Stiller, Erich - Psalm 21.
Dieser Psalm wird von Etlichen so ausgelegt, dass er von der Obrigkeit zu verstehen sei; aber es finden sich einige Stücke in demselben, die von keiner Obrigkeit auf Erden können gesagt werden. Die Worte, dass Gott langes Leben immer und ewig gebe, und zum Segen setze ewig, gehen offenbar weder auf David noch auf irgendeinen gewöhnlichen Menschen, sondern sind solche Eigenschaften, die allem einer göttlichen Person zukommen, deswegen wir auch denen beistimmen, welche sagen, dieser Psalm handle von Christus. Ja von Christus handelt dieser Psalm, und es wird im ersten Teile Christus der König beschrieben, und im zweiten Teile geweissagt, dass seine Hand alle finden werde, die ihn nicht als König anerkennen, und von ihm sich nicht wollen leiten und regieren lassen.
Fragen wir, was ist Christus für ein König, so antwortet uns David, Christus ist ein König, der sich wie sonst keiner der Kraft und Hilfe Gottes erfreut, dem Gott seines Herzens Wunsch gibt und dem er nichts verweigert, was sein Mund bittet; er ist ein König, den Gott mit seinem Segen überschüttet, weil er ihn ohne Maß mit dem heil. Geiste gesalbt; er ist ein König, dem Gott eine goldene Krone auf das Haupt gesetzt, d. h. dem er alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben und Alles ihm untertänig gemacht hat, dass alle Knie derer sich vor ihm beugen, die im Himmel und auf der Erde und unter der Erde sind; er ist ein König, dem Gott langes Leben gibt immer und ewig! Weltliche Fürsten und Herren sterben, aber Christi Lebenslänge kann nun Niemand ausreden, nachdem er sein Leben zum Schuldopfer gegeben hat! Christus ist ein König, der große Ehre von Gott hat, da Gott ihn zu seiner Rechten gesetzt hat, dass ihn alle Engel Gottes, ja alle Kreaturen anbeten und loben sollen; er ist endlich ein König, den Gott zum Segen gesetzt hat ewig!
Ja wohl zum Segen ewig! - Seine Wunden sind stets fließende Quellen, - sie haben sich vom Anfange her ergossen, und ergießen sich noch täglich über die ganze Kirche in viele tausend Herzen; sein Herz ist ein Schatz voll göttlicher Liebe, welche bisher seine Gläubigen reichlich genossen haben, die wir jetzt genießen, und die andere nach uns eben so reichlich genießen werden. Christus, unser König, ist ein unendlicher Brunnen und eine Hauptquelle aller Gnade und Wahrheit, Gerechtigkeit und Weisheit, die ohne Maß, ohne Ende und ohne Grund ist, so dass kein Tropfen davon abgehen würde, wenn auch die ganze Welt so viel Gnade und Wahrheit herausschöpfte, dass eitel Engel daraus würden.
Darum, geliebte Christen! schenkt nur getrost ein, und trinkt mit Lust und Freude! Freut euch eures Königs und huldigt ihm; ergreift, fasst und haltet ihn nicht mit den Händen, sondern mit dem Herzen. Tut die Tore weit auf, lasst einziehen den König der Ehren; und wo er eingezogen ist, da erkennt ihn fort und fort als den König, hört als treue Untertanen seine Stimme, und folgt ihm.
Wer von euch dieser Sache noch nicht recht nachgedacht hat, den bitte ich, er wolle es doch heute tun; denn was nicht aus dieser Quelle fließt, ist alles lauter Heuchelei, Lüge und Betrug! Was ein Leib ohne Seele, und ein Baum ohne Saft ist, das ist ein Christ außer der Gemeinschaft mit Christo. Ja außer derselben ist Niemand ein Christ zu nennen, denn gleichwie Leib und Seele durch das natürliche Band verbunden, einen Menschen machen, so machen Christus und ein Mensch durch den Glauben vereinigt, einen Christen. So strebt denn, ihr christlichen Herzen, dass ihr zu der wahrhaftigen und wirklichen Gemeinschaft mit Christus gelangen, dass er in euch und ihr in ihm leben möget, wozu ihr getauft und berufen seid. Lasst euer stetes Seufzen sein: Herr Jesu, mein König, du in mir und ich in dir!
Werdet nicht irre in dieser Huldigung, weil es viele gibt, die den Herrn nicht anerkennen, und doch von Gott im Zeitlichen gesegnet sind, werdet nicht irre in euerm Glauben, weil hier und da Feinde Christi in seiner Kirche austreten; in unserm Psalm ist schon darauf hingewiesen, wie es endlich diesen ergehen wird; Deine Hand, heißt es, wird finden alle deine Feinde! Unter den Feinden Christi sind zunächst die Juden verstanden, welche Christum also hassten, dass sie ihn töteten. Die Strafe, welche hier vorhergesagt wird, ist, Gott werde sie verwerfen, werde ihre Stadt und ihren Tempel mit Feuer verbrennen, und sie selbst endlich in den höllischen Feuerofen werfen; - und diese Strafe soll nicht bloß sie treffen, sondern auch ihre Kinder, ihren Samen und ihre Nachkommen, welche Gott zu Schultern, d. h. zu Knechten anderer Völker machen werde, von denen sie mit großer Last beschwert werden sollten. Diese Weissagung gilt aber auch allen Feinden des Herrn! O möchtet ihr alle beim Anblick der Nachkommen Abrahams euch an die Wahrheit erinnern, dass ein gerechter Gott im Himmel ist, der die Sünde der Väter heimsucht an den Kindern, und ein jeder sich freuen, in den Gnadenbund Jesu Christi aufgenommen zu sein.
Ja, Geliebte! jauchzt dem Herrn und lobsinget seinen Namen, dass er uns errettet hat von der Obrigkeit der Finsternis, und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes! Jauchzt dem Herrn, dass der Vorhang zerrissen ist, der uns und unsern Gott voneinander trennte, dass die Predigt des Evangeliums ausgeht in alle Lande! Lasst euch Niemand das Ziel verrücken! Wie ihr den Herrn Jesum angenommen habt, so wandelt auch in ihm, und seid gewurzelt und erbaut in ihm, und seid fest im Glauben, wie ihr gelehrt seid; seht zu, dass euch Niemand beraube durch die Philosophie und lose Verführung nach der Menschen Lehre und nach der Welt Satzungen, und nicht nach Christo! Lasst euch keinen prächtigen Schein, keinen Beifall großer und hoher Weltleute, keine Ehre, keine Herrlichkeit, keinen Reichtum der Welt und keine Deutelei von der Einfalt und Wahrheit der evangelischen Lehre abwendig machen. Vergafft euch nicht an der äußerlichen Pracht bei einem Gottesdienste, lasst euch den goldenen Becher nicht also gefallen, dass ihr euch bereden lasst, daraus zu trinken. Gedenkt, dass die apostolische Kirche, wie ihr Erlöser gewesen ist, armselig, niedrig und gedrückt, und nicht mit Perlen, sondern mit Tränen geschmückt, - gedenkt, dass unser Erlöser nicht auf hohem Rosse in Jerusalem einzog, sondern voll Demut auf dem Füllen der lastbaren Eselin. Hat unsere Kirche auch oft nur ein Becher von schlechtem Metalle, so schenkt sie doch daraus, die lautere Liebe Gottes, das heilige und reine Blut Jesu Christi, und den süßen und ungefälschten Trost des Heiligen Geistes.
Weil wir aber solches wissen, meine Liebsten, so lasst uns nicht kleinmütig zagen, wenn auch Wogen der Trübsal an das Schifflein der Kirche anschlagen, wenn auch unsere Feinde gedenken, uns Übles zu, tun, und machen listige Anschläge. Wir wollen uns nur reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes, und fortfahren in der Heiligung, und so durch unsern frommen und tugendhaften Wandel beweisen, dass wir Jesum als unsern König anerkennen und seine wahren und treuen Untertanen sind! - Kommt, und hört Gottes Wort, und geht hin und sucht in der Heiligen Schrift, ob es sich also verhalte, als ihr gelehrt werdet, erbaut auch auf euern allerheiligsten Glauben durch den heiligen Geist und betet! Ja betet: Herr erhebe dich in deiner Kraft! Und der Herr wird die Sennen gegen das Antlitz unserer Feinde richten und das Brünnlein Gottes wird feinlustig bleiben, und wir werden singen und loben die Macht des Herrn!
Amen.