Luther, Martin - Noch ein anderes öffentliches Erbieten vom Jahr 1520

Luther, Martin - Noch ein anderes öffentliches Erbieten vom Jahr 1520

Jesus.

Einen iglichen, der dieß Büchlin lieset oder horet, thu ich Martinus Luther, Augustiner, genannt Doctor der heiligen Schrift, erinnern, wie ich nu beiläuftig drei Jahr ohn alles Aufhoren mich erbotten hab zu Fried und Verhor, dazu mein Sach in Disputation und etlicher Universitäten Urtheil begeben, und je so viel mir muglich gewesen, allzeit gerne erfunden wäre, der Lust und Liebe zur Ruhe und Stille habe. Das alles durch gemeins Menschen-Feinds List und Bosheit vorgebens geschehen, und noch kein Aufhoren fur Augen ist, mich weiter und weiter in Unrüge zu reissen. Dann das mag ich auf mein Gewissen sagen, daß ich noch nie in meinen Sinn gefasset, etwas von dem Papstthum, noch aller seiner Gewalt zu denken. Es wäre furwahr wohl alles nach blieben, hätte nit der Neidhart und Ehrgeiz sich vermessen, an mir einen Preiß erlangen. Ich bin allein, und so viel Widdersacher mich so greulich antasten. Nu sie nit mehr kunnten, lassen sie die Sach fallen, und heben an, mein Leben zu schmahen, sprechen, ich sei beissig, rachselig, und viel der Namen mehr.

Nun ists je nit mein Furnehmen gewesen, mein Leben und Heilikeit (der ich mir selbs leider allzu unbewußt bin) auszurufen oder schützen. Ja hätt ich mich versehen, daß ich unter die gelehreten Verständigen solle gezählet werden, und einen solchen Namen uberkummen, als von dem sich ein Mensch bessern künnte, furwahr ich wollt mit gottlicher Hulf mein Lahre früchtbarlicher gehandelt haben. Nu sehe ich, daß mein selbs groß Verachtung, die ich allein dahin gericht, mich schnell aus meinen Feinden zu losen, nit gar richtig gewesen ist, und der bose Feind, der nit aufhoret anzufechten, durch solch närrische Demuth und meins Verachtung zu Nachtheil meiner guter Lehre (der ich mich nit versehen in mir sein) gebraucht hat. Derhalben bitt ich alle mein Freund und Feind, wollten mir noch Fried und Rüge (Ruhe) gonnen; und wo ich zu viel than, meins aufs Beste auslegen. Angesehen, daß ich allein, der auch Fleisch und Blut, aus keinem Fels gesprungen, widder so viel große, gelehrte, boswillige Menschen hab müssen ohn meinen Willen streiten. Es sollt je billig nit Wunder sin, daß so viel reissende Wolff einen Hund bellen, auch beissen zwungen. Ich hab noch keinen mit gleichem Maaß, da mir mit gemessen, bezahlet. Ich erbiete mich auch noch gegen iderman, das Beste zu horen und aufnehmen: dann ich, das Gott weiß, je nit gerne wollt unchristlich handeln, oder das lehren, reden und schreiben, das widder Gott, und der Seelen Selickeit wäre. Wo mir aber Fried und Ruge nit will gelassen werden, so bitt ich, daß ihm niemand furnehm, mich müde oder matt zu machen: dann mein Geist, mir von Gott geben, also steht, daß ich ehe die ganze Welt vertrau müde zu machen. Mein Fels, darauf ich bau, steht fest, wird mir auch nit wanken noch sinken, ob gleich alle höllische Pforten da widder streiten; das alles bin ich gewiß.

Es ficht mich nichts an, daß etlich mir Schuld geben, ich woll mich namaßen größer Kunst, denn alle Welt hat, und allein sein lux mundi. Hätt man mich in meinem Winkel lassen, sie wären wohl fur mir blieben Meister zu Israel, und ich, was ich wäre. Es stund die christliche Wahrheit ein Mal allein auf St. Pauel: aber einmal auf St. Athanasii, item auf St. Augustini: ja es hat einmal eine Eselinne widder den Propheten geredt. Wer weiß, was Gott durch uns wirken will. Er ist eben derselb Gott, ob wir gleich Sünder sein, doch seine Creatur bleiben mussen, und erschrecklich ist in seinen Gerichten über der Menschen Kinder.

Das will ich guter Meinung idermann furgelegt haben, sich selb zu bewahren üfr frevelem Urtheil, und Fährlickeit Haß und Neids. Bitt gar demutig und frundlich, niemand woll sich zu mir Haß oder Ungunst vorsehen; dann mein Muth ist zu frohlich und zu groß dazu, daß ich jemand mocht herzlich feind sein. Ich habe auch nichts fur Augen, denn die Sach der Wahrheit an ihr selb, der ich aus Herzen hold bin: und ob ich umb ihrer willen zuweilen bin odder sein würd zu frei und frisch, wollt mir dasselb ein iglicher freundlich verzeihen. Ich weiß ihm nit mehr zu thun. Gottes Willen geschehe auf der Erden wie im Himmel. Amen.

Quelle: Irmischer, Johann Konrad - Dr. Martin Luthers sämtliche Werke, Band 24

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