Ahlfeld, Johann Friedrich - Ein Blick in den christlichen Hausstand.

Ahlfeld, Johann Friedrich - Ein Blick in den christlichen Hausstand.

(2. Sonntag post Epiphanias)

Die Gnade unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch Allen, Amen.

Text: Ev. Joh. 2, 1-11
Und am dritten Tage ward eine Hochzeit zu Cana in Galiläa; und die Mutter Jesu war da, Jesus aber und seine Jünger wurden auch auf die Hochzeit geladen. Und da es an Wein gebrach, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben nicht Wein. Jesus spricht zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch saget, das tut. Es waren aber allda sechs steinerne Wasserkrüge gesetzt, nach der Weise der jüdischen Reinigung; und gingen je in einen zwei oder drei Maß. Jesus spricht zu ihnen: Füllet die Wasserkrüge mit Wasser, Und sie füllten sie bis oben an. Und er spricht zu ihnen: Schöpfet nun, und bringt es dem Speisemeister. Und sie brachten es. Als aber der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, und wusste nicht, von wannen er kam, (die Diener aber wussten es, die das Wasser geschöpft hatten,) rufet der Speisemeister den Bräutigam, und spricht zu ihm: Jedermann gibt zum ersten guten Wein, und wenn sie trunken geworden sind, alsdann den geringeren; du hast den guten Wein bisher behalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen zu Cana in Galiläa, und offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Nur drei Jahre, geliebte Gemeinde, hat Jesus Christus in seiner Heilandsarbeit unter den Menschen gestanden. Aber wie mannigfaltig sind diese Jahre! An wie vielen Orten tritt er uns entgegen! Unter wie verschiedenen Leuten, bei wie verschiedenen Gelegenheiten begegnet er uns! Wir sehen ihn auf dem Lande, wir sehen ihn auf dem Meere, wir sehen ihn in den Ebenen, wir sehen ihn auf den Bergen. Wozu das? Dass er Land und Meer, Berg und Ebene heilige. Wir treffen ihn beim Gastmahle, wir treffen ihn am Kreuz; wir treffen ihn unter Fröhlichen, wir treffen ihn unter Hungrigen, Krüppeln, Lahmen, Blinden, Tauben, Gichtbrüchigen, und wer will die Reihe der Mühseligen weiter aufzählen, in deren Geleite wir ihn finden? Wozu das? Dass er die Freude und das Kreuz, den Hunger und allerlei Krankheit heilige zur gnädigen Zuchtrute Gottes. Wir sehen ihn unter Kindern, wir sehen ihn an Gräbern. Wozu das? Dass er das Leben heilige zum Leben in Gott, dass er den Tod heilige zur Pforte des ewigen Lebens. Wir finden ihn unter Leuten aus allen Ständen. Vor acht Tagen fanden wir ihn im Tempel unter den Priestern, zu andern Zeiten unter den Zöllnern in der Zollstube, zu andern Zeiten unter den Fischern am Meeresufer oder im Kahne, oder im Hause römischer Soldaten. Wozu das? Dass er jeden Beruf heilige, damit er zur Ehre Gottes und im Namen Gottes geführt werde. Freilich den Beruf eines Diebes oder Betrügers oder Kupplers oder Spielers kann er nicht heiligen. Er taugt ja in der Wurzel Nichts. Es ist auch kein Beruf. Nicht Gott, sondern Welt, Fleisch und Teufel haben dazu berufen. Wir sehen den Herrn schaffen bei Tage, wir sehen ihn ringen bei Nacht. Nacht und Tag soll Gott geheiligt werden. -

Heute sehen wir ihn auf einer Hochzeit. Es ist dies die einzige Hochzeit, die im ganzen Neuen Testament erwähnt wird. Und da ist Christus dabei. Wir würden Etwas vermissen, wenn wir diese schöne Erzählung nicht hätten. Wir wollen ja den, der die Kinder zu sich kommen lässt und segnet, der mit den Toten redet, dass sie leben, der neben der Wiege und dem Grabe steht, auch am Traualtare stehen sehen. Wir wollen ja von dem, der uns zu einem gottseligen Erdenleben und zu einem seligen Himmelsleben einsegnet, auch wissen, wie er den Stand segnet, der, schon im Paradies eingesetzt, so viel zu einem frommen Leben und seligen Sterben mitwirken kann. - Herr, so erleuchte uns denn, dass uns dein stilles Walten in dem Hochzeitshause zu Cana recht lieblich vor die Seele trete. Herr, gib uns rechte Sehnsucht, rechtes Gebet, dass du auch in unsere Häuser segnend einkehrest.

Unser Hauptgedanke für die weitere Erbauung ist:

Ein Blick in den christlichen Hausstand.

  1. Zur Hochzeit wird der Herr geladen,
  2. Er stützt das Haus in Kreuz und Schaden,
  3. Er heiliget die Freud' aus Gnaden:
  4. Drum halte fest an seinen Pfaden.

I. Zur Hochzeit wird der Herr geladen.

Ein jeder Hausstand - wenn er keine wilde Ehe ist, die aber auch den Namen einer Ehe und eines Hausstandes nicht verdient - beginnt mit der Hochzeit. Ehe der Trautag herankommt, werden die Gäste geladen. Sieh, Jesus war in Judäa und in Jerusalem gewesen. Er war eben erst nach Galiläa zurückgekehrt, da bekam er eine Einladung zur Hochzeit zu Cana. Die alten Väter der Kirche erzählen, dass die Familie mit der Maria verwandt gewesen sei. Das lassen wir aber dahingestellt. Genug, als die Gäste von hie und da von den Ufern des Sees hinauswanderten nach Cana, da sehen wir auch ein Häuflein von Vierzehn des Wegs ziehen. Es war Jesus, selbst ein Bräutigam, und mit ihm die ersten Seelen, die ihm Gott verlobt hatte, seine Mutter und seine Junger. Jener Bräutigam in Cana hatte seine Hochzeit nicht ohne ihn feiern wollen. -

Teure Brüder und Schwestern, wenn nun jener Galiläer, von dem wir nicht wissen, ob er schon auf Jesu Namen getauft war, seine Hochzeit nicht ohne ihn feiern wollte: wie dann wir, die wir seine Jünger, die wir seine Nachfolger sein wollen! Hast du ihn denn damals auch zu deiner Hochzeit geladen? Und du, der du daran denkest in den heiligen Ehestand zu treten, der du dir etwa schon eine Braut erwählet hast, hast du auch daran gedacht, ihn zur Hochzeit, ihn in das Haus zu bitten? Wenn die Tage kommen, denkest du umher: „Wen lade ich denn alle ein?“ Und du denkst an deine Verwandten. Vergiss den nicht, der aus ewiger Erbarmung unser Verwandter geworden ist, der unser Fleisch und Blut an sich genommen hat. - Du denkst an deine Freunde. Vergiss den Freund nicht, der aus Liebe zu dir in den Tod gegangen ist. - Du denkst an etliche reiche Gönner, die dem armen Anfänger in seinem Fortkommen etwa förderlich sein könnten. Am meisten förderlich kann dir der sein, dem der Vater alle Gewalt gegeben hat im Himmel und auf Erden. - Du denkst an deine Paten. Vergiss auch den Paten nicht, von dem du den Namen Christ empfangen hast. Der ist Christus. Vergiss den Paten nicht, der dir das reichste Patengeschenk gegeben hat, das Erbe der Kinder Gottes. Als Valerius Herberger, jener fromme und reichbegabte Prediger zu Fraustadt in Posen, sich anno 1590 verheiraten wollte, fragte er sein Mütterlein, wen er zur Hochzeit bitten solle. Sie antwortete: „Schreibet mir den Herrn Jesum obenan.“ Du wirst nun sagen: Wie mache ich es doch, wie lade ich den ein? Einen Brief kannst du ihm nicht schicken. Die Post geht nicht nach dem Himmel, Dein inniges Sehnen, dass er deinen Ehebund heilige, dass er mit in deinem Hause wohne, soll der Brief, und dein brünstiges Gebet soll der Briefträger sein. Glaube es, er bringt seine Ladung sicher hinaus. Nimmt er es denn an? Wird er kommen? Er hat es doch dort in Cana angenommen, warum sollte er es hier nicht annehmen? Du wirst sein Kommen schon merken.

An solchen großen Tagen des Lebens, wie der Hochzeittag, ist das Herz voller von verschiedenen Gedanken, denn je. In einem Kämmerlein wohnt die Freude, dass man eine treue Gehilfin, oder einen festen Lebensgefährten gefunden hat. In dem andern Kämmerlein wohnt die Sorge: „Wie werde ich mit meiner Gehilfin durch das Leben kommen? Ich habe fortan nicht mehr für mich allein zu sorgen;“ und welche andere Sorgen sich um solchen Tag zusammendrängen. Wenn es mitten in diesem Getümmel ab und zu so ruhig, so friedlich, so gewiss wird in den Seelen der Brautleute; wenn es unter den Hochzeitsgästen so still wird, wie wenn sie in der Kirche wären, und dabei doch die Freudigkeit aus den Augen schaut: siehe, da ist er, er hat die Ladung angenommen, er ist gekommen. Du siehst ihn nicht; er ist dir aber so gewiss da, wie wenn du ihn sähest. Wenn in einer frommen, fröhlichen Gesellschaft das Gespräch plötzlich aufhöret, wenn alle Sprecher zuweilen mit einem Male schweigen, dann sagt man wohl: „Es ist ein Engel durch den Saal oder durch die Stube gegangen.“ Hier geht dann der Herr selbst hindurch. -

Aber wir dürfen nicht bei der Einladung, nicht bei der Versammlung der Gäste stehen bleiben. Wir wollen zur Trauung gehen. Das ist die Stunde, wo der Ring eines göttlichen Rates, einer Freude, eines Kreuzes um zwei Herzen geschlungen wird, wo der Diener des Herrn spricht: „Was Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Wer in diesen Augenblicken allein dastehen kann, ohne seinen Herrn zum Schirmherrn des Bundes zu rufen, der muss wenig mit ihm zusammengestanden haben. Wer diese Augenblicke hinlebt ohne Gebet, ohne Anpochen an die Schatzkammern der göttlichen Hilfe, der muss wenig gebetet haben. Nein, lieber Christ, der du einst dort stehen wirst, er, der mit in Cana war, soll ungesehen, aber heiß ersehnt und erbeten neben dir stehen. Und wenn du Ja sagst, soll von dem hohen Chor von der Rechten des Vaters hernieder noch ein Ja herabklingen. Dein Ja soll nur ein Echo von jenem sein. „Weil es der Herr gewollt hat, will ich's auch.“ -

Dies Laden und Rufen zu der heiligen Feier überlass du aber ja keinem Andern. Denke nicht: „Das Reden mit dem Herrn für uns ist des Geistlichen Sache.“ Ja, die Fürbitte ist auch eine treue Hilfe. Aber du weißt, wenn du selbst einen lieben Gast ladest, das ist besser, als wenn ihn ein Anderer ladet. Er kommt sicherer. So lade du dir deinen Herrn auch zur Hochzeit. -

Gehen wir nun aus der Kirche heraus. Die Hochzeitsfeier geht zu Ende. Das junge Paar zieht in sein eigenes Haus. Die Hochzeitgäste kehren zurück in ihre Heimat. Soll der himmlische Gast, soll Christus auch zurückkehren zu seiner himmlischen Heimat? Ist's genug, wenn er mitgebeten gewesen ist? Ist's genug, wenn wir an dem Altar seiner gedacht, wenn wir an dem Hochzeittage seine Nähe gefühlt haben? Nein, wer diese recht gefühlt hat, der will ihn auch mit in sein Haus nehmen; der will ihn nicht als Gast gehabt haben. Er will ihn als dauernden Hausgenossen haben. Wie fangen wir das an? In vielen Gegenden Deutschlands ist es Sitte, dass der Bräutigam der Braut am Verlobungstage ein Gesangbuch mit seinem und ihrem Namenszuge schenkt. Und wenn sie sagt: „Er hat mir das Gesangbuch geschenkt,“ so bedeutet das so viel als: „Wir sind Verlobte.“ Auf dem Ballsaale kann freilich eine solche Verlobung nicht gut Statt finden. Denn Ballsaal und Gesangbuch reimen sich nicht zusammen. Wenn nun das Gesangbuch, wenn das Lied mit seinem Himmelsschwunge die Verlobung bezeichnet, was bezeichnet dann den Ehestand, den Hausstand? Das Wort Gottes, die heilige Schrift. Ihr Mütter macht euch so viel Sorge, dass an der Ausstattung eurer Söhne und Töchter nach eurem Stande Nichts fehle. Habt ihr ihnen denn den besten Hausrat mitgegeben, Gottes teures Wort? Manchen Tisch, manchen schönen Schrank mit Hochzeitgeschenken, silbern und golden und in mancherlei kunstreicher Arbeit, haben wir gesehen. Aber selten liegt das teuerste Geschenk, das rechte Fundament rechten Eheglückes und wahrhaften Hausfriedens in der Mitte. Des äußern Hauses Grund ist ein tüchtiger Füllmund1) und gute Ecksteine. Der Grund des innern Hauses ist das Wort aus Gottes Munde mit dem einen Ecksteine, dem bewährten Steine. Mit dem Worte zieht Christus ein. Mit dem Worte kannst du ihn alle Tage festhalten. Er hat es geredet und reden lassen, dass wir hören; aber auch, dass er es höre und komme. Ihr Eltern, versäumet doch diese Mitgift nicht! Fürwahr, es ist nicht ohne Sinn, wenn die Namen des jungen Ehepaares zusammen auf das Wort Gottes geprägt sind. Sie wissen, in wem sie vereinigt sind. Sie werden sich mühen, dass sie nicht allein aus der Schale dieses Buches, sondern auch in seinem Inhalte herzlich vereinigt neben einander stehen. Und wenn das ist, dann sorget nicht. Dann wird schon ein Anderer sorgen - der, welcher die Seinen nie hat nach Brot gehen lassen. -

Nun aber sagst du vielleicht: „Das Alles habe ich versäumet. Als ich mich verlobte, war der Herr nicht dabei. Als ich meine Hochzeitgäste lud, habe ich den besten Gast vergessen. Als ich in mein Haus zog, habe ich nicht gebetet, dass er mitziehen, dass er meinen Eingang und Ausgang segnen möchte. Was soll ich tun?“ Jetzt sollst du ihn laden. Es ist zwar schade um die schöne Zeit. Lange hätte er bei euch wohnen können. Ihr habt viel schöne Friedenstage verloren. So eilet nun jetzt. Bittet vereint, dass er bei euch Wohnung mache. Kaufet euch den Hausrat zum himmlischen Fortkommen selbst an. Ihr könnt auch noch eure beiden Namen darauf stechen lassen. Und wenn ihr eure silberne Hochzeit feiert, werdet ihr sagen: „Es ist doch um Vieles besser geworden. Vor fünf und zwanzig Jahren wollten wir uns das Haus bauen, jetzt bauet es uns der Herr. Wir haben ihn nicht mitgenommen, aber er ist uns nachgekommen. Nein, wir können in den zweiten Teil der Ehe nicht ohne ihn hineingehen.“ Wie selig ist, der in seiner Hütte wohnet, und in dessen Hütte er wohnet. Ja, selig ist der, denn

II. Er stützt das Haus in Kreuz und Schaden.

Von manchem Ehepaare kann man fast sagen: „Die Not ist ihnen gleich mit angetraut.“ So von diesem hier in Cana. Schon am Hochzeittage geht der Mangel an. Es gebricht an Wein, die Gäste an dem Tage zu bewirten. Es gibt noch solche Ehepaare genug. Wenn man in die Häuser tritt und sieht Armut und Krankheit, muss man häufig die Klage vernehmen: „So ist's gegangen von unserm Ehestande an.“ Und nun folgt ein Register von Trübsal, wo sich immer eine an die andere gereiht hat. Der du so klagest - und zu klagen hat Jeder, wenn auch nicht so bitter - weißt du, wer allen Jammer stillt und jedes Herz mit Trost erfüllt? Jener liebe Hochzeitgast, jener liebe Hausgenosse, der in Cana das Wasser in Wein verwandelte. Schnell hatte er der Not ein Ende gemacht. Geh nur, bitte ihn fleißig und demütig. Du brauchst keinen Fürsprecher, auch nicht die Mutter Maria. Er kann dich herausziehen aus der Tiefe der Trübsal, wie jener Pharao in Ägypten den Joseph aus dem Gefängnis. Vielen seiner Jünger war schon der Vormittag voll Jammer, und der Nachmittag voll Lob in stiller Kammer. Für das Wasser der Trübsal hatte er ihnen Freudenwein eingeschenkt. Soll er dies aber tun, so muss es bei dir auch bestellt sein wie in Cana. Da standen im Hochzeitshause sechs Wasserkrüge nach der Weise der jüdischen Reinigung. Das Gesetz stellt einmal das innere Leben äußerlich dar. Solche Umwandlung von Trauer in Loben und Danken nimmt er nur vor, wo neben der Not die Wasserkrüge, die Tränenkrüge der inwendigen Reinigung, der aufrichtigen Buße stehen.

Aber er hat noch eine andere Weise. Nicht überall nimmt er das Kreuz weg. Wie Viele sind unter uns. die lange getragen haben und immer noch tragen. Er hat auch in Cana das Wasser nicht ausschütten lassen, er hat es in Wein verwandelt. Wenn die Trübsalsfluten über dich kommen, dann forsche gründlich, wer sie schickt. Dein Herr schickt sie. Forsche gründlich, wozu er sie schickt. Er schickt sie zum Heil deiner Seele. Es sind auch Boten seiner Liebe; er hat ihnen aber eine harte Außenseite, ein hartes Gewand anlegen müssen, weil ich die freundlichen Boten verachtete. Sage dir: „Meine Leiden sind Engel Gottes. Um meines Herzens Härtigkeit willen haben sie für das weiche Kleid den rauen Rock Johannis des Täufers anziehen müssen. Meine Leiden sind Führer zum Himmelreich. Um meines Widerstrebens willen müssen sie mit harter Hand angreifen. Ich konnte frei gehen, nun werde ich getrieben.“ Wenn du sie so ansehen lernst, dann werden sie dir wert und teuer werden. Dann verwandelt Christus das Wasser in Wein. Dann wird dein Seufzer zum Dankgebet, dann wird deine Träne zur Perle, deine Last wird deine Lust. Wir haben schon Mörder gehabt, die auf dem Schafott beten konnten: „Vater, ich danke Dir, dass Du mich in den Arm und unter das Schwert der weltlichen Gerechtigkeit fallen lässt. Ich erkenne deine große Erbarmung. Du lässt mich verdammen von dem Richter in dieser Welt, damit Du mir ein gnädiger Richter sein könnest. Habe Dank für den Tod, als meiner Sünden wohlverdienten Sold. Du willst mich damit vom ewigen Tode retten.“ Wer sollte es glauben, dass Christus auch dies bitterste Wasser in Wein verwandeln könnte! Ja, er kann es, er tut es, wenn nur die Wasser- und Tränenkrüge der Reue und Reinigung dagestanden haben. -

Bei wem steht aber die Zeit, wann das Wasser der Trübsal in Freudenwein verwandelt werden soll? Nicht bei dir. Du kannst sie nicht bestimmen. Du kannst nicht sagen: „Jetzt muss es sein, Herr Jesu!“ Du kannst sie nicht herbeisorgen die Stunde der Erlösung. Den Zeiger an der Uhr kannst du vorwärts schieben, aber die Zeit selbst kannst du nicht vorwärts schieben, noch weniger den Rat Gottes. Maria spricht zu ihrem Sohne: „Sie haben nicht Wein.“ Da antwortet er ihr: „ Weib, was habe ich mit dir zu schaffen! Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Das klingt hart, wenn wir Jesum ansehen als einen Menschen wie wir. Wenn er aber aus dem Schoße des Vaters gekommen ist, wenn er dasteht als das Wort, das Fleisch geworden ist, dann kann ihm kein Mensch in sein Werk reden, auch seine Mutter nicht. Als Menschensohn war sie seine Mutter. Als solcher war er ihr untertan, wie wir in dem letzten Evangelio hörten. Aber der Heilige Gottes ist keinem Menschen untertan. Er kennt die rechte Zeit und Stunde. Er lässt sich von Niemand in seinen Rat reden. Die katholische Kirche macht die Maria zur Hauptfürsprecherin bei dem Vater und Sohn. Sie hält vielleicht mehr Gebete zu ihr, denn zu dem einigen Mittler. Aber unser Evangelium treibet uns nicht zu dieser Fürsprecherin hin. Christus spricht zu ihr: „Weib, was habe ich mit dir zu schaffen!“ In diesem Wort und in dem Wunder dieses Tages liegt das zweite Epiphanienstück. Er offenbaret seine Herrlichkeit, seine himmlische Herkunft, sein Regiment, wo er keiner Minister und Räte bedarf. Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Wir lassen den Herrn oft lange genug warten. So kann der Herr auch wohl den Knecht warten lassen. Aber er lässt uns nicht warten aus Lieblosigkeit. Es ist bei ihm keine gesetzliche Rechnung, etwa: „Du hast dreißig Jahre nicht nach mir gesucht, nun will ich mich auch dreißig Jahre nicht finden lassen.“ Das sei ferne. Das hieße ja bei ihm: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Nun, warum wartet er denn? Er kennet dein Herz. Er weiß, wann die Gnadentat, wann die Offenbarung seines freundlichen Angesichts den rechten Eindruck macht. Wenn die Regentropfen fallen in den Tagen, da noch starker Frost in der Erde ist, da gefrieren sie mit, so wie sie niederkommen. Wenn sie aber fallen bei vorgerücktem Tauwetter, dann helfen sie trefflich tauen. Wenn der Herr schon käme, da wir ihm eben erst flüchtig das Angesicht zugewendet haben, so würde der alte, kalte Tod in uns diese Gnade als Raub hinnehmen. Der Gnadenregen würde gefrieren auf dem noch vereisten Herzen. Wenn dies aber im Fortgange der Trübsal anfängt weich zu werden, dann kommt er zur guten Stunde, und sein Kommen fördert das innere Tauwetter mächtig. Er weiß die rechte Stunde. Er kommt nicht zu früh, er kommt auch nicht zu spät, damit das Herz, das weich war, nicht erst wieder hart werde in Unglauben und Verzweiflung. Auch in Cana ist seine Hilfe gerade in der Zeit gekommen, wo die Herzen am offensten und bereitesten waren sie zu erkennen und ein Epiphanienfest zu feiern. -

Als er sein Werk vollbracht, als er das Wasser in Wein verwandelt hatte, und der Speisemeister kostete den Wein, der Wasser gewesen war, spricht der Speisemeister zum Bräutigam: „Jedermann gibt zuerst den guten Wein, und wenn die Gäste trunken geworden sind, alsdann den geringeren. Du hast den guten Wein bisher behalten.“ Horcht, der Mann redet aus der Welt. So ist es der Welt Sitte. Sie gibt zuerst das Beste, das sie hat. Sie reicht ihren Dienern zuerst den Taumelkelch. Sie macht sie trunken mit ihrer Lust. Darüber vergessen sie den Geschmack der Freundlichkeit Gottes. Wenn das geschehen ist, müssen sie nehmen, was sie ihnen einschenkt. Wir könnten es uns nicht erklären, wie sich so Viele. wohl befinden können bei den elendesten Träbern und bei dem schalen Wein der Weltlust, bei den schnödesten Freuden, wenn nicht die Welt Gewissen und Verstand vorher in ihrem Taumelkelch ertränkt hätte. Ein süßer rauschender Vorschmack, und ein bitterer, schaler Nachschmack, das ist die Geschichte ihrer Freuden. Umgekehrt ist es bei dem Herrn. Er lässt die Gäste erst den Wein trinken, so arm und so schlecht ihn das Haus hatte. Dann gibt er seinen Gnadenwein. Gerade so macht er es in dem Leben der Seinen. Erst tischt er ihnen die Kreuzgerichte auf, erst reicht er ihnen den Trauerkelch. Der macht keinen trunken, aber Viele betrübt. Sie klagen wie die Prophetenschüler gegen Elisa: „O Mann Gottes, der Tod ist im Topf!“ oder wie Israel in der Wüste: „Mara, wie bitter, wer kann das trinken!“ Harre aber nur aus. Trinke deinen bitteren Kelch, so lange ihn der Herr dir reicht. Was betrübst du dich, meine Seele? Harre aus: denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist. Der rechte Bräutigam gibt zuletzt den guten Wein. Er tröstet uns wieder im Leben mit seiner Gnade. Er gibt uns den freudigen Geist, der uns aufrecht erhält. Dieser wird nun und nimmer ein Taumelkelch. -

Die rechte Erquickung findet statt, wenn er uns tränket vom Gewächs des Weinstocks im Reich Gottes. Er selbst ist der rechte Weinstock. Ja, er hat den guten Wein zuletzt behalten. - Du sagst von deinem äußern Leben, von Mühe und Arbeit, so oft: „Es ist wahr, ich habe einen schlimmen Vormittag: ich will ihn aber gern tragen, wenn mir nur der liebe Gott einen guten Nachmittag beschert.“ Sage es hier auch. Die Zeit des Kreuztragens zur Heiligung ist der Vormittag. Es wird der Nachmittag kommen, wo du erkennst, wozu du gearbeitet hast. Es wird der Abend kommen, wo du in Frieden sitzest unter deinem Weinstock und unter deinem Feigenbaum, Es wird die Nacht kommen. Aber es ist keine Nacht. Denn auch Finsternis nicht finster ist bei ihm. Die Nacht leuchtet wie der Tag, Finsternis ist wie das Licht. - Kann er das Kreuz so verklären, so muss er noch mehr die Freude verklären können.

III. Er heiliget die Freud' aus Gnaden: Drum halte fest an seinen Pfaden.

Es mag doch eigen bei jener Hochzeit hergegangen sein. Alle kannten seine Tat, und er war unter ihnen. Zu einer lauten, wilden Freude kann die Hochzeitfreude nicht geworden sein, Sie wussten ja, wer in sich und seiner Gabe das beste Hochzeitgeschenk gegeben hatte. Aber um so tiefer drängte sie sich in die Herzen hinein. Nach einer Seite muss sie ja hin. Die Krankheit hebet sich, wenn sie sich auf die äußern Teile wirft; sie wird schwerer, wenn sie ins Innere hineindringt. Die Freude verfliegt, wenn sie sich in äußerem Jubel offenbart; sie wird inniger und tiefer, wenn ich sie still bei mir trage. Hast du deinen Herrn bei dir als Hausgenossen im Hause, so wird alle deine Freude diesen Charakter annehmen. Du sagst: „Ihm verdanke ich sie. Es ist eine teure Gabe aus seiner Hand. Es ist ein Unterpfand seiner Liebe gegen mich armen Sünder. Ich habe sie mir nicht erworben, ein Zufall hat sie mir nicht gegeben. Ich freue mich nicht meiner, ich freue mich nicht des Zufalls, ich freue mich des Herrn meines Gottes.“ Wert sind uns die Bergeshöhen mit ihren Blumen und Kräutern und ihrem schattigen Walde. Aber werter werden sie noch geachtet, wenn Goldadern durch ihre Tiefe gehen. Lieblich ist jede Freude, die Gott im Hause beschert. Solche Freudentage sind die Höhepunkte des Lebens. Aber wenn durch diese Höhen die Goldadern des Glaubens gehen, dann ist die Freude vollkommen. Der Herr ist dann in der Freude. Du freust dich in dem Herrn. -

So mag er euch denn alle Freuden eures Hausstandes verklären. Freude ohne ihn ist nur Wasser. Durch seine Gegenwart wird es erst in Wein verwandelt. Soll die Freude dauern, so muss er sie heiligen. Soll sie recht in die Tiefe des Herzens gehen, so muss er sie hineintragen. Alle sündliche Freude wird wegfallen, wenn ihr ihn zum Freudengenossen haben wollt. Freuet euch eures Ehebundes, weil er in ihm geschlossen ist, in ihm geführt wird. Freuet euch eurer Kinder, weil er sie wiedergeboren hat aus dem Wasser und aus dem Geist. Freuet euch eures täglichen Brotes, weil ihr das Brot des Lebens dazu habt. Freuet euch des Friedens in dem Hause, weil er von dem Friedenfürsten kommt. Dann hat das Haus Grund und Boden, und ist nicht auf Sand gebaut. Dann wisst ihr auch, wo ihr in den bösen Tagen Rat, Mut und Kraft hernehmen sollt. Aber Eines vergesset nicht, was wir in unserm vorigen Evangelio hatten: lasset ihn euch nicht verloren gehen. Und wollt ihr ihn recht fest halten, so schreibet euch in eure Hausordnung, in euer Tagwerk, stets das Wort der Maria obenan: Was er euch saget, das tut! Dann feiert ihr viele schöne Epiphanientage, Tage, wo euch Christus seine Herrlichkeit im Hause offenbart. Amen.

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Fundament
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