Unbekannt - Zur "Pfingstbewegung"
Es ist lehrreich, heute, wo die sogenannte „Pfingstbewegung“ so vieler Sinne berückt und verblendet hat, ein Zeugnis aus alten Tagen zu hören. Ein Herr Baxter, der in der irvingianischen Bewegung auch in diese Strömung hineinkam, erzählt, wie es ihm dabei erging. Wir geben seine Darlegungen wieder, er schreibt:
„Da ich dafür hielt, daß in der Heiligen Schrift keine Bedingung aufgestellt ist, die die Kundgebungen des Heiligen Geistes in der apostolischen Zeit begrenzen und dabei schmerzlich fühlte, wie der Unglaube überhand nahm, so war ich bereit, angesichts des Formenwesens und der Lauheit in der Kirche, unsre Ansprüche auf Inspiration zu prüfen, und ich sehnte mich selbst na den Geistesgaben nach dem apostolischen Gebot: „Strebet aber nach den besten Gaben!“ Ich erkannte wohl, daß nichts anderes, als eine Ausgießung 1) des Heiligen Geistes die Kirche zu tätigem Leben erwecken würde, und daß nichts andres als die Macht Gottes, im Zeugnis sich kundgebend, dem Strom des Unglaubens, der auf uns einströmt, Einhalt gebieten könne. Ich betete deshalb viel für eine solche Ausgießung und für ein Zeugnisablegen und sehnte mich danach.
Als ich bemerkte, daß Seelen, die diese Gaben beanspruchten, einen rechtschaffenen Wandel führten, und daß die Macht, die sich kundgab, augenscheinlich eine übernatürliche war, daß sie überdies Zeugnis dafür ablegten, daß Christus im Fleisch erschienen war, so hieß ich das, was ich sah, als ein Werk Gottes willkommen.
In einer Gebetsversammlung wurde ich denn auch selbst zum ersten Mal von der Macht ergriffen, und unter heftigem Sträuben dagegen mußte ich in lauter, befehlender Stimme reden, ein Sündenbekenntnis ablegen und prophezeien, daß die Boten des Herrn hinausziehen würden bis an die Enden der Erde, das nahe Kommen des Herrn zu verkündigen.
Von diesem Vorfall war ich vollständig überwältigt, und ich war mir ganz klar und deutlich bewußt, daß hier eine Macht in mir wirkte.
Als ich eines Tages über das Abirren meiner Gedanken beim einsamen Gebet sehr betrübt war, kam plötzlich die Macht über mich, und meine Seele wurde zu Gott emporgehoben, meine Gedanken blieben in ihm gewurzelt, und Seelenruhe kehrte bei mir ein.
Durch einen Zwang, den ich nicht beschreiben kann, mußte ich reden, während ich zu gleicher Zeit vor jeder Aeußerung zurückbebte. Was ich dann redete, war ein Gebet, daß der Herr mir die Geistesgaben verleihen möge, den Geist der Weisheit, der Erkenntnis, des Glaubens, Wunder zu tun, Kranke zu heilen, zu weissagen, in Zungen zu reden, daß er mir die Lippen auftun möge, seinen Namen zu verkündigen. Dies Gebet wurde mir abgezwungen durch die Macht, die mich innerlich beherrschte, und meine Worte waren so laut, daß ich mein Taschentuch vor den Mund hielt, damit der Schall meiner Worte das Haus nicht beunruhige. Als ich das letzte Wort geredet hatte, verließ mich die Macht, die mich getrieben hatte, und ich war voll Verwunderung und fest überzeugt: „Das ist der Geist Gottes!“
Ich muß bezeugen, daß, wenn ich auf all das Vergangene zurückblicke (jetzt weiß ich, daß es vom Teufel war), ich mich erinnere, daß, sobald die Macht auf mir war, ich Freude und Frieden im Heiligen Geist fühlte, und ich kann selbst jetzt noch nicht durch das Gefühl allein unterscheiden, daß sich dies nicht in Wahrheit so verhielt.
In einer Versammlung, während der Ansprache des Geistlichen, ergriff mich die Macht, und ich mußte reden, und zwar mit lauter Stimme und zwei Stunden lang. Ich redete in Prophezeiungen über die Kirche, zeigte ihren gegenwärtigen Zustand und ihre zukünftige Herrlichkeit und sprach von der Wiederkunft des Herrn. Ich war in keinerlei Erregung, ich fühlte nur Frieden und Ruhe. Die Worte leuchteten mir, ohne vorheriges Denken, ohne Erwarten oder irgendwelchen Plan oder daß ich sie in Ordnung gebracht hätte, in den Sinn. Es war alles das Werk eines Augenblicks, und ich war nur das passive Werkzeug der Macht, die mich gebrauchte.
Mr. Irving sprach seine Zweifel darüber aus, ob er mir gestatten solle, in der Kirche zu reden. Da kam die Macht über mich, ich tadelte ihn über seine Worte und suchte ihn durch Gründe zu überreden, bis er sich schließlich niedersetzte und nicht wußte, was er machen sollte. Darauf kam die Macht über Miß R., die Mr. Irving sagte, er dürfe sich meinem Reden nicht widersetzen. Dies genügte ihm, und er gab nach.
Menschen, die noch niemals von einer Macht, außer den bloßen Einfällen, die man in der Aufregung hat, ergriffen worden sind, muß es unerklärlich erscheinen, wie Menschen dahin gebracht werden können, ihr eigenes Urteil hinzugeben und auf den Impuls hin zu handeln, ohne daß sie es wagen, die Macht zu untersuchen. Der Vorgang ist jedoch sehr einfach und vollkommen logisch.
Obschon ich daran gewöhnt war, die Kraft meines eigenen Verstandes im Oeffentlichen wie im Nichtöffentlichen, im Amt wie bei religiösen Versammlungen, bei Erkenntnisentwicklungen und Erklärungen zu prüfen, so fand ich hier plötzlich inmitten meines gewohnten Ganges, eine Macht über mich kommen, die mir vollständig neu war; ein unnatürliches und in den meisten Fällen ein selbst erschreckendes Reden wurde mir gegeben, und ich konnte mit großer Klarheit über das Wort Gottes reden und hatte Freiheit, zu beten. Mir war es klar, daß diese Macht übernatürlich war und deshalb im Geist wirksam sein mußte. Sie schien mir Zeugnis für Christus abzulegen, und ich kam mit Unvermeidlichkeit zu der Schlußfolgerung, daß es der Geist Gottes sei.
Der Irrtum ist furchtbar, wenn ein verführerischer Geist für den Heiligen Geist angesehen und aufgenommen wird. Je ernster und frömmer ein also verführter Christ ist, desto unbedingter ist sein Gehorsam, und wenn Gott nicht in Gnaden dazwischen tritt, ist Befreiung unmöglich.
Um jene Zeit wurde das Meisterstück im Betrug der Lehre vollbracht durch die Verkündigung der „Feuertaufe“, die ich von der Zeit an lehrte. Es wurde „in Sprachen“ verkündigt, daß der Herr wiederum Apostel senden wolle, und daß dann durch Handauflegen der Apostel die Feuertaufe vom Himmel folgen würde, die das Fleisch besiegen und die Sünde ausbrennen und den Jüngern Christi die volle Freiheit des Heiligen Geistes und schließlichen Sieg über die Welt mitteilen würde. Ein gleichzeitiges Wirken jener Macht in zwei oder drei Seelen ereignete sich dann beständig, die dann dieselben Prophezeiungen aussprachen.
Bei solchen, deren Sinne genügend vorbereitet sind, ist es dem Satan ein leichtes, seine Täuschungen nach und nach zu entwickeln, und Schritt für Schritt vorangehend bringt er es zuwege, seine Opfer in Täuschungen und Schwärmereien einzuführen. Erst kommt er mit falschen Lehren, dann leitet er sie auf Irrwegen in die Irrtümer hinein, denen sie, wenn die nötige Vorbereitung gefehlt hätte, sich niemals hingegeben haben würden, und der bloße Gedanke an solche Dinge würde Schaudern in ihnen erregt haben.
Viele redeten, von einem bösen Geist getrieben, und Mrs. C. Und Mrs. E.C. Standen stark unter jenen Einflüssen. Dies machte mir große Sorgen, denn ich war gerade dazu angetrieben worden, zu verkündigen, daß eine von ihnen zum geistlichen Amt berufen sei.
Ich betrachtete jedoch meine Zweifel als Versuchung und ruhte unbedingt im Vertrauen auf den Spruch: “ Ein jeglicher Geist, der da bekennt, daß Jesus Christus ist in das Fleisch gekommen, der ist von Gott„ und war überzeugt, daß kein Geist, der dies bekannte, vom Satan sein könne. Hatte ich nicht dies Bekenntnis zu verschiedenen Malen durch den Geist, der durch mich und andere redete, gehört? Doch ich hätte wissen sollen, daß ein bloßes Bekenntnis in Worten noch kein Beweis ist, daß der Geist aus Gott ist, und hätte noch weiter untersuchen müssen, ob dieser Geist auch diese Wahrheit wirklich dartun würde.
Zur selben Zeit wurden die Ansichten Mr. Irvings weiterhin bekannt, nämlich, daß das Gesetz des Fleisches und das Gesetz der Sünde auch in Jesu sei, jedoch niedergehalten durch den Heiligen Geist. Im April 1832 schrieb mir Mr. Irving: „Ich glaube, daß das Fleisch Jesu Christi nicht besser war als anderes Fleisch, aber er empfing den Heiligen Geist in solchem Maße, daß er dem Hang des Fleisches, der Welt und Satan gegenüber widerstehen konnte.“
Darauf suchte ich Mr. Irving persönlich auf und teilte ihm meine Ueberzeugung mit, daß wir alle durch einen Lügengeist und nicht durch den Geist des Herrn geredet hätten.
Ein Punkt an diesen Kundgebungen ist die offenbare Herabsetzung und Verachtung des Verstandes. Es ist ja wahr, der Verstand muß sich ebensowohl unter die göttlichen Geheimnisse wie unter die Lehren des Heiligen Geistes beugen. Der Apostel ermahnt uns jedoch, am Verstand keine Kinder zu sein, sondern Männer, und er betet für die Epheser um „erleuchtete Augen des Verständnisses“ und für die Kolosser, daß sie erfüllt werden mit „allerlei geistlicher Weisheit und Verstand“ und Timotheus schreibt (er)2): „Der Herr wird dir in allen Dingen Verstand geben!“ Es ist klar, daß die Gnade Gottes und das Lehren des Heiligen Geistes den Verstand reinigt und erweitert, und daß wir Unterscheidungsvermögen erhalten für Wahrheit und Irrtum. Dies Vermögen muß angewendet und durch das Wort und den Geist gestärkt werden, und der Mann Gottes wandelt nach seinem erleuchteten Verstand in dem Maße, als Gott ihm Licht gibt. Ich bin nun fest davon überzeugt, daß der Geist, der sich in uns allen kund tat, stets strebte, das geistliche Verständnis beiseite zu schieben und seine Nachfolger in absolute Unterwerfung unter seine Aeußerungen zu bringen.
Ein weiteres Kennzeichen, auf das ich hier hinweisen möchte, ist der Geist der Trennung, der eine Grenze zieht durch die Annahme oder Verwerfung jener Aeußerungen. Er weist eine große Menge gläubiger Bekenner ab und nimmt solche, die diese „Aeußerungen“ annehmen, in die Kirche auf.
Quelle: Gärtner - Eine Wochenschrift für Gemeinde und Haus 1909