Ahlfeld, Johann Friedrich - Wie geht es dem Christen, der mit seinem Herrn geht?

Ahlfeld, Johann Friedrich - Wie geht es dem Christen, der mit seinem Herrn geht?

(7. Sonntag nach Tr. 1848.)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen. Amen.

Text: Markus 8,1-9.
Zu der Zelt, da viel Volks da war und hatten nichts zu essen, rief Jesus seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Mich jammert des Volks, denn sie haben Nichts zu essen: und wenn ich sie ungegessen von mir heim ließe gehen, würden sie auf dem Weg verschmachten. Denn etliche waren von ferne gekommen. Seine Jünger antworteten ihm: Woher nehmen wir Brot hier in der Wüste, dass wir sie sättigen? Und er fragte sie: Wie viel habt ihr Brote? Sie sprachen: Sieben. Und er gebot dem Volk, dass sie sich auf die Erde lagerten. Und er nahm die sieben Brote und dankte und brach sie und gab sie seinen Jüngern, dass sie dieselben vorlegten; und sie legten dem Volk vor. Und halten ein wenig Fischlein; und er dankte und hieß dieselbigen auch vortragen. Sie aßen aber und wurden satt und hoben die übrigen Brocken auf, sieben Körbe. Und ihrer waren bei viertausend, die da gegessen hatten; und er ließ sie von sich.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. „Trachtet am ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch solches Alles zufallen,“ sagt unser Herr und Heiland. Wenn sich die Welt einmal ihre eigene Bibel machte, so würde es darin heißen: „Trachtet am ersten nach Geld und Gut, Acker und Vieh, Haus und Hof, Freude und Ehre, so wird euch das Reich Gottes gelegentlich auch schon zufallen.“ Und wenn wir sagen: „So würde in der Bibel der Welt stehen“ dürfen wir diese Welt nicht weit in der Ferne, nicht unter den Heiden, nicht unter den offenbar und gänzlich abgefallenen Christen suchen. Mitten in den Christengemeinden, mitten in dieser Kirche ist diese Welt, ja, mitten in deinem und meinem Herzen steht ein Stück von der ungedruckten Handschrift dieser Weltbibel. Wenn wir unsere Lebensgrundsätze aussprechen, wollen wir es allerdings nicht Wort haben; wenn wir aber die Grundsätze, nach denen wir eigentlich leben, einmal aus der tatsächlichen Schrift des Lebens herauslesen, dann ist es doch so, dann ist noch genug von dieser Weltbibel in uns. Wir werden sie auch nie ganz aus dem Herzen heraustilgen können. Wir wollen Gott danken, wenn wir es in Kraft des Heiligen Geistes dahin bringen, dass die Heilsordnung Gottes gegen die Heilsordnung der Welt einmal so hell und groß in uns steht, wie in der lutherischen Bibel die großen Buß- und Gnadensprüche unter den übrigen Worten der Schrift. -

Ferner sagt Jesus Christus: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Ein alter frommer Christ, wohlgeübt in der Nachfolge Christi, hatte das Sprichwort: „Wenn mein Herr nicht will, wie ich will, so will ich wie er, und wir bleiben gute Freunde.“ Die Welt lacht dieser Nachfolge. Sie hält auch Etwas von dem Christus. Aber sie folgt ihm nur, wenn er bei dem reichen Pharisäer zu Tische geht, oder in den reichen Gegenden des galiläischen Meeres bleibt. Da hört sie auch einmal sein Wort mit an und erklärt: „Der Herr Christus spricht in der Tat recht schön!“ Wenn er aber den Weg nach der Wüste einschlägt, wenn es durch Dornen und Hecken, durch Schimpf und Schande, Geißel, Dornenkrone und Kreuz geht, dann sagt sie ihm: „Hier trennen sich unsere Wege. Die Umstände erlauben es nicht, dass ich weiter mitgehe.“ Sie spottet der Christen, die von keinen Umständen wissen wollen, welche sie von ihrem Herren trennen. Sie wird euch oft fragen: „Was habt ihr denn von eurer Nachfolge Christi? Toren seid ihr. Dieser strenge Dienst Christi ist immer ein mühsamer Stand gewesen. Es ist Überspannung, wenn man die Gebote Gottes so fest und eisern nimmt. Man muss sich mit Vernunft heraussuchen, was für die Umstände passt.“ Viele von euch reden so mit. Was sagt ihr aber von seinem Krieger, der nur mitziehen will, so lange das Heer durch schöne Gegenden marschiert und in reichen Quartieren liegt; dagegen die Armee verlässt, wenn Sand, Wälder, Berge, Hunger und Durst den Marsch sauer machen, wenn er dem Feinde ins Angesicht schauen soll? Ihr sagt: „Das ist ein schlechter Soldat, und am Tage des Sieges fällt sein Teil mit den Übeltätern.“ -

Wir sind Streiter Christi. Ein rechter Streiter weiß, dass in den Gefährlichkeiten sein Amt erst recht angeht. Gerade dann hält er recht aus. Der Christ soll dies um so eher, weil sein König auch in der tiefsten Wüste der König der Ehren bleibt, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden. Wir nehmen uns aus dem heutigen Evangelio die Frage:

Wie geht es dem Christen, der mit Christo geht?

Er hangt an seinem Herrn und lässt ihn nicht,
Der Herr verbirgt ihm wohl zur Zeit sein Angesicht,
Bis er zuletzt ihm doch das Brot der Gnade bricht.

Herr, Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. Du tust deine milde Hand auf und sättigst Alles, was lebt mit Wohlgefallen. Speise auch uns heute aus Gnaden mit deinem lieben Wort. Decke du selbst den Tisch und gib Jedem, was ihm not tut. Ja, segne uns also, dass wir von deiner reichen Gnadentafel noch mit nach Hause nehmen können und die Woche über einen Vorrat haben für uns und die Unsrigen. Amen.

I. Er hängt an seinem Herrn und lässt ihn nicht.

In Christo Jesu geliebte Gemeinde. Berge ziehen Wolken an, und die Häupter der Berge sehen zu Zeiten aus, als ob sie einen weiten grauen Mantel umgehängt hätten. Der Magnet zieht Eisen an. Wenn man ihn in Elsensplitter legt und wieder herausnimmt, ist er ringsum von diesen Splittern umhangen. Jesus Christus zieht arme Sünder an. Er zieht sie an mit seinem Wort. Er lädt sie zu sich: „Kommt her zu mir Alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“ Er zieht sie an mit den Taten seiner Liebe. Die Blinden und Tauben, Aussätzigen, Lahmen, Gichtbrüchigen lassen sich an den Weg führen, wo er vorüber kommen soll. Wo wir ihn sehen, ist dieser himmlische Magnet umhangen von den armen Seelen, die bei ihm Trost und Rettung suchen. Ach wenn wir jetzt einmal hineinsehen könnten in seine himmlische Herrlichkeit! Wer es erkennen könnte, wie viele Millionen in ihm Anker geworfen haben und mit ewigen, unauslöslichen Banden an ihn gebunden sind, der würde erst recht reden können von seiner himmlischen Anziehungskraft. Er würde dieser glaubensarmen Zeit zum Trotz bekennen müssen: „Ich hätte es nimmer geglaubt, dass so Viele in ihm ihr Leben und Lieben, ihr Hoffen und ihr Alles gefunden haben.“ Doch er wird uns eine Zeit dazu geben. Habe nur Geduld, harre nur selber bei ihm aus, dass du dich selber von ihm nicht losreißen lässt, und diese Erkenntnis hast zu deiner Freude. Bis dahin wollen wir zu unserer Stärkung hinschauen auf seinen Wandel unter den Menschen, auf die Tage, wo er sie hier zu Tausenden an sich zog. - Siehe, wie gewaltig er zieht! Eine Schar von vier Tausenden hat sich um ihn gesammelt, Sie sind ihm nachgefolgt in die Wüste. Sie haben es nicht gemerkt, wie er sie aus den fruchtbaren Gegenden, aus dem städtereichen Gebiet des Jordans herausgeführt hat. Ihr ganzes Gemüt, Herz und Sinn war ihm ergeben, schaut auf ihn. Sie fragten nicht: „Ist grünes Land da? Stehen reiche Fruchtfelder und Bäume da?“ Wenn er nur dastand, der Lebensbaum, es war genug für sie. Sie fragten nicht, ob Städte und Dörfer in der Nähe waren, wo sie hineilen konnten um Brot zu kaufen. Wenn er nur da war, von dem sie das Lebensbrot kaufen konnten und ohne Geld. - Es ist ein seliges Vergessen, wenn man Christum über sich selber vergisst. Es ist ein unseliges Vergessen, wenn man Christum über sich selber vergisst. - Lieber Christ, hast du dich auch schon so in deinen Heiland gesenkt, dass du nicht merktest, wie du aus dem üppigen Land, aus dem Jordangrün und Jordanschmuck herauskamst in die Wüste? Wenn du reich warst und arm wurdest, wenn du wie Hiob auf dem Aschenhaufen deiner Güter saßt, ist dir da derselbe Friede geblieben, dieselbe selige Ruhe in ihm? Ja, noch lieber muss dir da dein Herr geworden sein. Vorher war er dir ein Kleinod unter andern Kleinodien, nun ist er das einzige. - Wenn du gesund warst und krank wurdest, wenn du das harte Lager hüten musstest, bliebst du da in dir noch eben so reich wie zuvor? Wenn du den bitteren Weg nach unserem Friedhof hinter dem Sarg der Deinen machen musstest, war es dir da, wie wenn du allein in die Wüste gehst, oder ging dein Herr Christus mit? Auch diesen Weg verklärt er den Seinen. Wenn er nicht mitgeht, ist der Gang über jene Schwelle der Eintritt in die volle Wüste. - Oder du standest vorher im blühenden Garten der Ehre und wurdest nun herausgeführt in die Wüste der Schmach und Schande um Christi willen: konntest du es vergessen um seinetwillen? Petrus und Johannes, als sie zum ersten Male wegen der Predigt von Christo gestäupt waren, gingen fröhlich von des Rats Angesicht, dass sie würdig gewesen waren um seines Namens willen Schmach zu leiden. - Wie die um Christus versammelte Schar den Übergang aus dem fruchtbaren Land in die Wüste nicht gemerkt hatte, so merkte sie bei ihm auch den Verlauf der Tage nicht. „Sie haben nun drei Tage bei mir verharrt,“ spricht er. Drei Tage in einem fort hatten sie seine Taten gesehen und seine Rede gehört, und diese Zeit war ihnen nicht lang geworden. Es sollte auch wohl nicht also sein. Da Jakob dient um Rahel, seine Braut, schienen ihm die sieben Jahre wie sieben Tage. Wenn deine Seele ihren Bräutigam gefunden hat, wird ihr die Zeit noch schneller verfließen. Wo ist denn in aller Welt die beste Unterhaltung, der beste Zeitvertreib? Du hast dir manchen ausgesucht. Es ist Mancher unter euch, der von seinen 30 oder 40 Jahren etliche mit Romanen oder anderer heilloser Lektüre verlesen hat. Die ihr das tatet, ihr fühltet mitten unter dem Lesen, mitten in der Spannung die tiefste Langeweile. Wohl hatte der Verstand seine Weide an der schönen Form und den geistreichen Gedanken, die eingewebt waren. Wohl war das Gefühl beschäftigt mit der Teilnahme an denen, deren Leben euch dargestellt wurde. Ihr fragtet, ihr jagtet nach dem Ende. Die Einbildungskraft ward in euch so angeregt und aufgestachelt, dass ihr zuweilen nicht weiter lesen konntet. Ihr musstet aufstehen und das Gelesene erst einmal eine Weile in euch verarbeiten. Die Wellen mussten sich erst etwas legen. Sie gingen gar hoch. Das Fleisch bekam auch bei diesem Zeitvertreib seine volle Nahrung. Die Begierden in euch wurden feist und stark. Sie wuchsen in einer halben Stunde oft mehr, als bei einer ehrlichen Beschäftigung in Monaten. Aber wart ihr denn zufrieden? Ich sage euch, es war da drinnen ein Fleckchen, das wurde von Tau und Regen nicht nass, da wuchs kein Hälmchen grünes Gras. Und das ist gerade die Hauptstelle im Herzen. Wenn die Nichts hat, haben alle andern auch nichts Rechtes. Wenn die öde liegt, zieht sich auch durch alle andern eine oft ungefühlte Öde. Trotz aller Unterhaltung schleichen die Stunden doch langsam dahin. Und wenn das interessante Buch durchgelesen ist, und es sind keine Tropfen auf jene Stelle gefallen, so ist es eine eitle Mühe und Arbeit gewesen. Dieses Fleckchen ist die Stätte des Glaubens im Herzen, wo ich in Christo mit meinem Gott eins werde. Habe ich da Nichts, so ist Alles leer. - Ein Anderer von euch wollte die Stunden, die sein Beruf nicht von ihm fordert, mit Geschwätz und Spiel hinbringen. Wie viele Jahre deines Lebens hast du verschwatzt und verspielt! Hast du nicht gemerkt, wie dir selbst das zur Langeweile wird, was sie töten soll? Ein Tod wird mit dem andern zugedeckt. Wenn das so fortgeht, werden alle Tode mit dem letzten, ewigen Tode zugedeckt, der noch das Tote hat, dass auf ihn nicht einmal eine andere Art des Todes folgt, dass er sich ewiglich gleich bleibt. Wenn du aufstehst von deinem Tee- oder Kartentisch, was hast du denn? Nur der Anstand drückt den tiefen Seufzer wieder, der aus der Brust heraus möchte. Wenn du auch gewonnen hast, so hast du doch ein Stück deiner Gnadenzeit verspielt. Das Fleckchen da drinnen, auf das es besonders ankommt, ist dürre geblieben. Es wurde von Tau und Regen nicht nass, es wächst kein Hälmchen grünes Gras. Du bist wie ein Hungriger, dem da träumte, er äße, und wenn er aufwacht, ist seine Seele leer. - So nimm, was du willst. So ists mit Tanz und Spiel. So ists mit der Wissenschaft und Kunst. So ists mit den Reisen. Und wenn du alle großen Dome in der Welt gesehen hast, mit ihrer großartigen Kunst und mit ihren Gemälden und Bildsäulen, du bist doch arm, wenn dir die Hütte von Bethlehem nicht ins Herz gebaut ist. Sie ist der Lebenspunkt der Menschheit. Wem sie fehlt, dem fehlt Alles. Das Leben ist eine geschäftige Langeweile. Besteige die höchsten Berge und genieße die Aussichten, die du entzückend und bezaubernd oder überwältigend nennst. Hast du den Hügel Golgatha nicht mit bestiegen und die überwältigende Einsicht in deine Sünde und die entzückende Aussicht in des großen Gottes Gnade nicht genossen, so ist und bleibt dein Leben eine große Langeweile. - Nur in Christo hat die Zeit die rechten Flügel. Ja, diese drei Tage in der Wüste sind schon ein Vorbild, wie uns in der Ewigkeit bei ihm die Zeit hinfliegen wird. Wir lernen daraus ein wenig, was es heißt: „Bei ihm sind tausend Jahre wie der Tag, der gestern vergangen ist, und wie eine Nachtwache.“ Er hat das Wort, das nimmer alt und schal und gleichgültig wird. Er hat das Brot und das Wasser des Lebens, das wir um so lieber genießen, je öfter wir es genossen haben. Nimm ein Stück aus dem Worte Gottes, lies es einen Abend in Stille mit Gebet. Lies es acht Tage darauf wieder. Es ist dir wieder neu, groß und tief. Jene viertausend Pilger hatten nun zum Worte noch das lebendige Angesicht des Herrn. Es war ihnen immer wieder neu, groß und tief. Wir werden es einst in Ewigkeit nicht aussehen und uns daran nicht müde sehen können. Darum wundere dich nicht, wenn der Christ von seinem Herrn nicht weg will, wenn er vor Allem den Himmelstau auf jenes Fleckchen haben will. Ist in der Pflanze der Herzkolben grün und gesund, dann ist die ganze Pflanze gesund. Da sitzt das Leben. Wenn darunter Außenwerk und Blätter auch einmal verwelken, was hat es denn für Not? Aus jenem Herzen treiben neue Blätter, grüner als die alten waren. Ja, es ist so recht Ordnung in dem Haushalt des Herrn, dass die alten Blätter zuweilen abwelken müssen, damit Sonnenschein und Regen recht aufs Herz fallen.

II. Der Herr verbirgt ihm wohl zur Zeit das Angesicht.

Das Kreuz ist die Hoffarbe im Reiche unseres Herrn Jesu Christi, sagt Dr. Luther. Die Hoffarbe muss jeder echte Christ tragen. Sich vor dem Kreuze scheuen, heißt die Fahne Christi verleugnen. Der Herr hat das Kreuz selbst getragen. So lange es Christen gegeben hat, haben sie es ihm nachgetragen. Alle, die gottselig leben wollen in Christo Jesu, müssen Verfolgung leiden. Ein jegliches Herz hängt noch an der Erde, auch deins und meins, lieber Hörer. Da ist das Kreuz das Messer Gottes, mit dem er nach und nach hier Wurzeln losschneidet. Der letzte, und schärfste Schnitt ist der Tod. Das Leben in Christo ist ein stetes Heraussterben aus der Welt und Lebendigwerden in Gott. Dazu muss Alles mit helfen. Der Teufel, die Feinde und Verfolger der Christen müssen dabei mit zugreifen, wenn auch nur als blinde Handlanger, die von dem Plane und Baue Gottes nicht das Geringste verstehen. Sie müssen vorzüglich die Steine zuhauen helfen, damit sie recht an ihren Ort passen. Indem sie meinen, sie wollen einen Stein ganz und gar versenken, sinkt er auf den Eckstein Jesum Christum. Indem sie meinen, sie wollen ihn zerschlagen, kriegt er gerade die Form, in der ihn sein Herr brauchen kann. Dazu muss auch alle Trübsal helfen als: Schmach, Schande, Krankheit, Armut, Blöße, Hunger und Durst. Diese Stücke sind im Reiche Gottes so nötig wie Spaten, Hacke und Messer im Garten. Sieh da, der Herr Christus ist mit den Viertausenden in der Wüste. Drei Tage lang lässt er die Leute warten, als ob er gar nicht wüsste, dass der Mensch essen muss. Vielen mag doch die Zeit lang geworden sein. Vielen gingen seine Taten und Worte doch nicht so zu Herzen, dass sie darüber das Essen vergessen hätten. Aber von ihm weg konnten sie wiederum nicht. Er ließ sie nicht weg. Die wenigen Vorräte, die sie mit hatten, wurden verzehrt. Sieben Brote und ein wenig Fischlein waren endlich der ganze Vorrat in dem Heere. Warum hat denn der Herr Christus so lange gewartet? Unser ungläubiges Herz hängt überall an sichtbaren Mitteln. Es will nicht glauben, wo es nicht steht. Es will's überall dem lieben Herrngott nachrechnen, wie er's macht. Weil wir sahen, dass er es vorgestern und gestern und heute so oder so machte, da pochen wir darauf, dass er es immer so machen müsse. Am allerungläubigsten sind wir gerade da, wo es uns selbst angeht. Luther schreibt einmal an einen Freund: „Ich habe neulich zwei Wunder gesehen: das erste, da ich zum Fenster hinaussah, die Sterne am Himmel und das ganze schöne Gewölbe Gottes, und sah doch nirgends einen Pfeiler, darauf der Meister sein Gewölbe gesetzt hätte - und doch steht es fest. Das andere, ich sah große dicke Wolken über uns schweben und doch keinen Boden, darauf sie ruhten, keine Kufen, darin sie gefasst waren, noch fielen sie herab, sondern grüßten uns mit einem sauern Angesichte und flohen davon.“ Dort oben haben wir uns darein gegeben, dass Sonne und Mond, der Orion, die Glucke, die Sterne gegen Mittag und wie sie sonst heißen, schweben und hangen können, ohne dass sie durch Pfeiler, Seile und Klammern festgemacht sind. Sie sind ja nun die lange Zeit nicht heruntergefallen. Dass wir aber hier etliche Tage oder gar einen Winter leben können, ohne dass der Brotschrank hinter uns steht, dass wir hier noch einmal gesund werden können, wenn auch der Doktor keinen Rat mehr weiß, das will uns schwer in den Kopf. Die Kinder Israel versuchten Gott in ihrem Herzen, dass sie Speise forderten für ihre Seele und redeten wider Gott und sprachen: „Ja, Gott sollte wohl können einen Tisch bereiten in der Wüste? Siehe, er hat wohl den Felsen geschlagen, dass Wasser flossen und Bäche sich ergossen. Aber, wie kann er Brot geben und seinem Volke Fleisch verschaffen? Und er ließ das Manna auf sie regnen zu essen und gab ihnen Himmelsbrot. Sie aßen Engelbrot, er sandte ihnen Speise die Fülle. Er ließ Fleisch auf sie regnen wie Staub, und Vögel wie Saud am Meer. Israel hat Gott versucht mit seinem Murren, und du versuchst ihn mit deinem Sorgen. Darum verbirgt er dir oft sein Angesicht. Er geht schlimmer mit dir um, als mit seinem alten Bundesvolke in der Wüste. Diesem gab er selbst auf sein Murren Manna, Wasser und Wachteln. Er gab sie ihnen gleich auf ihre Klage und ließ sie nicht lange warten. Er wollte erst den Glauben in ihnen pflanzen und heranziehen. Zu dir kann er ein größeres Vertrauen haben. An deinem Glauben ist lange genug gezogen. Darum lässt er dich öfters auch länger warten. Wenn ein neugeborenes Kind nach seiner Nahrung schreit, lässt die Mutter alles Andere liegen und eilt, dass sie es stille. Wenn aber ein größeres um Brot schreit, das kann schon eine Weile warten. Es wird darum doch nicht an der Güte seiner Mutter verzweifeln. - Und du, wenn du warten musst, wenn die gewöhnlichen Wege der Hilfe verschlossen sind, sollst nicht an deinem Gotte verzweifeln. Er streitet mit seinen Plagen gegen deine Sünde, er baut, wenn er verzieht mit seiner Hilfe, an deinem Glauben. Forschen sollst du unter seinen Schlägen: „Mein Herr und Gott, was willst du denn abhaben? Welche wilden Zweige vom Baume meines Lebens willst du denn herunterbrechen?“ Bekennen sollst du unter deinem Warten: „Er wird doch kommen. Ich werde ihm doch noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.“ Alle frommen Leute haben ihr Kreuz gar hoch und groß geachtet. Sie sahen darin die Liebe ihres Heilandes, der ihre Seelen nicht wollte verloren gehen lassen; und wenn es schwer war, sprachen sie: „ Herr, du trauest meinem Glauben viel zu! Aber getrost, es ist nicht mein Glaube, sondern dein Glaube!“ Sie sahen das Kreuz als ganz notwendig zur Förderung an. Hieronymus, ein berühmter Kirchenlehrer des Morgenlandes, reiste nach Italien. Auf dem Wege sprach er in einem Gasthause ein und ließ sich zu essen vorsetzen. Während des Essens ließ er sich mit dem Wirt in ein Gespräch ein. Er fragte ihn namentlich, ob er in seinem Leben viel Trübsal zu erdulden gehabt habe. Der Wirt versicherte ihn, er wisse bisher von Leiden noch gar Nichts, ihm sei bisher Alles völlig nach Wunsch gegangen. Von innerem und äußerem Kreuz hatte er Nichts erfahren. Da stand Hieronymus vom Tische auf, griff nach seiner wenigen Habe und eilte auf dem Haufe weg, das Gott noch mit keiner Heimsuchung in Zucht genommen hatte. - Und du möchtest auf deinem Haufe weglaufen, wenn einmal die Segnungen Gottes nicht in der gewöhnlichen Ordnung erfolgen. Du klagest: „Es geht Anderen so viel besser. Ich bin zur Trübsal auserlesen. Er hat mich vergessen. Ich harre von einer Morgenwache zur anderen.“ Ja, harre nur und sei stille -

III. Bis er zuletzt dir doch das Brot der Gnade bricht.

Wie die Sonne hinter den schwärzesten und dichtesten Wolken immer mitgeht, so geht auch Gottes Treue und Sorge hinter aller Trübsal immer mit. Denk nicht in deiner Drangsalshitze, Dass du von Gott verlassen seist, Dass der nur Gott im Schoße sitze, Der sich mit stetem Glücke speist. Die Folgezeit verändert viel Und setzet Jeglichem sein Ziel. - Wer denkt doch zuerst an die Not der versammelten Schar? Ehe einer der Viertaufend ein Wort aufsprach, dass ihn hungere, dachte Jesus an ihren Hunger. Er dachte aber nicht allein daran, er fühlte ihn auch mit. Er spricht: . Mich jammert des Volkes, denn sie haben nun drei Tage bei mir verharrt und haben Nichts zu essen; und wenn ich sie ungegessen von mir heim ließe, würden sie auf dem Wege verschmachten.“ Da leuchtete es durch die Wolke, und der Hauch der Gnade fängt an sie zu zerreißen. So jammert ihn auch deiner. Er fühlt deinen äußern Hunger samt allen anderen Leiden. Er nähme es dir gern ab; aber es muss erst an dir ausgerichtet haben, wozu er es sandte. Es ist ja ein Bote Gottes, der dir heimlich Etwas ins Ohr sagen, oder dir und deinem Hause laut Etwas verkündigen soll. Ihn jammert noch mehr des inneren Hungers. Wenn einer so recht von ferne gekommen ist, sich aus der weitesten Ferne und tiefsten Tiefe des Sündenelendes aufgemacht hat und hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, meinest du, dass er den leer gehen lässt? Er kann es nicht. Sein Herz bewegt sich ihm entgegen. - Siehe die Anstalten, die er trifft, das Volk zu sättigen. Er fragt seine Jünger: „Woher nehmen wir Brot hier in der Wüste, dass wir sie sättigen? Wie viel habt ihr Brote?“ Warum fragt er so? Wollte er etwa einen Überschlag machen, ob er damit ausreichte? Keineswegs, er will im Gegenteil den Jüngern ihre Armut zu Herzen führen. Sieben Brote und ein Wenig Fischlein hatten sie. Sie mögen ihm die Antwort mit betrübtem Gesichte gegeben haben. Es hieß eigentlich: „Herr, es ist so viel wie Nichts gegen die Menge.“ Dabei sollten sie zu dem Glauben kommen: „Und wir haben doch Etwas, wir haben Alles, wir haben dich.“ Du nun, der du auch nicht mehr hast, behalte ihn, und du hast auch Alles. Du aber, der du jetzt auf dein Feld stehst und es in reicher Fülle stehen stehst, der du meinst: „Ich habe genug,“ nimm es zu Herzen, dass du ohne ihn Nichts hast. Der Mensch ist von Herzensgrund eine undankbare Kreatur. Im Herbst, wenn du säst, denkst du fleißig an deinen lieben Gott. Du hast keinen anderen Verlass. Er muss Alles den Winter über zudecken und bewahren. Im Frühjahr, wenn der Schnee weg ist, siehst du nach den Wurzeln deines Korns und freust dich, dass sie fest in der Erde haften, dass es nicht ausgewintert ist durch die Nachtfröste. Im Sommer, wenn die Ernte kommt, siehst du nach der Ähre. Die Wurzel, die die Ähre getragen hat, lässt du in der Erde stecken, und an die lebendige Wurzel aller Wurzeln, den Gott, der Regen, Wachstum und Gedeihen gegeben hat, denkest du gar wenig. So mag denn beides, das Wenige oder Viele, wie es dir gerade gegeben ist, dein Herz wecken zum Glauben an den Herrn deinen Gott. - Darauf gebot Christus dem Volke, dass sie sich auf die Erde lagerten. Auch du musst erst in Demut nieder auf die Knie, ehe du der göttlichen Barmherzigkeit teilhaftig werden kannst. - Sodann hebt er Herz und Hände empor zum Danke gegen seinen Vater, der auch das Wenige gegeben hat. Der Dank auch für die geringste und kleinste Gottesgabe ist die Aussaat auf die größere. Wer gern dankt, dem gibt Gott auch gern wieder. Der Dank ist das Kettenglied, das die alte und neue Gnade mit einander verbindet. Mein Christ, wie steht es jetzt mit dem Danke gegen Gott? Wie steht es um das Tischgebet? Dort in der Wüste betet Gottes eingeborner Sohn, der Mit Recht sagen kann: „Alles, was des Vaters ist, das ist mein.“ Wir aber, die wir Alles allein aus Barmherzigkeit empfangen, wir danken nicht. Ich habe neulich in unserer Schule unsere Kinder gefragt, in wie vielen Häusern noch bei Tische gebetet wird, und kaum die Hälfte der Kinder konnte antworten: „Bei uns, bei uns.“ Geht hinaus in die Wüste und lernt vom Sohn Gottes dem Vater wieder danken. Ihr tut es zu eurem eigenen Segen. Wer Gottes Gabe ohne Dank hinnimmt, gleicht dem Manne, der seinen Krug mit Wasser gefüllt hat und dann die Röhren zerstört, aus denen es geflossen ist. - Nachdem der Herr mit Glauben, Demut und Dank das Volk zum Empfangen gerüstet hat, kommt er zum Austeilen. Er bricht das Brot, und die Jünger legen es vor. Die Augen der Gelagerten hängen an seinen Händen. Er bricht immer weg und es quillt immer zu. Es ist ein sichtbares: „Aller Augen warten auf dich.“ Es läuft durch die Reihen. Die Letzten bekommen ihren Teil wie die Ersten. Sie wurden Alle satt. Es blieben auch noch sieben Körbe Brocken übrig. Sie lagen an der Stätte, wo er sein Gnadenwerk vollbracht hatte. Aber ich sage dir, es gab auch noch andere Brocken, die dabei abfielen. Wen Gott einmal so wunderbar gespeist oder aus anderer Not gerissen hat, dem müssen dabei Brocken im Herzen übrigbleiben, und zwar frische, die nicht verderben. Er kann es nicht vergessen. Der Gnadentag muss vor ihm stehen bleiben. Er muss ihm für alle künftige Nöte gleich wieder eine Zuversicht geben. Das sind köstliche Brocken. - Auch für Andere, die nicht dabei gewesen sind, bleiben sie mit übrig. Kann denn dein Herz, in dem nur noch ein Fünklein Dank wohnt, davon schweigen? Es muss die Wunder Gottes verkündigen in der Gemeine. Auch Freunde, Bekannte und Unbekannte bekommen ihren Teil von den Brocken. - Ebenso mehrt der Herr auch sein liebes Wort, das Brot der Seelen. Ein einziger Spruch, hingenommen in Glauben, Demut und Danksagung, ist im Stande eine hungernde Seele, ja eine ganze Schar auf lange Zeit zu erquicken. Man weiß erst nicht, was in ihm verborgen ruht. Wenn uns aber der heilige Geist dies Himmelsbrot von einem Tage zum anderen bricht, dann haben wir selbst genug und können auch Anderen davon geben. Ein Wort Gottes bringt Brot und Leben in die Wüste. - Doch hängt Alles an jenen drei Fäden: Glaube, Demut, Dankbarkeit. Sind sie durchgerissen, so hast du Keinen, der dein Weniges mehrt. Wer nicht hat, dem wird auch genommen, was er hat. Sind sie durchgerissen, so verdirbt das Viele, was dir Gott geschenkt hatte. Unglaube, Hochmut und Undank sind die Würmer, die deinem Korne den Kern, deinem Brote die Kraft, deiner Habe den Segen ausnagen. Es bleiben dir bloß die leeren Hilfen übrig. Es werden schimmlichte Brocken. Glaube, Demut und Dankbarkeit machen die arme Wüste zu einer Ebene Saron. Hüte dich, dass deine Sünde dein gesegnetes Haus nicht zu einer Wüste und deine Habe zu Sand mache. Amen.

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