Heliand - 59 - Pilatus und Herodes.

Heliand - 59 - Pilatus und Herodes.

Da nahmen ihn die Wüthigen
In seinen Banden, den Gebornen Gottes,
Und führten ihn fort dahin, wo dem Volk
Das Dinghaus stand, und der Degen viel
Vor ihrem Herzog hielten. Der war ihres Herrn
Richter, der in Rom der Reiches gewaltete,
Vom Kaiser gekommen unter die Kinder der Juden,
Im Reich zu richten und Rath zu pflegen.
Pilatus hieß er, von der Pontier Land
Dem Geschlechte nach stammend. In Scharen waren
In dem Dinghause die Degen versammelt,
Des Gerichtes wartend, viel wahrlose Männer.
Da geben den Gottessohn die Judenleute
Dem feindlichen Volk: er sei dem Tod verfallen,
Der Strafe schuldig mit schneidiger Klinge,
Mit scharfen Schwertern. Nicht wollte der Juden Schar
In das Dinghaus dringen: draußen blieb es stehn,
Sprach von da mit den Degen; sie scheuten das Gedränge
Des fremden Volkes, ihres Festes wegen,
Daß sie hartes Urtheil nicht hörten am Tage des Herrn:
Sie wollten ihre heiligen Zeiten halten,
Ihr Pascha feiern. So empfieng Pilatus
Aus der Wüthigen Hand des Waltenden Sohn,
Den sündelosen.

In Sorgen gerieth nun
Judas Gemüth, da er hingegeben sah
Seinen Herrn dem Gericht. Ihn gereute der That
Hinterher im Herzen, daß er den Herrn verkauft,
Den sündelosen. Da nahm er den Silberschatz,
Die dreißig Pfennige, die er für den Herrn empfangen,
Und gieng zu den Juden, seiner grimmen That
Sich schuldig sagend: das Silber woll er
Gerne wiedergeben. „So greulich,“ sprach er,
„Hab ichs erhandelt mit meines Herren Blut,
Ich weiß, es frommt mir nicht.“ Doch das Volk der Juden
Nahm es mit nichten. „Magst du nun nach der Hand
Wegen solcher Sünde selber erachten,
Wie du gegen den Herrn dich vergangen habest.
Sieh du selber zu: was schiebst dus auf uns?
Uns verweis es nicht weiter.“ Da wandte sich hinweg
Judas und gieng zu dem Gotteshause
In schweren Sorgen: das Silber warf er
In das Weihthum dort; zu behalten wagt' ers nicht.
Furch befiehl ihn, die feindlichen Geister
Mahnten ihn mächtig: des Mannes Herz
Ergriffen die grimmen. Ihm war Gott erzürnt,
Daß er sich selber ein Seil bereitete:
Er schloff in den Strick und erhenkte sich so,
Der Würger erwürgte, das Weh erwählend
Des harten Höllenzwangs, des heißen und düstern,
Die tiefen Todesthäler, des theuern Herrn Verräther.

Der Geborne Gottes muste die Bande
Im Dinghause dulden bis dort das Volk,
Das üble, einig ward unter sich,
Wie schweren Schmerz sie ihm schaffen wollten.
Da erhub auf den Bänken sich der Bote des Kaisers
Von Romaburg, zu reden draußen
Mit der Juden Machthabern, wo die Menge stand
Auf dem Hof in Haufen, da sie ins Haus nicht wollten
Am Paschatage. Pilatus begann
Frank zu fragen über das Volk der Juden hin:
„Was that dieser Mann, den Tod zu verschulden,
Was verbrach er Böses, daß ihr so aufgebracht seid,
Ihn haßt im Herzen?“ - „Viel Harmes hat er uns,
Viel Leides gethan: diese Leute gäben dir ihn nicht,
Wenn sie nicht wüsten, wie es er Uebelthäter
Mit Worten verwirkte. Wohl hat er Viele
Mit seinen Lehren verleitet, und die Leute geärgert,
Ihr Herz verwirrt, als hätten wir dem Kaiser
Nicht Zins zu zahlen: des bezüchtigen wir ihn
Mit wahren Beweisen. Er spricht auch ein großes Wort,
Verkündigt, daß er Christ sei, König dieses Reiches,
Maßt so Großes sich an.“

Da entgegnete ihnen
Der Bote des Kaisers: „Wenn er so offenbar
Vor dieser Menge Meinwerk verübte,
So laßt ihm eure Leute, wenn er das Leben verwirkt hat,
Den Tod ertheilen, wenn er des Todes schuldig ist,
Wie eurer Vorfahren Gesetz es vorschreibt.“
Sie sagten, sie möchten der Menschen keinen
In der heiligen Zeit hinrichten laßen
Mit Waffen am Weihtag: das sei wider ihre Gewohnheit.

Da wandte sich wieder hinweg der Arge,
Der Degen des Kaisers, der diesem Volk
Für die Römer richtete. Er rief den Sohn des Herrn
Näher nun heran, ihn nachdrücklich
Fragend und erforschend, ob er über dieß Volk
Sich Herscher heiße. Da hielt sein Wort bereit
Der Sohn des Herrn: „Hast du das aus dir,
Oder haben dir andre da außen gesagt
Von meinem Königthum?“ Da sprach des Kaisers Bote
Widerwillig, da er mit dem waltenden Christ
Im Richtsaal redete: „Nicht dieses Reiches bin ich,
Dieses jüdischen, noch dir verwandt,
Diesem Volk befreundet. Mir befahl dich die Menge,
Deine Landleute haben dich, die Juden, mir überliefert,
Meinen Händen verhaftet. Was hast du Harms gethan,
Daß du so bittere Bande dulden sollst,
Und qualvoll sterben?“ Da entgegnete Christ,
Der Heilande bester, wie er gebunden stand
Im Richthaus vor ihm: „Mein Reich ist nicht hier,
Nicht von dieser Welt: wär es aber so,
Dann stünden so starken Muths der Streitgier entgegen
Der gramen Juden meine Jünger wohl;
Man gäbe mich nicht den Judenleuten,
Den haßenden, in die Hände, in harten Banden
Zu entsetzlicher Qual. Ich kam in diese Welt,
Damit ich Zeugniss von unzweifelhaften Dingen
Durch mein Kommen kündete: das erkennen gar wohl
Die aus der Wahrheit sind: mein Wort verstehen sie,
Glauben meinen Lehren.“ Keine lastende Schuld
Konnt an dem Gotteskinde des Kaisers Bote
Finden, kein Falsch, daß er verfallen
Sollte dem Tode sein. Da trat er wieder hinaus
Mit den Juden zu sprechen und sagte der Menge,
Die horchend hörte, er habe an dem Verhafteten
Soviel des Frevels nicht finden mögen
Vor seinen Leuten, daß er das Leben verwirkt hätte,
Des Todes schuldig wäre. Da standen tobend
Die Judenleute, den Gottessohn
Schwer beschuldigend: „Erst schuf er Verwirrung
In Galiläa; über die Juden fuhr er
Dann stracks hieher die Herzen verstörend,
Der Männer Gemüth. Darum muß er sterben:
Er verwirkte den Tod mit der Waffen Schärfe,
Wenn je solche Thaten den Tod verschuldeten.“
So verklagten ihn die Kinder der Juden
Mit harten Herzen.

Da hörte der Herzog,
Der arggesinnte, zuerst nun sagen,
Welchem Geschlechte Christ entstammt sei,
Der beste der Menschen. Geboren war
Von Galiläa der gute, dem bekannten Gau
Hehrer Männer. Herodes besaß da
Kräftig das Königthum; ihn hatte der Kaiser
Von Rom damit berathen, daß er seine Rechte dort
Unter dem Volk vollführte und Frieden schüfe,
Urtheil ertheilte. Der war des Tages
Selbst in Jerusalem mit seinem Gesinde,
Im Weihthum verweilend, denn ihre Weise wars,
Daß sie die heiligen Zeiten dort halten musten,
Der Juden Pascha. Da gebot Pilatus,
Daß den Verhafteten die Helden nähmen
In seinen Banden, den Gebornen Gottes,
Und hin vor Herodes in seiner Hände Haft
Das Volk ihn führte, aus dessen fürstlicher
Gewalt er war. Die Weigande folgten
Dem Geheiß ihres Herrn: den heiligen Christ
Führten sie vor den Fürsten des Volks gefeßelt,
Den besten der Menschen, der je geboren ward
An der Leute Licht. In Leibesbanden gieng er,
Bis sie ihn brachten dahin, wo auf der Bank
Herodes der König saß, von kräftiger Schar
Stolzer Degen umstanden, die stäts aus Neubegier
Den Christ mit eigenen Augen zu sehen gewünscht.
Ein Zeichen, wähnten sie, würd er ihnen zeigen
Hehr und mächtig wie er es manchmal gethan
In seiner Göttlichkeit den Judenleuten.
Da fragt' ihn der Volksherr beflißentlich
Mit manchen Worten, sein Gemüth damit
Vorwitzig zu erforschen, was er zu Frommen rathen
Möchte den Menschen. Da stand der mächtige Christ,
Schwieg und duldete, dachte dem schnöden
König und seinen Knechten mit keinem Worte
Antwort zu gönnen. Da ergrimmte das Volk,
Die Judenleute, den Gottessohn
Verlügend und verleumdend, bis der Leute König
Ihm gehäßig ward im Herzen, und all sein Hofgesind.
Ihn missachtete ihr Gemüth, die Macht Gottes verkennend,
Des himmlischen Herrn, denn ihr Herz war düster,
Von Bosheit geblendet. Dem Gebornen Gottes
Wochen ihre Werke und Worte wohl nicht schwer,
Denn in Demuth erduldet' er Alles das,
Wie schnöde sie ihn schmähen und schimpfen mochten.
Da ward ihm zum Hohne ein weiß Gewand
Um die Glieder gelegt, daß er den Leuten,
Den Jungen, ein Spott sei. Die Juden jubelten,
Daß sie so höhnisch ihn behandelt sahn
Von dem schnöden Gesinde.

Da sandt ihn zurück
Herodes der König, woher er gekommen war,
Von losem Volk begleitet, das ihm Lästerung sprach,
Frechen Frevel, den gefeßelten
Mit Hohn überhäufend. Sein Herz war heiter,
Daß er Alles das in Demuth erduldete.
Erwidern wollt er die übeln Worte nicht,
Hohn noch Harmrede. In das Haus ward er heimgeführt,
In den Pallast wieder, wo Pilatus
An der Dingstätte saß. Die Degen übergaben
Der Gebornen Besten alsbald seinen Mördern,
Den sündelosen, der solch Looß sich selbst erwählt.
Die Menschen möcht er damit erlösen,
Der Noth entnehmen. Die Neidharte standen,
Die Juden, vor dem Saal. Grimme Geister hatten
Die Haufen verhetzt: sie hegten keine Scheu
Vor teuflischer That. Da trat hinaus
Der Bote des Kaisers, mit der Band zu sprechen,
Der schwache Herzog: „Ihr habt diesen Verhafteten
In den Saal mir gesandt und dabei gesagt,
Eures Volkes gar Viele hab er verführt,
Mit seiner Lehre verleitet. Mit diesen Leuten mag ich doch,
Diesem Volk nicht finden, daß er dem Tod verfallen sei,
Schuldig an dieser Schar. Das sah man auch heute:
Herodes konnte, der euer Gesetz doch kennt,
Eurer Leute Landrecht, ihm das Leben nicht nehmen,
Keine Schuld an ihm finden, daß er sterben sollte,
Das Leben laßen. Vor diesen Leuten will ich
Ihn bedrohen und bedeuten mit derben Worten,
Das Herz ihm zu läutern; doch laß ich ihn des Lebens
Sich ferner erfreuen.“ Das Volk der Juden
Schrie aber stürmisch mit starker Stimme
Und verlangte laut, das Leben solle laßen
Qualvoll der Christ, ans Kreuz sollt er ihn schlagen
Mit furchtbarer Folter: „Vielfach hat er mit Worten
Zu sterben verschuldet, da er sagt, daß er der Herr sei,
Gottes Sohn gar! Entgelten soll er
Die schandbaren Reden: so schreibt das Gesetz vor,
Daß man solche Lästerung mit dem Leben büße.“
Da erfaßt Furcht ihn, der des Volks gewaltete,
Im Gemüthe mächtig, als die Männer ihm meldeten,
Sie hätten ihn selber sagen gehört
Vor dem ganzen Volke, daß er Gottes Sohn sei.
Da gieng in das Haus der Herzog zurück,
Zu seiner Dingstatt. Mit derben Worten
Fuhr er den Gottessohn an und befragt' ihn so:
„Welch ein Mensch bist du, daß du dein Gemüth mir versteckst,
Dein Herz verhehlst? Ich habe doch Macht
Dein Leben zu längen. Mir überließen die Leute,
Dieser Männer Menge, mir die Entscheidung,
Mit Speeres Spitze dich spießen zu laßen,
Dich ans Kreuz zu schlagen, dir das Leben zu schenken,
Wie es mich selber am Süßesten dünkt
Mit meinem Volk zu verfahren.“ Da sprach das Friedenskind Gottes:
„Wiße in Wahrheit, daß du Gewalt über mich
Nicht haben möchtest, wenn der heilige Gott
Dir nicht selbst sie verliehe. Auch sündigen die noch mehr,
Die dir aus Falschheit mich befohlen haben,
Mit Seilen beschwert.“ Da sann aufs Neue
Der schwachgesinnte, ihm die Freiheit zu schenken,
Der Degen des Kaisers, wie er gedurft hätte.
Doch wehrt' ihm den Willen mit mancherlei Worten
Das Volk der Juden: „Du bist kein Freund des Kaisers,
Deinem Herrn nicht hold, wenn du ihn von hinnen läßest
Unbeschädigt scheiden. Zu Sorgen noch mag es dir,
Zum Wehe werden, da er solche Worte spricht,
So hoch sich erhebt, behauptet, er habe
Königsnamen ohne des Kaisers Verleihung.
Er verwirrt ihm sein Weltreich, verachtet sein Wort
Fällt von ihm ab. Den Frevel must du,
Den Hochverrath rächen: wenn dir an dem Herren liegt,
An deines Fürsten Freundschaft, so führ ihn zum Tode.“

Als der Herzog hörte der Juden Häuptlinge
Mit seinem Herrn ihm drohen, da gieng er zur Dingstatt,
Da selber zu sitzen; versammelt war auch
Der Mannen Menge. Er hieß den mächtigen Christ
Vor die Leute geleiten. Die Juden verlangte
Ob sie das heilige Kind nun bald erhängen sähen.
Qualvoll am Kreuze. Kein anderer König
Habe die Herschaft hier als der hehre Kaiser
Von Romaburg: „dem gehört unser Reich.
Darum laß ihn nicht los, der uns so viel zu Leide sprach,
Sich durch Werke verwirkte: erwürgt muß er werden
In entsetzlicher Qual.“ So sagten die Juden
Manch misslich Ding wider den mächtigen Christ
Zu schwerer Beschuldigung. Doch schweigend stand er
In Demuth da, gedachte nichts
Den Wüthigen zu erwidern: er wollte die Welt
Mit seinem Leiden erlösen. Darum ließ er die Leidigen
Ihm wunderbar wehe thun, wie es ihr Wille war.
Er wollt es nicht öffentlich Allen verkünden,
Den Judenleuten, daß er Gott selber wär,
Denn wüsten sie in Wahrheit, daß er Gewalt habe
Über diesen Mittelkreiß, ihnen würde der Muth
In der Brust erblöden, an den Gebornen Gottes
Legten sie die Hände nicht; aber das Himmelreich bliebe dann,
Der Lichter lichtestes, den Leuten verschloßen.
Drum must er das meiden, daß die Menschen nicht wusten
Was sie Schreckliches thaten.

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