt er ihn nicht, sondern sprach nur: „Juda, verrätst du des Menschensohn mit einem Kuss?“ - Die Freundlichkeit Jesu Christi, mit welcher er am Kreuze über seine Mörder ausrief: „Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Ein wahrer Christ zieht die Demut Abraham's an, der da sprach: „Ich habe mich unterwunden, mit dem Herrn zu reden, wiewohl ich Erde und Asche bin.“ Die Demut Petri, der Jesu zu den Knien fiel und sprach: „Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch.“ Die Demut jenes Hauptmannes zu Kapernaum, der zu Jesu sprach: „Ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst.“ Die Demut jenes Zöllners, der im Gefühl der Sünde tief gebeugt, seine Augen Nicht aufheben wollte, sondern an seine Brust schlug und sprach: „Gott sei mir Sünder gnädig.“ Vor Allem aber zieht ein wahrer Christ die Demut und Sanftmut seines Herrn und Meisters an, welcher, ob er schon in göttlicher Gestalt war, doch sich selbst erniedrigte, und gehorsam ward bis zum Tod, ja zum Tod am Kreuz; welcher, ob er wohl ihr Herr und Meister war, doch seinen Jüngern die Füße wusch; welcher, ob ihm wohl alles Gericht vom Vater übergeben war, doch sein ganzes Leben daran gab, Andern zu dienen, seinen Verfolgern wohlzutun, für die Übeltäter zu bitten. Ein wahrer Christ zieht die Geduld Hiob's an, welcher Gott pries in seinem Leiden, und die Geduld des Herrn, welcher nicht wieder schalt, da er gescholten ward, nicht drohte, da er litt; welcher ohne Murren das bitterste Kreuz ertrug, denn er wusste, dass es nach göttlichem Ratschluss also vollendet werden musste. -

Liebe Christen: Es sind mit diesen Worten eine Anzahl von Personen und Begebenheiten aus der Vorzeit an unserer Seele vorübergegangen, an welchen es uns klar werden sollte, was das heißt: „herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut und Geduld.“ O möchte ein solches Leben aus Gott auch in uns sich entfalten, und blühen, denn das ist Christenschmuck und Christenzierde.

Weiter sagt der Apostel Paulus: „Und vertrage Einer den Andern, und vergebt euch unter einander, so jemand Klage hat wider den Andern, gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr.“ Es gibt in der Welt eine Art von Verträglichkeit, welche für die Welt gut genug sein mag, aber für einen Christen nicht: Wenn nämlich in der Welt Zwei in bitterer Feindschaft gegen einander leben, und sich nicht im Mindesten vertragen können, so halten sie es doch wegen des äußern Anstandes so, dass sie einander mit Höflichkeit begegnen, und sich nichts merken lassen von dem Groll, der in ihren Herzen steckt. Ist jemand von ihnen gekränkt und beleidigt, so suchen sie es dem Andern möglichst bitter zu vergelten, und sagen dann, dass sie mit dem Menschen, der sie beleidigt habe, in ihrem Herzen völlig ausgesöhnt wären, aber die Sache, die ihnen zugefügt worden, müsse ihren Gang gehen. Haben sie einen Menschen gekränkt, und sollten dann hingehen, und sagen: „vergib mir's,“ das vermögen sie nicht, ihr Herz treibt sie auch nicht dazu, der Andere soll es vergessen und es ist ihnen genug, wenn sie nur äußerlich mit ihm Frieden haben. Das ist aber der Christen Art nicht. Bei ihnen heißt es zuerst: sich unter einander vertragen: dann mit Jedermann Frieden haben, so es möglich ist, so viel an ihnen ist; dann einander vergeben, so jemand Klage hat wider den Andern, und zwar nicht bloß äußerlich zum Schein, sondern von Herzen, gleichwie Christus euch vergeben hat, also auch ihr.

Wenn der Herr Christus zu uns sagen wollte: Gegen deine Person habe ich nichts, aber die Sache muss ihren Gang gehen, so würde unsere Sache ihren Gang mit uns in die Hölle gehen; wenn er uns äußerlich Frieden lassen, aber den Schuldbrief unserer Sünden nicht zerreißen und aus Kreuz heften wollte, so würde unser Ende die Verdammnis sein. Dem Bruder von Herzen vergeben, nicht siebenmal, sondern siebenzig mal siebenmal, das ist Christen-Schmuck. Dem Widersacher Böses mit Gutem, und Scheltwort mit Segnen vergelten, das ist Christensieg und Christenzierde. - „Über Alles aber zieht an die Liebe, die da ist das Band der Vollkommenheit.“ Siehe, die Summa aller Gebote, des Gesetzes Erfüllung, sie deckt der Sünden Menge; siehe die Lebenskraft des Glaubens, ohne welche der Glaube ist, wie ein Leib ohne Geist; siehe die Seligkeit der himmlischen Vollendeten, durch welche sie in Gott bleiben und Gott in ihnen; das ist die Liebe, die Königskrone des Christen, das Band der Vollkommenheit. Wo sie fehlt, da ist aller Glanz und alle Größe ein blendender Schein, und ein leerer Schall. Wo sie fehlt, da ist alle Erkenntnis und alle Weisheit ein leeres, täuschendes Schattengebilde. Wo sie fehlt, da ist das scheinbare Leben tot, das scheinbare Licht Finsternis, die scheinbare Kraft des Glaubens Ohnmacht, und ob er Berge versetzte, so wäre es ihm nichts nütze. Wo aber die Liebe waltet, da ist Friede und Freude im Heiligen Geist, da ist in dem Senfkörnlein Glaubens eine Kraft Gottes zur Seligkeit, da weiß man, dass Christus eine Wohnung in dem Menschen hat, und sich in demselben verklären wird mit überschwänglicher Klarheit.

Wir haben nun den Christen in seinem hochzeitlichen Schmück, in der Blüte seines Lebens gesehen, wie sich sein Innerer Lebensgrund nach außen entfaltet und offenbar wird nach dem Bild dessen, der uns ein Vorbild gelassen hat, dass nur nachfolgen sollen seinen Fußstapfen.

Wenn wir nun zur Frühlingszeit eine schöne Blume entfaltet sehen, so fragen wir auch wohl, woher sie ihr Leben und ihre Pracht nehmen möge, und diese Frage wollen wir uns noch in Bezug auf den Christen vorlegen, und unter Gottes Beistand beantworten. - Eine Blume, - lasst uns noch ein wenig bei der Vergleichung bleiben, - eine Blume, hat ihr Leben und Bestehen aus drei Quellen, erstlich das Gesetz, welches Gott in die Natur gelegt hat, welches menschliche Vernunft wohl wahrnehmen, aber nicht ergründen kann, zweitens der Sonnenschein mit dem Regen und Tau des Himmels und drittens die Nahrung, welche sie durch die Wurzel aus der Erde nimmt. So ist es auch mit dem Christen. Das Gesetz des Lebens, welches ihm Gott durch Jesum Christum ins Herz legt, ist der Friede Gottes, welcher höher ist, denn alle Vernunft; der Sonnenschein, Regen und Tau des Himmels ist für ihn das Wort Gottes; und gewurzelt und gegründet ist er mit allem seinem Tun auf Jesum Christum, den Fürsten des Lebens. - So heißt es nun in unserer Epistel weiter: „Und der Friede Gottes regiere in euren Herzen, zu welchem ihr auch berufen seid in Einem Leib, und seid dankbar.“ Wer in Christi Blut versöhnt, durch den Glauben gerecht worden ist, der hat Frieden mit Gott durch den Herrn Jesum Christum. Haben wir aber Frieden mit Gott, so kehrt auch der Friede Gottes in das Herz ein, die wahre Ruhe der Seele, die Freudigkeit des Herzens, die Seligkeit in der Hoffnung. Der Friede Gottes in dem Herzen eines Menschen ist etwas, das die Welt nicht kennt, denn dieser Friede ist höher, denn alle Vernunft. Es gehört dazu die Gewissheit, dass unsere Sünde in Christo versöhnt ist, die Gewissheit, dass wir einen Fürsprecher haben bei dem Vater, der uns aufs Beste vertritt, die Gewissheit, dass der treue und allmächtige Hirte und Bischof unserer Seelen, Jesus Christus, uns auch im Tod und Gericht nicht aus seinen Händen wird reißen lassen. Wo einem Herzen gegeben wird, diese großen Gnaden im Glauben fest zu ergreifen, da ist ein neues Lebensgesetz, da regiert der Friede Gottes.

Welche nun aber Christum gefunden haben, und das Gesetz des Friedens durch ihn, die sollen nicht vergessen, dass zu unserm weiteren Gedeihen der Sonnenschein, der Regen und Tau des Himmels, nämlich das lebendige Wort Gottes notwendig ist. Darum schreibt der Apostel Paulus: „Lasst das Wort Christi unter euch reichlich wohnen, in aller Weisheit; lehrt und vermahnt euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen und geistlichen, lieblichen Liedern, und singt dem Herrn in eurem Herzen.“ Wie ein Mensch ist, der in einer Wüste vor Hunger darbt, und vor Durst schmachtet, wie seine Gestalt sich verzehrt und verwelkt: so auch die Seele des Christen, wenn ihr das Himmelsbrot entzogen wird. War es nicht das Wort Gottes, womit unser Heiland die Anläufe des Teufels zurückschlug, als er von ihm versucht wurde? Und welcher Christ weiß nicht aus eigener Erfahrung, dass das Wort Gottes die Seele bewahrt in den Stunden der Anfechtung. Wenn wir fast wanken, fast bereit sind, etwas Unrechtes zu tun, siehe da fällt uns ein Spruch oder ein Beispiel des göttlichen Wortes ein, wir gewinnen Kraft, und sprechen: „Hebe dich weg von mir, Satan!“ Wenn wir in Trübsal und Not anfangen wollen, zu zagen, was stärkt uns kräftiger, als ein Wort des allein wahrhaftigen Gottes? Darum spricht der Herr: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gottes geht.“ Das Wort Christi ist unserer Seele Sonnenschein, es ruft die Schlafenden zum Wachen, und die in Finsternis Irrenden zum Licht. Es ist unserer Seele Balsam, wie der Tau vom Himmel, es macht, dass das öde, leere Herz mit fröhlichem Sinn Gott lobe und preise. Darum lasst das Wort Christi unter euch reichlich wohnen in aller Weisheit; lehrt und vermahnt euch selbst mit Psalmen und Lobgesängen, und geistlichen, lieblichen Liedern, und singt dem Herrn in eurem Herzen.

Endlich aber, meine Teuren, auf dass wir nicht immer schwankend bleiben, wie das Rohr, das der Wind hin- und herweht; so heißt es: „Alles was ihr. tut mit Worten, oder mit Werken, das tut Alles in dem Namen des Herrn Jesu, und dankt Gott und dem Vater durch ihn.“ Es soll und muss unser ganzes Leben, Dichten und Trachten eine feste Richtung gewinnen, Eine Richtung sage ich, das ist die nach dem Reich Gottes, nach dem ewigen Leben. Töricht nennen wir den Wanderer, der noch vor Abend ein Ziel erreichen will, woran er genug zu tun hat und hält sich doch bei allerlei Nebendingen auf, die an dem Weg liegen, also dass die Nacht ihn übereilt, ehe er zum Ziel kommt. Töricht ist auch der Christ, der nicht dem himmlischen Ziel unverrückt entgegeneilt, dass die Todesnacht ihn überfällt, ehe er's erjagt hat. Was nicht im Namen Jesu geschehen kann, oder geschieht, das hält uns unnütz auf, hinweg damit! Was helfen uns Güter und Schätze, wenn Motten und Rost und Würmer uns samt ihnen fressen werden? Was hilft uns die Lust dieser Erde, wenn der Wind wird über unsere Gräber gehen? Eine feste Wurzel aber in Christo Jesu durch den Glauben, die trotzt auch dem Tod, und macht uns im Gericht getrost.

Nun haben wir gehört, wodurch ein wahrer Christ inwendig leben und gedeihen, nach außen aber leuchten und blühen soll in Gott gefälligem Wesen, lasst uns denn bitten, dass es uns also gegeben werde, lasst uns suchen, dass wir es finden, lasst uns anklopfen, dass uns aufgetan werde, anklopfen bei Dem, der das Gefängnis gefangen geführt, und den Menschen Gaben gegeben hat! Amen.

Nun, liebster Jesu, liebstes Leben,
Mach' mich im Allem Dir recht eben,
Und Deinem heil'gen Vorbild gleich.
Dein Geist und Kraft mich gar durchdringe,
Dass ich viel Glaubensfrüchte bringe.
Und tüchtig werd' zu Deinem Reich'.
Ach, zieh' mich ganz zu Dir,
Behalt' mich für und für,
Treuer Heiland!
Jesu, ei nu,
Lass mich wie Du,
Und wo Du bist einst finden Ruh! Amen!

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