Luther, Martin - Trostschrift für eine Person in großer Anfechtung

Luther, Martin - Trostschrift für eine Person in großer Anfechtung

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1. Eine solche Person 1) soll ja nicht auf sich selbst stehen und nicht nach ihrem Gefühl über sich urteilen, sondern die Worte fassen und an ihnen hangen, die ihr in Gottes Namen vorgelegt werden, auf diese trotzen und alle Gedanken und Gefühle des Herzens auf diese verweisen.

2. Sie soll nicht denken, daß sie allein es sei, die eine solche Anfechtung der Seligkeit hat, sondern vielmehr, wie St. Petrus 2) schreibt, viele hin und her in der Welt Ähnliches leiden. Wie oft schreit und klagt David im Psalter: O Gott, ich bin von deinen Augen verworfen 3); ferner: ich bin denen gleich, die in die Hölle fahren 4). Es ist keine seltene Anfechtung unter den Frommen. Sie tut wohl wehe; das ist auch recht u.s.w.

3. Sie begehre beileibe ja nicht, davon ohne Vorbehalt göttlichen Willens erlöst zu werden, sondern spreche fröhlich oder je festiglich zu ihm: dein Wille und nicht mein Wille geschehe, lieber Vater, soll ich je den Kelch trinken 5)

4. Keine stärkere Arznei gibt es hierfür, als daß sie irgendein Gespräch anhebe, so wie David Ps. 18 6) sprach: Ich will den Herrn loben und anrufen, so werde ich von allem, was mich anficht, erlöst. Denn der böse Geist der Schwermut kann nicht mit Betrübnis und Klagen und Sichängsten, sondern nur mit dem Lobe Gottes, wovon das Herz fröhlich wird, verjagt werden.

5. Sie soll Gott mit Fleiß dafür danken, daß sie solcher Heimsuchung, deren so viel tausend Menschen beraubt bleiben, würdig ist. Es wäre auch nicht gut noch nütze, wenn der Mensch wüßte, was für ein großes Gut unter der Versuchung verborgen liegt. Etliche haben das wissen wollen und haben sich damit großen Schaden getan. Darum soll man Gottes Hand hierin und in allem Leiden williglich tragen. Es hat keine Not, ja es ist das allerbeste Zeichen göttlicher Gnade und Liebe zum Menschen. Man mag in solchem Fall den 142. Psalm, der vor anderen hier dienlich ist, lesen oder singen, nämlich:
Ich schrei zum Herrn mit meiner Stimme, ich flehe dem Herrn mit meiner Stimme. Ich schütte meine Rede vor ihm aus und zeige vor ihm meine Not an. Wenn mein Geist in Ängsten ist, so nimmst du dich meiner an (d.h. du sorgst dafür, wie mir's geht und gehen soll). Sie legen mir Stricke auf dem Wege, auf dem ich gehe. (Das tut der Teufel durch böse Gedanken, so daß der Mensch nicht weiß, wo es mit ihm hinaus will, damit er inzwischen an seinem Tun und Wesen verhindert werde. Aber man soll solches Gott befehlen: der weiß wohl, wie es gehen soll.) Schau zur Rechten, und siehe, da will mich niemand kennen! (D.h. auf diese Seite, wo die Seligen sind, so kommt es der Seele vor, sie gehört nicht dahin; niemand kennt sie, so will sie denn fliehen und wäre das Leid gern los; sie kann aber nicht, wie folgt). Ich kann nicht entfliehen. (D.h. es ist kein Fliehen noch Entrinnen möglich, ich muß hier in der Angst halten.) Und niemand nimmt sich meiner Seele an. (So wähnt sie, so fühlt sie sich auch; aber darum soll man nicht ablassen und solchem Wahn und Fühlen nicht folgen.) Zu dir schreie ich, lieber Herr (weil sonst nichts trösten will noch helfen kann) und sage: du bist meine Zuversicht, mein Teil im Lande der Lebendigen. (D.h. alles sagt mir, ich soll sterben und verderben; dem widerstreite ich und sage: nein, ich will leben, des versehe ich mich zu dir.) Merke auf meine Klage, denn ich werde sehr geplagt: errette mich von meinen Verfolgern, denn sie sind mir zu mächtig. Führe meine Seele aus dem Kerker (d.h. aus der Not und angst, worin ich gefangen bin), daß ich deinem Namen danke, die Gerechten werden sich zu mir sammeln (um mit mir und über mir zu danken wie über dem verlorenen Schafe), darum weil du mir wohltust (d.h. Trost für Unfall, Hilfe für Bosheit erzeigst). Amen.

6. Es tut not, daß man an der Zusage des wahrhaftigen und getreuen Gottes ja nicht zweifle. Denn eben darum hat er Erhöhung zugesagt, ja zu bitten befohlen, daß man es ja wisse und festen Glauben daran habe, es werde erhört. So sagt Christus7): Wahrlich, ich sage euch, alles, was ihr bittet, glaubt nur, daß ihr es empfangen werdet, so geschieht es gewißlich; ferner8): Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan; denn wo unter euch ein Sohn, der seinen Vater ums Brot bittet, wo dieser ihm einen Stein dafür biete? u.s.w.; wenn nun ihr, die ihr arg seid, euern Kindern Gutes geben könnt, wievielmehr wird der himmlische Vater den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten?

7. Eine Person in großer Anfechtung soll aber auch Christum recht erkennen als den, durch den allein alle unsere Sünde bezahlt und Gottes Gnade uns gegeben wird, damit sie nicht auf sich allein gestützt, ohne diesen Mittler, mit Gott handle.

Wenn aber nach solcher Arznei die Anfechtung heftiger zu werden beginnt, kann man nichts anderes tun, als bei dem oben gegebenen Rat bleiben. Denn die Größe der Anfechtung ist ein gutes Zeichen dafür, daß sie bald ein Ende nehmen wird und daß der Teufel beinahe ganz überwunden ist, nur daß er noch sein Schlimmstes versucht. Denn auch Pharao verfolgte die Kinder Israel nie heftiger als zuletzt9). Auch sieht man bei leiblicher Schwachheit, welche die Arznei wirkt und dadurch dem Menschen hilft, daß sie ihn vorher wohl erst recht krank macht. Deshalb soll eine solche Person hoffen und einen guten Trost haben.

Sprüche aus 1. Mose 2,3.

Und GOtt der HErr gebot dem Menschen und sprach: Du sollst essen von allerlei Bäumen im Garten; aber von dem Baum des Erkenntnisses Gutes und Böses sollst du nicht essen. Denn welches Tages du davon issest, wirst du des Todes sterben.

Und das Weib schauete an, daß von dem Baum gut zu essen wäre und lieblich anzusehen, daß es ein lustiger Baum wäre, weil er klug machte, und nahm von der Frucht und aß und gab ihrem Mann auch davon, und er aß.

Und GOtt der HErr rief Adam und sprach zu ihm: Wo bist du? Und er sprach: Ich hörete deine Stimme im Garten und fürchtete mich, denn ich bin nackend; darum versteckte ich mich. Und er sprach: Wer hat dir's gesagt, daß du nackend bist? Hast du nicht gegessen von dem Baum, davon ich dir gebot, du solltest nicht davon essen? Da sprach Adam: Das Weib, das du mir zugesellet hast, gab mir von dem Baum, und ich aß. Da sprach GOtt der HErr zum Weibe: Warum hast du das getan? Das Weib sprach: Die Schlange betrog mich also, daß ich aß. Da sprach GOtt der HErr zu der Schlange: Weil du solches getan hast, seiest du verflucht vor allem Vieh und vor allen Tieren auf dem Felde. Auf deinem Bauch sollst du gehen und Erde essen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Der selbe soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.

Wie durch einen Menschen die Sünde und der Tod durch die Sünde in die Welt gekommen ist und so der Tod zu allen Menschen gekommen ist und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle Sünder sind u.s.w.; wie nun durch die Sünde eines Menschen die Verdammnis über alle Menschen gekommen ist, so ist auch durch die Gerechtigkeit eines Menschen u.s.w.10)

Sprüche aus Sach. 1., 9., 11., 12., 13.

Jerusalem wird bewohnet werden ohne Mauern vor großer Menge der Menschen und Viehes, so drinnen sein wird. und ich will, spricht der HErr, eine feurige Mauer umher sein und will drinnen sein und will mich herrlich drinnen erzeigen. u.s.w. Wer euch antastet, der tastet seinen Augapfel an.

Aber du, Tochter Zion, freue dich sehr, und du, Tochter Jerusalem, jauchze! Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm, und reitet auf einem Esel und auf einem jungen Füllen der Eselin!

So spricht der HErr, mein GOtt: Hüte der Schlachtschafe! Denn ihre Herren schlachten sie und halten's für keine Sünde, verkaufen sie und sprechen: Gelobet sei der HErr, ich bin nun reich; und ihre Hirten schonen ihrer nicht.

Aber über das Haus David und über die Bürger zu Jerusalem will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets; denn sie werden mich ansehen, welchen jene zerstochen haben, und werden ihn klagen, wie man klaget ein einiges Kind, und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübet um ein erstes Kind.

Schwert, mache dich auf über meinen Hirten und über den Mann, der mir der nächste ist! spricht der HErr Zebaoth. Schlage den Hirten, so wird die Herde sich zerstreuen, so will ich meine Hand kehren zu den Kleinen.

Quelle: Böhmer, Lic. Dr. Julius - Martin Luthers Werke

1)
nämlich jede, die (laut Überschrift) in großer Anfechtung steht
2)
1. Petrus 1,6
3)
Ps. 31,23
4)
Ps. 28,1
5)
Luk. 22,42
6)
V. 4
7)
Matth. 21,22, Mark. 11,24
8)
Luk. 11,9.10
9)
2. Mose 14,3-9
10)
Röm. 5,12.18
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