Stiller, Erich - Psalm 13.
Dieser Psalm enthält
Ein Gebet Davids in Traurigkeit und Herzensangst.
Wir werden zuerst daran erinnert, dass auch die Frommen vielfaches Kreuz und Leiden haben, und dann angewiesen, zu Gott in aller Not gläubig zu beten und für erhaltene Hilfe zu danken.
Herr, wie lange willst du mein gar vergessen? Wie lange verbirgst du dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele, und mich ängstigen in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben? So beginnt David. Er schickt mit betrübtem Herzen eine Klage zu Gott, dass er mit seiner Hilfe so lange verziehe, und es das Ansehen habe, als erhöre er ihn nicht mit seinem Gebete. Man sieht aus dieser Klage, dass es manchmal mit den Kindern Gottes dahin kommt, dass sie keine Ruhe, keinen Trost, keinen Rat und keine Hilfe bei sich selbst, oder auch bei andern Menschen und in zeitlichen Dingen finden, sondern nur Betrübnis, Sorge und Mühe, wohin sie die Augen und Herzen wenden; sie sind den Schiffsleuten auf dem Meere gleich, welche nichts als den mit trüben und dicken Wolken bedeckten Himmel über sich, und das sausende und brausende Meer unter sich sehen; sie sind wie die Taube Noahs, die hin und her flog, über dem Gewässer, der Sündflut, und nichts fand, da ihr Fuß ruhen konnte. Manchem machen die Herzeleid, welche ihm Trost und Freude erwecken sollten, manchen stoßen die nieder, welche ihm aufhelfen sollten! Hier wird einer von seinen Freunden und Verwandten verlassen und verachtet, und dort findet ein Anderer nichts in seinem Hause, als Armut und Mangel, und sieht nichts als Abgang der Nahrung und Jammer und Unglück! Und wenn Mancher auch äußerlich hat, was er verlangen möchte, so hat er leicht eine beängstete Seele und ein unruhiges Herz, ein verletztes Gewissen und einen zerknirschten, armseligen Geist.
O ihr mühseligen und beladenen Herzen, die ihr also leiden müsst, haltet fest an der Gottseligkeit und an eurer Hoffnung, bleibt Gott getreu bis in den Tod; werft euer Vertrauen nicht weg, das eine große Verheißung hat; - und wenn sich eure Feinde über euch erheben und sprechen: Was hast du von deinem Christentum, von deinem Glauben, von deinem Almosen, von deinem Gebete und von deiner Gottseligkeit? O dann antwortet mit Freudigkeit: Meine Hoffnung! Sprechen sie: du bist und bleibst verlassen und elend und trostlos, so antwortet: Ich warte auf den getreuen Gott, von dem geschrieben steht: Er kann der Armen nicht ganz vergessen, und die Hoffnung der Elenden wird nicht verloren sein ewig! Sprechen sie: Du bist arm und musst dich kümmerlich erhalten mit den Deinen, so antwortet: Ich hoffe auf den reichen Gott, der es mir an keinem Gute wird mangeln lassen, und der nur Gedanken des Friedens und der Liebe über mich hat, auch wenn ich fragen sollte: Wo nehme ich Brot her, dass ich mich und die Meinigen nähre? Sprechen sie: Du bist eine trostlose Witwe und eine verlassene Waise, so antwortet: Ich hoffe auf Gott, der ein Richter und Retter der Witwen, und ein Vater der Waisen ist! Sprechen sie: du bist in Not und Gefahr, und die Trübsal der letzten Zeiten sind vorhanden, so antwortet: Ich hoffe auf Gott, dessen Hand nicht verkürzt ist, dass sie nicht helfen könnte, auf den Herrn, der die Seinen kennt, der mich in seine Hand gezeichnet hat, aus welcher mich niemand reißen wird! Sprechen sie: Du musst aber sterben, wie der Gottlose auch stirbt, so antwortet: Ich hoffe auf Gott, der die Toten lebendig macht, auf Jesum, der ein Fürst des Lebens, ja das ewige Leben ist! Meine Hoffnung lässt mich nicht zu Schanden werden! Mein Hoffen ist besser, als der Welt haben; mein Erwarten ist gewisser, als der Welt Besitz; mein Nichts ist mehr, als der Welt Alles; meine Traurigkeit ist besser, als der Welt Freude; mein Seufzen ist süßer, als der Welt Jauchzen; mein Tod ist besser, als der Welt Leben; denn ich hoffe auf Gott!
Und will es dir, o arme Seele, schwer werden, so zu sprechen und dich so zu verhalten, so tue nur, was David tat bei dem Gefühle seiner Not, und bei dem Spotte seiner Feinde; er wendete sich an Gott. Schaue doch, und erhöre mich, Herr, mein Gott, betete er. Erleuchte meine Augen, dass ich nicht im Tode entschlafe, dass nicht mein Feind rühme, er sei mächtig geworden, und meine Widersacher sich nicht freuen, dass ich unterliege. Ich hoffe darauf, dass du so gnädig bist; mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst. So sprichst auch du, bekümmerte Seele! Eile in kindlicher Zuversicht zu deinem Gott, und entdecke ihm Alles! Denke nicht, dass man die Not, die man keinem Menschen klagen darf, auch Gott nicht klagen dürfe; er ist ein Vater und ein getreuer Gott; er hat die Not aller seiner Kinder von Anfang an gewusst und sie haben ihm nichts verhehlen können; warum willst du denn nicht dein Herz vor ihm ausschütten? Denke nicht, dass du etwa zur Unzeit kommst, die Nacht ist so finster nicht, dass er dir nicht gerne sollte dienen, du hast durch Christum einen freien Zutritt zu ihm alle Tage und alle Stunden. Bringe ihm deine Not vor, so gut du kannst; wenn du es auch mit einfältigen Worten tust, er ist gerne zufrieden, wenn nur dein Herz voll Hoffnung und Vertrauen auf seine Gute, und voll Verlangen nach seiner Hilfe ist.
Scheint es manchmal, als ob Gott auf dein Gebet nicht achte, o so lass nur nicht nach in ihn zu dringen, wie es David im Psalme tut; sprich getrost: Herr, wie lange willst du mein vergessen? Wie lange birgst du dein Antlitz vor mir? Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele und mich ängstigen in meinem Herzen täglich? Wie lange soll sich mein Feind über mich erheben? Bin ich nicht dein Kind? Hast du mich nicht in der Taufe angenommen, und mir deine väterliche Liebe in Ewigkeit versprochen? Hast du nicht meine Seele mit dem teuren Blute deines Sohnes Jesu Christi erkauft und erworben? Hast du mir nicht das Siegel des heiligen Geistes in mein Herz gedrückt, der in demselben seufzt: Abba, lieber Vater! Mein Herz hält dir vor dein Wort: Rufe mich an in der Not und ich will dich erretten! Herr, ich lasse dich nicht, du segnest mich denn; ich werde so lange vor deiner Gnadentüre liegen und schreien und anklopfen, bis mir aufgetan wird! Herr, ich hoffe auf dich, dass du so gnädig bist, und mein Herz freut sich, dass du so gerne hilfst!
Ja so bete, o christliche Seele, und lasse nicht nach zu ringen. Gewiss Gott wird dir Hilfe senden, um die dein Auge tränt, und all dein Unglück wenden, aus dem du dich gesehnt.
Hat dir aber der Herr geholfen, dann sprich von Herzensgrund: Ich will dem Herrn singen, dass er so wohl an mir tut! Opfere dem Herrn Dank und bezahle ihm deine Gelübde! Gott will Dank zum Opfer haben; je weiter du den Mund auftust, um ihm Dank zu singen, desto mehr gießt er hinein. Jeder Dank erwirbt eine neue Wohltat! Die Flüsse entspringen aus dem Meere und kehren wieder zurück in das Meer; und so leitet das Gebet die Gnadenströme Gottes herab, und die Danksagung leitet sie wieder hinauf! Vergiss nicht, was der Herr dir Gutes getan hat, und danke ihm dafür allezeit, - sein Lob soll immerdar in deinem Munde sein! Alles, was in mir ist, lobe den Herrn!
Amen.
Wer löst mich von den Sklavenketten?
Wer schafft in meinem Innern Ruh?
Wer kann mich von der Sünde retten?
Nur du, Allgütiger, nur du!
Ein Strahl von deiner Gnade gnüget.
Zur seligsten Genesung mir;
O send' ihn, dass mein Glaube sieget!
Und ewig, ewig dank' ich dir!
Amen.